Liebe Anke, es gibt überhaupt keine neutralen Personen. Du verwechselst die Pflicht, auf Richter keinen Einfluss zu nehmen seitens anderer staatlicher Organe, mit einer Neutralität. Ich will versuchen, das kurz einmal zu skizzieren - es ist schon darauf hingewiesen worden -, ohne dass ich da eine Beleidigungskette aufstellen will. Ich will nur die Bandbreite deutlich machen. Ich stelle mir vor, wir würden uns darüber unterhalten, wer Sonderermittler werden soll: Ronald Schill, Amtsrichter, Nescovic, Wille? - Es wird deutlich, dass wir uns allein bei der Frage, wer es eigentlich werden soll, in die Haare bekommen würden.
Wir wären nicht davor gefeit - was noch viel schlimmer ist - zu glauben, dass die Ermittlungstätigkeit dieser Person zu einem sachgerechten Ergebnis führen würde.
Ich bitte euch alle wirklich ernsthaft, einen Kommentar - das war für mich sehr ungewöhnlich, weil ich die Zeitung rechtsstaatlich gar nicht so verortet hatte - in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 16. Januar dieses Jahres nachzulesen mit der Überschrift „Die Macht der Vorurteile im Fall Härtel“, einen Kommentar, der über fast ein Drittel der ersten Seite ging und der sich damit beschäftigte, dass die ursprüngliche Kammer des Landgerichtes Frau Härtel, Oberbürgermeisterin einer Stadt in Deutschland, strafverschärfend wegen Amtsmissbrauchs verurteilen wollte. Ich zitiere wörtlich aus diesem Kommentar:
„Hätte sich die erste Kammer nicht vom eigenen Furor mitreißen lassen, blindlings in die System-Theorie verrannt, hätte sie nicht Belastungszeugen trotz vieler Widersprüche mit Samthandschuhen angefasst, hätte sie nicht gleich den ersten Entlastungszeugen der Verteidigung rüde behandelt, dann wäre Frau Härtel womöglich verurteilt worden. Durch die Unbeherrschtheit des Vorsitzenden Richters kam schließlich heraus, dass das Gericht einen Großteil der von der Staatsanwaltschaft zusammengestellten Akten gar nicht kannte. Sie lagen unberührt im Geschäftszimmer.“
Die zweite Kammer, die sich mit dem Fall befasst hat, hat das Verfahren eingestellt. Das zeigt deutlich die Bandbreite der von dir skizzierten Unabhängigkeit, der inneren Neutralität von Richtern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Intention des Antrages verstehe ich wohl. Aber ich will auch vor dem falschen Eindruck warnen - der Kollege hat das bereits angesprochen -, als seien Untersuchungsschüsse quasi gerichtsgleich. Jeder, der diesen Eindruck nach außen zu erwecken versucht, es könnte hier überhaupt die objektive Wahrheit ermittelt und gefunden werden, tut sich selbst einen Tort an. Anke, das würde nämlich konsequenterweise dazu führen, dass Nicht-Juristen nicht mehr im Untersuchungsausschuss sitzen dürften. Wir haben nicht die Aufgabe zu verurteilen.
Jeder, der den Eindruck erweckt - übrigens auch jeder von uns, der den Eindruck erweckt -, er spreche ein Urteil möglicherweise mit gravierenden Folgen im persönlichen Bereich für die Beteiligten, legt die Axt an die Untersuchungsausschüsse.
Wir haben einen Sachverhalt zu bewerten und wir bewerten ihn politisch. Wir bewerten ihn politisch unterschiedlich. Anke, wenn das Argument von euch lautet, jeder wisse doch ohnehin, wie wir stehen, die Regierung ist immer gut, die Opposition sagt immer, dass die Regierung schlecht ist, dann könnten wir dazu übergehen, dass wir das Parlament insgesamt auflösen und sagen: Wir schaffen Sachverständigengremien für jeden Sachverhalt, weil ja ohnehin jeder weiß, wie wir dazu stehen.
Immer höre ich in Debatten von den regierungstragenden Fraktionen, dass die Opposition eigentlich überflüssig sei, und ich höre aus den Reihen der Oppositionsfraktionen häufig, dass sie es besser machen könnten und die regierungstragenden Fraktionen, die Regierung es falsch machten.
Gleichwohl ist diese Form der Auseinandersetzung ein konstituierendes Element dafür, dass sich die Menschen Meinungen bilden können, dass sie abwägen können, dass sie gucken können, ob die Argumente tragfähig sind.
Wie gesagt, ich schließe mich den Ausführungen des Kollegen Puls in Teilbereichen an, nicht was seine bewertenden Äußerungen anderer Mitglieder des
Ausschusses angeht. Ich sage das in Richtung SPD wie in Richtung Union: Es gibt von mir auch im Zweiten PUA nur eine einzige öffentliche Erklärung, auch Pressezettel, und es gibt keine Teilwertung nach jeder Aussage, die andere machen. Denn unsere Aufgabe besteht zunächst darin, etwas zu erfassen.
Klaus-Peter, ich weiß doch von vornherein nicht - ähnlich wie ihr oder andere -, ob ein Zeuge per se glaubwürdig ist oder nicht, ob die Aussage glaubhaft ist oder nicht. Mich wundert, dass in dem Verfahren wechselseitig jeweilige Zeugen immer sofort mit dem Stigma belegt werden, sie seien interessengeleitet, sie seien - auch das habe ich gelesen - instruiert oder vorbereitet worden oder was auch immer. - Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - All dies dient natürlich auch nicht der Festigung unseres Ansehens nach außen.
Meine Bitte wäre - hier schließe ich mich den Vorrednern der beiden großen Parteien, der noch größeren Parteien als wir, an -, wenn wir feststellen, dass es Unzulänglichkeiten, Missbrauch gibt, dass wir gemeinschaftlich versuchen, den Missbrauch abzustellen und damit das Instrument schärfen, aber nicht das Instrument selbst infrage stellen. Deshalb werden wir dem SSW-Antrag nicht zustimmen.
Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Monika Heinold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal ist es doch ein Glück, als Letzte zu reden. Ich finde, dass schon viele interessante Argumente gefallen sind. Auch die Geschichtsaufarbeitung finde ich spannend; ich finde, auch das gehört hierher.
(Vereinzelter Beifall - Ein Handy klingelt - Zuruf: Herr Präsident, Ihr Handy klingelt! - Weitere Zurufe)
Herr Kubicki, für meine Fraktion kann ich sagen, dass wir eher zurückhaltend waren, was Presse betrifft.
Wir haben uns zum Verfahren kritisch geäußert, aber in der Bewertung, gerade in der Bewertung von Aussagen, haben wir uns zurückgehalten.
Lieber SSW, liebe Anke, die grüne Landtagsfraktion lehnt den Vorschlag des SSW ganz klar ab, parlamentarische Untersuchungsausschüsse durch die Einführung unabhängiger Richteruntersuchungen zu ersetzen. Das wollen wir nicht. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben Verfassungsrang und gehören für uns zum Selbstverständnis eines Parlaments.
Damit werden dem Parlament weitgehende Rechte gegeben, um die Regierungsarbeit zu durchleuchten, zu kontrollieren und auch zu kritisieren. Schon ein Fünftel der Mitglieder des Landtages reicht aus, um zur Aufklärung von Tatbeständen im öffentlichen Interesse einen Untersuchungsausschuss einzusetzen - so unsere Verfassung. Ebenso genügt ein Fünftel der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses, um Beweiserhebung oder Akteneinsicht durchzusetzen. Dieses Parlamentsrecht, das insbesondere die Opposition stärkt, wollen wir ohne Wenn und Aber erhalten.
Natürlich haben wir Verständnis dafür, dass sich der SSW über die Arbeit des derzeitigen Untersuchungsausschusses ärgert und die wöchentlich tagende Zeitverschleuderungsmaschine stoppen will. Wir dürfen das Kind aber nicht mit dem Bade ausschütten. Nur weil wir eine CDU-Landtagsfraktion haben, die mit dem Instrument des Untersuchungsausschusses nicht sorgsam umgeht,
Natürlich ist es unerträglich, dass die CDU es zulässt, dass sich ein einzelner Abgeordneter den parlamentarischen Untersuchungsausschuss einverleibt hat, um damit sein eigenes Geltungsbedürfnis zu befriedigen.
Ich stehe mit dieser Auffassung nicht allein. - Die Parteispitze der CDU hat ja schon versucht, dieses
Treiben zu beenden, und hat dies auch öffentlich gemacht. Sie ist damit bei der CDU-Fraktion bisher aber noch nicht durchgedrungen. Selbst dass ein Parteitag einen Auftritt von Herrn Kerssenbrock mehr oder weniger ignoriert hat und eigentlich alles gar nicht so recht zur Kenntnis nehmen wollte, hat bei der CDU noch nicht dazu geführt, dass sie den Untersuchungsausschuss zur gegebenen Zeit beendet. Beim derzeitigen Verhalten der CDU könnte man fast schon an eine Verschwörungstheorie glauben: Die CDU geht fest davon aus, dass sie 2005 die Wahl gewinnt, und will durch wöchentliche Tagungen des PUA alle so sehr nerven, dass das Parlament den PUA abschafft, damit die CDU später ungestört regieren kann.
Wir werden diese Strategie aber durchkreuzen. Zum einen werden wir die Landtagswahl gemeinsam mit unserem Koalitionspartner gewinnen.
Zum anderen werden wir das Instrument des parlamentarischen Untersuchungsausschusses nicht abschaffen. Wir fordern die CDU aber auf, das montägliche Treiben schnell zu beenden und damit Kraft und Zeit für die vielen notwendigen Aufgaben der Abgeordneten freizusetzen.
Ich bedanke mich hiermit bei meinem Kollegen Detlef Matthiessen, der das wöchentliche Ritual mit großer Geduld und in Demut vor den Rechten des Parlaments erträgt.