Protokoll der Sitzung vom 21.01.2004

Die Gutachter empfehlen im Bericht zum Ziel 2Programm - das ist ein Zitat -

„eine stärker als bisher auf Innovation ausgerichtete Förderstrategie, die gleichzeitig an die bestehenden Entwicklungspotenziale des Landes anknüpft und sowohl auf Wachstum und Beschäftigung orientiert ist."

Anders ausgedrückt: Die Gutachter der Landesregierung bescheinigen ihr, dass ihre Strukturpolitik zu wenig auf Innovationen, zu wenig auf die Potenziale Schleswig-Holsteins, zu wenig auf Wachstum und zu wenig auf Beschäftigung ausgerichtet ist. Das soll der Hit oder - wie es Kollegin Schümann gerade ausgedrückt hat - das Flagschiff unter den Förderprogrammen sein? - Ich frage mich - so etwas Ähnliches habe ich heute Morgen schon gehört -, was die kleinen Schiffe dahinter zustande bringen; ich glaube, der Kollege Eichelberg hat das gesagt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir wollen damit überhaupt nicht sagen, dass das, was der Wirtschaftsminister jetzt als Umstrukturierung und Neuausrichtung vorgelegt hat, falsch sei. Im Gegenteil: Wir halten zum Beispiel die jetzt unterstrichenen Punkte wie Tourismus und maritime Wirtschaft sowie die anderen Dinge, die immer wieder betont worden sind, für außerordentlich wichtig.

Es ist schade, dass es bisher nicht so erfolgt ist. Aber wenn es jetzt in die richtige Richtung geht, werden wir es außerordentlich begrüßen.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Regionalprogramm ist - und da sind wir uns in der Bewertung einig - das zentrale Instrument für die Förderung der regionalen Wirtschaft in Schleswig-Holstein. Die Diskussion geht nicht darum, ob es das zentrale Instrument ist, sondern darum, wie man es einsetzt.

Das Programm gilt für den Zeitraum von 2000 bis 2006. Nun haben wir die Hälfte der Programmlaufzeit erreicht und von daher macht es Sinn, Bilanz zu ziehen und zu schauen, ob die gesteckten Ziele erreicht worden sind oder nicht.

Da die EU-Kommission eine Halbzeitbewertung des Regionalprogramms fordert, ist es umso sinnvoller. Ich glaube, es ist ein Prozess, der zu Recht von der EU gefordert wird. Denn die EU achtet sehr darauf, dass ihre Fördermittel nicht in unsinnige Projekte gesteckt werden.

Eine Zwischenbilanz kann natürlich dazu führen, dass Schwerpunkte verlagert werden und genau das ist hier passiert. Die Begutachtung durch die Gutachter sagt nicht, alles sei toll. Sie sagt, es sei gut gefördert worden, aber es müsse korrigiert werden.

Im Wesentlichen stimmen die Ziele. Das sagen die Gutachter ebenfalls. Das muss man auch festhalten. Die wesentlichen Schwerpunkte stimmen, aber es müssen Korrekturen vorgenommen werden. Diese Korrekturen hängen auch damit zusammen, dass bestimmte Dinge erreicht sind, sodass man diesbezüglich jetzt nicht weitermachen muss. Das gilt zum einen für Gewerbegebiete. Die Gutachter sagen, insbesondere in den Förderregionen gebe es genug Gewerbegebiete. Das lässt sich auch nachvollziehen. Es gibt sicherlich noch Gegenden, wo Mangel

(Karl-Martin Hentschel)

herrscht, zum Beispiel der Hamburger Rand. Nur, diese sind keine Fördergebiete.

Zweitens gilt dies für die Technologiezentren. Ich habe heute Morgen schon gesagt: Wir haben in Schleswig-Holstein eine flächendeckende Versorgung mit Technologiezentren, mehr als in jedem anderen Bundesland. Sie laufen teilweise gut, teilweise laufen sie nicht so gut. Insbesondere der technologische Aspekt hängt eben doch sehr stark davon ab, ob es in der Nähe Hochschulen gibt und ob es in der Nähe entsprechende Impulse gibt. Wo das nicht der Fall ist, besteht immer die Gefahr, dass Technologiezentren nicht ihren eigenen Zweck verfolgen, sondern lediglich Räume in Gewerbegebieten bieten.

Die Technologieschiene soll weiterhin, genauso wie bisher, eine wichtige Rolle spielen. Ich nenne dazu Gesundheitswirtschaft, maritime Verbundwirtschaft, Mikrosystemtechnik und Windenergie. Nahrungsmittelproduktion und Tourismus kommen neu hinzu.

Diese Technologieschiene halte ich für ganz entscheidend; denn damit werden neue Betriebe geschaffen. Ich kann mir aus der Sicht meiner Fraktion vorstellen, dass wir im Technologiebereich eher noch zulegen müssen. Ich glaube, dass das ein ganz zentraler Punkt ist und dass wir alles tun müssen, um zu gewährleisten, dass wir dort, wo es gute Impulse von einzelnen kleinen Betrieben, von Leuten die neu anfangen, oder von Leuten, die schon länger arbeiten und gute Technologien haben, diese unterstützen und alle Mittel mobilisieren können, die möglich sind. Ich denke, insoweit tun wir eher noch zu wenig.

Kommen wir zu den Bereichen, die neu empfohlen worden sind. Das sind die Nahrungsmittelproduktion und der Tourismus. Auch in der Nahrungsmittelproduktion wird es nicht darum gehen, einfach bestehende Strukturen zu fördern. Es muss vielmehr darauf ankommen, dass man fragt, wo Dinge neu entwickelt werden können, wo mit neuen Technologien, mit neuen Methoden gearbeitet werden kann, wo es neue Marktlücken gibt, für die etwas entwickelt werden kann.

In der Tat ist es ein wenig erstaunlich, dass ein Land, das in der Landwirtschaft sehr stark ist - wir sind ja von der Produktivkraft unserer Landwirtschaft her eines der führenden Länder in der Bundesrepublik -, gleichzeitig in der Nahrungsmittelproduktion, in der Ernährungswirtschaft, ständig verloren hat. Man muss fragen, warum das so ist. Ich denke, das hängt eng mit der Struktur unserer Nahrungsmittelwirtschaft zusammen. Wir haben traditionell häufig genossenschaftliche Strukturen. Diese genossenschaftlichen Strukturen - ich denke als Beispiel an die Zuckerrü

ben, aber auch an den Molkereibereich - befinden sich einfach in der Situation, dass die Träger, die Besitzer, die Genossenschaften, also die Bauern, kaum investieren, kaum bereit sind, zusätzliche Mittel zu geben, und dass der Konkurrenzdruck groß ist. Dadurch entsteht natürlich die Tendenz zum Zusammenlegen. Dann kommen die großen Genossenschaften aus Niedersachsen und schlucken die schleswigholsteinischen, und schon sind sie weg.

Es hängt in diesem Bereich also auch an den Betriebsstrukturen, die überprüft werden müssen, die meiner Ansicht nach häufig nicht mehr der aktuellen Situation angemessen sind und die zu einer chronisch schwachen Kapitaldecke führen, was wiederum dazu geführt hat, dass wir im Bereich der Nahrungsmittelwirtschaft viel verloren haben. Dort muss nachgebessert werden.

Ich komme zum Schluss. Der letzte Bereich ist der Tourismus. Wer nach Mecklenburg sieht, weiß natürlich, dass wir insoweit einen riesigen Nachholbedarf haben, den wir kaum finanzieren können. Das, was man dort finanzieren kann, ist eine endlose Geschichte. Wir müssen konzentriert herangehen und mit wenigen Leuchtturmprojekten versuchen, attraktive Situationen zu schaffen, die dann auch in der Werbung bundesweit und europaweit eine Bedeutung haben können. Als Beispiel nenne ich den Wiederaufbau von Haithabu.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP])

Er hat ja jetzt in ganz kleinem Maßstab begonnen. Das wäre für mich ein Projekt, das europaweite Ausstrahlungen haben könnte. Man vergleiche das nur mit dem, was in Tintagel in Cornwall gemacht worden ist, wo aus einem puren Felsen ein Mythos geschaffen wurden, der mittlerweile in Romanen und in Sonstigem weltweit transportiert wird und zu dem Hunderttausende kommen. Haithabu als die ehemalige Wikingermetropole des Nordens hätte eine ähnliche Chance. Diese sollte genutzt werden. Das ist etwas, was ich massiv unterstützen werde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Regionalprogramm 2000 ist Nachfolger des ehemaligen Regionalprogramms für strukturschwache ländliche Räume und hat trotz veränderter Strukturen im Grunde immer noch das gleiche Ziel, nämlich den notwendigen Strukturwandel in den strukturschwachen Regionen an der Westküste, im Landesteil Schleswig oder auch in Ostholstein durch die Stimulierung von Innovation, Wachstum und Beschäftigung positiv zu begleiten.

Das Regionalprogramm 2000 besteht neben eigenen Landesmitteln hauptsächlich aus Mitteln der GAFörderung und aus den EFRE-Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Da das EU-Programm EFRE noch bis zum Jahr 2006 laufen wird und da das Regionalprogramm zu 60 % aus EFRE-Mittel gespeist wird, können wir trotz der drohenden Kürzung der GAMittel des Bundes immer noch davon ausgehen, dass das Regionalprogramm zumindest bis 2006 Bestand haben wird.

(Rolf Fischer [SPD]: Es wird bis 2008 abge- wickelt!)

Wir befinden uns jetzt also etwa in der Mitte der Programmlaufzeit. Daher ist es - nicht nur, weil die Europäische Union es fordert, sondern auch aus Landessicht - vernünftig, ein Fazit der bisherigen Ergebnisse zu ziehen und etwaige Änderungen der Schwerpunktsetzungen vorzunehmen. Diese Zwischenevaluation liegt jetzt in Form eines ausführlichen Berichts vor. Dabei ist es positiv, dass die Experten und Gutachter der Bertelsmann-Stiftung dem Regionalprogramm durchweg gute Noten geben.

Von dem Gesamtvolumen des Regionalprogramms von 360 Millionen € sind bisher rund 220 Millionen € verplant worden. Mit diesen Mitteln sind viele zukunftsweisende Projekte auch im nördlichen Landesteil unterstützt worden. Beispielhaft kann man hier die Campushalle in Flensburg nennen, die bereits erwähnt wurde, aber auch das Walhaus und die Einrichtung einer Wal-Ausstellung im Multimar in Tönning oder auch der Umbau und die Erweiterung des Kurmittelhauses in Damp. Also auch schon seinerzeit haben wir über diesen Weg Tourismusförderung betrieben.

Die Zwischenbilanz der Landesregierung bestätigt aber die Kritik des SSW, dass die bisherige Verteilung der geplanten Fördermittel eine Konzentration auf den Regionkern Kiel und auf Ostholstein-Lübeck aufweist. Angesichts der unterschiedlichen Ausgangslage der Regionen und des Qualitätswettbewerbs zwischen diesen ist das keine Überraschung. Kiel und

Lübeck haben als große Universitätsstädte mit breit gefächerter Wirtschaftsstruktur ein besseres Knowhow, um geeignete Projekte für das Regionalprogramm auf die Beine zu stellen. Dennoch erwartet der SSW, dass die Landesregierung die bisherige ungleiche Mittelverteilung für die Restlaufzeit des Regionalprogramms zugunsten der nördlichen Regionen verändert.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn die Schaffung von gleichen Lebensverhältnissen ist auch ein Ziel des Regionalprogramms und darf nicht hinten herunterfallen.

Die von der Landesregierung vorgeschlagene neue Schwerpunktsetzung bis 2006 kann der SSW nachvollziehen. So macht es beispielsweise keinen Sinn, weitere Gewerbeflächen oder Technologie- und Gewerbezentren zu fördern. Davon haben wir schon genug im Land, und somit ist hier eine ausreichende Basis für Existenzgründungen und Ansiedlungen geschaffen worden. Insoweit ist dies als Erfolg zu werten.

Die verstärkte Förderung des Tourismussektors ist dagegen der richtige Weg. Das wirtschaftliche Potenzial ist in diesem Bereich bei weitem noch nicht ausgenutzt. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass wir weitere Marktanteile an Mecklenburg-Vorpommern verlieren. Gerade der strukturschwache ländliche Raum kann und muss sein Tourismusangebot ausweiten und verbessern. Es bestehen hier wirkliche Chancen, gerade den Norden zu fördern.

Eine gezielte Förderung seitens des Landes wäre hier hilfreich. Das setzt aber auch voraus - das hat zunächst einmal mit dem Programm im engen Sinne nichts zu tun -, dass große Projekte nicht aus ideologischen Gründen von vornherein torpediert werden. Das hängt zusammen, meine Damen und Herren.

Noch wichtiger für die Zukunft der strukturschwachen Regionen ist aber aus Sicht des SSW eine verstärkte betriebliche Innovationsförderung, damit wir die wirtschaftlichen Entwicklungspotenziale der Regionen besser nutzen. Dazu gehört auch die von der Landesregierung angekündigte Cluster-Bildung, sei es in der Gesundheitswirtschaft, in der maritimen Wirtschaft, in der Biotechnologie oder auch in der Windenergie. Diesen Weg kann der SSW unterstützen. Allerdings fehlen uns seitens der Landesregierung etwas mehr detaillierte Planungen darüber, wel

(Lars Harms)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst

che Cluster dann auch die regionalen Zentren vor Ort, zum Beispiel Flensburg, ganz konkret bilden sollen.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Soll sich Flensburg als Gesundheitsstandort oder mit der maritimen Wirtschaft profilieren? Sie, Herr Minister, werden glücklicherweise Gespräche in Flensburg führen. Das haben Sie gerade eben angekündigt, und ich glaube, das ist auch ein guter und ein richtiger Weg. Außerdem gibt es aber auch an der Westküste bisher nur eine wirkliche Cluster-Bildung, nämlich die rund um Itzehoe und Brunsbüttel. Wir schlagen vor, einen zweiten Cluster im Westen rund um Husum zu bilden,

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD], Lothar Hay [SPD] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

der sich mit erneuerbaren Energien und mit nachwachsenden Rohstoffen beschäftigt. Denn das ist das, was die Region vor Ort herausbilden will und auch herausbilden kann. Das sollten wir unterstützen. Auch diesbezüglich müssen dringend Gespräche zwischen der Region rund um Husum und der Landesregierung erfolgen, damit auch dort Nägel mit Köpfen gemacht werden können.

Das hat etwas mit dem Ausbau des Hafens zu tun und natürlich auch mit der Lenkung von Wirtschaftszweigen in diese Cluster-Region, denn so konsequent sollten wir dann auch sein. So könnten wir durchaus vorhandene Stärken des Nordens besser nutzen als bisher. Diese Stärken zu nutzen, ist Aufgabe der Landespolitik. Der Norden will keine Almosen, aber ebenso wie andere Regionen mit seinen Stärken gefördert werden. Und hierzu gibt es genügend Ansatzpunkte, die die Landesregierung aufgreifen kann und die wir dann mit Sicherheit auch positiv begleiten werden.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Eichelberg das Wort.

(Unruhe)