Protokoll der Sitzung vom 22.01.2004

(Zurufe von der CDU)

Es stimmt einfach nicht, dass es hauptsächlich darum geht, teure Fahrradwege zu bauen. Alle Untersuchungen zeigen, dass es in einem beträchtlichen Umfang in vielen Straßen der Ortschaften nicht nur günstiger ist, Fahrradstreifen auf der Straße einzurichten, sondern dass diese Fahrradstreifen auch erheblich zur Verkehrssicherheit beitragen. Der Autofahrer sieht nämlich den Fahrradfahrer auf diesen Fahrradstreifen.

Die meisten Unfälle passieren an den Kreuzungen, an denen abgebogen wird. Der Fahrradfahrer, der auf der Straße fährt, wird vom Autofahrer gesehen. Wenn ein Fahrradstreifen existiert, ist ein Fahrradfahrer wesentlich besser geschützt. An den Kreuzungen biegt der Autofahrer nicht spontan ab, weil er den Fahrradfahrer gar nicht sieht, sondern kann ihn von vornherein berücksichtigen. Das Schlimmste und eine Verschwendung sind die Fahrradwege, wo der Fahrradfahrer der Sicht des Autofahrers entzogen ist und damit Unfälle geradezu provoziert werden. Das ist die teuerste Investition in den Fahrradverkehr und eine falsche. Es gibt durchaus Ortslagen, bei denen es sinnvoll ist, breite Fahrradwege zu bauen. Es gibt aber auch viele Straßenzüge, auf denen die schmalen Fahrradwege, die wir haben, durchaus für die langsamen Fahrradfahrer, für die älteren Menschen und Kinder, ausreichen, auf dem man aber Fahrradfahrer, die schnell fahren wollen, 20 km/h und mehr, auf jeden Fall auf die Straße bringen muss, weil es sonst sehr gefährlich wird.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zurufe von der CDU)

Denn ein Fahrradfahrer, der mit 20 und mehr Stundenkilometern fährt, gehört nicht auf einen schmalen Fahrradweg, sondern auf die Straße.

(Zurufe von CDU)

- Wenn Sie das bezweifeln, kann ich ihnen nur empfehlen, in den entsprechenden Richtlinien für den Ausbau von Radwegen nachzulesen, sich einmal mit

(Karl-Martin Hentschel)

Verkehrsplanern, die etwas von der Sache verstehen, zu unterhalten und sich in die Kommunalparlamente einzuladen. Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht, ausgezeichnete Erfahrungen.

(Zurufe von CDU und FDP)

Ich habe festgestellt, dass auch sehr konservative oder sonstige CDU-Ratsherren und -Ratsdamen ausgesprochen begeistert aus solchen Veranstaltungen rausgegangen sind und davon überzeugt waren, dass eine Änderung in der Fahrradpolitik notwendig ist.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Werner Kalinka [CDU]: Ja, wo war denn die letzte Veranstaltung?)

Ich glaube also, dass das Ganze zum erheblichen Teil ein Kommunikationsproblem ist. Wir werben in der Tat dafür, dass an dem Fahrradforum, das zurzeit nur von den großen Städten beschickt wird, auch die Landkreise, kleinere Kommunen und mittlere Kommunen beteiligt werden und an dem Kommunikationsaustausch teilnehmen.

(Glocke der Präsidentin)

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Als letzter Punkt - da meine Zeit um ist, kann ich das nur noch in einem Satz erwähnen -: Es geht natürlich auch darum, Investitionen sinnvoll in der Fläche zu tätigen, nämlich dort tätig zu werden, wo tatsächlich eine Nachfrage besteht, so dass nicht - wie das häufig der Fall ist - Fahrradwege gebaut werden, die kaum benutzt werden. Es geht weiter darum, eine vernünftige Struktur für den Tourismus aufzubauen. In diesem Bereich ist Schleswig-Holstein zum Glück bundesweit führend, leider aber noch nicht in der Ausschilderung im südlichen Teil von SchleswigHolstein. Im nördlichen Teil des Landes ist sie schon vorbildlich, denn das Land hat sie da gefördert, aber im südlichen Teil noch nicht.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Letzter Satz!)

Das heißt, bei der Ausschilderung müssen wir zu einheitlichen Standards kommen. Der landesweite Fahrradplan, der zurzeit vom Ministerium entwickelt wird, wird dazu einen wesentlichen Teil beitragen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Rolf Fischer [SPD] und Dr. Henning Höppner [SPD])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Debatte zur Großen Anfrage zum Fahrradverkehr und zum Fahrradtourismus vor knapp zwei Jahren haben wir als SSW kritisiert, dass es vonseiten der Landesregierung keine konkreten Planungen über ein landesweites Radverkehrswegenetz gibt. Die Landesregierung erklärte, vielmehr sei man vonseiten der Landesregierung bemüht, die Lücken zu schließen und dies geschehe in den einzelnen Regionen unter Berücksichtigung touristischer Aspekte. Und der Kollege Benker, ich weiß gar nicht, wo er gerade ist,

(Zuruf: Hinter dir!)

- direkt hinter mir -, hat es eben noch einmal deutlich gemacht. Es geht ihm um den Lückenschluss und um nichts anderes. Das ist uns eigentlich zu wenig. Natürlich ist das durchaus lobenswert, aber es ersetzt eben keine landesweite Radverkehrswegenetzplanung.

Wenn man sie will, muss man als Landesregierung eng in Kontakt mit Kommunen, Städten und Kreisen treten und dann muss man natürlich auch das berühmte Scheckbuch in der Tasche haben, um wirklich fördern zu können. Ansonsten brauchen wir mit einer solchen Planung nicht anzufangen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Ein Gedankenfehler, der hierbei häufig gemacht wird, ist der, dass der Fahrradverkehr in SchleswigHolstein hauptsächlich nur unter touristischen Aspekten betrachtet wird. Hier ist der SSW der Auffassung, dass das Fahrradfahren für viele Urlauber zwar dazugehört, aber es nicht immer die Hauptaktivität ist. Gleichwohl ist es ein wichtiger Zusatznutzen, den wir in unserem Land anbieten können und müssen.

Mit dem Antrag von Rot-Grün wird die Landesregierung aufgefordert, ihrem Programm „Fahrradfreundliches Schleswig-Holstein“ wieder Leben einzuhauchen. Positiv hierbei ist die Tatsache, dass der Antrag nicht nur einen touristischen Hintergedanken verfolgt, sondern auch alltägliche Probleme im Zusammenhang mit dem Fahrradverkehr aufgreift. Diesen Ansatz begrüßen wir als SSW ausdrücklich.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dies zeigt sich insbesondere im ersten Punkt des Forderungskatalogs, wo die Landesregierung aufgefor

(Lars Harms)

dert wird, für Radfahrer eine dem motorisierten Individualverkehr vergleichbare Infrastruktur zu schaffen. Hier sollten wir uns dann aber ehrlicherweise die Niederlande als Vorbild nehmen. Denn wenn wir erreichen wollen, dass das Fahrrad auf unseren Straßen und Wegen häufiger zu sehen ist als bisher, muss auch die Infrastruktur dafür gegeben sein.

Ein weiterer Aspekt, der meines Erachtens wichtig ist, um das Fahrrad mehr zu einem alltäglichen Fortbewegungsmittel zu machen, ist unter Punkt 7 beschrieben: die Bahn und das Fahrrad. Auch diesen Punkt haben wir in der Debatte zur Großen Anfrage zum Radverkehr seinerzeit kritisiert. Daher danke ich Rot-Grün, dass sie unsere Kritik von damals aufgegriffen haben. Wir haben seinerzeit deutlich gemacht, dass das Angebot Bahn und Bike gerade während der Berufsverkehrszeiten ausgesetzt wird, und wir haben daher angeregt, dass die Landesregierung bei künftigen Ausschreibungen für den Regionalverkehr den Fahrradtransport stärker berücksichtigen sollte. Dies soll ja jetzt zum Glück auch geschehen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Kürze der Zeit habe ich nur zwei Punkte des Antrages aufgegriffen, die meines Erachtens wichtig sind, um das tägliche Fahrradfahren in SchleswigHolstein attraktiver zu machen, losgelöst vom touristischen Aspekt.

Ich möchte aber auch die Gelegenheit nutzen, deutlich zu machen, dass es durchaus Punkte im Antrag gibt, die wir so nicht teilen. Insbesondere handelt es sich hierbei um den dritten Punkt des Antrages. Wir sind nicht der Auffassung, dass bei allen Maßnahmen im Rahmen der Verkehrspolitik des Landes die Belange des Radverkehrs in besonderem Maße zu berücksichtigen sind.

(Beifall bei der FDP)

Hier hätten wir uns eine andere Formulierung gewünscht. Wir sehen nicht die Notwendigkeit, die Stelle eines Fahrradbeauftragten in den Kommunen einzurichten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir sollten nicht die einzelnen Verkehrsmittel gegeneinander ausspielen, sondern versuchen, jeden für sich selber, seinem Bedarf entsprechend zu entwickeln. Das sollte unser Ziel sein.

Darüber hinaus lehnen wir die Forderung unter Punkt 4 ab, dass das landesweite Fahrradforum eine beratende Funktion für den Verkehrsausschuss erhalten soll und dass die Protokolle des Fahrradforums

dem Verkehrsausschuss zugeleitet werden. Dies ist nach Auffassung des SSW formell nicht der richtige Weg. Sonst kann ja jeder ankommen und jeder kann dazu verdonnert werden, uns zuzuarbeiten. Das Fahrradforum kann sich jederzeit mit seinen Protokollen an die Fraktionen, den Ausschuss und die Vorsitzende wenden. Das ist der richtige und vernünftige Weg.

(Beifall bei SSW, CDU und FDP)

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Deutschland tatsächlich immer noch ein Autofahrerland ist. Des Deutschen liebstes Kind ist immer noch das Auto. Es gibt viele andere europäische Länder, die sicherlich mehr Radverkehr haben als wir. Insofern sollten wir auf diesem Politikfeld weiterarbeiten und dieses Politikfeld auch ernst nehmen. Dass wir das als SSW ernst nehmen, wird gleich auch dadurch deutlich werden, dass wir uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten werden. Wir sehen das als eine Geste zugunsten des Themas an sich. Den Antrag finden wir nicht so „prickelnd“ - um es freundlich zu formulieren. Das Thema ist uns aber zu wichtig, als dass wir jetzt einen radpolitischen Antrag ablehnen. Deshalb werden wir uns der Stimme enthalten.

(Beifall beim SSW)

Mir liegen zwei Wortmeldungen zu Kurzbeiträgen nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor. Zunächst erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Höppner das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion, ich denke, in die Diskussion sollte ein wenig mehr Sachlichkeit eingebracht werden. Der Kreis Plön hat als Schulträger des Gymnasiums Schloss Plön vor vielen Jahren an einer Schule, die 800 Schülerinnen und Schüler hat, 410 Fahrradständer eingerichtet. Die werden jeden Tag benutzt. Das heißt, 50 % der Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Plön sind Fahrradfahrer.

Das macht deutlich, welche Dimension Fahrradverkehr in einem zentralen Ort spielt. Es gibt weit mehr Schulen in Plön, die einen ähnlich hohen Anteil an Fahrrad fahrenden Schülerinnen und Schülern haben.

Der Kollege Hentschel hat deutlich gemacht: Der Schleswig-Holsteiner wohnt in der Regel nicht auf dem flachen Land. Wenn Sie die fünf Städte Kiel, Neumünster, Flensburg, Lübeck und Norderstedt zusammennehmen - dort wohnen 680.000 Menschen. 810.000 weitere Bürgerinnen und Bürger dieses Lan

(Dr. Henning Höppner)

des wohnen in den anderen 55 Städten des Städteverbandes und weitere 440.000, also insgesamt über 1,9 Millionen in den zentralen Orten, die wir haben. Da hat der Kollege Hentschel schon Recht.

Ich habe mich ein bisschen über den Kollegen Feddersen gewundert, der hier über das lacht, was wir einbringen, und seine Insel Pellworm als Insel für Fahrradfahrer verkauft. Ich habe gemerkt, dass der Kollege Maurus sehr still war; denn er weiß sehr genau, welche Bedeutung der Fahrradverkehr auf der Insel Sylt hat.