(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das habe ich über- haupt nie irgendwo gesagt!)
- Sie haben gesagt: nicht zielgenau. Sie haben ferner deutlich gemacht, dass das Geld Ihres Erachtens in den Sand gesetzt worden sei. So pauschal können Sie das aus den leider mangelnden Daten nicht schließen. Denn es handelt sich bei diesen Maßnahmen nur um Versuche, mehr Verteilungsgerechtigkeit in Bezug auf die bekanntermaßen immer weniger vorhandenen Arbeitsplätze zu schaffen, nicht mehr und nicht weni
Außerdem ist ASH nur ein Ausschnitt. Es hat gar nicht den Anspruch, die Arbeitsmarktprogramme des Arbeitsamtes insgesamt oder die Wirtschaftspolitik zu ersetzen. Es ist ein Nischenprogramm; machen wir uns das klar.
Mit diesem Nischenprogramm werden ganz gezielt besondere Gruppen angesprochen. Das wird deutlich, wenn Sie die einzelnen Programmpunkte sowohl von ASH III als auch von ASH 2000 durchgehen. Was sich diesbezüglich allerdings an Effekten und Verbindungen zur Wirtschaftspolitik ergibt, wird in der Großen Anfrage leider überhaupt nicht deutlich; denn Sie haben nicht danach gefragt, Herr Garg. Das ist schade, weil die Antworten interessant hätten ausfallen können. Der Minister hat zu Beginn einige Skizzierungen vorgenommen. Ich denke, das sollten wir im Ausschuss vertiefen.
Ich erlaube mir einige ergänzende Hinweise: Die Städtebauförderung, insbesondere die Maßnahmen des Programms „Soziale Stadt“, haben nachgewiesenermaßen einen Wertschöpfungsfaktor von 1 : 8 und sind hoch beschäftigungsintensiv. Wohnungsbau und Förderprogramme im ländlichen Raum haben ebenso kurzfristige und nachhaltige Arbeitsplatz- und Wertschöpfungseffekte. Eventuell können wir uns an dieser Stelle überlegen, wie wir zu einer stärkeren Verzahnung kommen, auch was die Regionalfonds angeht.
Wir sollten im Ausschuss auch unsere Überlegungen zum Niedriglohnsektor vertiefen; denn wir kommen mit einer Dequalifizierungsoffensive, wie sie von CDU und FDP immer wieder offensiv gefordert wird, nicht weiter. Wir brauchen eine Qualifizierungsoffensive. Wir brauchen bezahlte, qualifizierte Arbeitsplätze. Dies gelingt nicht, wenn wir immer mehr Menschen zwingen, jede, aber auch jede Arbeit, egal zu welchem Tarif und was es beschäftigungspolitisch langfristig bringt, anzunehmen.
Ich möchte an dieser Stelle Herrn Baasch für seine Äußerung zum zweiten Arbeitsmarkt danken. So habe ich es aufgefasst, als er die Subvention von öffentlicher Beschäftigung unterschrieben hat. Ich habe mir daraufhin die ABM-Zahlen angeschaut, Herr Rohwer. Sie haben im Ausschuss verschiedentlich ausgeführt, dass Sie sie nicht so überzeugend finden. Immerhin wurden bis 1999 mehr als 10 % - mit den Einschränkungen der Validität der Daten, die ich vorhin skizziert habe; aber das gilt für alle Antworten - in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Wenn man sich vor Augen führt, dass die öffentliche Hand zu
mindest bei ABM in den letzten zehn Jahren überhaupt nicht an Dauerarbeitsplätze gedacht hat und solche nur im Ausnahmefall anvisiert hat - das geschah sehr erfolgreich beim Programm „Betreute Grundschule“ -, dann ist das eine gute Zahl.
Angesichts dessen sind die entstandenen Kosten, wenn man sie im Detail studiert, gar nicht so hoch. Ich denke nur an das Kulturgut in Lübeck. Dieses Kulturerbe würden wir nicht kennen, wenn nicht in den 70er- und 80er-Jahren hunderte, ja tausende Menschen im Rahmen von ABM das, was unter der Erde liegt, ausgegraben hätten. Nie im Leben ist daran gedacht worden, in der Denkmalpflege oder in der Archäologie Dauerarbeitsplätze zu schaffen. Aber die Wertschöpfung, die die Stadt durch die Freilegung dieses Kulturgutes und die Anerkennung durch die UNESCO hat, ist volkswirtschaftlich sehr hoch zu bemessen.
Wir müssen also sehr gründlich nachdenken, bevor wir sagen, dass der zweite Arbeitsmarkt von Übel ist.
An den wenigen Stellen, an denen die Verzahnung der Arbeitsmarktpolitik mit der Wirtschaftsentwicklung trotz der eingeschränkten Fragestellung aus der Antwort der Landesregierung deutlich wird, sind Fragezeichen zu setzen. Ein Teil der öffentlichen Mittel, nämlich die ASH-Programme 32 folgende, bezieht sich explizit auf die wissenschaftliche Weiterbildung und den Wissenstransfer von den Hochschulen in die Wirtschaft; etwas, was wir sehr begrüßen. Bedauerlicherweise sind bisher kaum Maßnahmen durch diese Programme gefördert worden. Herr Rohwer, woran liegt das? Gibt es keine Anfragen oder doch kein Geld oder ist es zu kompliziert? Darüber müssten wir noch einmal nachdenken.
Auch Frau Erdsiek-Rave wird hierzu sicherlich etwas beizutragen haben. Denn auch andere Bausteine im Rahmen der ASH-Programmatik widmen sich der Bildung, ob es um Alphabetisierung, um Hauptschulabschlüsse oder um andere Dinge mehr geht. Das halten wir auch für richtig. An dieser Stelle sollten wir darüber nachdenken, wie die arbeitsplatzfördernden Bildungsmaßnahmen für die einzelnen Betroffenen besser mit wirtschaftlichen Effekten verbunden werden können.
Wo bleibt nun das Positive? An dieser Stelle kann ich zum zweiten Mal Frau Lütkes gratulieren. Seit Jahren sind Weiterbildungsmaßnahmen zum beruflichen
Wiedereinstieg von Frauen ein stabiler - das ist gut dokumentiert - Erfolgsfaktor. Bei jährlich etwa 400 Teilnehmerinnen gibt es, was die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt angeht, eine Erfolgsquote von circa 25 %, und das bei sage und schreibe durchschnittlich nur 1.000 € Kosten pro erfolgreicher Vermittlung.
Das ist das preisgünstigste und stabilste Programm, das wir seit zehn Jahren haben. Ich freue mich, dass es fortgeführt wurde. Es gab verschiedene Anlässe, hierzu Fragen zu stellen. Wie wir sehen, müssen wir dieses Programm auf jeden Fall weiterführen.
Zu dem Erfolg mögen auch die Beratungsstellen „Frau und Beruf“ beitragen, deren umfassendes Aufgabenfeld sich nicht nur auf Hinweise zu diesen Wiedereinstiegskursen beschränkt. Dieses Beratungsnetz muss unbedingt - möglicherweise unabhängig von der derzeitigen ESF-Förderung - erhalten bleiben. Dies wird aus dem Tätigkeitsfeld deutlich, das dankenswerterweise transparenter ist als das mancher anderen Arbeitsmarktakteure.
Ich möchte, was die Zukunft der Beratungsstellen „Frau und Beruf“ angeht, die Solidarität des gesamten Hauses einfordern. Auch dies ist ein stabiler Erfolgsfaktor.
Leider können wir uns mit diesen Botschaften nicht beruhigen; denn zu Recht erhalten wir gerade jüngst Briefe von Eltern demnächst arbeitsloser Jugendlicher. All diejenigen, die trotz des sehr großen und erfolgreichen Bemühens der Landesregierung und vieler anderer Akteure keinen Ausbildungsplatz erhalten haben, drohen durch die Politik der Bundesanstalt für Arbeit ihre Ansprüche auf Hilfe zu verlieren. Dies dürfen wir nicht zulassen. Hier sind wir gefordert.
Wie verheerend und kontraproduktiv zum Willen des Bundesgesetzgebers sich die Bundesanstalt für Arbeit verhält, wird an der Art und Weise deutlich, wie sie das Instrument des Bildungsgutscheins eingeführt hat. Es handelt sich um ein gutes Instrument, das aber dilettantisch eingeführt worden ist. Innerhalb weniger Monate - dies dokumentiert die Antwort auf die Große Anfrage auch - wurden bundesweit 60 %, in Schleswig-Holstein immerhin 50 % der Weiterbildungsmaßnahmen auf diese Weise zerstört. Fachleute schätzen, dass dadurch bundesweit mindestens 30.000
Nun kann man sich über den Sinn mancher Weiterbildungsmaßnahme streiten. Aus diesem Grund hat die FDP ja diese Anfrage gestellt. Aber einfach zu sagen: „Wir lassen das ersatzlos kaputtgehen“, kann nicht die Antwort sein. Das ist Dequalifizierung. Stattdessen brauchen wir - ich wiederhole - Qualifizierung.
Haupthindernis ist - außer der dilettantischen Einführung des Bildungsgutscheins - die Verpflichtung zu einer viel zu hohen Vermittlungsquote von 70 % bei allen Förder -, Fortbildungs- und Vermittlungsmaßnahmen, die die Bundesanstalt für Arbeit bundeseinheitlich verfügt hat und die in Schleswig-Holstein - wie die Landesregierung dokumentiert - bei keinem einzigen Programm von ASH erreicht wird.
Ich habe nicht ohne Grund darauf hingewiesen, dass die Vermittlungsquote in den Jugendstrafanstalten 50 % beträgt. Eine höhere Vermittlungsquote habe ich nicht gefunden. Angesichts dessen können Sie sich vorstellen, was eine Vermittlungsquote von 70 % bedeutet.
Eine präventive Politik, wie sie Herr Baasch skizziert hat, nämlich die Leute schon zu qualifizieren, bevor sie erwerbslos werden, und bei Betrieben, die möglicherweise in Insolvenz geraten, mit Auffanggesellschaften zu arbeiten, ist bei einer Zielmarge von 70 % natürlich überhaupt nicht möglich. Diese Art von Programmen geht an dieser Fragestellung völlig vorbei. Aber wir brauchen eine präventive Arbeitsmarktpolitik.
Wer auch immer und zu welchem Preis auch immer Herrn Gerster in dieser Frage extern beraten hat: Der volkswirtschaftliche Schaden ist noch gar nicht abzusehen. Dies zum Thema Weiterbildung.
Ich möchte an dieser Stelle noch etwas zur Zusammenarbeit in Bezug auf die Arbeitsmarkt- und Kommunalpolitik sagen. Wir haben uns vor Weihnachten sehr heftig über diese Fragen unterhalten. Dazu ist von Regierungsseite eindeutig Stellung genommen worden. Wir wollen eine Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe und eine Stärkung der Kommunen. Ob die Bedingungen, die Herr Koch favorisiert, die richtigen sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Aber, Herr Rohwer, es ist außerordentlich wichtig, dass wir jetzt alle Akteure an einen Tisch bekommen, um die Frage seriös zu diskutieren. Es ist
sicherlich nicht zielführend, wenn jede Kommune es anders macht. Es wäre wünschenswert, wenn wir insoweit zu einer landespolitisch einheitlichen Auffassung kämen. Unerlässlich ist auch - das ist, glaube ich, in meinen Ausführungen deutlich geworden -, dass diejenigen, die sich mit den Arbeitsmarktproblemen von Frauen und mit der Vermittlung von Jugendlichen in Arbeit und Ausbildung beschäftigen, mit an diesen runden Tischen sitzen und nicht ausschließlich die großen Kostenträger.
Pfiffige Lösungen und Programme, die wirklich zielgenau sind, müssen sehr differenziert ausgearbeitet werden. Dazu brauchen wir alle klugen Köpfe an einem Tisch.
Ich bin gespannt auf die Beratung im Ausschuss und schließe mich der Auffassung von Herrn Baasch an: Wir brauchen die federführende Beratung im Sozialausschuss, aber wir brauchen auch das Know-how der Wirtschaftsleute.
Ich möchte jetzt unsere nächsten Besuchergruppen auf der Tribüne begrüßen: die CDU-Ortsverbände St. Hubertus und Mühlentor, Lübeck, Schülerinnen und Schüler der Grund- und Hauptschule Berkenthin und Rechtspflegeranwärterinnen und -anwärter beim Amtsgericht Flensburg. - Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der SSW begrüßt ausdrücklich die Große Anfrage der FDP zur Arbeitsmarktpolitik in Schleswig-Holstein. Seit 1996 sind über 200 Millionen € für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in Schleswig-Holstein in den Programmen ASH III und ASH 2000 ausgegeben worden. Deshalb ist es richtig, dass sich der Landtag im Detail mit den Ergebnissen dieser Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung beschäftigt.
Die Antwort der Landesregierung zur Arbeitsmarktpolitik gibt denn auch einen guten Überblick über die vielfältigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der letzten Jahre in Schleswig-Holstein. Allerdings sind die beigefügten Statistiken etwas unübersichtlich strukturiert.
Vorweg möchte ich klarstellen, dass man es sich zu leicht macht, wenn man den Erfolg der Arbeitsmarktpolitik des Landes nur an den nackten Arbeitslosenzahlen in Schleswig-Holstein misst. Diese Zahlen sind in der Tat niederschmetternd, weil wir von 1996 bis heute einen Anstieg in der Arbeitslosigkeit von über 20.000 Personen zu verzeichnen haben. Ende 2003 haben wir damit leider die höchste Arbeitslosigkeit seit über 50 Jahren in Schleswig-Holstein erreicht.
Vor diesem Hintergrund ist es leicht, zu dem Schluss zu kommen, dass die Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung völlig fehlgeschlagen ist. So einfach machen wir es uns aber nicht, denn wir beurteilen die Entwicklung etwas differenzierter.
Zum einen nutzt die beste Arbeitsmarktpolitik im Land nichts, wenn sie nicht von einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung begleitet wird. Es ist sehr simpel: Wo keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden oder die alten nicht erhalten bleiben, kann man auch nicht mit Qualifizierung, Weiterbildung oder Umschulung Arbeitslose in Arbeit bringen.