Schon jetzt hat Schleswig-Holstein Ausnahmen in das Beihilferecht eingeführt - das ist hier auch schon erwähnt worden -, um zum Beispiel das unter sozialen und frauenpolitischen Aspekten absolut notwendige eigene Antragsrecht für getrennt lebende Ehegatten sicherzustellen. Grundlage ist aber immer noch das bisherige Beihilferecht des Bundes.
Nun plant der Bund ein äußerst kompliziertes Verfahren, um die Anwendung der entsprechenden Regelung bezüglich der Praxisgebühr in das Beihilferecht zu integrieren. Es ist absehbar, dass der bundesrechtlich vorgesehene quartalsbezogene Abzug äußerst verwaltungsaufwendig werden wird. Außerdem gibt es noch verfassungsrechtliche Bedenken. Deshalb können wir die Überlegung der Landesregierung, über ein eigenes Landesbeihilferecht nachzudenken, nachvollziehen und unterstützen.
Allerdings würden wir es begrüßen - auch hier sind wir uns ja einig -, wenn sie das möglichst in Übereinstimmung mit den anderen norddeutschen Ländern tun würde. Außerdem begrüßen wir den Gedanken, stärker auf eine Pauschalierung zu setzen. Frau Schwalm hat hier schon ausgeführt, warum das notwendig ist. Auch für das kaum durchschaubare Wirrwarr der beamtenrechtlichen Entsprechung der Praxisgebühr könnte eine Pauschale vereinbart werden.
Unsere zentrale Forderung bleibt aber: Solange es das Beihilferecht gibt, soll ein Arzt für die Behandlung eines Beamten genauso viel Geld erhalten wie für die gleiche Behandlung eines Kassenpatienten.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD sowie des Abge- ordneten Lars Harms [SSW])
Deshalb muss die Gebührenordnung so geändert werden, dass Beihilfepatienten nicht mehr automatisch teurer sind.
Immerhin zahlen die normalen Kassenpatienten über die Steuern auf ihr Gehalt zumeist auch die Beihilfekosten für die Beamten mit. Noch gibt es im Bundestag keine Zweitdrittelmehrheit, um das komplizierte bundesrechtliche Beamten- und Beihilferecht zu modernisieren und endlich ein einheitliches und modernes öffentliches Dienstrecht zu schaffen. Allerdings öffnet sich selbst der Beamtenbund zunehmend der Notwendigkeit der Neugestaltung des Beamtenrechtes, wenn auch noch nicht mit der uns eingeforderten Konsequenz eines einheitlichen Dienstrechtes. Aber
immerhin: Der Beamtenbund betont selbst mehr Flexibilität, mehr leistungsbezogene Bezahlung. Ich finde es ausgesprochen gut und positiv, dass es hier Bewegung gibt.
Ich fordere CDU und FDP erneut auf, unsere Forderungen nach einer grundlegenden Reform des Dienstrechtes zu unterstützen und als erstem Schritt der Einführung einer Bürgerversicherung zuzustimmen,
einer Bürgerversicherung - wir können darüber streiten, wie sie ausgestaltet sein muss -, welche eine gerechte und solidarische Krankenversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger sicherstellt unabhängig davon, ob sie ihren Lebensunterhalt aus einem Beamtenverhältnis, einem Abgeordnetenmandat, einer freiberuflichen Tätigkeit, einem Angestelltenverhältnis, aus Kapitaleinkünften oder der Mischung mehrerer Einkommensarten bestreiten. All dies sollte egal sein. Das soziale Sicherungssystem muss in Zukunft gleich sein.
Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Bericht - das haben meine Kolleginnen und Kollegen auch schon gesagt - gibt einen wirklich guten und prägnanten Überblick über die unterschiedlichen Krankenversicherungssysteme in Deutschland. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Versorgungssystemen sind häufig nicht sehr bekannt, nämlich zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung, der circa 94 % aller Bundesbürger angehören, der privaten Krankenversicherung, in der hauptsächlich Selbstständige und Besserverdienende versichert sind, und der Beihilfe, der beamtenrechtlichen Krankenfürsorge.
Der Bericht weist aus, dass es sich um unterschiedliche Systeme mit verschiedenen Leistungen und Finanzierungen handelt. Die Beihilfe ist eine ergänzende Fürsorgeleistung auf der Grundlage der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber den Beamtinnen und Beamten und deren Familienangehörigen. Dieses System ist im Ausland schwierig zu vermitteln. Der Bericht zeigt das sehr schön auf. Deswegen bin ich
auch ausgesprochen dankbar. Wir hatten die große Befürchtung, dass, wenn der Bericht jetzt erstattet wird, wir stundenlang einen Vergleich verschiedener Gesetzestexte vornehmen dürfen. In diesem Bereichen ist es für einen Normalsterblichen häufig sehr schwierig, das zu verstehen. Dieser Bericht macht das wirklich ganz toll.
- Gerade Juristen wissen deshalb genau, dass sie bei den einzelnen Vorschriften so genau aufpassen müssen.
Der Beihilfebetrag beläuft sich im Regelfall auf 50 % der beihilfefähigen Aufwendungen für den Beihilfeberechtigten. Diese Aufwendungen unterscheiden sich zum Teil erheblich vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Daneben sind die meisten Beamtinnen und Beamten für ihre weiteren Kosten zusätzlich in einer privaten Krankenkasse versichert.
Während die Arbeitnehmer den Monatsbeitrag für die gesetzliche Krankenversicherung zur Hälfte vom Arbeitgeber erhalten, erhalten Beamte keinen Beitragszuschuss. Allerdings bezahlen sie ja auch nicht für die Beihilfebeträge ihres Dienstherrn, füge ich da hinzu.
Die im Bericht dargestellten Beispiele der unterschiedlichen Kosten für die Krankenfürsorge für Beamte und Arbeitnehmer, nach denen die Beamten mit Kindern immer mehr zahlen, muss ich leider hinterfragen. Denn bei den Modellbeispielen wird bei den Arbeitnehmern, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, immer davon ausgegangen, dass die Ehefrau mit Kindern nicht berufstätig und daher beim Ehemann kostenlos mitversichert ist. Diese Modellbeispiele spiegeln nicht die Lebenswirklichkeit der meisten Arbeitnehmerfamilien wieder, weil die Frauen mitarbeiten müssen, um finanziell über die Runden zu kommen. Dann würde sich bei diesem Kostenvergleich ein etwas anderes Bild ergeben. Der Bericht stellt sich insoweit sehr auf die Seite der Beamtinnen und Beamten.
Richtig ist es aber aus unserer Sicht dennoch, wenn die Landesregierung im Bericht feststellt, dass man Leistungseinschränkungen oder sonstige Maßnahmen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ohne weiteres in das Beihilferecht übernehmen kann. Wie ich vorhin schon gesagt habe: Das liegt an der beamtenrechtlichen Krankenfürsorge. Das sind nämlich von der Grundlage her andere Systeme.
Schon in der Vergangenheit hat die Übernahme von Änderungen der gesetzlichen Krankenversicherung in das Beihilferecht zu Verwaltungsmehraufwand und Unübersichtlichkeit geführt. Das Gleiche gilt - wie schon mehrfach gesagt - für den angepeilten Änderungen aufgrund des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes.
So will die Bundesregierung zum Beispiel jetzt auch die Praxisgebühr für Beamtinnen und Beamte einführen. Man kann die Versicherten der gesetzlichen Krankenkasse natürlich verstehen kann, wenn sie sich darüber wundern, dass Beihilfebezieher keine volle Praxisgebühr zahlen sollen. Unverständlich ist das, wenn man die Hintergründe der unterschiedlichen Systeme nicht kennt. Dennoch hat die Landesregierung nicht unrecht, wenn sie darauf hinweist, dass starke Zweifel daran bestehen, ob die vollinhaltliche Übernahme der Änderungen aus dem Kassenbereich in das Beihilferecht mit der geltenden Verfassung in Überstimmung zu bringen ist.
Die Landesregierung war bisher verpflichtet, alle Änderungen des Beihilferechtes vom Bund zu übernehmen. Vor dem Hintergrund der eben genannten Entwicklung gibt es Überlegungen, für das Land ein eigenes Beihilferecht zu entwickeln. Der SSW begrüßt, dass dabei das Prinzip der Kostenneutralität gelten soll. Wir setzen uns aber für eine völlige Neugestaltung des Gesundheitssystem in der Bundesrepublik ein, unter anderem für eine Art Bürgerversicherung - das haben meine Kolleginnen und Kollegen zum Teil auch schon gesagt -, in die auch Beamte einzahlen sollen. Aktuell sehen wir die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Beihilferechts in Schleswig-Holstein. Deshalb werden wir sehr gern offen über die weiteren Vorschläge diskutieren.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Beratung. Ich schlage vor, dass der Antrag als erledigt betrachtet wird. Er sah einen Bericht der Landesregierung vor. Dieser ist gegeben worden. Wir sollten den gegebenen Bericht der Landesregierung zur abschließenden Beratung in den zuständigen Innen- und Rechtsausschuss - -
- Nicht abschließend, gut! Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung zur weiteren Beratung federführend an den Innen- und Rechtsausschuss
und mitberatend an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer dem seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist vom hohen Haus einstimmig so angenommen.
Wir treten jetzt in die Beratung der beiden Dringlichkeitsanträge ein, zum Thema A 20 und zum Thema LKW-Maut. Ich rufe zunächst Tagesordnungspunkt 15 a auf:
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das sehe ich nicht. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Christel Aschmoneit-Lücke.
(Holger Astrup [SPD]: Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn wir, wie vereinbart, zu- nächst einmal über den Antrag abstimmen würden!)
Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn wir über den Antrag der Fraktion der FDP zunächst einmal inhaltlich abstimmen würden. Der Antrag umfasst zwei Absätze, die nicht auf die uneingeschränkte Zustimmung dieses hohen Hauses stoßen werden. Ich beantrage, über diese beiden Absätze getrennt abzustimmen, bevor der Bericht gegeben wird, den wir erwarten.
(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sonst kann es keinen Bericht geben! Wenn wir über den Antrag auf Be- richt nicht beschließen, kann es keinen Be- richt geben!)
- So ist es. Wir haben über den Dringlichkeitsantrag entschieden, aber nicht über den Berichtsantrag. Ich bitte, auf das Verfahren hinzuweisen.
Der Landtag hat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit nach § 51 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit, das heißt das Heben dieses Antrags auf die Tagesordnung, beschlossen, aber mitnichten den Inhalt dessen, was auf dem Tisch liegt. Das müssten wir vor Eintritt in die Beratung über diesen Tagesordnungspunkt sinnvollerweise tun. Darum bitte ich jetzt.
Herr Präsident, ich mache darauf aufmerksam, dass wir bereits in die Beratung eingetreten sind, Sie die Rednerin der FDP aufgerufen haben, ihr das Wort erteilt haben. Insofern stelle ich den Antrag, den Antrag des Kollegen Astrup nicht zur Abstimmung zu stellen.
Dann bitte ich den Herrn Präsidenten, sich daran zu erinnern, was ich ihm gesagt habe und worum ich ihn gebeten habe, bevor wir in diese Beratung eingetreten sind. Davon wissen Sie nichts, aber der Herr Präsident weiß es.