Protokoll der Sitzung vom 21.01.2004

Niemand aus den Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte mehr das Werbeschlagwort für diese Programme in den Mund nehmen. Es lautete nämlich - sinngemäß nach Wolfgang Baasch -: ASH III und ASH 2000 sind die Flaggschiffe unserer erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik. Wenn das die Flaggschiffe sind, dann möchte ich den Rest der Flotte gar nicht mehr kennen lernen.

(Beifall und Lachen bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, nennen Sie uns doch bitte ganz konkrete Beispiele, mit welchen Maßnahmen des Programms ASH 2000 die folgenden von Ihnen formulierten Ziele erreicht worden sind: Sie wollten als Erstes dauerhaft Arbeit schaffen. Ist dieses Ziel erreicht worden, wenn nur knapp über 1 % aller Arbeitslosen durch Ihr Programm dauerhaft in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelt werden konnten? - Für die CDU-Fraktion ist das ein unzureichendes Ergebnis.

Die rot-grüne Landesregierung formulierte als weiteres Ziel ihres Arbeitsmarktprogramms, den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein stärken zu wollen. Stärkt man den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein, wenn man durch staatlich unterstützte Arbeitsmarktprogramme auch dem eigenen Mittelstand Konkurrenz macht? - Für die CDU-Fraktion sind die Auswirkungen einer solchen Arbeitsmarktpolitik nicht diskutabel.

Ich weiß, dass Sie jetzt die Konkurrenzsituation zur privaten Wirtschaft abstreiten werden. Darauf bin ich vorbereitet, das gehört zu den Ritualen dazu. Daher nenne ich Ihnen ein konkretes Beispiel: Der Bund deutscher Landschaftsarchitekten weist in einem Schreiben vom 15. Dezember 2003 auf erhebliche Konkurrenzsituationen zwischen Maßnahmen des zweiten Arbeitsmarktes und der privaten Wirtschaft hin. Und der Bund deutscher Landschaftsarchitekten nennt Tätigkeiten von Beschäftigungsträgern im Bereich der ökologischen Gestaltung von Schulhöfen, von Schulbiotopen, der gärtnerischen Ausgestaltung von Kindertagesstätten und Naturspielräumen. Die Landschaftsarchitekten führen weiter aus, dass die freie Wirtschaft sich gegenwärtig nicht gegen die Konkurrenz von mit öffentlichen Mitteln subventionierten Regiebetrieben behaupten kann. Entlassungen

(Torsten Geerdts)

seien unausweichlich. - Auch das sind die Realitäten und die Auswirkungen Ihrer Arbeitsmarktpolitik.

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe von der SPD)

- Es ist gut, dass gerade auch Frau Schümann jetzt dazwischenruft. Wir haben in Neumünster auch aus diesem Grund die Konsequenz gezogen, sie lautet: Die von der Stadt getragene Beschäftigungsgesellschaft wird im Jahr 2004 aufgelöst.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP - Zuruf der Abgeordneten Jutta Schü- mann [SPD])

Einzelne bisher in der Regie der Stadt durchgeführte Maßnahmen - die Aufschreie hier im Haus sind größer als die Aufschreie der Betroffenen vor Ort - werden auf die freien Träger übertragen. Das haben wir am 2. Dezember beschlossen. Ich sage es noch einmal: Den Aufschrei, der hier gerade fabriziert wird, gibt es vor Ort nicht. Zwischenzeitlich sitzen unter Vorsitz des sozialdemokratischen Sozialdezernenten Politik, Unternehmensverband, Handwerkerschaft, Industrie- und Handelskammer und die Wohlfahrtsverbände an einem Tisch und entwickeln Beschäftigungsprogramme, die nicht dazu beitragen, dass es eine direkte Konkurrenz zur heimischen Wirtschaft gibt. Das ist ganz konkret unsere Politik.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiteres Ziel Ihrer Arbeitsmarktpolitik ist es, Menschen für die Zukunft zu qualifizieren. Das ist aus unserer Sicht die zentrale Aufgabe. Sie ist allerdings auch am schwierigsten zu lösen. Ein Großteil der Schulabgänger ist weder ausbildungsreif noch ausbildungsfähig. Diese unversorgten Schulabgänger sind in der Gefahr, eine lebenslange Karriere innerhalb der sozialen Sicherungssysteme zu durchlaufen. Von daher ist es richtig, bei der Neuausrichtung des Arbeitsmarktprogramms, des Programms für den zweiten Arbeitsmarkt - auch wir bekennen uns zu diesem Programm - den Schwerpunkt verstärkt auf die Qualifizierung von Schulabgängern zu legen.

Meine Damen und Herren von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ein weiteres Ziel Ihrer Arbeitsmarktpolitik ist es - dies muss ich jetzt wortwörtlich zitieren -, „die Nachhaltigkeit als Leitidee der ökologischen und ökonomischen Entwicklung SchleswigHolsteins zu fördern.“ Das ist zwar eine wunderschöne Lyrik, sie bringt aus unserer Sicht aber kaum einen Menschen konkret in Beschäftigung. Nennen Sie uns hier und heute fünf konkrete Beispiele Ihrer Arbeitsmarktpolitik, wie Sie durch die Nachhaltigkeit als Leitidee die ökologische und ökonomische Entwick

lung Schleswig-Holsteins in den letzten Jahren ganz konkret gefördert haben. Die Maßnahmen des zweiten Arbeitsmarktes müssen in einer noch größeren Zahl in Beschäftigung münden. Wenn wir das mit diesem Instrument nicht erreichen können, muss man andere Ziele in der Politik formulieren und beschließen.

Ich will Ihnen einige nennen. Es war richtig, den Schwellenwert für die Anwendung des Kündigungsschutzes von fünf auf zehn Arbeitnehmer bei Neueinstellungen durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Gut wäre es gewesen, wenn man sich auch entschlossen hätte, betriebliche Bündnisse für Arbeit gesetzlich zu regeln. Auch damit helfen wir Arbeitslosen direkt vor Ort. Es war richtig - wie freuen uns, dass am Ende auch die SPD zugestimmt hat und diesen Weg mitgegangen ist -, die Zumutbarkeitsregelungen deutlich zu verschärfen. Die Einschränkung auf die tariflichen und ortsüblichen Löhne, die den Zugang für Langzeitarbeitslose zum allgemeinen Arbeitsmarkt praktisch versperrt hatte, wurde wieder aufgehoben. Auch die SPD hat in Berlin zugestimmt.

Der Vorschlag der FDP ist richtig, Unternehmen Lohnkostenzuschüsse zu gewähren, die gering qualifizierte Arbeitslose einstellen. Das ist eine ganz konkrete Hilfe, die dauerhaft integriert. Für die Ausrichtung der neuen Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung - darauf legen wir Wert - ist es wichtig, dass die Zuständigkeiten bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe von den Kommunen wahrgenommen werden können. Dafür müssen die Bedingungen geschaffen werden. Wir glauben, dass die Sozialämter mit ihrer Nähe zur Klientel eher in der Lage sind, arbeitsfähige Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

(Beifall bei der CDU)

Grundvoraussetzung ist allerdings - auch das will ich für die CDU-Fraktion deutlich formulieren -, dass die Haushaltsmittel, die zurzeit der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit zur Verfügung stehen, auf die Kommunen, auf die Sozialämter übertragen werden. Sonst kann diese Politik nicht funktionieren. Das muss daher geregelt werden.

(Beifall bei der CDU)

Die Kommunalpolitiker müssen jetzt sehr schnell von Ihnen, Herr Minister Rohwer, erfahren, welche der bisher 35 gültigen Förderinstrumente aus dem Programm ASH 2000 gestrichen werden. Wir müssen uns vor Ort nämlich darauf einstellen. Daher brauchen wir hier eine zügige Festlegung der Landesre

(Torsten Geerdts)

gierung. Wir halten es für richtig, dass Sie gesagt haben: Wir werden weniger Förderinstrumente haben. Wir werden eine Konzentration vornehmen. - Ich sage Ihnen noch einmal: Wir sollten uns auf den Bereich Qualifizierung der Schulabgänger und der Menschen mit Behinderung konzentrieren. Daran können wir konkret arbeiten.

Die CDU-Landtagsfraktion - das will ich noch einmal sagen - hält es gerade nach der Vorlage dieses Berichtes für richtig, dass die Zuständigkeit für die Arbeitsmarktpolitik in das Wirtschaftsministerium gewandert ist.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich sage auch ganz deutlich, dass wir damit eine Hoffnung verbinden, nämlich die Hoffnung, dass wir einen solch desaströsen Bericht nicht noch einmal als Bilanz vorgelegt bekommen. Das ist keine aktive Arbeitsmarktpolitik. Das ist keine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik. Es ist vielmehr ein Flop. Damit wurde zu wenigen Menschen bei einem zu hohen Mitteleinsatz wirklich geholfen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Birk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Glückwunsch, Frau Ministerin Lütkes! Die erfolgreichsten und preisgünstigsten Qualifizierungsmaßnahmen mit Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt laufen im Jugendstrafvollzug.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von 651 Teilnehmenden haben 371, das heißt 50 %, einen Arbeitsplatz erhalten.

(Lachen bei der CDU)

- Sie lachen. Natürlich habe auch ich erst einmal geschmunzelt, als ich dieses Beispiel gelesen habe. Ich sage auch gleich einschränkend: Wie lange sie diesen Arbeitsplatz allerdings in Freiheit behalten, darüber gibt es keine Statistik. Immerhin wissen wir, dass durchschnittlich pro vermittelten Teilnehmer im Programm ASH 2000 - ich verweise auf Programmpunkt 14 - nur knapp 4.000 € ausgegeben werden mussten. Wir ahnen, dass es sich hierbei überwiegend um männliche Teilnehmer handelt.

Jetzt kommt vielleicht ein Punkt, bei dem Sie weniger lachen werden. Im Übrigen finde ich, dass wir eigentlich für jede der erfolgreichen Vermittlungen klat

schen müssten. Das ist nämlich kein lächerlicher Punkt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ebenso überraschend erfolgreich sind die Maßnahmen im Rahmen von „Arbeit statt Sozialhilfe“ seit 1999, Herr Rohwer. Bekanntermaßen war dies keine Aufgabe des Arbeitsamtes, sondern eine Aufgabe der kommunalen Beschäftigungsgesellschaften. Hier wurden 25 % der Maßnahmen erfolgreich mit der Vermittlung eines Arbeitsplatzes im ersten Arbeitsmarkt abgeschlossen. Das hat nur durchschnittlich 6.500 € pro vermittelten Teilnehmer gekostet. Ob es sich allerdings hier um eine dauerhafte Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt handelt, wissen wir nicht, denn Transferzahlungen des Arbeitsamtes und andere öffentliche Subventionen für einen dauerhaften Arbeitsplatz hat die FDP in ihrer Großen Anfrage gar nicht wissen wollen, aber auch das Sozialministerium, wie es selber sagt, nicht wissen können. Ebenso wenig erfahren wir, ob diese Maßnahmen für Männer oder für Frauen den größeren Erfolg zeigen, denn weder das Arbeitsamt noch die Beschäftigungsgesellschaften des Landes oder der Kommunen unterscheiden nach Männern und Frauen. Auch beim Programmpunkt 1 des neuen Programms ASH 2000 - hier geht es um die erfolgreiche Vermittlung von Sozialhilfeempfängern und -empfängerinnen in den ersten Arbeitsmarkt; es handelt sich inzwischen immerhin um fast 16.000 Fälle, wobei der Kostenaufwand 1.300 € pro erfolgreich vermittelten Teilnehmer beträgt - haben wir leider keine Geschlechterstatistik.

Das Fazit aus diesen Beispielen zeigt schon: Selbst Antworten zu relativ schlichten Fragen, wie sie die FDP gestellt hat, kann das Arbeitsamt durchgängig gar nicht und die Landesregierung infolgedessen nur eingeschränkt geben. Ein Teil dieses Dilemmas ist der mangelnden Rückmeldung von Unternehmen und Arbeitssuchenden oder gar dem Datenschutz geschuldet, aber nur ein Teil.

Wie wenig Motivation das Arbeitsamt, aber auch die für das Land für das Arbeitsmarktprogramm tätige BSH aufbringen, brauchbare Statistiken und Analysen zu erstellen, zeigt die Geschlechterfrage. Auch nach 20 Jahren Gleichstellungspolitik mit entsprechender Gesetzgebung und trotz zwingender Vorschriften der EU und des Europäischen Sozialfonds, Daten zu Arbeitsmarktmaßnahmen nach Geschlecht zu differenzieren, sehen sich diese Institutionen dazu nicht verpflichtet. Das färbt natürlich auf die kommunalen Beschäftigungsgesellschaften ab. Hier gibt es offensichtlich einen Mangel an demokratischer Kontrolle.

(Angelika Birk)

Herr Garg, Sie schlagen nun vor, das Arbeitsamt zu zerschlagen. Sie machen einen interessanten Vorschlag, wie man diese Behörde in drei verschiedene Institutionen aufteilen kann. Ich finde diesen Diskussionsvorschlag wirklich interessant. Wir müssen uns aber auch hier Gedanken über eine demokratische Kontrolle machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ja das Hauptdilemma, weswegen die Kommunen sagen: Lasst die Langzeitarbeitslosen doch in unserer Hand. Wir arbeiten wenigstens effizient. - Ich meine, das Beispiel von „Arbeit statt Sozialhilfe“ gibt ihnen Recht. - Wir haben damit - dies muss man einräumen - ein gewisses Maß an sozialer Kontrolle.

(Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte keine Zwischenfragen. Später können wir gerne einen Dialog führen.

Was zeigen nun die Erfolge? Dort, wo die soziale Nähe wie auch die soziale Kontrolle am größten ist - nicht zufällig ist dies in den Strafanstalten, aber auch auf ganz andere Art in den kommunalen Beschäftigungsgesellschaften der Fall -, gelingen die besten kurzfristigen Vermittlungen. Ob es sich hierbei um eine langfristige soziale Stabilisierung der Betroffenen oder gar um die Schaffung neuer Arbeitsplätze handelt, können wir aus den Erfolgsquoten nicht schließen.

Die FDP macht es sich mit ihrer Analyse, Herr Garg, aber zu einfach, wenn sie der Landesregierung vorwirft, das Programm „Arbeit für Schleswig-Holstein“ schaffe keine neuen Arbeitsplätze. Für diese Aufgabe ist weder ASH noch das neue Hartz-Paket geschaffen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das habe ich über- haupt nie irgendwo gesagt!)