Protokoll der Sitzung vom 11.03.2004

Wir unterstützen die Landesregierung in ihrer Auffassung, dass Konzepte von unten heraus erarbeitet werden müssen. Aber der Bericht macht deutlich, dass Instandsetzungsmaßnahmen der Wege, der Beschilderung und insbesondere eine umfassende Aufarbeitung der zeitgeschichtlich relevanten Stationen mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden sind. Die Frage ist also: Inwieweit ist die Umsetzung eines solchen Projektes, das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, eine nationale Aufgabe, vom Kreis Herzogtum Lauenburg zu leisten? Das sehe ich so nicht.

(Klaus Schlie [CDU]: Richtig!)

Die Bundesregierung darf sich nicht einfach zurückziehen. Sie hat eine Verantwortung, der sie nachkommen muss.

(Vereinzelter Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Schutz junger Menschen vor fortschreitender Verschuldung Landtagsbeschluss vom 13. November 2002 Drucksache 15/2107

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3201

Ich erteile zunächst der Ministerin für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, Frau Moser, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute den Bericht zum Schutz junger Menschen vor fortschreitender Verschuldung vor. Dieses Problem ist ein wachsendes Problem, ein akutes Problem. Die Zahlen steigen ständig. Wenn Sie einmal in den Bericht gucken, finden Sie eine Zusammenstellung von Zahlen, aus denen deutlich wird, dass nach einer Schufa-Studie jeder fünfte junge Mensch verschuldet ist. - Ich habe

gerade einen Antrag zum Thema Drogensucht gelesen, deshalb will ich jetzt nicht dauernd von „Sucht“ sprechen; aber vielleicht sind die Themen ja auch verwandt.

Je weniger die Menschen wissen über Zahlungsverkehr, über Geldmittel et cetera, je jünger sie sind, desto größer ist die Gefahr, dass sie sich verschulden. Wir haben Zahlen, die besagen, dass etwa 11 % der Jugendlichen in der Gruppe der 13- bis 24-Jährigen durchschnittlich mit 1.500 € verschuldet sind. Die 20- bis 24-Jährigen stehen im Schnitt bereits mit 5.000 € im Minus. Das sind erschreckende Zahlen, die fast täglich durch die Presse laufen.

Im gesamtdeutschen Gefüge liegt Schleswig-Holstein sozusagen im Mittelfeld; es steht weder ganz unten noch ganz oben. Selbst das uns nicht wohlgesonnene Nachrichtenmagazin „Focus“ merkt an, wir in Schleswig-Holstein hätten erkannt, dass Aufklärung ein wirksames Mittel gegen die zunehmende Verschuldung sei, und wir hätten zudem erfolgreiche Präventionsprojekte gerade für die jungen Menschen initiiert.

Das regionale Vorbild für die erfolgreiche Präventionsarbeit, über das „Focus“ berichtet hat, ist unser DRK-Infocenter „fit for money“, das ich am 17. Juni letzten Jahres in Kiel eröffnen konnte. Die Zielgruppe dieses Projektes sind Kinder, Jugendliche und Auszubildende. Bei der Finanzierung helfen nicht nur staatliche oder öffentliche Stellen mit, sondern auch insgesamt 14 Wirtschaftsunternehmen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Danke schön für den Beifall. - Ich hoffe sehr, dass wir noch mehr Unterstützung aus diesen Kreisen bekommen. Das Konzept ist sehr erfolgreich. Es wird sehr häufig von den Schulen in Anspruch genommen, sodass wir dabei sind, in Lübeck ein ähnliches Projekt auf den Weg zu bringen.

Ich glaube, man hat überall erkannt, dass moderne Präventionsarbeit orientiert sein muss an der Lebenswelt und den Handlungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen. Das wird im gesamten Bericht deutlich. Deshalb ist es für uns auch wichtig, dass die Präventionsangebote der Schuldnerberatungsstellen ausgebaut und verbessert werden, die im Übrigen nicht nur reine Präventionsstellen sind, sondern auch Moderationsaufgaben haben.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine kleine Bemerkung zwischendurch machen. Die Länder Bayern und Hessen sind gerade dabei, sich aus ihrer Verantwortung für die Finanzierung der Insolvenz

(Ministerin Heide Moser)

beratung zurückzuziehen. Das bei dieser Entwicklung! Das ist nicht nachvollziehbar. Ich meine, bei der zunehmenden Verschuldungsproblematik, die wir alle haben, auch in Süddeutschland, ist niemand berechtigt, diese Verantwortung einfach abzugeben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Landesregierung stellt sich durchaus dieser Verantwortung. Sie baut ihre Unterstützung in diesem Bereich aus. Das darf man ja heute auch einmal betonen, dass man irgendwo etwas ausbaut, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und FDP)

Der entsprechende Haushaltsansatz wurde in den Jahren 2001 bis 2005 mehr als verdoppelt auf etwas mehr als 3,5 Millionen €. Natürlich können wir mit diesen Beträgen nicht mit dem konkurrieren, was die Industrie, insbesondere die Medienindustrie, für Werbung und Marketing ausgibt, immer raffinierter, immer kürzer, immer schlagkräftiger, oft auch zweifelhaft, immer sehr kostenträchtig. Jugendliche unter 18 Jahren geben nach neuesten Zahlen monatlich 72 Millionen € für Telekommunikation aus. 72 Millionen € - das ist ein Markt! Ich möchte diese jungen Menschen einmal in der Sprache der Werbung fragen: Telefonierst du noch oder lebst du schon? Manchmal kommt es einem so vor, wenn man U-Bahn fährt, als telefonierten sie nur.

Meine Damen und Herren, keine Regierung kann durchgängig verhindern, dass Ehen scheitern, Menschen arbeitslos werden und Familien in Not geraten. Aber sie kann dafür sorgen, dass Menschen eine zweite Chance erhalten und in ihrer finanziellen Notlage kompetent beraten werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und sie kann dafür sorgen, dass den jungen Menschen der Rücken gestärkt wird und dass sie lernen, bei vielfältigen und bunten Verlockungen auch einmal deutlich und hörbar auch für andere, Nein zu sagen. Das wäre ein großer Erfolg von Präventionsarbeit.

(Beifall)

Ich danke der Frau Ministerin für den Bericht und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzek.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist sehr zu begrüßen, dass die Initiative der CDUFraktion von Mitte 2002, das Problem der Verschuldung junger Menschen hier in den Landtag hineinzubringen, jetzt durch den ersten Bericht der Landesregierung konkret erfüllt worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Besonders zu begrüßen ist, Frau Ministerin, dass in dem Bericht konkrete Maßnahmen, insbesondere präventive Maßnahmen, zu Problemerkennung und Schuldenvermeidung beschrieben wurden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einige knallharte Fakten seien noch einmal erwähnt; Sie haben einige genannt. Eine Befragung von 19 Millionen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch das Institut für Jugendforschung in München hat einen Schuldenberg von fast 3,6 Milliarden € ermittelt. Nach Angaben der Inkassobranche stehen junge Menschen bis 25 Jahren sogar mit 5,1 Milliarden € in der Kreide.

(Zuruf von der CDU: Erschreckend!)

Wie auch in dem Bericht der Landesregierung aufgeführt ist, ist in den alten Bundesländern bereits jeder fünfte Jugendliche verschuldet. In der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen steht jeder durchschnittlich mit 5.000 € im Minus. Der Bericht der Landesregierung weist auf zwei zentrale Erkenntnisse der Schuldenneigung junger Menschen hin. Erstens ist die Schuldenneigung umso größer, je geringer das Zahlungswissen ist, also das Wissen über die Bedeutung von eigenem verfügbarem Geld und einem Kredit, der aufgenommen werden muss, um die Schulden zu begleichen, und der auch zurückgezahlt werden muss. Zweitens ist die Schuldenneigung umso größer, je jünger die Menschen sind.

Richtigerweise weist der Bericht auch auf die vererbte Armut hin, also die Übertragung der Armut von den Eltern auf die Kinder. Der Bericht der Landesregierung weist auch auf die Ursachen der Verschuldung hin, insbesondere auf die Kosten der Mobilfunknutzung, die von der Schufa als dominantes Problem ermittelt wurde. Die UMTS-Nutzung, begonnen im letzten Jahr und in diesem Jahr fortgesetzt, kann den Effekt noch verstärken, wollen die UMTSAnbieter mindestens 50 € pro Monat und Kopf von

(Manfred Ritzek)

den Nutzern erzielen. Hier drohen Gefahren für die jungen Menschen.

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Andere Untersuchungen weisen darauf hin, dass nach wie vor auch die Kosten der Anschaffung eines Fahrzeugs, einer eigenen Wohnung, für Urlaub auf Kredit, aber auch insbesondere die Ausgaben für den Freizeitbereich, für Internetnutzung, PC einschließlich Software große Verschuldungsgefahren bergen.

Folgende zusätzliche Thesen aus Befragungen und Expertengesprächen sollten über den Bericht hinaus Anregungen für weiteres Untersuchungspotential zur Prävention geben.

Erste These: Junge Menschen, Schülerinnen und Schüler haben Erfahrungen im Umgang mit Leihen und Verleihen, mit Krediten und Schulden. Nur das Moment Zinsen und Kredit liegt für viele außerhalb des persönlichen Erfahrungsbereiches.

Zweite These: Die Erfüllung eingegangener finanzieller Verpflichtungen wird im Hinblick auf den Zeitpunkt der Rückzahlung locker gesehen.

Dritte These: Bei der konkreten Verschuldung spielt die Frage, ob eine Rückzahlung in der insgesamt abgesprochenen Weise tatsächlich möglich ist, bei den meisten keine tragende Rolle. Eltern, Großeltern, die im ersten Stadium Leiher sind, nehmen es mit der Rückforderung oftmals nicht sehr ernst. Das führt zu Fehleinschätzungen auch für die Zukunft, wenn diese als Leiher nicht mehr zur Verfügung stehen.

Vierte These: Schülerinnen und Schüler sind überwiegend vor Negativverfahren im Sinne von konkreten Sanktionen noch bewahrt worden.

Fünfte und letzte These: Aussagen von Lehrerinnen und Lehrern und Polizei und Jugendämtern lassen erkennen, dass sich aus Verschuldungen keine erkennbaren problemhaften Verhaltensweisen Dritten gegenüber ergeben, zum Beispiel Gewaltakte im Kontext einer Schuldenregulierung oder Beschaffungskriminalität.

Was ist zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen? Die im Bericht der Landesregierung genannten Projekte als Präventionsmaßnahmen wie die Einrichtung der Koordinierungsstellen der Schuldnerberatung, das vom Land finanzierte DRK-Infocenter „fit for money“, Schuldenprävention an Schulen und so weiter und die 37 örtlichen Schuldnerberatungsstellen sind Ansprechpartner für diese Problematik. Auf die Broschüre zur Schuldnerberatung mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren, die stärkere Einbindung der

Presse, Aktionstag, Fachtagung warten wir noch; sie waren für Anfang des Jahres versprochen. Interessant wäre es auch, wenn Schleswig-Holstein einmal selbst eine spezifische Untersuchung mit qualifizierter wissenschaftlicher Begleitung durchführen würde.

Wir alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben die Möglichkeit, in unseren Gesprächen mit den Jugendlichen in Schulen und Vereinen auf die Problematik der Verschuldung hinzuweisen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])