Protokoll der Sitzung vom 11.03.2004

Dies jedenfalls sind Wege in eine freundliche Energiezukunft und eines geht nicht, meine Damen und Herren von der Opposition, so weitermachen wie bisher. Das geht nicht und Sie müssen sich bewegen.

Denn so wie der Energiepfad in die Zukunft von Ihnen in dem Endbericht der Energiekommission des Bundestages, die „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung“ heißt, beschrieben wird, würde das bedeuten, dass unter CDU und FDP 50 neue Atomkraftwerke gebaut werden müssten - laut Ihrem Minderheitsvotum.

(Widerspruch bei CDU und FDP - Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

- Herr Dr. Garg, Sie reden ja nicht so oft über und beschäftigen sich nicht so oft mit Energiethemen. Ich hole Ihnen sofort den Bericht. Gucken Sie in das Minderheitsvotum der FDP und CDU hinein! Dort steht es, wir haben es schriftlich. Ich zeige Ihnen das gern.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Abläuten, setzen! - Weitere Zurufe von der CDU)

Der atomare Weg scheitert schon allein daran, dass das Uranvorkommen bei dem jetzigen Verbrauch eine Reichweite von 40 Jahren hat, von den bekannten übrigen Problemen einmal abgesehen. Unsubventioniert ist auch der atomare Weg ein sehr teurer.

Das zu erwartende Preisniveau in der Zukunft bedeutet auch eine Chance für sanfte Energietechnik, die bisher preislich nicht mithalten konnte. Machen Sie mit bei der politischen Rahmensetzung für eine ökologische Energiewende, die gleichzeitig für uns als Exportweltmeister auch eine ökonomische Chance ist! Unterstützen wir in Deutschland mit unserer Technik doch China - die ja wollen -, die Fehler zu vermeiden, die wir gemacht haben! Diese Fehler sollte China bei seinem zurzeit 18-prozentigem Wirtschaftswachstum im ersten Jahresquartal 2004 nicht machen.

Der Emissionshandel ist dabei - Frau Kollegin Aschmoneit-Lücke, da befinden wir uns in völliger Übereinstimmung - ein marktwirtschaftlicher Weg, der den volkswirtschaftlich oder allokationstheoretisch günstigsten Weg in die Energiezukunft finden kann.

Die Betreiber von 78 Anlagen in Schleswig-Holstein werden dabei mitmachen. Wir wollen sie auf diesem Weg unterstützen.

Der Emissionshandel ist aber nicht der alleinige Weg. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Wärmeschutz

verordnung EnEV, das KWK-Gesetz und viele andere sind nach wie vor unverzichtbar und müssen weiterentwickelt werden. Die Energiezukunft braucht einen Blumenstrauß an Instrumenten und die Wirtschaft braucht einen richtigen Rahmen, um sich in die notwendige Richtung entwickeln zu können.

Sie hatten den Strompreis angesprochen. Dabei haben Sie Windkraft, KWK, den Steuern und so weiter Anteile an der Strompreissteigerung untergeschoben. Es ist aber richtig, was der Wirtschaftsminister sagte: 40 % des Strompreises sind Transportpreise. Damit liegen wir im europäischen Vergleich um das drei- bis vierfache über dem Durchschnitt der EU-Netzkosten. Hier liegt auch wirtschaftspolitisch das Geheimnis. Durch das Quasimonopol des Netzes und seinen Missbrauch halten sich die großen Energiefirmen wie e.on, Wattenfall, RWE und wie sie alle heißen Mitbewerber vom Leib. Diskriminierungsfrei wird das Netz allen zur Verfügung gestellt. Das geschieht aber auf einem viel zu hohen Preisniveau. Die daraus resultierenden Gewinne werden in den Kraftwerkpark geschoben. Das ist das Geheimnis, warum wir in Deutschland keinen Wettbewerb in der Energiewirtschaft haben.

Schleswig-Holsteins Sonderstellung bei der Windenergie ist eine enorme Chance für unser Land. Wir haben in Schleswig-Holstein durch die Windkrafterzeugung, die mehr als ein Viertel unseres Strombedarfs abdeckt, eine große Wertschöpfung. Wir haben vier Hersteller im Land, wir haben Ingenieurbüros und Planer. Wir haben einen Know-how-Vorsprung, den es zu nutzen gilt.

Herr Kerssenbrock, Sie hatten in Ihrer Rede behauptet, durch Windkraft würden mehr konventionelle Kraftwerksinstallationen notwendig werden. Sie haben das so intelligent formuliert, dass Sie sagten: 0,85 Anteile Megawatt brauche man für 1 MW Windenergie. Die Rechnung ist offensichtlich falsch, weil dann im konventionellen Park 15 % Leistung verdrängt wird. Das ist der erste Fehler.

Der zweite Fehler ist, dass Klimaschutz natürlich nicht von der installierten elektrischen Leistung abhängt, sondern von der elektrischen Arbeit. Das heißt also: Je mehr Kilowattstunden Strom ich mit Wind erzeuge, desto weniger Kohle muss ich in das Kohlekraftwerk schippen. Das ist simple Physik. Insofern zerbricht Ihre Rechnung schon allein an dieser einfachen Tatsache.

Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie einen energiepolitischen Sprecher haben, der die Explosion einer Druckleitung in einem Atomkraftwerk in Zusammenhang mit Netzstörungen bringt, die der

(Detlef Matthiessen)

Windpark in Schleswig-Holstein ausgelöst haben soll, dann sage ich: Wer solche Zusammenhänge herstellt, der hat kein energiepolitisches Problem, der hat deutlich ein anderes Problem!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Ich verstehe nicht, warum Sie und auch die FDP andauernd Ihre Hasstiraden gegen der Windenergie ausschütten, während Sie die hoch subventionierte Kohleverstromung und den hoch subventionierten Atombereich mit keinem Wort erwähnen. Wir können zwischen dem alten fossil-atomaren Weg oder dem Weg in eine sonnige Zukunft wählen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich formuliere den letzten Satz. Die Wähler haben die Möglichkeit, die politische Kraft zu unterstützen, die den besseren Weg in die Energiezukunft geht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Veronika Kolb [FDP]: Die Ar- beitslosen in Brunsbüttel auch!)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit der Liberalisierung des Strommarktes und insbesondere seit dem getroffenen Atomkonsens hat sich auf dem Energiemarkt viel getan. Insbesondere der beschlossene Ausstieg aus der Atompolitik hat nachhaltige Auswirkungen auf unseren Strommarkt. Für uns in Schleswig-Holstein bedeutet dies, dass die Ära der schleswig-holsteinischen Kernkraftwerke voraussichtlich im Zeitraum zwischen 2009 und 2018 zu Ende gehen wird. Dies begrüßt der SSW ausdrücklich.

(Beifall beim SSW)

Was aber bedeutet dieser Ausstieg für uns in Schleswig-Holstein? - Es gibt durchaus Vertreter, die den Teufel an die Wand malen, und die ein Szenario aufzeichnen, dass in Deutschland die Lichter ausgehen. Das haben wir auch heute gehört. Dies halte ich für eine unverantwortliche Panikmache. Gerade diese Vertreter versäumen es schlicht immer wieder, auch auf die enormen Gefahren hinzuweisen, die von der Atomkraft ausgehen, und auf die Chancen einzugehen, die neue Energieformen beinhalten.

(Beifall beim SSW)

Natürlich ist uns auch bewusst, dass wir derzeit nicht in der Lage sind, den Ausfall der Atomenergie durch regenerative Energieformen zu kompensieren. Das will auch keiner. Daher begrüße ich die im Bericht genannten Maßnahmen, wie der Atomausstieg begleitet werden soll: Durch die Mobilisierung vorhandener Einsparpotenziale, die Erhöhung der Effizienzsteigerung in der traditionellen Energiegewinnung und die kontinuierliche Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien. Nur dieser Mix macht es möglich.

Die Durchführung dieser Schritte wird es uns ermöglichen, nachhaltig den Atomausstieg zu vollziehen. Wir wissen, dass insbesondere die Energieeinsparpotenziale noch lange nicht ausgeschöpft sind. Gerade in diesem Bereich kann noch sehr viel getan werden. Wenn dieser Weg jedoch nicht gesteuert wird, wird sich auch nichts ändern. Daher sehe ich in den politischen Steuerungsinstrumenten wie Stromsteuer, Einführung des Erneuerbare Energien Gesetzes und des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes durchaus Instrumente, die deutlich machen, dass Strom nicht nur aus der Steckdose kommt, sondern dass Strom ein wertvolles Gut ist, mit dem man sparsam und effizient umgehen muss.

Dass die genannten gesetzlichen Regelungen nicht den Untergang des Abendlandes bedeuten, geht deutlich aus dem Bericht hervor. Für einen Stromverbrauch von 3.000 kWh im Jahr ist der Stromtarif von 1995 bis 2004 um durchschnittlich 1 % pro Jahr gestiegen. Das heißt, diese Steigerung liegt unterhalb der Inflationsrate. Seit Einführung der Stromsteuer hat im Zeitraum von 1999 bis 2004 eine Steigerung von insgesamt 1,03 c/kWh stattgefunden. Seit Einführung des EEG hat es von 2001 bis 2004 eine Steigerung von 0,26 c/kWh gegeben. Wir schaffen es also noch nicht einmal, 1 c zu erreichen.

Durch das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz ist der Strompreis seit 2001 um 0,1 c/kWh angestiegen. Das sind jeweils verschwindend geringe Werte. Zwar wirken sich diese Steuerungsinstrumente auf alle aus, aber keiner wird hierbei besonders benachteiligt. Speziell wird auch nicht die Wirtschaft benachteiligt.

Das Gegenteil ist der Fall. Aus der Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage vom November 2003 ging schon deutlich hervor, dass die Preise für Sondervertragskunden nach einem Strompreisvergleich auf Bundesebene durchschnittlich von 8,71 Cent auf 7,08 Cent gesunken sind. Somit konnten die stromintensiven Unternehmen mit Sonderverträgen in einem Zeitraum von sechs Jahren um 18,7 % billigeren Strom beziehen. Dadurch haben die

(Lars Harms)

Unternehmen also in den vergangenen Jahren sogar einen Standortvorteil bekommen.

Darüber hinaus hat die Einführung der Stromsteuer, die überwiegend in die Rentenkassen fließt, auch dazu beigetragen, dass die Lohnnebenkosten gesenkt und stabilisiert werden konnten. Auch dies hat somit zu einem Standortvorteil für Unternehmen gesorgt. Wer sich also hinstellt und behauptet, dass für unsere Unternehmen einseitige unverhältnismäßige Belastungen durch die genannten Gesetze entstanden sind, sollte sich einmal mit allen Fakten befassen. Diese waren auch schon vor Antragstellung der CDU durch die Antwort auf unsere Kleine Anfrage bestens bekannt.

Nur mit Energieeinsparung, Effizienz und gesetzlichen Regelungen werden wir es natürlich nicht schaffen, den Atomausstieg zu vollziehen. Der Bericht macht deutlich, dass mit dem Ausstieg in Deutschland bis zum Jahr 2020 sukzessive rund 22.000 MW vom Netz genommen werden; davon in Schleswig-Holstein rund 3.500 MW. Hinzu kommen im fossilen Kraftwerksbereich innerhalb des gleichen Zeitraums zwischen 30.000 und 40.000 MW. Diese Zahlen machen die Dimension deutlich, mit der wir es zu tun haben.

Dass dies von der Landesregierung nur begrenzt steu

(Lars Harms)

den letzten Jahren erheblich zugelegt, mit weiter steigender Tendenz. So liegt der KWK-Anteil in Schleswig-Holstein mittlerweile bei 20 % des Stromverbrauchs. Damit liegen wir 10 % über dem Bundesdurchschnitt. Auch diese Entwicklung ist ein Pfund, mit dem wir wuchern sollten.

Unter dem Strich ist also festzuhalten, dass Schleswig-Holstein mit dem Ausbau der regenerativen Energien eine Erfolgsgeschichte aufweisen kann, die den Atomausstieg unterstützt und ihn nicht unrealistisch macht. Das ist zukunftweisende Politik, mit der wir uns gut sehen lassen können und die Arbeitsplätze gerade in unserem Land Schleswig-Holstein schafft. Darauf können wir sehr stolz sein.

(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] und Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich zunächst dem Herrn Abgeordneten Ritzek das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wirtschaftsminister, Sie sagten zu Recht, Energieversorgung müsse langfristig gesichert werden, preisgünstig und umweltschonend sein. Diese Aussage kann ich hundertprozentig unterstützen. Ich kann aus Ihrem Bericht aber nicht erkennen, dass Sie etwas Konkretes dazu gesagt haben.

Es gibt eigentlich nur drei konkrete Zahlen, die verwertbar sind, die durch Maßnahmen und Interpretationen weiter hätten ausgeführt werden müssen. Diese drei Zahlen sind: In Schleswig-Holstein werden bis zum Jahr 2019 drei Kernkraftwerke geschlossen. Dadurch werden 3.500 MW von der Leitung genommen. Am Emissionshandel werden sich 78 Anlagen beteiligen.

Wenn man in Ihrem Bericht nachliest, welcher Ersatz für den Ausfall der Kernkraftwerke geschaffen werden soll, sieht man Folgendes:

Die GKK will ein Nachfolgekraftwerk errichten. Zwar steht der Zeitpunkt fest, aber es ist noch keine definitive Entscheidung gefällt.

In Lübeck steht ein Grundstück zur Verfügung. Derzeit aber ist offen, wann das Kraftwerk gebaut werden soll.

HEW in Brunsbüttel hat ein Grundstück, aber noch keine Investitionsentscheidung getroffen.

Konkrete Planungsüberlegungen für den Ausfall in Krümmel und Brunsbüttel bestehen bisher nicht.

Die Frage ist: Wann soll mit dem Ersatz der ausgefallenen Strommengen begonnen werden?