Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wiedereröffnung der Rednerliste gibt Gelegenheit, zwei Punkte noch kurz anzusprechen. Ich möchte auf die rituelle Aufzählung der schleswig-holsteinischen Forschungshighlights verzichten. Das ist an anderer Stelle schon vorgetragen worden: Biowissenschaften, Medizintechnik, Meereswissenschaften et cetera.
Ich möchte eine konkrete Anregung unterbringen, nämlich die Überlegung, dass sich manches sicherlich am besten zusammen mit Partnern im Verbund realisieren ließe. Ich denke da keineswegs nur an Hamburg. Es gibt viele Bereiche, in denen man mit Partnern in Deutschland, aber auch im europäischen Nachbarschaftsbereich gut kooperieren kann. Zum Beispiel könnte ein Forschungsverbund zum Thema Entwicklung der Ostseeregion auch mit Partnern aus dem geographischen Nachbarschaftsumfeld gut entwickelt werden, sei es als Transregio-Sonderforschungsbereich oder in anderer Form. Da brauchen wir nicht bei uns Ressourcen aufzubauen, die für einen großen Forschungskomplex erforderlich wären. Das kann man sehr gut auch in Kooperation hinbekommen.
Eine Anmerkung zu dem Zauberwort, zu dem magischen Begriff „Evaluierung“! Als Anregung zum Nachdenken ein Zitat aus der Evaluierung eines Mathematiklehrstuhls - aus Datenschutzgründen natürlich in anonymisierter Form vorgetragen. Da heißt es:
„Der Genannte hat kaum Studenten und seine Lehrveranstaltungen fallen mangels Teilnehmern häufig aus. Die Zahl der Abschlüsse ist vernachlässigbar. N. hat vor drei Jahren ein Buch veröffentlicht, das von Experten als ebenso ambitiös wie verworren bezeichnet wird, da die darin zugrunde gelegten Axiome der alltäglichen Erfahrung widersprechen.
Da das Fach nur einen minimalen Erfolg in Lehre und Ausbildung und zweifelhafte Forschungsleistungen aufweist, empfiehlt die Evaluationskommission seine Auflösung.“
Es handelt sich natürlich um eine fiktive Evaluierung, aber durchaus auf der Basis zeitgenössischer Daten und Fakten, und zwar um eine fiktive Evaluierung des Mathematiklehrstuhls eines gewissen Isaac Newton an der Universität Cambridge anno 1690. Der Philosoph und Wissenschaftshistoriker Klaus Fischer hat einmal solche fiktiven Evaluierungen am Beispiel von Galileo Galilei und Isaac Newton formuliert. Ich finde, das macht schon deutlich, vor welchem Problem die Pioniere neuer wissenschaftlicher Entwicklungen stehen, wenn sie vom Urteil einer eher traditionsverbundenen Forschergemeinde abhängig sind.
Ich will damit überhaupt nicht generell gegen Evaluierung sprechen. Nur, das ist ein Problem, dessen man sich bei der Gestaltung von Evaluierungsverfahren, aber auch bei der Bewertung von Evaluierungsergebnissen einfach bewusst sein muss. Denn natürlich wissen wir, dass es in den einzelnen Fächern Schulen, und auch „Seilschaften“ gibt, innerhalb derer man den anderen wechselseitig über Zitierungen und freundliche Gutachten stützt, und dass diese Situation unter dem Aspekt des Pluralismus in der Forschung und unter dem Aspekt der Chancen für neue innovative Ansätze Probleme mit sich bringen kann. Das ist ein Punkt, über den man bei der Gestaltung und bei der Bewertung solcher Evaluierungen schlicht und ergreifend ebenfalls nachdenken muss.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich nicht mehr gemeldet haben. Aber nachdem ich heute offenbar alles falsch gemacht habe,
das falsche Institut kritisiert und mich für den falschen Standort eingesetzt habe, muss ich doch das eine oder andere dazu sagen.
Herr Hentschel, nicht alles, was in der Hochschulpolitik geschieht, ist forschungspolitische Innovation. Was sich im Bauwesen in Schleswig-Holstein zwischen Eckernförde und Lübeck abgespielt hat, war nicht etwa eine forschungspolitische Initiative oder ein Innovationsvorstoß. Vielmehr ging es darum, dass Studienplätze abgebaut wurden und dass beim Abbau der Studienplätze eine Standortsentscheidung zu treffen war.
Da ist es absolut legitim, wenn man sich als Abgeordneter, sei es, dass man hochschulpolitischer Sprecher ist, sei es, dass man Wahlkreisabgeordneter ist, für einen Standort einsetzt. Aber was in den Fachbereichen Bauwesen geschehen ist, hat nichts mit Forschungspolitik im eigentlichen Sinne zu tun, sondern es hat zu tun mit einem Herunterfahren von Kapazitäten und mit Standortentscheidungen, die in diesem Fahrwasser zu treffen waren. Insofern dürfen Sie diese Dinge nicht vermischen.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Wenn man Schwerpunkte setzen will, muss man auch den Mut haben, Schwerpunkte zu setzen!)
- Moment! Sie wollen wohl nicht behaupten, dass die Zusammenlegung der Fachbereiche im Bauwesen im eigentlichen Sinne eine Clusterbildung war. Das war vielmehr ein Zusammenlegen von Fachbereichen beim Abbau von Studienplätzen. Mehr ist es nicht gewesen.
Nun zu einem anderen Punkt. Ich wundere mich schon, dass ich von der Ministerin hier scharf kritisiert werde, weil ich eine Tatsache beschrieben habe, nämlich die Tatsache, dass es drei Anläufe gebraucht hat, bevor das Institut für Weltwirtschaft einen neuen Chef bekommen hat. Nun können Sie sagen, dass meine Kritik dem Renommee schadet. Das halte ich für eine Überbewertung meines Einflusses. Ich glaube aber vor allem, dass die Tatsache, dass es drei Anläufe gebraucht hat, einen neuen Chef zu finden, dem Renommee dieses Instituts schadet und dass man so etwas in einer solchen Debatte auch einmal anmerken darf.
Es stört mich schon, dass ich jetzt von Ihnen kritisiert werde, weil ich mich kritisch zu Verfahren im Zusammenhang mit dem Institut für Weltwirtschaft äußere, während Sie, Herr Hentschel, sich - wie zuvor
schon Frau Birk - hier hinstellen und eine strukturelle und zum Teil wirklich freche Kritik an der ChristianAlbrechts-Universität äußern.
Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, der nichts mit mir persönlich zu tun hat, sondern der inhaltlicher Natur ist. Der Kollege Klug hat soeben die Frage der Evaluation und die Frage danach angesprochen, welche Art von Kontrolle beziehungsweise von Controlling wir im Bereich der Forschungspolitik und der Hochschule tatsächlich anwenden. Ich will gar nicht sagen, dass ich sämtliche Formen der Evaluation für falsch halte.
Ich glaube, wir müssen nur im Bildungswesen insgesamt, sei es in der Schule, sei es in der Hochschule oder wo auch immer, stärker eine Ergebniskontrolle anwenden. Ich habe den Eindruck, dass vieles von dem, was Sie, Frau Birk, gesagt haben, eigentlich weniger eine wissenschaftlich-fachliche Evaluierung ist, sondern immer stärker in Richtung einer gesellschaftlich-politischen Kontrolle dessen, was an Hochschulen stattfindet, geht. Das wollen wir nicht.
Es geht um Effizienzkontrolle, es geht um Ergebniskontrolle. Dafür muss man vernünftige Verfahren finden. Diese muss man dann auswerten. Aber wir dürfen nicht sozusagen über den Umweg der Evaluation gesellschaftlich-politische Ansätze in die Hochschulen hineintragen.
Man muss das ganze Evaluierungswesen und zum Teil -unwesen auch aus dem Blickwinkel des Aufwandes betrachten. Die Evaluierungswellen, die wir haben und die sich überall ausweiten, sind enorm aufwendig. Sie binden enorm viel Arbeitskraft von Leuten, die eigentlich forschen und lehren sollen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen Ausspruch. Ich glaube, er stammt vom ehemaligen Generalsekretär des Wissenschaftsrates. Dieser lautet: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in einen Zustand kommen, in dem ständig die eine Hälfte der Republik die andere Hälfte evaluiert. Denn dann kommen die Leute in den Hochschulen nicht mehr zu dem, was sie eigentlich machen sollen, nämlich zu forschen und Innovation zu betreiben. Deshalb, meine Damen und Herren: Sehr wohl eine Effizienzkontrolle, aber keine
aufwendige Effizienzkontrolle, bei der der Weg zunehmend zum Ziel wird und wir sozusagen Ressourcen von den Bereichen wegbringen, in denen wir sie eigentlich haben wollen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will doch noch einmal drei Punkte nennen, weil sie in der Debatte eine Rolle gespielt haben.
Ich will auf persönliche Satisfaktionsfragen nicht eingehen. Ich denke, es ist in der Sache dazu alles gesagt. Es geht ja auch nicht darum, dass man die eine oder andere Bildungseinrichtung nicht kritisieren darf oder dass man das eine oder andere hier unausgesprochen lassen muss. Wir sind als Gesetzgeber und als Haushaltsgesetzgeber diejenigen, die die Steuermittel für diesen Bereich zur Verfügung stellen. Daher muss man hier natürlich auch zu Leistungsfragen und zu Ergebnissen, die in diesen Einrichtungen - ich sage einmal - produziert werden, Stellung nehmen können.
Natürlich gibt es an den Hochschulen nach wie vor den einen oder anderen Vertreter, der die Medaille für 25-jährige veröffentlichungsfreie Forschung verdient hätte. Das gibt es natürlich auch noch. Aber da wir gerade Mechanismen angewandt haben, um in der Lage zu sein, Forschung zu bewerten, ist dies, denke ich, mittlerweile Stück für Stück überwunden worden. Worüber wir in diesem Zusammenhang mit Strukturen reden, ist doch nicht die Bewertung der Leistungen einzelner Forscher, sondern das Schaffen von Strukturen, die moderne Forschung im Grundlagen- und im angewandten Bereich möglich machen. Das ist eben nicht mehr Isaac Newton oder gar Galileo Galilei. Im Regelfall ist es nicht mehr der Einzelforscher, sondern es sind Forscherteams, Forschergruppen, die fast ausschließlich interdisziplinär arbeiten.
Damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt, den vorhin Herr Hentschel und auch Herr Klug genannt haben. Wir müssen natürlich sehen, dass die Forschungseinrichtungen, die wir haben, die strukturell gewachsen sind, die ihre Dezernate und ihre Zuständigkeiten, ihre Abteilungs- und Fachleiter haben, nicht mehr in jedem Fall das abdecken, was sich im Forschungsbereich tatsächlich entwickelt. Das heißt, wir haben Strömungen, die nicht mehr deckungs
Ich will gern einen weiteren Punkt anschließen, Herr Kollege Klug. Von vielen ist auch die Frage der Bund-Länder-Zuständigkeiten thematisiert worden. Es ist gefragt worden, wie wir das künftig ordnen wollen. Wir brauchen eigentlich weiterhin BundLänder-Zuständigkeiten im Bereich der Großforschungseinrichtungen und der Wissenschaftseinrichtungen, die wir haben. Man kann jetzt natürlich beklagen - das beklage ich auch, und da gebe ich dem Kollegen Hentschel Recht -, dass wir in den letzten 20 bis 30 Jahren eine Unwucht der Ausstattung der Forschungseinrichtungen gehabt haben. Aber wir müssen heute den Status quo akzeptieren und vor allen Dingen akzeptieren, dass ein Großteil der bundesweit aufgelegten Programme Wettbewerbsprogramme sind. Den Königsteiner Schlüssel gibt es noch, aber damit, dass das Geld heutzutage noch sozusagen nach dem Motto verteilt wird: Ihr bekommt 2,537 % - die Zahl stimmt nicht genau, aber so ungefähr ist die Größenordnung -, kann man auf Dauer wissenschaftlich nicht rechnen. Man wird davon ausgehen müssen - ich finde das auch richtig -, dass wir uns in diesen Fragen dem Wettbewerb stellen. Dann kommt es dazu, dass wir definieren müssen, wie das aussehen soll.
Nun kommt mein dritter Punkt. Sie haben das Thema Hochschulbau angesprochen. Ich bin sehr dafür, über die Frage der Neuordnung des Hochschulbaus zu reden, aber wir können doch bitte schön die jetzige Situation nicht einfach aufgeben, ohne dass wir wissen, was wir dafür kriegen. Die gemeinsame Finanzierung im bisherigen Bund-Länder-Maßstab können wir nicht einfach sozusagen infrage stellen und sagen, darauf können wir verzichten, ohne dass wir genau wissen, wie die zukünftige Finanzierungsstruktur ist. Ich glaube, das ist Commonsense.
- Logisch ist nicht immer alles, was im politischen Raum thematisiert worden ist. Wir haben ja als Reflex auf unsere Aufkündigung der Bund-LänderPlanung im Bildungsbereich aus dem Bereich des Bundestages, von verschiedenen Fraktionen, Parteien gehört, dass man sagt: Wenn ihr das nicht wollt, macht doch euren Hochschulbau allein. Ich überspitze das jetzt einmal. Ich glaube, da brauchen wir einen organisierten, einen organischen Prozess, und ich bin relativ optimistisch, dass wir da gemeinsam ein Stück weiterkommen.
Das ist das, was ich gerne noch anfügen wollte. Wir sollten das im Ausschuss vertiefen. Vielleicht gelingt es uns ja, gerade in dieser Frage der Bund-Länder