Protokoll der Sitzung vom 19.02.2004

(Konrad Nabel)

Fehmarnbelt-Querung - und das immer nur als Reaktion auf die tüchtige Arbeit unseres Ministers Rohwer - in den letzten Wochen, bei der der Fraktionsvorsitzende der FDP den Eindruck erzeugte, als würde er dafür bezahlt, Falschmeldungen und Verdächtigungen zu produzieren, war schon klar, dass ein Antrag von der Qualität dabei herauskommen würde, der uns heute mit der Drucksache 15/3192 vorliegt. Und die rein populistische und mühsam aufrührerische Rede von Herrn Dr. Garg spricht ebenfalls Bände.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die FDP geht dabei von der irrigen Vorstellung aus, dass die Stärkung der Wirtschaftskraft das einzige Parameter zur langfristigen Sicherung unseres Wohlstandes ist. Da man Geld nicht essen kann, wir auch noch Luft zum Atmen brauchen und eine intakte Natur als Grundlage unseres Lebens unverzichtbar ist, haben sich die Koalitionsparteien in SchleswigHolstein dem Prinzip der Nachhaltigkeit verschrieben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Günther Hildebrand [FDP]: Nur nicht bei den Arbeitsplätzen!)

Die Landesregierung hat in ihrer jüngst veröffentlichten Nachhaltigkeitsstudie „Zukunftsfähiges Schleswig-Holstein“ festgestellt, dass nur bei einer gleichzeitigen und gleichgewichtigen Betrachtung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Belange den kommenden Generationen eine funktionsfähige Welt hinterlassen werden kann.

Dass dieser ständige Abwägungsprozess nicht einfach ist, wissen wir alle. Aber er ist nichts Negatives an sich, sondern wird für vernunftbegabte Menschen allmählich zur Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist schon eigenartig, wie wenig die FDP in diesem Sinne in den letzten Jahren dazugelernt hat und wie unterschiedlich die einzelnen europäischen Programme bei der FDP und offensichtlich bei der CDU dieses Hauses bewertet werden. Zu TEN, zu den transeuropäischen Netzen, sagen Sie: ja. Bei EFF sagen Sie: ja, aber. Bei der Agrarförderung sagen Sie: so nicht. Und bei NATURA 2000 sagen Sie einfach nur: nein. Wir halten es da eher mit der europäischen Kommission, die sich sehr wohl im Klaren darüber ist - und diese Ansicht auch von uns erwartet -, dass die verschiedenen Programme der Europäischen Union nur zusammen und nur gemeinsam zu haben sind.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In unserem Europa des 21. Jahrhunderts dürfen große Infrastrukturprojekte nicht mehr gegen die Interessen der arbeitenden Menschen und der Natur durchgesetzt werden, sondern nur in Einklang miteinander oder zumindest in Abwägung der wirtschaftlichen Erfordernisse mit den Belangen des Natur- und des Umweltschutzes. Die Abwägung muss gerade dann auf einer sicheren Basis erfolgen, wenn in festgestellten Gebieten des europäischen Programms NATURA 2000, also den dann festgestellten FFH- und Vogelschutzgebieten, beispielsweise Infrastrukturprojekte von größerer Bedeutung umgesetzt werden sollen. Dafür gibt es einige Beispiele, die nicht allen gleich gut und gleich viel Freude machen. Ich nenne die Wakenitz-Querung durch die A 20 bei Lübeck und das Mühlenberger Loch - die Diskussionen sind Ihnen ja präsent. Diese konnten aber nur auf der Grundlage der für diese Fälle vorgesehenen Verträglichkeitsprüfung umgesetzt werden. Und dies wird auch für die Fehmarnbelt-Querung geschehen. Nur so kann Rechts- und Planungssicherheit hergestellt werden. Dafür werden wir auch weiterhin sorgen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die FDP kann offensichtlich nicht so weit sehen. Die Sache ist wohl zu komplex für sie. Im Übrigen kann sie sich auch nicht - er ist schon zitiert worden - an den Ende letzten Jahres im Wirtschaftsausschuss verteilten Umdruck 15/3871 erinnern. Ich habe ihn hier. In diesem hat die Landesregierung die im heutigen Antrag, Drucksache 15/3192, gestellten Fragen bereits größtenteils beantwortet.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter Nabel, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Kolb?

Nein. Meine Redezeit ist gleich zu Ende, deswegen lasse ich das. Alles, was heute abläuft, ist nur Show. Der Landtag ist wieder einmal die Bühne für eitle Attitüden eines einzelnen Herren. Es wäre besser, auch die FDP nähme zur Kenntnis, dass es sich bei der geplanten Fehmarnbelt-Querung - und bei anderen großen Maßnahmen - nicht um einen Brückenschlag am grünen Tisch handelt, sondern um einen erheblichen Eingriff in das Leben der Menschen auf Fehmarn und die dort nicht nur für den Tourismus überaus wichtige Natur. Neben Fähren, Eisenbahnen

(Konrad Nabel)

und LKWs benutzen auch Millionen von Zugvögeln die Vogelfluglinie. Schweinswale haben dort einen wichtigen Lebensraum. Darauf aber zu hoffen, ist wohl vergeblich.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile dem Herrn Oppositionsführer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicher über das notwendige Maß hinaus, gegen den Willen der Menschen und zum Nachteil unseres Landes betreibt diese Landesregierung nachhaltig den Ausweis von FFH-Gebieten, Vogelschutzgebieten und NATURA 2000-Flächen. Dieser Ausweis bekommt aber mit der Behinderung der gewerblichen und industriellen Investitionen eine neue negative Qualität, zumal die wirtschaftliche Situation unseres Landes gekennzeichnet ist von Rekordarbeitslosigkeit und einem dramatischen Anstieg der Insolvenzen. Ich frage mich, wo eigentlich der Wirtschaftsminister bei diesem wichtigen Thema hier und heute ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir wollen nicht weniger, wir wollen mehr Umweltschutz.

(Lachen bei der SPD)

Im Gegensatz zu Ihnen wissen wir aber, dass Umweltschutz Geld kostet. Wir werden Umweltschutz mit den Menschen machen, nicht gegen die Menschen, wie das von Ihnen gemacht wird!

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen alle, dass Schleswig-Holstein aufgrund seiner wirtschaftlichen und geographischen Lage auf eine gut ausgebaute Infrastruktur angewiesen ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir brauchen die Ost-West-Verbindungen und wir brauchen die A 20 mit westlicher Elbquerung bei Glückstadt. Ich finde es schon frustrierend, dass ein Teil dieser Regierung, nämlich die Grünen, immer noch diese Verbindungen und diese Verkehre verhindern und FFH-Gebiete an Stellen ausweisen wollen, die wichtig sind für unsere Infrastrukturmaßnahmen, die unbedingt erfolgen müssen.

(Beifall bei CDU und FDP - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht doch die CDU-Regierung in Nie- dersachsen!)

Herr Müller, Sie müssen nicht mit dem Kopf schütteln, ich komme gleich noch darauf zurück. Zunächst einmal zu Eiderstedt: Dort haben Sie sich als politischer Brandstifter betätigt! Sie haben gegen die Menschen dort gehandelt!

(Beifall bei CDU und FDP)

Warum haben Sie Eiderstedt nicht aufgeteilt? Warum haben Sie ganz Eiderstedt angemeldet und nicht die Gebiete, die man durchaus abgrenzen kann? Sie wollen gar nicht, dass die Argumente der Menschen von Ihnen aufgenommen werden. Sie kehren zum Beispiel 500 Stellungnahmen wie nichts unter den Tisch, weil Sie sich nicht mit den Menschen auseinander setzen, sondern weil Sie Ihre Ideologie durchsetzen wollen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister, wenn Sie an dieser Stelle den Kopf schütteln, dann sagen Sie doch ehrlich, dass Sie dabei sind, die 5. Tranche - oder bei Ihnen im Hause mit III a gehandelt - auszuweisen, dass Sie weitere 25 Gebiete großflächig hier im Lande ausweisen wollen, dass Sie in Ihrem Hause eine geheime Task Force errichtet haben! Wenn Sie nun immer noch nicht genug haben: Gibt es nicht ein Schreiben aus Ihrem Hause an das Landesamt für Naturschutz, in dem steht, dass zur weiteren Bearbeitung bestimmte Gebiete zu benennen sind und im Januar benannt worden sind und dass Sie dort verlangen, dass Zusammenstellungen über sämtliche - für die Erstellung von Kurzgutachten notwendige fachliche - Unterlagen unverzüglich zu erfolgen haben, und zwar mit Beginn Februar und Abgabetermin 4. Februar? Das Spannendste ist, dass dann noch dahinter steht: Dienstschluss im MUL. - Wo sind wir denn hier? Sie sagen erst, was ausgewiesen werden soll, dann suchen Sie die Gründe und die Argumente, weil Sie Ihre verbohrte Ideologie durchsetzen wollen. Das ist doch das Problem!

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Anweisungen gehen dann so weit, dass diese Arbeitsgruppe, die im Geheimen ist, autorisiert ist und gewisse Prioritäten hat. Alle anderen Arbeiten sollen liegen bleiben, weil die Vorrang haben, die sich mit diesen so genannten Kurzgutachten beschäftigen. Herr Minister, so betreibt man in diesem Land keinen Umweltschutz. So schadet man dem Umweltschutz und den Menschen!

Zu der Liste: Das müssen sich die Kollegen von der SPD einmal vor Augen führen. Da geht es zum Beispiel um die Elbe bei Brunsbüttel. Hier soll in einem Bereich, in dem wir in diesem Land ausweislich noch

(Martin Kayenburg)

Flächen haben, die für industrielle Baumaßnahmen geeignet sind, ein FFH-Gebiet ausgewiesen werden. In Klammern steht dort: Konflikt. Weiter steht dahinter: Bitte nur mit BfN diskutieren. Ich frage mich: Was ist das für eine Unverschämtheit, Herr Minister, dass Sie in dieser Form mit unserem Land umgehen?

(Beifall bei CDU und FDP)

Dann gibt es natürlich noch so Peanuts wie den Sachsenwald. Dort steht nur: „Zu prüfen. Trave: Vorsicht, Konflikt wegen Lübeck“. Sie erkennen die Konflikte. Gleichwohl wollen Sie ausweisen. Herr Minister, wenn ich auf die A 20 zurückkomme, dann sage ich Ihnen: Der letzte Punkt, vielleicht hat den irgendjemand aus Versehen nachgeführt, ist in Ihrer Liste die Kremper Marsch. Jeder, der weiß, wo die Kremper Marsch liegt, der weiß auch, dass die A 20 dort durchgeht. Sie wollen die Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in unverantwortlicher Weise zum Schaden des Landes, zum Schaden der Bevölkerung und zum Schaden der Wirtschaft verhindern. Das ist Ihre Umweltpolitik!

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Matthiessen das Wort.

Danke, Herr Präsident! Jede Landtagssitzung eine Ideologiedebatte. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Garg, Sie haben hier in Ihrer minimachiavellischen Manier einen Arbeitsmarktbericht abgegeben, statt zum EU-Programm NATURA 2000 zu reden. In Ihrem Antrag verleihen Sie und Ihre Fraktion Ihrer Sorge Ausdruck um „das Wachstum der Wirtschaftskraft, der Beschäftigung und des Wohlstandes in Schleswig-Holstein“.

Selbstverständlich gibt es bei den Zielen Naturschutz und wirtschaftlicher Flächennutzung einen Zielkonflikt. Sie tönen hier im Landtag regelmäßig: So nicht! Sie scheuen aber wie der Teufel das Weihwasser die Beantwortung der Frage: wie denn? Sie lösen den Zielkonflikt denkbar einfach. Sie schaffen das Ziel Naturschutz einfach ab.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich darf in diesem Zusammenhang Ihren FDPParteifreund, den niedersächsischen Umweltminister Sander, aus seiner Rede beim Landwirtschaftlichen

Kreisverband Aschendorf-Hümmling im Emsland zitieren.

(Lachen bei der CDU)

- Es mag an der „Wallachei“ des Redeortes liegen, dass er sich traute, so etwas überhaupt öffentlich zu sagen. Vielleicht dachte er, kein Journalist schreibt das mit. Er sagte: