Protokoll der Sitzung vom 28.04.2004

(Martin Kayenburg [CDU]: Den wollen wir ganz streichen!)

Ich könnte das weiter so vorlesen. Das sind Ihre Anträge. Und dann erzählen Sie hier, Sie seien die Vorreiter bei der Integration.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wissen Sie, was mich erschüttert? Das Problem ist, dass wir in einem Land leben, in dem 25 % der Kinder mindestens ein Elternteil haben, das nicht aus Deutschland kommt. Das ist übrigens kein neuer Zustand. Das hat es in der Historie immer wieder gegeben. Deutschland ist seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden ein Einwanderungsland. Wir liegen nun einmal in der Mitte Europas. Die Wanderungen haben sich in diesem Erdteil immer durch Deutschland bewegt. Das fängt an bei den Römern, geht über die Hugenotten, über die Schweden, die Juden, die Spanier und geht hin bis zu den Polen, die heute im Ruhrgebiet einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, aber heute alle integriert sind. Niemand mehr weiß, dass Kubicki ein polnischer adeliger Name ist.

Das ist Deutschland. Der kulturelle Reichtum Deutschlands ist seine Geschichte. Das macht auch die geistige Größe dieses Landes aus.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stellen heute in der dritten Generation der türkischen Mitbürger teilweise fest, dass sie geringere deutsche Sprachkenntnisse haben als diejenigen in der zweiten Generation. Das zeigt, dass wir in der Integrationspolitik versagt haben. Nicht die Ausländer sind das Problem. Das Problem ist, dass wir es nicht schaffen, die ausländischen Mitbürger zu integrieren, die hier arbeiten, die hier ihre Steuern zahlen, die Betriebe aufmachen, die bereit sind, mit uns zusammen diese Gesellschaft zu betreiben und die herkommen, weil wir ein demokratisches, gefestigtes Land sind, weil wir ein Land mit guter Ausbildung sind und so weiter. Wir schaffen es nicht, diese Menschen zu integrieren, sondern provozieren eine Abwehrhaltung.

(Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Wir wollen ein Einwanderungsgesetz machen, in dem wir genau diese Probleme lösen wollen. Von der CDU werden seit Jahren, seit Beginn dieses Diskussionsprozesses immer neue Hürden aufgebaut, immer neue Forderungen erhoben. Am Ende dieses Prozesses bringen Sie hier im Landtag einen Antrag zu diesem Thema ein, in dem Sie nichts Anderes als sicherheitspolitische Themen behandeln, als seien die Ausländer, die hier in Deutschland leben und arbeiten, die

(Karl-Martin Hentschel)

Deutsche werden wollen - was wir alle wollen müssen -, alles Leute, die unsere Sicherheit, unser Land bedrohen.

Wenn Sie so eine Debatte führen, dann schaden Sie diesem Land, dann schaden Sie den Menschen und dann schaden Sie auch der Wirtschaft dieses Landes.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Sie sind doch eine Partei, die glaubt, etwas mit der Wirtschaft zu tun zu haben. Aber Sie wissen, dass alle Wirtschaftsverbände ein Einwanderungsgesetz und ein Integrationsgesetz fordern, weil es auch wirtschaftlich für Deutschland notwendig ist, dass wir dieses Problem lösen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich bitte Sie dringlichst, sich zu besinnen. Mit dieser Art von Anträgen und dieser Diktion, die im Wahlkampf gepuscht werden, und mit rechts angehauchten Tönen können Sie Wähler gewinnen. Das ist richtig. Solche Leute gibt es. Das wissen wir alle.

(Unruhe bei der CDU)

Aber - bitte schön - Sie sitzen hier im Parlament, Sie haben eine Verantwortung für dieses Land, Sie haben eine Verantwortung für das Land und die Menschen hier in diesem Land. Sie haben eine Verantwortung für die Zukunft. Kommen Sie zur Besinnung und gehen Sie diesen Weg nicht weiter!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Manfred Ritzek [CDU]: Zu welchem Thema haben Sie eigentlich ge- sprochen?)

Einen Kurzbeitrag kann ich nur zulassen, wenn noch kein Kurzbeitrag geleistet worden ist; Herr Dr. Wadephul, Sie haben nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung schon einen Kurzbeitrag geleistet. Damit gibt es diese Möglichkeit nicht mehr.

Frau Abgeordnete Strauß, zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung !

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hentschel, ich verwahre mich in aller Deutlichkeit gegen diese Angriffen und den Versuch, die CDU in irgendeiner Form in eine rechte Ecke zu stellen.

(Beifall bei CDU und FDP - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Ihr Kollege selber gemacht!)

Dass dieses Land so aussieht und so freundlich gegenüber allen Menschen ist, die zu uns kommen wollen, ist im Übrigen ein wesentliches Verdienst der CDU, die dieses Land die meiste Zeit regiert hat.

(Widerspruch bei der SPD)

Wir haben die Rahmenbedingungen gesetzt und wir haben dafür gesorgt, dass es hier so aussieht, wie es aussieht. Wenn Sie Probleme, die es unbestreitbar in dieser Frage gibt, missbrauchen, um hier einen politischen Ton in den Wahlkampf zu bringen, der von jeder Seite betrachtet unangebracht, unanständig und unangemessen ist, und wenn Sie glauben, dass Sie den Menschen, die hier Probleme haben und mit denen auch wir teilweise Probleme haben, damit einen Gefallen tun, dann ist das falsch, Herr Kollege Hentschel.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Ich verwahre mich in aller Deutlichkeit - auch ganz persönlich - gegen solche Anwürfe.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ich habe den Antrag nicht gestellt, Frau Strauß!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Wird beantragt, den Antrag im Innen- und Rechtsausschuss abschließend zu beraten?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Den Bericht des Ministers! - Martin Kayenburg [CDU]: Den Bericht! - Weitere Zurufe)

Der Antrag und der Bericht werden an den Ausschuss zur abschließenden Beratung überwiesen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? -

Dann lasse ich darüber abstimmen, wer den Bericht zur Kenntnis nimmt. Wer der Kenntnisnahme zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

(Unruhe)

Ich darf um etwas mehr Ruhe bitten, auch auf den hinteren Bänken.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 25 und 50 auf:

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

Gemeinsame Beratung

a) Neuorganisation des Verfassungsschutzes - Norddeutsches Amt für Verfassungsschutz

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/3372

b) Verfassungsschutzbericht 2003

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3354

Zum Bericht gebe ich das Wort der Landesregierung, und zwar Herrn Finanzminister Dr. Stegner in Vertretung des Herrn Innenministers.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich halte diese Rede in Vertretung für den Kollegen Buß. Die Gefahren, die vom internationalen Terrorismus und seinem ideologischen Umfeld ausgehen, bestimmen die aktuelle Sicherheitslage. Sie sind natürlich auch Schwerpunktthema im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2003.

Deutschland ist Teil des europäischen Gefahrenraumes und verschiedene Exekutivmaßnahmen und Strafverfahren haben gezeigt, dass sich auch in Deutschland Terrorstrukturen herausgebildet haben. Schleswig-Holstein war hiervon bisher nicht berührt, aber die Einschätzung hat sich erhärtet, dass es zumindest Personen mit Kontakten in das militante islamistische Spektrum auch hierzulande gibt. Die Zuordnung zu diesem Kreis ist häufig schwierig und vielfach nur unter Vorbehalt möglich. Ein besonderes Problem ist die Vielzahl islamistischer Publikationen, auch über das Internet, häufig auch in deutscher Sprache, die Abgrenzung und Konfrontation bewirken wollen. Die geistige und politische Auseinandersetzung mit dem Islamismus gerade auch dort, wo er sich gemäßigt gibt, wird eine der wichtigen Aufgaben der kommenden Jahre sein. Es wird um den Dialog mit der Religion Islam gehen und um Aufklärung über die politische Ideologie des Islamismus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Mitgliederzahl rechtsextremistischer Organisationen und Gruppierungen im Lande ist weiterhin leicht rückläufig. Die rechtsextremen Parteien sind anhaltend erfolglos. Die Neonazis haben nicht den Zulauf erreichen können, den sie sich vorgestellt haben. Das ist eine erfreuliche Feststellung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Präventionsbemühungen und der Druck der Sicherheitsbehörden sind dennoch unverändert notwendig, die leichte Zunahme der rechtsextrem orientier

ten Skinhead-Szene macht das deutlich. Die Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen gewaltbereite Mitglieder der so genannten Pinneberger Kameradschaft und gegen den in Waffengeschäfte verstrickten früheren NPD-Landesvorsitzenden Borchert waren vor dem Hintergrund ein wichtiges und deutliches Signal in die grundsätzlich gewaltbereite Szene hinein.

Die linksextremistische, autonome Szene hat sich zahlenmäßig wenig verändert. Gewalt ist für sie legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung, über dessen Einsatz autonom - je nach Anlass und Lage - entschieden wird. - So weit der kurze Überblick über wesentliche Inhalte des Verfassungsschutzberichtes.