Protokoll der Sitzung vom 30.04.2004

(Widerspruch bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Die Konsequenz daraus ist die gleiche. Die EUKommission überprüft eben nicht die fachliche Notwendigkeit der Gebietsausweisung. Dafür sind einzig und allein Sie zuständig. Bauen Sie hier keinen Popanz auf.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie reisen landauf, landab durch Schleswig-Holstein, bauen eine Drohkulisse auf und sagen: Jeden Tag drohen uns 790.000 € Strafe. Sie sagen, die EUKommission zwingt uns dazu, Gebiete auszuweisen. Sie reisen durch die Gegend und sagen: Wir müssen so schnell wie möglich, ansonsten kommt die Strafe. Diese Drohkulisse, die Sie aufbauen, benutzen Sie dann dazu - und das ist das Hinterhältige an dieser Politik -, um unter naturschutzfachlich nicht abgesicherten Kriterien Gebiete auszuweisen, weil das der Ideologie Ihrer Naturschutzpolitik entspricht und nicht, weil die Richtlinie NATURA 2000, die Vogelschutzrichtlinie, die FFH-Richtlinie das erfordern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Notwendigkeit, diese Gebiete insgesamt auszuweisen, steht doch gar nicht zur Disposition. Die stellen wir auch nicht zur Disposition, aber die Fachlichkeit müssen Sie nachweisen. Es ist doch schlampig, dass Dutzende und Aberdutzende von Gegengutachten Ihnen erst nachweisen müssen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Sie damit betraut haben, offenbar nicht die naturschutzfachliche Notwendigkeit nachgewiesen haben, und dass Sie damit die Ehrenamtler, die Kommunen

(Zuruf der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

und diejenigen, die hier in Schleswig-Holstein wirtschaftlich arbeiten wollen, dazu zwingen, mit Gegengutachtern die Schlampigkeit Ihrer Arbeit nachzuweisen. Das ist die Zumutung. Und dass das auch in Ihrem Kabinett nicht unumstritten ist, das kann ich Ihnen auch nachweisen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das gehört auch zur Strategie Ihrer Politik. Sie laufen draußen rum und bedienen Ihr Klientel und der Wirtschaftsminister läuft rum und bedient sein Klientel. Er sagt: FFH-Diskussion mit neuen Argumenten zum

Standort in Lauenburg - Wirtschaftsminister will sich im Kabinett durchsetzen. Ich zitiere:

„Die Brenndolde im Söllerwiesen-Gewerbegebiet scheint bei der Diskussion um die Ausweisung der FFH-Flächen immer mehr in den Hintergrund zu rücken. Wirtschaftsminister Rohwer machte dem Chef des Chemieunternehmens Hoffnung, dass dieses Gebiet nicht ausgewiesen wird.“

(Ursula Kähler [SPD]: Komm zum Punkt!)

- Ich komme zu dem Punkt, zu dem ich kommen will, und nicht zu dem, Frau Kollegin, zu dem Sie kommen wollen.

(Glocke des Präsidenten)

Mein letzter Satz, Herr Präsident. Grundsätzlich sei es wichtig, Natur nachhaltig zu schützen - so sagte Rohwer -, aber in einer Art und Weise, die es erlaube, Arbeitsplätze zu ermöglichen. - Der Mann hat Recht, bloß er handelt nicht danach.

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hermann Benker das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir aufgefordert worden sind, namentlich abzustimmen, muss ich mich natürlich zu Wort melden, damit die Abstimmung auch erklärt werden kann.

Zunächst einmal ein Dank an Frau Herlich Marie Todsen-Reese,

(Beifall bei der CDU)

dass sie sich so für die Wiederwahl der Ministerpräsidentin eingesetzt hat und großes Vertrauen gegenüber der Ministerpräsidentin ausgesprochen hat.

Zu Ihrer zweiten Forderung, mit der Sie die Abwahl des Ministers gefordert haben, Frau Todsen-Reese, muss ich sagen: Ich habe selten einen so sachlich, fachlich und ruhigen Vortrag eines Ministers wie heute vom Umweltminister gehört.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei CDU und FDP)

- Gut, wenn Sie das nicht anerkennen, dürfen Sie gern

(Hermann Benker)

lachen. Das mögen andere beurteilen, die hier nicht ausschließlich zum Lachen angetreten sind.

(Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Mein dritter Punkt: Das Einzige, was ich an Kritik anzumerken habe, ist, dass der Umweltminister darauf hingewiesen hat, dass unter Umständen 77 € pro Hektar nach Eiderstedt wandern werden. Ich möchte darauf hinweisen, dass es hier nicht nur um Eiderstedt geht - wohlgemerkt. Und der Minister hat schon auf die Sorgfalt hingewiesen, dass die Modulationsmittel nicht ausschließlich für Eiderstedt verbraten werden dürfen. Da ich für Schleswig-Holstein insgesamt verantwortlich bin, bin ich da schon etwas hellhörig geworden. Man muss aufpassen, dass hier nicht ein bisschen zu viel ausgekippt wird.

Mein letzter Punkt: Ich halte die Resolution, wie wir sie vorgelegt haben, in den fünf Punkten für ausreichend und sorgfältig, nämlich erstens das Stichwort „Verantwortung für den Naturschutz“ und zweitens die Begrüßung des Beteiligungsverfahrens. Dazu will ich sagen: Gucken Sie tatsächlich einmal ins Internet und schauen Sie, was Bayern gemacht hat. Sie brauchen nur Bayern austauschen und Schleswig-Holstein eintragen, dann bekommen Sie alle Informationen, die Sie zur Beteiligung brauchen. Es gibt eine einzige Ausnahme: Die Beteiligung findet in diesem Umfang in Bayern nicht statt. Das ist der einzige Unterschied, den Sie dort herauslesen können.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Der dritte Punkt in der Resolution: Wir fordern den Umsetzungsprozess von NATURA 2000. Dabei kommt es mir so vor - weil ich die Diskussion 1999 miterlebt habe -, als ob der gleiche Popanz, der damals aufgebaut worden ist, heute wieder hochgezogen wird. Es wird nämlich so getan, als ob die Existenz der Landwirte in Gänze auf dem Spiel stünde. Das ist keineswegs der Fall.

Der letzte Punkt - den fasse ich zusammen - ist, dass nur nach naturschutzrechtlichen Kriterien ausgewählt und festgelegt werden darf. Da zwingt sich mir - der Umweltarbeitskreis ist einer der wenigen Arbeitskreise, dem ich nicht angehöre - die folgende Logik auf: Das würde bedeuten, wenn wir Gebiete ausweisen, die diese Kriterien nicht erfüllen, muss die EU sie zurückweisen, und umgekehrt, wenn wir welche nicht ausweisen, die sie erfüllen, muss sie sie selber einfügen.

Das sind die fachlichen Gründe, weshalb ich der Resolution in dieser Form in vollem Umfang zustimmen

kann. Insoweit meine Erklärung zur namentlichen Abstimmung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hentschel.

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bauernverbandspräsident Sonnleitner hat Herrn Stoiber Verrat vorgeworfen, weil er eine weitere Ausweitung von Vogelschutz- und FFH-Gebieten aufgrund von Hinweisen der Europäischen Union vornimmt. Der Unterschied zwischen SchleswigHolstein und Bayern - das ist eben gesagt worden - besteht darin, dass in Bayern kein förmliches Anhörungsverfahren stattfindet, sondern dass das verordnet wird, ohne dass die Menschen gehört werden. Ich finde, das ist schon ein wesentlicher Unterschied.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite wesentliche Unterschied zu Bayern besteht darin, dass wir hier in Schleswig-Holstein die Grundwasserabgabe erhöht haben, damit die zusätzlichen Einnahmen zu einem wesentlichen Teil in die Naturschutzgebiete, in die FFH-Gebiete und die Vogelschutzgebiete fließen können, damit die Bauern einen Grundschutz finanziert bekommen, damit sie einen finanziellen Ausgleich bekommen. Auch das ist ein wesentlicher Unterschied. Das ist in anderen Bundesländern nicht so. Ich finde, so etwas muss man hier auch einmal festhalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Ich finde es erstaunlich, dass hier gesagt wird, es werde kein Dialog geführt. Der Dialog hat im Januar mit der Entscheidung des Kabinetts begonnen, dass über dieses Gebiet ein Dialog begonnen wird. Vorher war dies nicht möglich. Der Minister kann erst dann beginnen, wenn sich das Kabinett dafür entschieden hat, dass Eiderstedt geprüft wird. Worüber soll man denn sonst einen Dialog führen? Der Minister kann ja nicht im luftleeren Raum agieren.

Seitdem findet dieser Dialog statt. Er findet sehr intensiv statt, und ich weiß auch, dass viele Abgeordnete aus allen Fraktionen dieses Hauses an diesem Dialog beteiligt sind, dass viele Menschen vor Ort betei

(Karl-Martin Hentschel)

ligt sind. Es gibt kaum ein Gebiet, das in der letzten Zeit so häufig bereist worden ist wie Eiderstedt.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Was hat es ge- nutzt?)

Ich glaube, dass das Beteiligungsverfahren, das der Minister geschildert hat, in den Entwürfen der Opposition überhaupt nicht vorgesehen war. Wir kennen das aus vielen Entwürfen, die Sie zur Beschleunigung einbringen, wobei Sie dann sagen, solche Anhörungsverfahren seien überflüssig. Auch aus dem Verkehrsbereich kennen wir es, dass Sie der Auffassung sind, es müsse alles möglichst rasch entschieden werden, und Beteiligungsverfahren lehnen Sie ab.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Das ist eine Lüge! - Veronika Kolb [FDP]: Was Sie sagen, ist unglaublich! Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

- Das haben wir schon öfter gehört. Jetzt, da wir ein ausführliches Beteiligungsverfahren durchführen, werfen Sie der Regierung vor, es werde nicht ausreichend beteiligt. Das ist absurd und widersprüchlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in Schleswig-Holstein sind 50 % der Vogelarten gefährdet, 10 % sind schon ausgestorben und 10 % sind stark gefährdet. Eiderstedt ist eines der bedeutendsten Wiesenvogelgebiete in ganz Norddeutschland. Das ist unbestritten. Dass die EU die Frage gestellt hat, warum dieses Gebiet nicht berücksichtigt wird, finde ich verständlich. Ich finde es auch verständlich, dass sich die Bauern angesichts der ökonomischen Entwicklung und angesichts der EU-Gesetzgebung gerade in Bezug auf die Finanzierung der Landwirtschaft Sorgen machen.