Protokoll der Sitzung vom 21.01.2004

Ziel dieses fraktionsübergreifenden Antrags war es, zusätzliche GA-Mittel für Konversionen nach Schleswig-Holstein zu holen. Das ist nicht gelungen.

Nachdem in Berlin erfreulicherweise erreicht wurde, dass für 2004 überhaupt noch GA-Mittel für die alten Bundesländer zur Verfügung gestellt werden, sahen wir die Notwendigkeit, oberhalb der Landesquote von 10,8 % Mittel für Schleswig-Holstein einzuwerben.

(Frauke Tengler)

Der Bericht weist für Konversionsstandorte eine erhöhte Förderung von 60 % bis zu 70 % für Infrastrukturmaßnahmen aus. Dieses ist, Herr Minister, aufgrund der finanziellen Lage der Kommunen nicht ausreichend. In den von der größten Standortschließung Deutschlands betroffenen Ämtern Eggebek und Oeversee ist eine Mindestförderung von 80 % erforderlich, und zwar ab 2006. Hier muss das Land zusammen mit den Kommunen die besondere Verantwortung des Bundes deutlich machen und einklagen.

Die Standortgemeinden haben ihre gesamte Infrastruktur, Kindergärten, Schulen, Kläranlagen, auf den zusätzlichen Bedarf durch Bundeswehrangehörige ausgerichtet. In der Veröffentlichung „Zehn Jahre Arbeitskreis Wehrtechnik in Schleswig-Holstein“ kann man vollmundige Aussagen von Professor Rohwer nachlesen, zum Beispiel Schleswig-Holstein erschließe einen hochwertigen Kompetenzbereich im Bereich der Wehrtechnik. Ich frage Sie, Herr Minister: Wie denn? Durch die massiven Kürzungen des Herrn Struck?

Nicht nur für die Wehrtechnik sind die jüngsten Pläne des BMVg katastrophal. Für die betroffenen Standorte bedeuten sie: Arbeitslosigkeit, Bevölkerungsrückgang, Kaufkraftverlust, Freisetzung von Wohnraum und Mietenverfall, Anstieg der Sozialausgaben mit allen bekannten Folgen.

Der Bericht weist auf Seite 3 darauf hin, dass durch die Fördermöglichkeiten der Gemeinschaftsaufgabe maßgeblich Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein gesichert worden sind. Wo? Im ländlichen Raum? Dies ist eine allgemeine Aussage. Die Evaluierungsanalyse zum Regionalprogramm 2000 zeigt eindeutig, dass überwiegend in den Städten Kiel und Lübeck und etwas in Flensburg investiert wurde. Aber nichts ist in die von Konversion betroffenen Kommunen gerade im ländlichen Raum im Landesteil Schleswig geflossen. Ein Dorfgemeinschaftshaus, so nett es auch ist, Herr Minister, erledigt nicht die Strukturprobleme der Region.

(Beifall bei der CDU)

In den betroffenen Regionen müssen überhaupt erst wieder Arbeitsplätze geschaffen werden. Nichts anderes haben Sie heute Morgen in der Debatte gesagt. Tun Sie es doch!

Der Bericht spricht von einer gewerblichen Förderung von maximal 23 % in Konversionsstandorten. Theoretisch wären 28 % möglich. Zumindest diese Förderquote muss das Land in der Landesrichtlinie für Konversionsstandorte festlegen, wenn schon das Fördergefälle zwischen Ost und West nicht angeglichen werden kann.

Herr Minister, meine Fraktion wäre Ihnen dankbar gewesen, wenn Sie konkrete Aussagen zu dem gemacht hätten, was die Landesregierung für die Konversionsstandorte erreichen will. Frau Simonis hat in der Vergangenheit immer erst dann gehandelt, wenn es bereits zu spät war. Ich frage Sie heute: Was will die Landesregierung für den Landesteil Schleswig und seine wirtschaftliche Entwicklung tun? Sie wissen: Das Damoklesschwert Olpenitz hängt bereits über uns. Im Landesteil Schleswig ist wieder einmal konkret etwas weggebrochen. Das nächste Unheil droht bereits. Was soll konkret neu entstehen, damit weiterhin Menschen dort leben und arbeiten können?

Die Region ist mit Konversionsstandorten, in den letzten Jahren in Ellenberg und Auf der Freiheit, immer sehr allein gelassen worden. In Tarp/Eggebek - Verlust von 2.000 Arbeitsplätzen - hat sich zum Beispiel kein Minister, keine Ministerpräsidentin sehen lassen.

Mit großem ehrenamtlichem Einsatz wird in den Ämtern Eggebek und Oeversee an wirtschaftlichen Nachnutzungen gearbeitet. In der Sitzung am 19. Januar 2004 hat der Konversionsausschuss eine Resolution verabschiedet. Sie liegt allen Fraktionen vor. Herr Minister, um den Landesteil Schleswig nicht weiter verkümmern zu lassen, gilt es, diese Resolution gemeinsam umzusetzen. Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir die dazu nötigen Anträge wieder überfraktionell stellen können.

(Beifall bei CDU und SSW sowie des Abge- ordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schümann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein ist in den letzten Jahren vom Truppenabbau der Bundeswehr besonders stark betroffen. Infolge früherer Standortentscheidungen des Bundesverteidigungsministeriums reduzierte sich die Zahl der Soldaten und der zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr in SchleswigHolstein von 1991 bis 1999 bereits um 27.500 Dienstposten. Mit dem Ressortkonzept „Stationierung" erfolgten 2001 zusätzliche Veränderungen. Danach werden rund 4.800 weitere Dienstposten wegfallen. Die Entscheidung gegen das Marinefliegergeschwader 2 in Tarp und Eggebek kostet weitere 1.800 militärische und zivile Dienstposten. Hinzu kommen diverse Standortschließungen zum Beispiel in Glückstadt, Großenbrode, Neumünster, Hohen

(Jutta Schümann)

lockstedt und so weiter. Ich verzichte auf weitere Angaben in Zahlen. Die Ankündigung, dass wir von der nächsten Umstrukturierungswelle der Bundeswehr nicht ganz so betroffen sein werden, ist nur begrenzt tröstlich.

Viele Kommunen haben die vergangenen Veränderungen noch nicht bewältigt. Einige haben Machbarkeits- und Entwicklungsstudien mit dem Ziel in Auftrag gegeben, die frei werdenden Bundeswehrliegenschaften einer zukünftigen wirtschaftlich sinnvollen Nutzung zuzuführen. Diese Prozesse halten an und deshalb ist es zum jetzigen Zeitpunkt dringend erforderlich, weiterhin Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der CDU sowie der Abgeordne- ten Christel Aschmoneit-Lücke [FDP] und Anke Spoorendonk [SSW])

Ich zähle deshalb alle Gemeinden auf, weil ich glaube, das Thema Tarp/Eggebek ist jetzt aktuell, und sehr schnell haben wir vergessen, dass der Standort in Hohenlockstedt geschlossen wurde, dass es in Neumünster überhaupt keine Bundeswehr mehr gibt und so weiter. Ich glaube aber, dass es dringend notwendig ist, dies wieder insgesamt in den Blick zu nehmen.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP] und Bernd Schröder [SPD])

Das im April 2001 beschlossene Konversionsprogramm der Landesregierung, das nicht nur die betroffenen Standorte sehr begrüßt haben, sondern das wir auch als Fraktion nachhaltig unterstützen, beinhaltet unter anderem auch für die GA-Förderung höhere Förderquoten und besondere Förderprioritäten. Der Minister hat eben im Einzelnen darauf hingewiesen. Im Bereich der Infrastrukturförderung, die im Rahmen des Regionalprogramms 2000 erfolgt, ist für Projekte in besonders stark betroffenen Konversionsstandorten ein Korridor von rund 30,7 Millionen € eingerichtet worden, der bis 2003 zu rund 51 % ausgeschöpft wurde. Das heißt: 51 % dieses Topfes sind überhaupt erst vergeben. Insofern kann ich im Moment nicht nachvollziehen, Frau Tengler, warum Sie sich beklagen, dass aus Berlin nicht noch zusätzliche Mittel bereitgestellt wurden.

(Beifall der Abgeordneten Birgit Herdejür- gen [SPD] und Holger Astrup [SPD])

Das können wir generell beklagen. Das ist richtig. Aber zunächst einmal muss es uns ja um die Ausschöpfung dieses Titels gehen. Und da gibt es sicher

lich eine Menge Gründe, die nicht nur im Ministerium, sondern die bei allen Beteiligten liegen.

(Holger Astrup [SPD]: Bei guten Vorschlä- gen!)

- Genau. Bei guten Vorschlägen. - Deshalb begrüßt es meine Fraktion, dass der immer noch freie Betrag von 15,6 Millionen € im Regionalprogramm 2000 trotz Kündigung des GA-Mittel-Rahmens weiterhin reserviert bleiben soll.

(Glocke der Präsidentin)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Maurus?

Frau Kollegin, können Sie mir sagen, welche Gründe im Ministerium liegen?

- Ja, das will ich gleich sagen. - Das bedeutet für die Konversionsstandorte zunächst eine gewisse Planungssicherheit.

Ich glaube, dass die Gründe, die im Ministerium liegen, eindeutig darauf beruhen, dass dies kein Topdown-Prozess ist, wie wir ihn zum Beispiel beim Gender Mainstreaming haben. Vielmehr muss hier etwas gemeinschaftlich mit den Beteiligten vor Ort erfolgen. Deshalb gibt es ja Machbarkeits- und Planungsstudien. Diese werden vom Ministerium unterstützt. Aber so etwas ist nur möglich, wenn sich die Kommunen, die Kreise, die Akteure vor Ort, aktiv an diesem Prozess beteiligen.

Schauen wir uns einmal die Vergabe der letzten Jahre an, dann stellen wir fest, dass es ein Nord-SüdGefälle gibt. Das ist wohl richtig. Aber das liegt auch daran, dass die einzelnen Projekte, die vorgeschlagen wurden, oftmals dem Qualitätswettbewerb, der immer noch zugrunde gelegt wird, nicht standgehalten haben. Insofern ist genau das Instrument, das der Minister jetzt einrichtet, nämlich ein Regionalmanagement und die Unterstützung vor Ort, ein wichtiges, ein notwendiges Instrument, um den Akteuren vor Ort zur Seite zu stehen und gemeinschaftlich dafür Sorge zu tragen, dass die noch zur Verfügung stehenden 15,6 Millionen € sinnvoll verbraucht werden. Und wenn der Norden dann in diesem Wettbewerb siegt, dann ist das durchaus in Ordnung, dann sind die Mittel mit Sicherheit gut eingesetzt. Somit können wir

(Jutta Schümann)

sehr zufrieden sein, und der Herr Minister wird es mit Sicherheit auch sein.

Insofern müssen alle Beteiligten ran. Es geht nicht nur um Tarp/Eggebek, sondern es geht auch um die Standorte, die nach wie vor noch um neue Perspektiven kämpfen.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich erteile der Frau Abgeordneten Aschmoneit-Lücke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schümann, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass nicht nur der Landesteil Schleswig, sondern dass Schleswig-Holstein insgesamt betroffen ist. Ich erinnere mich an Diskussionen in Kiel. Die Landeshauptstadt Kiel hat unendlich unter diesem Truppenabbau gelitten. Wir haben uns als Kieler Abgeordnete übrigens auch für Olpenitz eingesetzt. Dieses Thema beschäftigt uns also seit über zehn Jahren.

Ich bin eigentlich der Auffassung gewesen, dass wir uns in diesem Hause immer einig darüber waren, dass hier besondere Mittel eingesetzt werden müssen. Deshalb kann ich auch nicht verstehen, dass Sie, Herr Minister, glaubten, wir würden Sie heute kritisieren. Im Gegenteil, wir sind außerordentlich zufrieden, dass jetzt die GA-Mittel, die wir überhaupt noch haben, auf diese Art und Weise insbesondere an den Konversionsstandorten eingesetzt werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Uns Deutschen wird ja nachgesagt, dass wir immer nur halbleere Gläser sehen. So erscheint mir das manchmal auch, wenn es um die Diskussion über die Verkleinerung der Bundeswehr geht. Immer wird nur über die Nachteile gesprochen. Eine alte Erkenntnis besagt aber: Nichts auf der Welt ist kostenlos, also auch nicht die Friedensdividende nach Ende des kalten Krieges. Sie zeigt sich in Schleswig-Holstein unter anderem in Form von weniger Militär. Bis 1989 war Schleswig-Holstein die am dichtesten mit Militär besetzte Region in der Nato, ein Land gestützter Flugzeugträger am vorderen Rand der Verteidigung. Jetzt - und wir sind doch froh darüber - ist Deutschland direkt nur noch von befreundeten Staaten umgeben. Viele der ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes werden im Frühjahr Mitglieder der EU. Das

sollten wir bitte nicht vergessen, wenn wir über die regionalen Folgen des Truppenabbaus sprechen.

(Beifall des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP] und bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Wert eines sichereren Friedens ist theoretisch kaum und praktisch in Geld nicht zu messen. Er ist quasi unschätzbar und zwar unschätzbar für uns alle im doppelten Sinne. Er ist einer der höchsten gesellschaftlichen Werte. Freiheit in Frieden - dieses politische Ziel haben wir schließlich alle gemeinsam.

Und damit nun zu den regionalen Folgen des Truppenabbaus und möglichen fiskal- und wirtschaftspolitischen Gegenmaßnahmen. Im November haben wir hier einstimmig gefordert, die Landesregierung möge sich dafür einsetzen, dass die GA-Zuweisungen des Bundes nicht gekürzt werden. Wir würden dieses heute noch einmal einstimmig beschließen, genauso wie wir einstimmig beschlossen haben, dass die GAMittel insbesondere an den Konversionsstandorten eingesetzt werden sollen. Da gibt es doch gar keinen Dissens.

Die Debatten zum Thema GA-Mittel am heutigen Vormittag haben im Übrigen gezeigt, dass dieses Geld in Schleswig-Holstein dringend benötigt wird. Trotzdem wird die GA-Förderung in Westdeutschland nach 2004 gekürzt. Im Vergleich zu den Plänen des letzten Jahres hat die Landesregierung ihre Ansätze für die Zeit von 2005 bis 2007 um 16,3 Millionen € kürzen müssen. Und von der überschuldeten Bundesregierung sind auch keine zusätzlichen Mittel zu erwarten. Das mögen wir beklagen, aber wir wissen doch alle, dass diese Mittel nicht zu erwarten sind. Schröder und Eichel sind bekanntlich mehr als blank.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es bleibt also nur dreierlei: Entweder mehr Schulden für neue Investitionen in den von Truppenabbau betroffenen Gebieten aufnehmen oder Geld von anderen Gebieten Schleswig-Holsteins zugunsten der vom Truppenabbau Betroffenen abziehen oder aber die Mittelansätze für die Konversion so zu lassen wie sie sind. Der Weg zu mehr Schulden des Landes ist versperrt, das wissen wir alle. Diese Schulden hat die Landesregierung längst gemacht und es hat nicht dazu geführt, dass Schleswig-Holstein besser dasteht, sondern dazu, dass Schleswig-Holstein schlechter dasteht.

(Beifall bei FDP und CDU)