Protokoll der Sitzung vom 29.04.2004

genheit und der Gegenwart. Natürlich sind andere Städte in Schleswig-Holstein auch schön. Sie sind auch sehr alt, Frau Schwarz. Immerhin ist Schleswig 1.200 Jahre alt. Die dänische Königin kommt in diesem Sommer auch, um Ihre Stadt zu besuchen. Lübeck hat doch noch ein klein wenig mehr zu bieten. Das sollten die anderen neidlos anerkennen.

Der Einfluss des Mare Balticums innerhalb der EU wird mit den neuen Mitgliedstaaten Estland, Lettland, Litauen und Polen wachsen. Die Hansestadt Lübeck wird aufgrund ihrer besonderen wirtschaftlichen und kulturellen Infrastruktur in diesem neuen Verbund eine Fülle von Aufnahmen und Aufgaben übernehmen können. Insoweit sind die Argumentation und der Vorschlag des Abgeordneten Klug ausgesprochen nahe liegend. Das Europäische Parlament hat die Idee schon aufgegriffen und immer gesagt: Es muss sich ein neues mit einem alten Mitgliedstaat präsentieren. Für das Jahr 2010 ist Ungarn als das Land vorgeschlagen worden, das neben Deutschland die Kulturhauptstadt stellen soll. Insoweit ist das kein Imperialismus, sondern ein Versuch, europäische Identität herzustellen.

Schon zurzeit der Hanse ging von Lübeck der Aufschwung im Handel auf Nord- und Ostsee aus, der dem Städtebund der Hanse seine große Kraft verliehen hat. Lübeck war das Zentrum, in dem sich Menschen aus verschiedensten Ostseenationen, aber auch aus anderen Regionen begegneten, miteinander handelten, Geschäfte machten, Kultur austauschten. Lübeck war Weltstadt.

Heute wie vor Hunderten von Jahren ist Lübeck ein wichtiger Knoten im Netz der Ostseekooperation, ist Ausgangspunkt gemeinsamer Initiativen, ist Ort großer Konferenzen der Ostseeanrainer und ist ein großer Hafen und Zulieferant von einer wirtschaftlich wichtigen Quantität von Containern, zum Beispiel für Hamburg.

Lübeck ist als Kulturhauptstadt des Nordens ein starkes Zentrum und hat klugerweise nicht angefangen zu überlegen, was sie Neues machen soll, sondern ihr Vorhandenes zu bündeln und darzustellen. Diese Chancen werden der Stadt nutzen. So hat beispielsweise die Kultusministerin am Montag die zweitägige Ars-Baltica-Konferenz in Salzau eröffnet. Diese Konferenz zum 15-jährigen Bestehen von Ars Baltica hat den Stellenwert und das Profil der kulturellen Zusammenarbeit der baltischen Länder bestätigt. Lübeck hat klugerweise und geschickterweise die Gelegenheit genutzt, um den neuen Partnerländern ihr Bewerbungskonzept vorzustellen. Also, Ars Baltica als ein weiterer Pluspunkt der Bewerberstadt und zugleich eine Plattform und Forum für die Bewerbung. Das

stärkt die Partnerschaften rund um die Ostsee. Es wäre tatsächlich schön gewesen, wenn es eine der alten Hansestädte rund um die Ostsee gewesen wäre, die mit aufgetreten wäre. Aber es hat halt nicht sollen sein.

Gemeinsam mit der Hansestadt wird die Landesregierung in den nächsten Wochen den Bewerbungsprozess fortsetzen und vorantreiben. Wenn alle an einem Strang ziehen, werden die Chancen für die Stadt Lübeck steigen. Lübeck jedenfalls präsentiert sich selbstbewusst und vielfältig, geschichtsorientiert, weltoffen und zukunftsoffen. Daraus erfolgt, dass die Stadt, eines der Herzstücke des baltischen Kulturraums, schon jetzt gewonnen hat, unabhängig davon, wie die Entscheidung ausfallen wird - auch wenn ich davon ausgehe, dass sie positiv ist.

Lübeck hat schon jetzt gewonnen, weil das reichhaltige Theater- und Musikschaffen, die attraktiven Museen, die reizvolle Architektur, das kulturelle Leben insgesamt, aber auch Restaurationsbetriebe und last, but not least der Fußball sehr für die Stadt sprechen. Den Lübeckerinnen und Lübeckern ist wieder einmal bewusst geworden, wie einmalig ihre Stadt ist. Kein Wunder also, dass die Bewerbung quer durch alle Bevölkerungskreise unterstützt wird.

Kiel - um einen Zwischenruf aufzugreifen - ist auch eine schöne Stadt. Aber ich muss fairerweise zugeben: Mit dem geschichtsträchtigen Lübeck kann sich Kiel nur schwer messen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Kiel hat Charme. Kiel hat eine Menge zu bieten. Kiel ist auch eine schöne Stadt. Ich würde es aber nicht darauf ankommen lassen, mich an dieser Stelle von Lübeck besiegen zu lassen, wenn ich Kieler wäre.

Viele Menschen in ganz Deutschland, in aller Welt, die schon in Lübeck zu Gast waren und immer wieder gern kommen, verfolgen und begleiten diese Bewerbung mit großer Sympathie. Ich hoffe, dass die Chancen, die diese Stadt hat, ihr helfen werden. Denn davon werden auch wir in Schleswig-Holstein etwas haben.

(Beifall)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung erhält der Herr Abgeordnete Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerpräsidentin! Ich bedaure etwas, dass die Debatte über einen so wichtigen Punkt jedenfalls gelegentlich mit Ansprengseln versehen worden ist, die nur die Binnenbefindlichkeit beinhaltet: „Was wird wann nicht mehr fortgesetzt, was hat wann wo Schwierigkeiten verursacht?“, statt sich - wie wir in unseren Wortbeiträgen - auf eine Außenbewerbung zu konzentrieren, darauf, wie wir das unterstützen können. Andere entscheiden ja darüber.

Ich will versuchen, dass im Hinblick auf den Vorschlag des Kollegen Klug zu erläutern. Ich stelle mir vor, dass unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem niedersächsischen Parlament eine ähnliche Debatte halten und sich für Braunschweig einsetzen und dass die Nordrhein-Westfalen sich für Münster einsetzen. Das sind auch schöne Städte. Ich bin gebürtiger Braunschweiger - ein großer Sohn dieser kleinen Stadt.

(Heiterkeit)

Braunschweig hatte mit Heinrich dem Löwen den ersten Kriegsdienstverweigerer. In Münster wurde der Westfälische Friede geschlossen.

Die spannende Frage ist: Was können wir eigentlich über die Erklärung dessen, was die Städte in ihrer Vergangenheit waren, hinaus anbieten, damit eine Entscheidung zu unseren Gunsten fällt? Das entscheiden ja auch im Bundeskabinett keine Persönlichkeiten, die aus Schleswig-Holstein kommen. Die kommen alle aus anderen Bundesländern. Das müssen wir im Kopf behalten. Deshalb ist die spannende Frage, warum wir nicht versuchen, den Vorschlag des Kollegen Klug aufzugreifen. Das ist eigentlich ein Appell an die Lübecker. Die Tatsache, dass die Ungarn das Land ausersehen wollen, gilt für alle anderen Städte auch. Die Tatsache, dass Ungarn als Partner benannt worden ist, schließt ja nicht aus, dass wir sozusagen als Gedanke die geschichtliche Bedeutung der Hanse wieder aufleben lassen und die neuen Beitrittsländer mit ihren Städten an unsere Seite bringen. Wir brauchen ein sachlich fundiertes Argument, dem man sich eigentlich nicht entziehen kann, damit unsere Bewerbung Erfolg hat.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Caroline, bei aller Liebe für Außendemonstrationen wie Sticker hilft uns das im Zweifel nicht weiter, weil sie nichts anderes repräsentieren als das, was wir ohnehin alle wollen, nämlich dass Lübeck zur Kulturhauptstadt gemacht wird. Wir brauchen aber eine

Argumentation, von der ich glaube, dass die Entscheidungsträger sie nicht unberücksichtigt lassen können, weil sie einen Erklärungsbedarf hätten, und zwar einen massiven Erklärungsbedarf, warum sie den Vorschlag unberücksichtigt lassen.

Münster kann mit einer solchen Tradition nicht werben. Es wäre geradezu komisch, wenn Münster jetzt versuchen wollte, mit Riga oder Danzig eine Kooperation zu beginnen. Dafür gibt es keine historische Grundlage. Lübeck kann das. Bremen könnte das möglicherweise auch, aber Bremen hat Gott sei Dank oder bedauerlicherweise den Nachteil, dass es an einem anderen Gewässer als Lübeck disloziert ist. Die Tradition von Lübeck ist eine viel gravierendere, viel durchschlagendere als die von Bremen in dieser Frage.

Deshalb noch einmal meine Bitte: Bis zum 30. Juni kann die Bewerbung jederzeit angereichert werden, die Entscheidung fällt erst im dritten Quartal. Wir sollten das ernsthaft prüfen und überlegen, ob nicht das das Argument ist, das von großem Gewicht ist und unsere Chancen als Schleswig-Holsteiner - wir müssen alle dahinter stehen - beinhaltet, dass wir in dieser Frage entsprechend berücksichtigt werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei SPD und CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, in der Sache abzustimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so angenommen.

Ich schlage vor, dass wir noch Tagesordnungspunkt 12 aufrufen. - Ich sehe keinen Widerspruch.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Landesverfassung und des Schleswig-Holsteinischen Richtergesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 15/3368

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Grundsatzberatung.

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, was eine Konferenz ist? Eine Konferenz ist eine Sitzung, in die viele hineingehen und bei der wenig herauskommt. Man munkelt, es habe im letzten

(Wolfgang Kubicki)

Jahr viele Konferenzen zwischen SPD und CDU hinsichtlich der Besetzung des Präsidenten des Landesrechnungshofes und einiger Richterstellen gegeben.

Unser Gesetzentwurf zur größtmöglichen Entpolitisierung der Richterwahl ist zwar nicht neu, aber immer noch hoch aktuell. Es muss der Zwang entfallen, zu politischen Paketlösungen zu kommen, der zum einen lange Vakanzen nach sich zieht und zum anderen gerade in jüngster Zeit die Besetzung von Führungspositionen miteinander verknüpft hat, die inhaltlich nichts miteinander zu tun haben. Das ist zwar insbesondere unter den beiden Volksparteien ein lieb gewordenes Ritual, aber blinde Liebe ist unvernünftig und sie sollten die Augen öffnen für transparenteres und besseres Richterwahlverfahren. Es darf nicht weiter sein, dass wir durch die momentane Struktur des Richterwahlausschusses auch nur den Anschein erwecken, dass Richterstellen politisch ausgekungelt werden. Es darf nicht sein, dass in der Bevölkerung der Glaube entsteht, dass nicht die besten Bewerber, sondern die besten Parteigänger die Richterposten besetzen, wobei ich sagen muss, dass dieser Glaube gegenwärtig ein Irrglaube wäre. Nach wie vor erleben wir aber auch in der medialen Darstellung immer stärker dieses Bild. Wir machen dem Parlament mit unserem Gesetzentwurf ein Angebot, dieses zu ändern.

Erstens. Wir wollen, dass die parteipolitische Einflussnahme auf die Richterwahl zurückgedrängt wird. Momentan stellt sich die Situation so dar: Im Normalfall gehören dem Richterwahlausschuss zwölf Mitglieder an, von denen acht Abgeordnete sind. Bei Entscheidungen des Wahlausschusses über eine Einstellung, Beförderung oder Versetzung im Bereich der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit besteht der Ausschuss aus 18 Mitgliedern, von denen dann zwölf Abgeordnete sind. Das sichert den politischen Vertretern einseitig die bisher notwendige Zweidrittelmehrheit für Entscheidungen.

Im Klartext: Wenn sich die Politik einig ist, haben die weiteren Vertreter im Ausschuss praktisch keine Möglichkeit zur Einflussnahme mehr. Wir wollen das ändern. Wir wollen, dass der Wahlausschuss im Normalfall auf zehn Mitglieder reduziert wird, von denen nur fünf Mitglieder Abgeordnete sind. Diese 50-prozentige Quote muss verfassungsrechtlich eingehalten werden. Dazu wollen wir die notwendige Mehrheit für Entscheidungen des Richterwahlausschusses von zwei Drittel auf eine einfache Mehrheit absenken. Dadurch wird verhindert, dass die Politik allein entscheiden kann, wer eine Richterstelle besetzt und wer nicht. Zumindest ein Vertreter aus der Justiz muss dann noch überzeugt werden.

Zweitens. Wir wollen, dass denjenigen ein stärkeres Gewicht eingeräumt wird, die die Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber tatsächlich beurteilen können. Zurzeit sind die richterlichen Mitglieder im Wahlausschuss keine echten Vertreter der Richterschaft, sondern unterliegen fast ausschließlich einer politischen Proporzentscheidung. Wenn zehn Richter einen Vorschlag unterbreiten, entscheidet der Landtag mit Zweidrittelmehrheit über die zwei zu wählenden Richter im Wahlausschuss. Nach unserem Gesetzentwurf sollen die Richterinnen und Richter des Landes durch Wahl eine Liste von zwölf Kandidatinnen und Kandidaten zusammenstellen, aus der dann der Landtag die zwei ständigen Mitglieder bestimmt.

Drittens. Wir wollen, dass diejenigen eingebunden werden, die für die Effizienz und Funktionsfähigkeit der Gerichte verantwortlich sind. Bisher werden vom Präsidialrat, der von den Richterinnen und Richtern selbst gewählt ist, Stellungnahmen über die persönliche und fachliche Eignung einer Bewerberin oder eines Bewerbers gegenüber dem Richterwahlausschuss abgegeben. Die Stellungnahme hat keinerlei bindende Wirkung für den Ausschuss, er braucht sie noch nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen. Das soll nicht so bleiben. Nach unserem Entwurf soll immer ein Mitglied des Präsidialrates im Richterwahlausschuss vertreten sein. Das stellt sicher, dass die Stellungnahme des Präsidialrates berücksichtigt wird.

Viertens. Wir wollen, dass die Einstellung von Richterinnen und Richtern auf Probe in das Richterwahlverfahren einbezogen wird. Die Vorauslese, die das Justizministerium bei der Ernennung von Richterinnen und Richtern auf Probe betreiben kann, fiele bei einer Wahl durch den Richterwahlausschuss weg. Unser Gesetzentwurf ist darauf angelegt, ein Gleichgewicht zu schaffen, das Entscheidungen nach rein politischen Gesichtspunkten vermeidet und eine kompetente Beschlussfassung über die Bewerbungen ermöglicht.

Wir bitten um Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Puls.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP-Landtagsfraktion hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Richterwahlverfahrens in Schleswig-Holstein vorgelegt, den die SPD-Landtagsfraktion ablehnen wird. Wenn die FDP behauptet, mit

(Klaus-Peter Puls)

der Gesetzesänderung werde erreicht, dass für die Berufung in ein schleswig-holsteinisches Richteramt künftig ausschließlich die Qualifikation entscheidend ist, dann ist dem entgegenzuhalten: Die Qualifikation, Herr Kollege Kubicki, also die persönliche und fachliche Eignung, ist bereits jetzt nach geltender Rechtslage und in der langjährig gehandhabten Praxis des Richterwahlausschusses der einzige Prüfungsmaßstab für jede Bewerbung.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

Der Richterwahlausschuss hat in dieser Legislaturperiode, seit April 2000, in 14 Sitzungen exakt 202 Richterstellen in allen Gerichtszweigen und Instanzen besetzt, und zwar ohne jeden Zweifel ausschließlich mit objektiv hoch qualifizierten Richterpersönlichkeiten. So viel zu den Vakanzen, Herr Kubicki.

Wenn die FDP vorschlägt, objektiv noch bessere Lösungen könnten erreicht werden, wenn weniger Abgeordnete und mehr Richter und Gerichtspräsidenten als Mitglieder in den Richterwahlausschuss gesetzt würden, dann ist dem zweierlei entgegenzuhalten:

Erstens. So praxisfremd und menschenunkundig kann auch der praktizierende Jurist und politische Mensch Kubicki nicht sein, dass er eines nicht wüsste: Auch Richter sind politisch, in der Regel sogar parteipolitisch geprägte Persönlichkeiten. Die eine und einzige zurzeit vom Richterwahlausschuss in SchleswigHolstein noch nicht besetzte Stelle - ich meine die des Präsidenten beim Landgericht Itzehoe - ist trotz einer objektiv herausragenden qualifizierten Bewerbung nur deshalb noch frei, weil auch richterliche Mitglieder des Richterwahlausschusses nicht frei von partei- oder auch nur verbandspolitischen Erwägungen sind.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)