Protokoll der Sitzung vom 11.03.2004

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die zunehmende Verschuldung junger Menschen ist nach wie vor ein brisantes Thema. Wir haben die Zahlen gehört: Erneut sind bundesweit sowohl die Schuldenlast junger Menschen als auch die Anzahl der verschuldeten Personen gestiegen. Diese hat sich innerhalb von drei Jahren fast verdreifacht. Dabei kristallisiert sich leider heraus, dass es zunehmend die Handys sind, die Jugendliche in die Schuldenfalle bringen. So konnten bundesweit fast 300.000 junge Menschen im Alter zwischen 20 und 24 Jahren ihre Handyrechnung nicht mehr bezahlen.

Der Anspruch der Jugendlichen, in unserer Konsumwelt mithalten zu können, ist inzwischen derart groß, dass immer mehr Jugendliche sogar überlegen, ihre Ausbildung abzubrechen, um durch besser bezahlte Jobs ihre finanzielle Situation kurzfristig zu verbessern. Diese Entwicklung halte ich für dramatisch und alarmierend. Sie zeigt noch einmal die Notwendigkeit auf, die jungen Menschen in ihrer beruflichen und schulischen Ausbildung für ihre eigene wirtschaftliche Situation zu sensibilisieren. Mit den Kindern und jungen Menschen müssen Zukunftsperspektiven entwickelt werden. Die Schule muss heute zunehmend auch alltägliche Hilfestellungen geben, bis hin zu praktischen Tipps zum ökonomischen Umgang mit Mobiltelefonen. Das könnte beispielsweise durchaus in den Mathematikunterricht integriert werden.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Werner Kalinka [CDU])

Der Bericht der Landesregierung macht deutlich, welche Hilfestellungen es bereits gibt. Beispielhaft seien das DRK-Infocenter „fit for money“ und die Schuldenprävention an den Schulen genannt. Ich werde nicht all das wiederholen, was erwähnt worden ist. Ich betone nur, dass ich es ausgesprochen gut finde, dass es in Kiel gelungen ist, Wirtschaftsunternehmen an der Finanzierung der Präventionsmaß

nahmen zu beteiligen. Hierfür ein herzliches Dankeschön!

(Beifall bei der SPD)

Erfreulicherweise gibt es erste Hinweise darauf, dass sich die Mühen ausgezahlt haben. So wird gesagt, dass die Zahl der Problemkredite in der Landeshauptstadt weniger zugenommen hat als im Bundesdurchschnitt. Man weiß dabei aber nie genau, ob es mit einem Projekt zusammenhängt oder nicht. Aber das ist durchaus eine erfreuliche Zahl.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Um landesweit sicherzustellen, dass die Schuldnerberatungsstellen für das Problem der wachsenden Verschuldung junger Menschen ausreichend sensibilisiert und informiert werden, hat das Diakonische Werk jetzt mithilfe von Landesmitteln eine Koordinierungsstelle eingerichtet. Es zeigt, dass die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Beratungsstellen, Broschüren und die konzeptionelle Weiterentwicklung der Prävention dazu geführt haben, dass diese Koordinierungsstelle gut angenommen wird. Sie trägt dazu bei, die Qualität unserer Beratungsstellen in Schleswig-Holstein zu steigern.

Neben den beiden Kieler Projekten und der Beratungsstelle sind das vierte Standbein die 37 Beratungsstellen in kommunaler Hand. Die Aufgabe der Beratungsstellen in kommunaler Hand ist es, gemeinsam mit der Politik vor Ort Konzepte zu entwickeln, die der notwendigen Präventionsarbeit in den Schulen - besonders in den Berufsschulen - gerecht werden. Der Bericht weist darauf hin, dass Wissenschaftler vom Phänomen der vererbten Armut sprechen. Dies ist hier schon diskutiert worden. Kinder, die in verschuldeten Familien groß werden, lernen von ihren Eltern, dass es quasi normal ist, Schulden zu machen. Sie lernen von ihren Familien auch, dass es normal ist, über die eigenen Verhältnisse hinaus zu konsumieren.

Deshalb haben die Eltern eine sehr hohe Verantwortung, ihren Kindern ein realistisches Bild darüber zu vermitteln, was sich die Familie eigentlich leisten kann.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Silke Hinrichsen [SSW])

Es ist die Aufgabe der Gesellschaft, die Eltern für genau dieses Problem zu sensibilisieren und ihnen Hilfestellungen zu geben, damit sie in den Dialog mit ihren Kindern eintreten.

(Monika Heinold)

Die Landesregierung setzt deshalb zu Recht auf den Ausbau von Präventionsmaßnahmen als Erfolg versprechenden Weg zum Schutz junger Menschen gegen Verschuldung. Sie hat nicht nur darin die Unterstützung meiner Fraktion, sondern auch darin, dass für den Bereich Insolvenzberatung und Präventionsmaßnahmen im Landeshaushalt steigende Mittel eingeplant sind. Sie wissen, ich bin immer sehr vorsichtig, wenn es darum geht, steigende Mittel in den Landeshaushalt einzustellen. Ich glaube aber, das ist an dieser Stelle zwingend notwendig. Ich bedanke mich bei der Regierung, dass es gemeinsam gelungen ist, diesen Bereich zu stärken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Frau Abgeordnete Hinrichsen hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ursachen für die Verschuldung vieler Haushalte sind vielfältig. Es gibt die aktuelle Wirtschaftskrise mit vielen Firmenpleiten und Jobverlusten sowie Scheidungen, wobei man sich dabei fragt, was Ursache und was Wirkung ist. Leider sind in den letzten Jahren auch viele Jugendliche von fortschreitender Verschuldung betroffen. Im vorliegenden Bericht werden Studien zitiert, wonach bereits jeder fünfte Jugendliche überschuldet ist. Dazu gibt es Zahlen, die zeigen, dass schon über 10 % der Gruppe der 13- bis 24Jährigen mit durchschnittlich 1.500 € verschuldet sind. Das ist nur der Durchschnitt. Es bedeutet, dass einige wesentlich höher verschuldet sind, während andere gar keine Schulden haben. Bei den 20- bis 24Jährigen beträgt der Durchschnitt bereits 5.000 €.

Vor dem Hintergrund von circa drei Millionen überschuldeten Haushalten, die es nach jüngsten Schätzungen in der Bundesrepublik gibt, kann es allerdings keinen verwundern, dass gerade auch viele junge Leute in die Schuldenfalle getappt sind. Meine Kollegen haben es schon zitiert: Nicht umsonst gibt es den Begriff der vererbten Armut. Wenn schon die Eltern nicht mit Geld umgehen können und es in den Familien normal ist, sich zu verschulden und über die eigenen Verhältnisse zu konsumieren, ist zu fragen, wie Kinder wissen sollen, wie man es besser macht. Die Kollegin Heinold hat es schon gesagt: Die Grundlage für so manche Schuldnerkarriere wird also bereits im Elternhaus gelegt.

Deshalb ist ein ganz entscheidender Punkt in der Präventionsarbeit gegen die zunehmende Verschul

dung junger Menschen, mit gezielten Maßnahmen die Erwachsenen einzubeziehen. Das sieht auch die Landesregierung vor dem Hintergrund so, dass es eine überproportionale Betroffenheit von Haushalten mit Kindern gibt, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Ein Schwerpunkt der Präventionsarbeit ist deshalb dieser besonders gefährdeten Gruppe gewidmet.

Es handelt sich dabei insbesondere um Gruppen, deren Bildungsstandard und Zahlungswissen am geringsten ist. Leider haben aber auch gerade junge Menschen ein besonders geringes Zahlungswissen. Die Schuldenneigung der Menschen ist umso größer, je jünger sie sind. Deshalb begrüßt der SSW die Projekte der Landesregierung ausdrücklich, die gerade in diesem Bereich ansetzen. Das gilt für das vom Land mitfinanzierte DRK-Infocenter „fit for money“ und auch für das landesweite Kooperationsprojekt Schuldenprävention an Schulen.

Im Rahmen dieser Projekte hat es eine ganze Reihe von Veranstaltungen für junge Menschen gegeben. Dazu ist auch eine 22-seitige Broschüre „Was kostet die Welt?“ mit erheblicher Auflage im ganzen Land verteilt worden. Dennoch werden diese vielen guten Ansätze der Landesregierung zum Teil ins Leere gehen, wenn nicht auch viele Banken und Kreditinstitute sowie Handelsketten oder Produzenten ihre Kreditpolitik überprüfen. Zum einen gibt es besonders raffinierte Werbung, die gerade junge Menschen zum Kreditkauf verführt. Zum anderen mehren sich aus meiner Sicht auch unseriöse Kreditangebote nach dem Motto: Finanzierung von Anschaffungen mit einem Jahr ohne Ratenzahlungen und Ähnlichem. Hier haben sowohl die Kreditwirtschaft als auch der Handel und die Industrie eine Verantwortung gerade gegenüber den jüngeren Kunden. Die Kollegen hatten das Beispiel der zahlungsunfähigen Mobiltelefonkunden der 20- bis 24-jährigen Menschen genannt. Dort ist die Zahl von 1999 bis 2002 von 100.000 verschuldeten Personen auf circa 280.000 verschuldete Personen gestiegen.

Wenn das Kind letztendlich in den Brunnen gefallen ist, sind die Schuldnerberatungen wichtige Ansprechpartner, um den jungen Menschen zu helfen. In diesem Zusammenhang ist auch die neue Insolvenzordnung, die eine Umschuldung ermöglicht, beziehungsweise einen Abbau der Schulden ermöglicht, ein großer Fortschritt, obwohl es dabei immer noch viele bürokratische Hindernisse gibt.

Das Problem der Schuldnerberatung ist, dass für Präventionsarbeit zu wenig Ressourcen zur Verfügung stehen. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass das Sozialministerium im Rahmen des Zuwendungsrechts

(Silke Hinrichsen)

jetzt die örtlichen Beratungsstellen dazu verpflichtet, auch eine leistungsfähige Präventionsarbeit anzubieten. Andere Länder - das hatte die Frau Ministerin schon gesagt - wie Hessen und Bayern haben den gegenteiligen Weg gewählt. Sie wollen bei der Finanzierung der Schuldnerberatung kürzen. Eine solche Entwicklung ist nach unserer Ansicht ein Rückschritt,

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

da sie zu langen Wartezeiten der Schuldner führt, die in der Zwischenzeit ihrem persönlichen Ruin entgegensehen.

Der SSW unterstützt daher den von der Landesregierung eingeschlagenen Weg der Präventionsarbeit zum Schutz junger Menschen vor ihrer eigenen Verschuldung. Es ist ein steiniger und schwieriger Weg. Aber die Anstrengungen lohnen sich. Es geht schließlich um die Zukunft ganz vieler junger Menschen. Es werden leider immer mehr, um die wir uns so dringend kümmern müssen.

(Beifall bei SSW, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 und 12 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Sicherheit von Kernkraftwerken in SchleswigHolstein Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3269

b) Sicherheitskriterien für Atomkraftwerke

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/3273 Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/3291 Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3289

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit den Anträgen ist zunächst ein schriftlicher Bericht der Landesregierung erbeten worden. Dieser Bericht liegt vor.

Zu einem mündlichen Bericht der Landesregierung gebe ich zunächst Frau Ministerin Heide Moser das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bitte gestatten Sie mir, dass ich den mündlichen Bericht und eine Kurzfassung des schriftlichen Berichts in einer Rede abgebe. Es wäre etwas schwierig, das zu trennen.

Die Anschläge vom 11. September 2001 in New York haben in erschreckender Weise gezeigt, wie verwundbar eine hoch technisierte Gesellschaft durch terroristische Gewaltakte sein kann. Theoretisch wussten wir das schon vorher. Aber es im Fernsehen vor Augen zu haben, hatte doch eine andere Qualität, die uns deutlich gemacht hat, dass nicht nur die Atomkraftwerke, sondern auch andere Risikotechnologien eine riesige Bedrohung darstellen können und nicht hinreichend geschützt sind.

Die Landesregierung hat noch am 11. September 2201 eine erste Überprüfung der in SchleswigHolstein betriebenen Kernkraftwerke und des darin festgelegten Schutzniveaus hinsichtlich eines Flugzeugabsturzes eingeleitet. Das Ergebnis war: Der Schutzzustand ist in Abhängigkeit von den verschiedenen Errichtungszeitpunkten der Kernkraftwerke unterschiedlich. Das sagt uns nicht sehr viel außer der Tatsache, dass, je älter sie sind, der Schutzzustand umso defizitärer ist.

Lassen Sie mich eines ganz deutlich dazu sagen, weil man sonst leicht missverstanden wird. Es geht hier nicht darum, konkrete Gefahren abzuwehren oder zu bewerten. Es geht darum, sich die abstrakten Risiken deutlich zu machen, wenn man sich die Schutzvorkehrungen der Atomkraftwerke und anderer schwieriger Technologien anguckt.

Die schleswig-holsteinische Reaktorsicherheitsbehörde hat in Abstimmung mit dem Bund im September 2001 unverzüglich zusätzliche Sicherungsmaßnahmen zur Verbesserung des Schutzes gegen terroristische Angriffe bei den ihrer Aufsicht unterstehenden kerntechnischen Anlagen veranlasst. Auch sind seither zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Luftverkehrssicherheit erfolgt. Die Frage, welches terroristisches Bedrohungsszenario und welche Belastungen zukünftig zu unterstellen sind und welche Konsequenzen daraus abzuleiten sind, kann allerdings

(Ministerin Heide Moser)

keineswegs alleine vom Land Schleswig-Holstein, sondern muss bundeseinheitlich entschieden werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kerssenbrock, vielleicht schreiben Sie auch noch einmal einen Brief an den Bundesumweltminister, dass er das tun müsse.

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock [CDU]: Gern!)

Wir haben ihm schon drei geschrieben.