Protokoll der Sitzung vom 11.03.2004

„Trotz der zusätzlichen 75 Lehrerstellen im Hamburger Rand konnte keine Verbesserung der Unterrichtsquantität und der Unterrichtsqualität erreicht werden.“

Nachzulesen in der „Landeszeitung“ vom 13. Februar 2004. Interessant war dann die Kommentierung der Ergebnisse durch die Sprecherin des Bildungsministeriums, sinngemäß nachzulesen: „… aber die Kinder bleiben länger in der Schule“. Ist es das, was Sie erreichen wollen? Die Kinder bleiben länger in der Schule? Das ist zu wenig für uns. Und das ist offensichtlich, wie sich gezeigt hat, auch zu wenig für die Volksinitiative zur Einführung verbindlicher Stundentafeln, für deren Bemühungen um die Klarlegung der unterrichtlichen Situation ich mich ausdrücklich bedanke. Aus rein juristischen Gründen kann die CDU dem Antrag der Volksinitiative auf Einführung verbindlicher Stundentafeln nicht zustimmen. Wir werden nachher noch darüber sprechen. Das gibt unsere Landesverfassung nicht her. Aber wir unterstützen die Forderung der Volksinitiative. Deshalb fordern wir Sie heute auf, bis zur ersten Sitzung nach der Sommerpause einen Stufenplan vorzulegen, um

(Sylvia Eisenberg)

die Unterrichtsversorgung in ganz Schleswig-Holstein an den Bundesdurchschnitt anzugleichen.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme sofort zum Ende. Dieser Stufenplan soll Maßnahmen sowohl finanzieller als auch organisatorischer Art enthalten, um angesichts der Haushaltslage zunächst die Grundschulen und dann die weiterführenden Schulen zumindest an die durchschnittlichen Stundentafeln der anderen Bundesländer heranzuführen. Der gerade gestellte Antrag von Rot-Grün -

Frau Abgeordnete, bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz.

- das ist der letzte Satz - ist einer der üblichen Huldigungsanträge an die Landesregierung. Er dient dem Zweck, den wir erreichen wollen, nicht und ist nicht das Papier wert, auf dem er formuliert worden ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich, liebe Kollegin Eisenberg, gibt es kaum verlässliche wissenschaftliche Untersuchungen darüber, wie viel Unterrichtsstoff ein Kind in den unterschiedlichen Altersstufen täglich wirklich verarbeiten kann. Vielleicht sind es auch nur zwei oder drei Stunden. Vielleicht sind ja drei Stunden Spielen oder drei Stunden Betreuung wirklich ganz sinnvolle pädagogische Maßnahmen innerhalb der Schule.

(Lachen bei der FDP)

- Habe Sie bessere Erkenntnisse, Herr Dr. Klug? Dann erzählen Sie uns darüber.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Ist das das neue Bildungsmodell der SPD?)

Es gibt keine Untersuchungen darüber, wie eigentlich die Konzentration eines Kindes relativ konstant auf das Unterrichtsgeschehen geführt werden kann. Wir können uns das doch hier nicht so einfach machen,

dass wir nur eine Mengendiskussion führen, wie viel Unterricht wir denn in das Kind hineinzukriegen versuchen. Angesichts einer konkurrierenden Medienwelt außerhalb der Schule gibt es ganz sicher andere Lernbedingungen für Kinder, die sehr viel anders sind als noch vor drei oder vier Jahrzehnten. Die Portionierung von 45-minütigen Unterrichtseinheiten haben wir aber nach wie vor.

Die Unterrichtsversorgung kann nach unterschiedlichen Bemessungsverfahren organisiert werden, in einem Verhältnis Lehrerstunden pro Schülerin und Schüler oder in der Relation Unterrichtsstunden pro Klasse. Bezogen auf beide Verfahren lassen sich Statistiken entwickeln. Wir kennen sie. Was die Relation Lehrerstunden pro Schülerin und Schüler betrifft, liegt Schleswig-Holstein im Bundesdurchschnitt weit vorn. Das heißt, dass wir auch beim Finanzeinsatz des Landes pro Schülerin und Schüler in der Bundesstatistik vorn liegen.

Das trifft auch für die durchschnittlichen Klassengrößen zu. Abgesehen von den neuen Bundesländern haben wir in Schleswig-Holstein die kleinsten Klassenfrequenzen. Das ist in Schleswig-Holstein schon fast ein schulhistorisches Phänomen, denn die Verteilung der Unterrichtsressourcen ist immer auf die spezifische Schulstruktur unseres Landes ausgerichtet gewesen. Sie ist eben auch heute noch eine ausgesprochen kleinteilige Struktur. Das angewandte Planstellenbemessungsverfahren gestattet den Schulen nicht nur eine Freiheit bei der Wahl, ob kleinere Klassen mit weniger Unterricht gebildet werden können oder größere Klassen mit einem größeren Unterrichtsumfang, sondern gibt den kleineren Schulen im Lande die Chance auf einen Standorterhalt.

In einer Grundschule - auch das werden Sie nachvollziehen können -, die 50 Kinder in vier Jahrgangsstufen hat, lässt sich eine Unterrichtsversorgung bezogen auf eine vollständige Erfüllung der Stundentafel nicht realisieren. Sie ist bildungsökonomisch nicht vertretbar und auch nicht finanzierbar. Und denken Sie daran, dass es viele dieser Schulen und auch noch kleinere im Lande gibt.

Rot-Grün in Schleswig-Holstein hat das Thema Verbesserung der Unterrichtssituation entgegen Ihren Aussagen, Frau Eisenberg, sehr ernst genommen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nicht nur, dass wir die Unterrichtssituation in den vergangenen vier Jahren durch zusätzlichen Personaleinsatz, wie im Regierungsprogramm angekündigt, verbessern konnten: Zusätzlich sind für die Jahre 2004 und 2005 weitere erhebliche Mittel zur Ver

(Dr. Henning Höppner)

meidung des Unterrichtsausfalles von je 12,1 Millionen € pro Jahr eingestellt worden.

(Rolf Fischer [SPD]: Sehr gut!)

Und wir haben mit der Einführung der verlässlichen Grundschule an 106 Schulen in der Metropolregion begonnen.

Ich glaube, das, was hier geleistet worden ist, ist gegenüber den Eltern der Schülerinnen und Schüler an den Schulen unseres Landes und allen Initiativen, die sich für die Vermeidung von Unterrichtsausfall eingesetzt haben, ein deutliches Signal, dass wir ihre Sorgen aufgenommen und entsprechend gehandelt haben.

(Werner Kalinka [CDU]: Wir haben verstan- den!)

Dass mit den Lehrerverbänden des Landes eine gemeinsame Erklärung über die Vermeidung von Unterrichtsausfall unterzeichnet werden konnte, interpretiere ich auch als einen gemeinsamen Erfolg. Und ich danke den Verbänden an dieser Stelle für ihre Bereitschaft, das Thema Unterrichtsversorgung an den Schulen unseres Landes positiv entwickeln zu wollen.

Einen Aspekt, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich an dieser Stelle jedoch gesondert herausstellen. Diese positive Entwicklung bei der Unterrichtsversorgung konnte erreicht werden, ohne dass das Land Eingriffe in die bestehende Schullandschaft, Eingriffe in die Hoheit der Schulträger vorgenommen hat.

Keine Schule musste bislang aufgelöst werden. Ich vermisse, liebe Kollegin Eisenberg, von Ihrer Fraktion seit Jahren konsequente Aussagen darüber, inwieweit Sie die kleinen Schulen im Lande erhalten wollen.

(Beifall bei der SPD)

Die Schülerzahlen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden jedoch mittelfristig erkennbar und langfristig noch stärker mit unterschiedlichen regionalen Tendenzen sinken. Wir brauchen daher wieder eine vorausschauende Schulentwicklungsplanung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Schulentwicklungsplanung ist eine Pflichtaufgabe der Schulträger. Ich habe zwar Verständnis dafür, wenn man angesichts konstanter oder leicht steigender Schülerzahlen diese Aufgabe nicht wahrnimmt, aber es ist jetzt an der Zeit, diese Aufgabe wieder ernst zu nehmen. Denn Schulentwicklungsplanung zu betreiben, meine Damen und Herren, ist nicht schwer - auch methodisch nicht.

Wir werden eine konsequente Schulentwicklungsplanung brauchen. Denn wir werden in Zukunft mit sehr veränderten Strukturen in unserem Lande rechnen müssen. Ich bitte, meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, um alternative Abstimmung.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Jetzt kommt end- lich etwas Gutes!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat bereits im August 2002 einen Antrag eingebracht, in dem wir die schrittweise Einführung verbindlicher Stundentafeln gefordert haben, und zwar beginnend mit der Grundschule. Der heute zu beratende Antrag der Union verfolgt das gleiche Ziel.

Quer über alle Schularten fehlen in Schleswig-Holstein 1.327 Lehrerstellen, um eine Unterrichtsversorgung zu gewährleisten, die dem Durchschnitt der Bundesrepublik Deutschland entspräche. Diese Tatsache hat das Bildungsministerium jetzt erstmals in der Stellungnahme zur Volksinitiative für die Einführung einer verbindlichen Stundentafel eingeräumt.

Auch wenn man diese mangelnde Unterrichtsversorgung angesichts der finanziellen Situation des Landes nicht mit einem Schlag beseitigen kann - sie hat sich in vielen Jahren unter rot-grüner und zuvor rein sozialdemokratischer Regierungsverantwortung aufgebaut -, so liegt es doch sehr wohl im Bereich des landespolitisch Möglichen, schrittweise auf dieses Ziel hinzuarbeiten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für den Grundschulbereich beziffert die Landesregierung das Fehl auf 247 Stellen. Wer behauptet, diese Lücke könne er beim besten Willen nicht schließen, der hat auf der Regierungsbank wirklich nichts zu suchen.

Wer behauptet, es sei nicht möglich, in einer ersten Grundschulklasse 21 Wochenstunden Unterricht, das heißt 19 Stunden Lehrplan plus zwei fest vorgeschriebene Förderstunden, zu gewährleisten, der hat in der Bildungspolitik nichts mehr zu melden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Da helfen auch kein noch so bemerkenswertes Programm und ein Fördertopf zur Vermeidung von Un

(Dr. Ekkehard Klug)

terrichtsausfall nach dem Motto „Jede Stunde zählt“ oder „Jede Minute für Ute“. Das ist gut, aber es reicht nicht. Wir müssen das Stundenfehl in den Blick nehmen, das sich in diesem Land inzwischen im Vergleich zur Unterrichtsversorgung in anderen Bundesländern aufgebaut hat.

Das relativ größte Unterrichtsfehl, meine Damen und Herren, liegt im Bereich der Hauptschulen.

(Werner Kalinka [CDU]: Und die Probleme haben dann die Berufsschulen!)