Protokoll der Sitzung vom 11.03.2004

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insbesondere wäre es wichtig, dass wir mit den Schuldnerberatungsstellen vor Ort Kontakt aufnehmen, um persönlich und nachhaltig diese bei der Umsetzung der Präventionsmaßnahmen zu unterstützen. Ich meine, das ist eine lohnende Aufgabe für uns zum Schutz unserer jungen Menschen.

Wir beantragen die Überweisung in den Sozialausschuss zur abschließenden Beratung.

(Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten TenorAlschausky.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Schutz junger Menschen vor fortschreitender Verschuldung“ - so lautet der Titel des Berichts der Landesregierung, der uns heute zur Beratung vorliegt. Schon der Titel des Berichts impliziert, dass die Verschuldung junger Menschen nicht als vorübergehendes Phänomen betrachtet wird, sondern im Gegenteil konstatiert werden muss, dass die Verschuldung junger Menschen leider zunimmt.

Diese Tatsache bestätigt auch der Schulden-Kompass-2003 der Schufa. Wie zu erwarten war, wird auch in dieser empirischen Untersuchung festgestellt, dass die Schuldenanfälligkeit junger Menschen mit geringem Wissen über Geld- und Kreditgeschäfte und niedrigem Bildungsniveau am höchsten ist.

War in der Vergangenheit für junge Menschen der Kauf eines Autos oder die Einrichtung der ersten Wohnung häufig Anlass, erstmals einen Kredit aufzunehmen, das heißt sich zu verschulden, so sind es heute zusätzlich insbesondere auch für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren die steigenden Kosten für die Mobilfunknutzung. So wird im vorliegenden Bericht der Landesregierung dargestellt, dass die

(Siegrid Tenor-Alschausky)

Anzahl der 20- bis 24-Jährigen, die einen negativen Schufa-Eintrag wegen nicht bedienter Bankforderungen haben, seit 1999 leicht rückläufig ist, während sich die Anzahl zahlungsunfähiger Telekommunikationskunden dieser Altersgruppe fast verdreifacht hat. Bundesweit waren im Jahr 2002 etwa 280.000 Menschen betroffen.

Angesichts immer neuer Produkte auf diesem Sektor, verbunden mit aggressiver Werbung, ist ein Anwachsen des Problems in den nächsten Jahren leider zu befürchten.

Was ist zu tun? Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Verschuldung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Eltern, Pädagogen und Beratungsstellen müssen sich selbstverständlich des Themas annehmen. Aber auch die Wirtschaft darf nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Wer insbesondere Kindern und Jugendlichen durch entsprechende Werbung suggeriert, nur durch die ständige Nutzung vielfach sehr teurer Mobilfunkangebote nehme man am Leben teil und gehöre dazu, muss auch Verantwortung für die Folgen übernehmen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

So begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich das Engagement der 14 Wirtschaftsunternehmen, die sich an den Kosten des Kieler DRK-Infocenters „fit for money“ beteiligen. Hilfreich wäre es vor allem, wenn Unternehmen, die Produkte in diesen für Kinder und Jugendliche besonders attraktiven Segmenten anbieten, nicht nur auf Marketing-Strategien setzten, die das Lebensgefühl junger Menschen treffen und beeinflussen, sondern auch einer ehrlichen Produktinformation mit deutlichen Aussagen über die Folgekosten den Vorzug gäben.

Meine Damen und Herren, leider bin ich mir sicher, dass ein solches erstrebenswertes Verhalten in naher Zukunft nicht zur selbstverständlichen Realität werden wird. Hier wäre eine entsprechende freiwillige Vereinbarung der Anbieter wünschenswert. Anderenfalls müssen gesetzgeberische Initiativen zum Schutz junger Menschen ergriffen werden. Die Profitmaximierung einzelner Unternehmen darf nicht Vorrang haben vor dem Anspruch junger Menschen, den Start in ihr Erwachsenendasein ohne Schuldenberg zu beginnen.

(Beifall bei der SPD)

Aber auch kurzfristig muss dem Problem begegnet werden. Die Kinder und Jugendlichen müssen über die Fallstricke informiert werden, die für sie den Einstieg in die Verschuldung bedeuten können.

Die hohe Bedeutung, die meine Fraktion der Hilfe für Menschen mit Schuldenproblemen beimisst, wird auch daran deutlich, dass wir mit dem Landeshaushalt 2004/05 die Mittel für die Schuldnerberatung erneut erhöht haben. Allein aus Landesmitteln stehen in diesem Jahr über 3 Millionen € zur Verfügung. Im kommenden Jahr werden es 3,3 Millionen € sein.

Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich die in dem uns vorliegenden Bericht dargestellten Beratungs- und vor allem Präventionsangebote. Die Arbeit der Schuldnerberatungsstellen ist erforderlich. Besser wäre es allerdings, man könnte durch präventive Angebote insbesondere die jungen Menschen so rechtzeitig erreichen und informieren, dass für sie eine Beratung wegen Verschuldung nicht erforderlich ist.

Die Koordinierungsstelle Schuldnerberatung Schleswig-Holstein hat hier mit der von ihr entwickelten Handreichung für Präventionsveranstaltungen für Schülerinnen und Schüler des 9. Jahrgangs den richtigen Weg beschritten.

Neben dem schon erwähnten DRK-Infocenter „fit for money“, das insbesondere am Standort Kiel tätig wird, soll hier auch des Kooperationsprojekt „Schuldenprävention an Schulen“ der Verbraucherzentrale und des Vereins Hilfe für Gefährdete gewürdigt werden. Neben der Entwicklung und Durchführung entsprechender Unterrichtseinheiten ist besonders die Erarbeitung der Broschüre „Was kostet die Welt?“ zu erwähnen. Auch neue Medien werden sinnvoll eingesetzt.

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, auf die, wie ich finde, sehr ansprechende Homepage www.schuldenpraevention-s-h.de hinweisen. Dies ist ein gelungenes Angebot, das Jugendliche anspricht, weil es nicht belehrend mit erhobenem Zeigefinger daherkommt, sondern Probleme benennt, die im Alltag Jugendlicher im Umgang mit Geldangelegenheiten auftreten können, und möglicherweise drohende Risiken deutlich und dabei lösungsorientiert benennt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss der Landesregierung im Namen der SPDFraktion für den vorgelegten Bericht danken.

(Beifall bei der SPD)

Insbesondere unterstützen wir die Absicht, die präventive Ausrichtung der Schuldnerberatung auch zukünftig qualitativ und quantitativ weiterzuentwickeln.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Kolb das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Finanzierung auf Pump frei nach dem Motto „konsumiere jetzt - zahle später“ hatte früher ein Schmuddelimage. Die Finanzierung von Möbeln, Markenklamotten oder gar des Urlaubs auf Pump galt als verpönt. Fachleute sprachen deshalb von einem sozialpsychologischen Mangel bei Ratenzahlungen.

Dies hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. Es ist mittlerweile zum einem ganz normal, für einen besseren Lebensstandard einen Kredit aufzunehmen, solange der finanzierte Konsum mit den eigenen finanziellen Verhältnissen korrespondiert. Doch genau hier tut sich mittlerweile eine Schere auf: Stotterten die Deutschen Ende 1993 Konsumentenkredite in Höhe von rund 79 Milliarden € ab, sind es heute bereits 118,6 Milliarden €. In drei Jahren sollen es sogar über 125 Milliarden € sein.

Zum anderen geraten insbesondere in Zeiten vermeintlich niedriger Zinsen immer mehr junge Leute, gelockt von lockeren Sprüchen und Hochglanzwerbeprospekten, in die Schuldenfalle. Denn gerade Kinder und Jugendliche sind einem immer stärkeren Gruppendruck ausgesetzt.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das neueste Handy, die neueste Mode, Computer, CDs sowie Kosmetik und Urlaub müssen jetzt und sofort verfügbar sein.

Viele Eltern, die bereits mit ihren eigenen Konsumwünschen überfordert sind, können den übersteigerten Wünschen ihrer Kinder nichts mehr entgegensetzen. Mittlerweile sind rund drei Millionen Haushalte völlig überschuldet. Der Anteil der verschuldeten jungen Menschen steigt weiterhin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, regelmäßig erreichen die Verschuldeten erst dann staatliche Hilfe, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Hier können die Ratsuchenden Hilfe durch die Verbraucherzentralen und Schuldnerberatungsstellen erwarten.

Daneben hat zwar der Gesetzgeber im Bürgerlichen Gesetzbuch Schutzregeln eingefügt, die berücksichtigen, dass Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr oftmals nicht in der Lage sind, geschäftliche Entscheidungen zu treffen, die nicht zu ihrem rechtlichen Vorteil sind, doch nutzen die besten gesetzlichen Regelungen nichts, wenn sich Kinder und Jugendli

che nicht nur mit Zustimmung, sondern zum Teil sogar auf Wunsch der Eltern verschulden.

Schutzregelungen helfen auch dann wenig, wenn gerade unerfahrene und jugendliche Telefonkunden und Internetsurfer durch 0190-Abzocker aus dem Ausland über den elterlichen oder gar den eigenen Telefonanschluss zu wenig geschützt sind. Denn dann greift das seit Neuestem geltende Mehrwertdienstgesetz gerade nicht. Maßnahmekonzepte mit präventivem Charakter sind deshalb umso wichtiger.

(Beifall bei FDP und CDU)

Bei präventiven Maßnahmen gerade zugunsten von Kindern und Jugendlichen liegt der Schlüssel des Erfolges aber immer noch bei den Eltern. Doch muss auch in den Schulen und im Alltag der Jugendlichen durch die Lehrer und weitere Personen eine erfolgreiche Prävention erfolgen.

Der im Bericht vorgetragene Ansatz, Präventionsmaßnahmen an den Schulen in Zusammenarbeit mit den Schuldnerberatungsstellen und der Verbraucherzentrale durchzuführen, ist deshalb eine sehr richtige Ergänzung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es stimmt, dass die Schuldenneigung der Menschen umso größer ist, je geringer das Zahlungswissen ist, und die Schuldenneigung von dem jugendlichen Alter abhängt, dann ist der Präventionsansatz richtig. Er muss möglichst früh bei den Kindern und Jugendlichen sowie bei jungen Erwachsenen ansetzen.

(Werner Kalinka [CDU]: So ist es!)

Für mich ist notwendig, dass bereits frühzeitig und landesweit die vorhandenen Maßnahmen eingesetzt werden.

Frau Ministerin, Sie haben es bereits genannt: Dazu gehört, dass wir erfolgreiche regionale Projekte wie das DRK-Infocenter „fit for money“ nutzen. Dies sollte landesweit noch deutlich mehr Beachtung finden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Auch sollte man den Beschluss des Forums „Jugend im Landtag“ prüfen, ob nicht die Einführung des wirtschaftspolitischen Unterrichts bereits ab der 7. Klasse notwendig ist. Dies war ein deutlich ausgesprochener Wunsch der Jugendlichen, um möglichst frühzeitig die Kinder und Jugendlichen in diesem Rahmen für wirtschaftspolitische Zusammenhänge zu sensibilisieren. Nur wenn die Kinder und Jugendlichen früh den eigenverantwortlichen Umgang mit Geld und den Spielregeln des Wirtschaftslebens lernen, können wir sicherer sein, dass sie als kritische

(Veronika Kolb)

Konsumenten eine genaue Abwägung treffen, bevor sie sich verschulden. Deshalb noch einmal: Bereits vorhandene Maßnahmen und Strukturen müssen landesweit, früh und intensiv eingesetzt werden. Frau Ministerin, ich begrüße den genannten Ausbau der Aktivitäten und freue mich darüber. Ich würde mir aber wünschen, dass deutlich mehr in die Prävention investiert würde.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Ich erteile Frau Abgeordneter Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die zunehmende Verschuldung junger Menschen ist nach wie vor ein brisantes Thema. Wir haben die Zahlen gehört: Erneut sind bundesweit sowohl die Schuldenlast junger Menschen als auch die Anzahl der verschuldeten Personen gestiegen. Diese hat sich innerhalb von drei Jahren fast verdreifacht. Dabei kristallisiert sich leider heraus, dass es zunehmend die Handys sind, die Jugendliche in die Schuldenfalle bringen. So konnten bundesweit fast 300.000 junge Menschen im Alter zwischen 20 und 24 Jahren ihre Handyrechnung nicht mehr bezahlen.