Übrigens gab es eine internationale Vergleichsstudie im vergangenen Jahr, die nicht ganz so viel Aufsehen in den Medien erregt hat wie andere, in der festgestellt wurde, dass Deutschland durchaus zu den Ländern zählt, die für besonders begabte Kinder viel tun.
Nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten müssen wir über die Frage im Detail reden, wie wir die individuelle Förderung hier und da noch verbessern können, und zwar aus zwei herausragenden Motiven: zum einen, weil unsere Gesellschaft die Nutzung aller Bildungsreserven benötigt, und zum anderen, weil junge Menschen einen Anspruch darauf haben, die Förderung der Entfaltung ihrer Fähigkeiten garantiert zu bekommen. Darüber wird im Einzelfall auch im Hinblick auf die Maßnahmen, die die FDP vorschlägt, im Ausschuss zu reden sein.
Was nun die Hochschulen angeht, so dürfte sicherlich unumstritten sein, dass wir Spitzenforschung - ich füge hinzu: auch Spitzenlehre - ausbauen müssen. Über den Weg dahin sind viele neue Fragen aufgeworfen: Soll die Zuständigkeit des Bundes für den Hochschulbereich ausgeweitet werden? Soll es eine neue Bund-Länder-Aufgabenteilung beim Hochschulbau, bei der Förderung unserer Forschungseinrichtungen und bei der Hochschulfinanzierung geben? Sollen vielleicht sogar neue Hochschulen oder Universitäten eigens für Spitzenforschung gegründet werden? Oder geht es um eine Verstärkung des Bereichs privater Hochschulen?
Leistungsverbesserung oder Leistungseliteförderung - wenn Sie diesen Begriff vorziehen - muss sich heute an der Frage der wissenschaftlichen Ausrichtung der Forschungs- und Hochschuleinrichtungen orientieren. Wir haben in den letzten Jahren eine Vielzahl von Verbesserungen und stetigen Ausweitungen des gesamten Bereichs der angewandten Wissenschaften zu gewärtigen. Das will ich hier im Detail gar nicht alles noch einmal rekapitulieren. Es war wichtig, den Bereich Forschung und Entwicklung sowie Wissenstransfer in dieser Gesellschaft zu verbessern.
Aber der Kostendruck auf die Hochschulen - national betrachtet - hat schleichend dazu geführt, vor allem die Grundlagenfächer und die Grundlagenforschung ein wenig an den Rand zu drücken - wenn ich das einmal so formulieren darf. Deswegen müssen wir uns nicht in erster Linie über die Organisationsform, in der Spitzenleistungen im Wissenschaftsbereich organisiert werden sollen, Gedanken machen. Darüber kann man streiten. Eines ist unabweisbar: In einem 16-Länder-Föderalismus kann und wird es nicht gelingen, regionale Wünsche und Spitzenleistungen auf die bisherige Art und Weise zusammenzubringen. Nur wenn wir in länderübergreifenden Regionen denken und handeln, können wir durch intelligente Kooperation und Konzentration tatsächlich und faktisch Weltniveau halten und erhalten.
Gerade die Hochschulentwicklung zeigt meines Erachtens - da schließe ich die Forschungsgemeinschaften und Forschungsgesellschaften ein, die in der Diskussion leider immer ein bisschen vergessen werden - zeigt, dass wir die Reform unserer föderalen Strukturen offen und mutig tatsächlich angehen müssen. Denn die Leistungsfähigkeit unseres Föderalismus ist auch ein Wettbewerbsfaktor auf internationaler Bühne, gerade im Wissenschafts- und Technologiebereich. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich mit dem Prinzip „small is beautiful“ im Wissenschafts- und Technologiebereich kein Blumentopf gewinnen lässt.
Meine Damen und Herren, ich möchte für die Sozialdemokratie ein paar klare Konsequenzen aus der Debatte um eine Verbesserung der Spitzenforschung zum jetzigen Zeitpunkt ziehen.
Erstens. Leistungsspitzen auf höherem Niveau und in größerem Umfang erfordern ein gemeinsames Handeln auf norddeutscher Ebene in verbindlicher Form - ich betone: in verbindlicher Form.
Zweitens. Leistungsspitzen und Verbesserung in der Leistungsstruktur der Hochschulen müssen sich auf die existierenden Hochschulen beziehen, sollen auf existierenden Hochschulen aufbauen, um Ressourcen vernünftig zu nutzen.
Drittens. Es ist unabweisbar, dass bundesweit mehr Geld in die Hochschulen gelenkt werden muss. Allerdings - auch das füge ich an - muss das mit strukturellen Reformen verknüpft werden, weil es nicht darum gehen kann, vielfach noch ineffiziente Strukturen einfach nur aufzupäppeln.
Viertens. Der Bologna-Prozess der europäischen Vernetzung der Hochschulen muss genutzt werden, auch um die Zementierung von Studiengängen und Qualifizierungswegen aufzubrechen.
Fünftens. Man darf nicht außer Acht lassen, dass wir nicht nur mehr Spitzenleistung brauchen, sondern dass wir die Gesamtzahl der Hochschulabsolventen, derjenigen, die auf einer Hochschulausbildung basierend in unserer Gesellschaft wirken können, vergrößern müssen.
Da man die Reizthemen nicht aussparen soll und auch nicht aussparen will, will ich noch einmal deutlich sagen: Wer glaubt, Spitzenleistungen an Hochschulen durch Studiengebühren bezahlen zu wollen, und den Hochschulzugang junger Menschen exklusiv den Hochschullehrern überlassen will, wird nicht auf unsere Zustimmung zählen können.
Wir haben keinen Bedarf, Einrichtungen zu schaffen, in denen man sich den Habitus einer Elite aneignen kann, die allein auf dem Namen einer Hochschule beruht, die man gerade absolviert. Aber wir haben in der Tat Bedarf, im Spitzenbereich besser zu werden.
Spitzenleistung erfordert eine deutliche Schwerpunktsetzung und Schwerpunktbildung in unseren vorhandenen Hochschulen, Schwerpunkte, die im nationalen und internationalen Vergleich wissenschaftliche Leuchttürme sein sollen und sein müssen. Wenn ich „Leuchttürme“ sage, meine ich nicht Elfenbeintürme. Denn gerade in der Grundlagenforschung sind es ja keinesfalls so sehr die Einzeldisziplinen, sondern vielmehr die neuartigen, manchmal rasch wechselnden Beziehungen und Verbindungen zwischen Disziplinen, bei denen die Wissenschaft tatsächlich auf Neuland stößt und wir uns neu positionieren müssen. Ich will ein paar Beispiele nennen: Recht und Mikrobiologie, Linguistik und Softwaretechnik, Erwachsenenbildung und Infotechnik, Kulturforschung und Psychiatrie und andere Kombinationen.
Ich teile die Auffassung, die der Bundestagskollege Ernst Ulrich von Weizsäcker jüngst zugespitzt formuliert hat, dass gerade vor diesem Hintergrund die klassischen Fakultätsgrenzen und die klassischen Gutachterzirkel der Deutschen Forschungsgemeinschaft für einen solchen Prozess zurzeit eher innovationshemmend sind.
Ich glaube - das hat der Kollege Klug auch getan; das will ich zum Abschluss sagen -, wer vorgestern die Gelegenheit hatte, die Informationsveranstaltung der Technologiestiftung zum deutschen Genomforschungsnetz zu besuchen, hat einen Eindruck davon erhalten, was möglich ist, wenn man die entsprechenden Strukturen auf diese Möglichkeiten hin konzentriert.
Die vielen Details, die in dieser Debatte angetickt sind und die sich im Antrag der FDP finden, wollen wir im Ausschuss gern vertiefen. Ich freue mich auf die Beratung dort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Wochen und auch heute bei der Debatte war Gelegenheit zu beobachten, was die SPD-Spitze
mit dem Vorstoß der Eliteförderung wirklich gemeint hat, ob es ein weiterer PR-Gag war, um ein paar Wochen lang die Medien zu bestimmen, oder ob es tatsächlich der Aufbruch der SPD sein sollte hin zu einer neuen Bildungs- und Forschungspolitik, die Eliten tatsächlich ermöglicht hätte.
Herr Weber, nach Ihrem Beitrag bin ich mir ziemlich sicher, dass wir den Einstieg in eine neue Debatte über Eliteförderung überhaupt nicht haben, sondern dass Sie eine neue Variante der Interpretation hinzugefügt haben, was die Weimarer Beschlüsse anbelangt, indem Sie gesagt haben: Eigentlich war es ja gar kein richtiger Beschluss, es waren ja nur drei Zeilen.
Unser Bundeskanzler, Herr Schröder, und ihr Scholzomat haben sich dort hingestellt und gesagt: Wir wollen die Eliteförderung. Was wir aber von der SPD-Spitze und auch von Frau Bulmahn bisher gehört haben, ist rein eindimensional. Herr Weber, was wir von Ihnen gehört haben, ist nicht einmal mehr eindimensional, sondern hat mit Elite überhaupt nichts mehr zu tun. Hier sind es die alten Argumentationslinien einer Forschungspolitik, die mitnichten dazu angetan ist, irgendetwas besser zu machen und zu einer Spitzenforschung oder Elitebildung in Deutschland zu kommen.
möchte ich einige grundsätzliche Bemerkungen voranstellen, bevor ich zu den einzelnen Themen der Elitebildung komme.
Erstens. Eliteförderung, Elitebildung, Spitzenforschung hat nicht nur etwas mit Organisation zu tun. Es ist ein großer Irrtum von Frau Bulmahn zu glauben, dass man einen Weg finden muss, wenn man möglichst viel Geld an einen Ort kanalisiert, dass man dann hinterher eine Elite- oder Spitzenforschung hat. Nein, das ist es nicht. Eliteförderung, das Möglichmachen von Spitzenforschung, ist ein inhaltlicher Unterschied zu dem, was wir bisher haben, und zwar ein inhaltlicher Unterschied deshalb - jetzt bin ich beim zweiten Punkt -, weil Eliteförderung bedeutet, dass man Unterschiede nicht nur zulassen, sondern dass man sie dezidiert zum Ziel seiner Politik erklären muss.
Zweitens. Eliteförderung bedeutet, dass man akzeptiert und darauf hinarbeitet, dass es Studierende gibt,
die besser sind als andere Studierende, dass es Institute gibt, die besser sind als andere Institute, und dass es so sein wird, dass die besseren Studierenden an den besseren Instituten unter besseren Rahmenbedingungen arbeiten und deshalb irgendwann einmal zu einer Spitze gehören, die auch tatsächlich Spitzenforschung ermöglicht. Das ist ein Paradigmenwechsel im Vergleich zu dem, was Sie bisher an Bildungsphilosophie und Bildungsideologie seit den 60er-Jahren mit sich herumtragen und was immer noch Antragslage bei Ihnen ist, wie ich feststelle, wenn ich mir Ihr Bildungspapier für den Parteitag im März anschaue.
Der dritte Punkt, um den es bei der Eliteförderung ganz grundsätzlich geht, ist die Eigenverantwortung des Einzelnen für seinen Werdegang, für seine Bildungsbiografie, aber auch die Eigenverantwortung der einzelnen Einrichtung - sei es eine Forschungseinrichtung oder eine schulische Einrichtung - für das, was sie tut, und auch für die Folgen. Der Punkt der Eigenverantwortung ist nicht nur akademischer Natur. Dieser Punkt spielt im Zusammenhang mit den Studiengebühren eine wichtige Rolle. Deshalb muss man diesen Punkt unter den grundsätzlichen Punkten zur Elitebildung und Eliteförderung anführen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen, dass sich die CDU zur Eliteförderung bekennt. Wir bekennen uns zu den drei Grundvoraussetzungen, die damit einhergehen. Wir wollen, dass die Bildungspolitik und die Forschungspolitik in Deutschland und vor allem in Schleswig-Holstein so umgestellt werden, dass wir tatsächlich zu einer Eliteförderung kommen. Das beginnt schon in der Schule. Herr Kollege Klug hat schon Fragen angesprochen, die die Schule betreffen. Er ist auch auf die Hochbegabten zu sprechen gekommen. Ich glaube, dass es richtig ist, dass gerade der Kollege Klug und die FDP das Thema Hochbegabte immer wieder in die parlamentarischen Beratungen und damit auch in die Landespolitik einbringen. Viele Aspekte, die er angesprochen hat, sind sehr bedenkenswert. Ich persönlich kann mir vorstellen, dass man parallel vielleicht auch noch einen anderen Weg einschlägt und sagt, dass man zunächst einmal vier Schulämter im Lande zu Spezialschulämtern und Ansprechpartnern für Hochbegabte macht. Das Problem ist ja nicht nur die Unterrichtung der Hochbegabten, wenn man diese erst einmal als solche erkannt hat. Das Problem ist oftmals vielmehr, dass Hochbegabte in den Grundschulen gar nicht erkannt werden und niemand weiß, welches Potenzial in ihnen steckt.
Ich glaube, dass man auch über solche Einrichtungen wie staatliche Internate für Hochbegabte nachdenken muss. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist St. Afra bei Meißen in Sachsen. Das ist allerdings auch ein sehr kostspieliges Beispiel, welches nur wegen des Aufbaus Ost zustande kam. Insgesamt muss man aber sagen, dass die Hochbegabtenförderung nicht mit einer Elitebildung oder Eliteförderung im schulischen Bereich gleichzusetzen ist. Wir haben es vielmehr meistens mit einem Spezialproblem für die Betroffenen zu tun, das sozusagen nicht Ausgangspunkt für Maßnahmen zur Eliteförderung im schulischen Bereich sein kann.
Werfen wir noch einmal einen Blick auf die PISAStudie. Sie ist zwar schon zwei Jahre alt, aber noch nicht in allen Punkten analysiert und abgearbeitet. Diese Studie weist für Deutschland den Befund aus, dass wir ein besonders breites Spektrum an mittleren Leistungen und ein besonders kleines Spektrum an guten Leistungen haben. Das ist der Punkt, bei dem wir im Schulwesen ansetzen müssen.
Das ist über verschiedene Ansatzpunkte, die gewählt werden können, möglich. Wir glauben, dass ein Wettbewerb der Schulen untereinander zu dem von uns gewünschten Ziele führt, wenn wir zulassen, dass sich bei diesem Wettbewerb Schulen unterschiedlicher Qualität herausbilden. Dies ist der Grundgedanke. Dieser Wettbewerb setzt eine Autonomie der Schulen voraus. Die Schulen müssen in weiten Teilen selber bestimmen können, wie sie sich auf den Wettbewerb einstellen. Wir sind dezidiert der Auffassung, dass Begabungsförderung - ich möchte diesen Punkt hinzufügen, weil er durch die Programmarbeit der SPD eine gewisse Aktualität bekommen hat - immer noch am besten im gegliederten Schulwesen möglich ist,
weil nur das gegliederte Schulwesen tatsächlich in der Lage ist, begabungsgerecht und zielgenau auf die Kinder einzugehen. Solange Sie sich auf Ihren Parteitagen hinstellen und, unterstützt durch die Grünen, sagen, Sie wollten die zehnjährige Einheitsschule für alle, wird es, auch wenn Sie in Ihren Programmen
noch so oft von Eliten reden, nie Eliten in Deutschland und damit auch nicht in Schleswig-Holstein geben.