Protokoll der Sitzung vom 28.05.2004

Wir brauchen mehr Investitionen, wir brauchen auch eine Kürzung der Ausgaben. Das ist auch genau der Weg, den wir ständig beschreiten. Ich finde es richtig,

dass Sie diese Punkte ansprechen. Aber am Anfang der Rede zu sagen, Sie forderten sofort einen Nachtrag und die Senkung der Ausgaben, und am Ende der Rede zu sagen, Sie forderten mehr Investitionen und eine Erhöhung der Ausgaben, ist zumindest inkonsequent und unrichtig, Herr Wiegard.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und SSW)

Und es bestätigt das, was meine Kollegin Heinold gesagt hat: Sie sind nicht in der Lage, Alternativen zur bestehenden Haushaltspolitik vorzutragen, Sie sind nur in der Lage, inkonsequent einzelne Punkte zu kritisieren, allerdings mit Vorschlägen, die sich jedes Mal insgesamt widersprechen. Das hilft uns leider nicht weiter, so sehr ich mich auch freuen würde, wenn Sie einen Vorschlag machen würden, der uns weiterhelfen könnte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann schließe ich die Beratung. Ich gehe davon aus, dass der Berichtsantrag Drucksache 15/3431 durch die Berichterstattung der Landesregierung selbst seine Erledigung gefunden hat. - Ich bedanke mich. Damit ist der Tagesordnungspunkt 23 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Erhalt der Tarifautonomie im öffentlichen Dienst

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 15/3433

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/3480

Ich darf fragen: Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich möchte darauf hinweisen, dass mit dem Absatz 2 des Antrages Drucksache 15/3433 sowie mit dem Antrag Drucksache 15/3480 ein schriftlicher und auch ein mündlicher Bericht in dieser Tagung beantragt werden. Ich schlage vor, zunächst über diese beiden Berichtsanträge gemeinsam abzustimmen. Ist das in Ordnung? - Wer dann zunächst den Berichtsanträgen seine Zustimmung geben will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit sind diese Berichtsanträge beschlossen. Wir kommen zunächst zu dem mündlichen Bericht der Landesregierung.

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Finanzminister Dr. Stegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich bei den Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Gelegenheit bedanken, über dieses wichtige Thema hier heute zu sprechen.

Worum es geht, ist ganz einfach gesagt. Wir haben große Probleme in den öffentlichen Haushalten, die wir eben unterschiedlich sachgerecht diskutiert haben. Das bedeutet auch, dass wir bei den Personalkosten zu Begrenzungen kommen müssen, nicht nur davon reden, sondern es auch tun müssen. Das ist einer der Punkte, Herr Kayenburg, bei denen ich wirklich sagen muss: Warum stimmen Sie eigentlich nicht mit, wenn wir so etwas vorschlagen? Sie versprechen den Menschen alles. Wir schlagen etwas vor, Sie stimmen dagegen. Und draußen wird dann gesagt: Eigentlich wäre das schon richtig. Das hat mit Verantwortung nichts zu tun.

Wir müssen also die Personalkosten begrenzen. Das tun wir. Das haben wir im Beamtenbereich getan, so wie sich das gesetzlich auch gehört. Aber im Angestelltenbereich und bei den Arbeitnehmern ist das Konzept der Landesregierung, dass man das nicht per Presseerklärung und per öffentlicher Drohankündigung macht, sondern dass wir miteinander Tarifverhandlungen führen und zu Ergebnissen kommen.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Diese Landesregierung bekennt sich ausdrücklich zur Tarifautonomie und zum Flächentarifvertrag auch im öffentlichen Dienst.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Wir auch!)

- Wenn Sie sagen „Wir auch“, dann frage ich Sie, wie das damit zu vereinbaren ist, dass im Wesentlichen die CDU/CSU-regierten Länder, nämlich Herr Stoiber und Herr Koch, hingehen und sagen, sie seien dafür, die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst schlichtweg anzuheben, und sie tun das; sie gehen hin und tun das.

(Rainer Wiegard [CDU]: Eben haben Sie das ganz anders zitiert!)

Wir haben in der Tarifgemeinschaft der Länder der Kündigung der Tarifverträge zugestimmt, um die TdL, die Tarifgemeinschaft der Länder, zu erhalten und um in der Lage zu sein, mit den Gewerkschaften zu verhandeln. Hessen ist ausgetreten und was sagt Herr Stoiber öffentlich, er sagt: Wir wollen den öffentlichen Dienst zum Vorreiter für die private Wirtschaft durch pauschale Arbeitszeiterhöhung machen.

Da kann ich Ihnen nur sagen, dass das der falsche Weg ist.

Im Übrigen, das, was Sie im Vermittlungsausschuss nicht erreicht haben, nämlich die Tarifautonomie kaputt zu machen, das wollen Sie nun hinten herum über den öffentlichen Dienst erreichen. SchleswigHolstein ist stolz darauf, das Land zu sein, das diesen Weg nicht mitgeht. Denn wir brauchen keine pauschale Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Was wir brauchen, ist, dass wir darüber reden und verhandeln - und ich sage noch einmal, es ist ein Unterschied, ob man verhandelt oder ob man markige Presseerklärungen abgibt -, wie wir zu einer Begrenzung der Personalkosten in zweierlei Hinsicht kommen. Denn erstens wollen wir die Arbeitnehmer und die Beamten nicht generell unterschiedlich behandeln. Im Zusammenhang mit den Sonderzuwendungen sollten wir darüber in der Tat verhandeln, und zwar sozial ausgewogen. Die Schleswig-Holsteiner haben eine Regelung vorgelegt, die sozusagen die ausgewogenste in der ganzen Bundesrepublik ist - um das deutlich zu sagen. Darüber muss man reden. Aber bei den Arbeitsverträgen müssen wir über die Flexibilisierung reden und nicht über pauschale Erhöhung.

Ich will Ihnen dazu ein Beispiel nennen. Wir haben in den Klinikbereichen enorme Probleme und es droht dort eine massive Tarifflucht, wenn wir das nicht geregelt bekommen. Deshalb müssen wir da zu einer Art Beschäftigungspakt kommen, sodass wir in der Lage sind, sowohl das zu tun, was im Haushalt notwendig ist, als auch zu erträglichen Bedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen - und nicht immer zu Lasten derjenigen, die am wenigsten haben, wie das die Vorstellung der anderen ist. Das müssen wir anders hinbekommen.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Ich möchte noch etwas anderes sagen. Es ist doch wirklich absurd, wenn Länder hingehen und sagen, durch diese Arbeitszeitverlängerung, durch die pauschale, würden ihre Haushalte saniert. Gar nichts wird saniert. Wo werden denn die Leute eingestellt, Angestellte und Arbeiter? Wir stellen doch kaum jemand ein. Sie wollen doch sogar welche entlassen.

Die Modernisierung des BAT - na ja, Ihr Herr Carstensen sagt es mal so und Sie sagen wieder etwas anderes. Das stimmt ja nicht, das passt auch nicht zur Arbeitszeit, aber es hat wenig Sinn, sich damit zu

(Minister Dr. Ralf Stegner)

beschäftigen. Sie bestreiten das immer gerade so, wie es Ihnen passt.

(Zurufe von der CDU)

Der Punkt ist aber, dass wir über die Modernisierung des Bundesangestelltentarifvertrages reden müssen, der sich in der Tat zu einer Art Monstrum entwickelt hat.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Dagegen ist das Beamtenrecht geradezu ein Hort von Modernität, Liberalität und Mobilität. Das muss anders werden im BAT. Es ist auch viel interessanter für den öffentlichen Dienst, darüber zu verhandeln als über pauschale Arbeitszeitverlängerungen - und das nach dem Motto, wie es früher im preußischen Ständehaus üblich gewesen ist, mit den Arbeitnehmern umzugehen. Das können wir nicht tun. Wir sollten verhandeln.

Ich sage Ihnen: Schleswig-Holstein will versuchen, mit der Stimme der Vernunft - das ist schwierig, weil die Mehrheit das im Augenblick leider anders sieht - dazu beizutragen, dass wir mit den Gewerkschaften zurechtkommen.

Ich füge ein Letztes hinzu: Ich glaube eben nicht, dass Ihr Konzept richtig ist, dass Deutschland vorankommt, indem wir nur die Arbeitnehmer schlecht behandeln, Arbeitnehmerrechte abbauen und uns in Europa um die niedrigsten Löhne streiten.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Ich glaube eher, dass wir hoch qualifizierte Arbeitnehmer brauchen. Mit denen müssen wir ordentlich umgehen, mit denen müssen wir verhandeln statt verordnen. Dann kommen wir auch zu vernünftigen Ergebnissen, zu denen dann auch Zumutungen dazugehören. Sie drohen öffentlich, aber wenn es konkret wird, dann flüchten Sie sich ins Gebüsch und versprechen alles Mögliche. Das passt einfach nicht zusammen und ist keine Verantwortung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Mehrheit dieses Hauses - das wird auch außen wahrgenommen - mit den Arbeitnehmern ganz anders umgeht und dass wir beides erreichen, das, was für die Haushalte notwendig ist und gleichzeitig unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ordentlich behandeln können.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Das haben wir bei der Rentenpolitik gesehen, bei der Gesundheitspolitik und bei der 10-€- Praxisgebühr!)

Das war zunächst der mündliche Bericht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der SPD hat Herr Abgeordneter Thomas Rother.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal vielen Dank an die Landesregierung für den ausführlichen mündlichen Bericht. Der wird dann ja auch noch schriftlich ergänzt werden.

Kolleginnen und Kollegen, aus dem Tarifgeschäft haben wir uns als Politik eigentlich weitgehend herauszuhalten. Die aus der Koalitionsfreiheit des Grundgesetzes abgeleitete Tarifautonomie gebietet das auch. Tarifverhandlungen sind Sache der Tarifparteien. Wenn es um den öffentlichen Dienst geht, wird das manchmal etwas schwierig. Einerseits haben wir mit der Beamtenbesoldung ein besonderes System, auf das wir unmittelbar Einfluss nehmen können, andererseits zwingt uns nicht nur die Haushaltssituation, sondern auch die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst zu Positionsbestimmungen. Mit diesen Zwängen sollten allerdings alle politischen Akteure verantwortungsbewusst umgehen.

Es ist richtig, dass wir im Beamtenrecht für eine Öffnungsklausel eingetreten sind. Wir halten eine Neuregelung beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld für Arbeiter- und Angestellte entsprechend der Regelungen für Beamte für erforderlich.

Es ist auch richtig, dass wir für ein eigenes Beihilferecht in Schleswig-Holstein eintreten, um die teilweise absurden Regelungen des Bundesrechts hier bei uns zu vermeiden. Und es ist weiter auch richtig, dass die Beförderungsstruktur nicht nur bundesweit, sondern auch innerhalb unseres Landes von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich ist.

Das sind alles Sachverhalte, die sich vor allem daraus ergeben, dass wir noch immer kein einheitliches öffentliches Dienstrecht haben. Das sind Sachverhalte, die aber den Rahmen des Bundes nicht verletzten. Dieser Rahmen wird nicht von der Regierung in Frage gestellt. Dazu gibt es auch den Antrag der CDU und ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Papier der Landtagspräsidenten - Heinz-Werner Arens ist leider nicht im Raum - aus dem April, das hierzu eine Klarstellung enthält.

(Thomas Rother)

Was sich allerdings die Mehrzahl der öffentlichen Arbeitgeber – namentlich die B-Länder – im Tarifbereich gegenwärtig erlaubt, geht weit über diese Punkte hinaus und gefährdet die Tarifautonomie und den Flächentarifvertrag, die sich beide in der Vergangenheit bewährt haben.

Die B-Länder unterlaufen damit auch die Vereinbarung zur Neugestaltung des Tarifrechts vom 9. Januar 2003, in der unter anderem ausgeführt ist: