Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

(Karl-Martin Hentschel)

sondern direkt in den Ausschüssen gefällt, wo die Ausschüsse in Sitzungen, zum Beispiel durch Anhörungen der Bürger, letztlich die Entscheidung treffen. Wenn Parteien gar nicht in den Ausschüssen vertreten sind, weil sie herausgehalten werden von den großen Parteien, dann ist das doch nicht mehr demokratisch, sondern dann schließt man die gewählten Gemeindevertreter von der Mitarbeit und von der direkten Entscheidung in der Politik aus. Das kann nicht sein und das ist falsch.

(Beifall des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP])

Ich glaube deshalb, dass der Vorschlag, den die FDP gemacht hat, logisch und konsequent ist.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Er sorgt für eine Repräsentation, die zumindest ungefähr den Verhältnissen entspricht, wie sie im Gemeinderat existieren, nicht einmal den Verhältnissen, wie sie bei der Wahl existieren. Auch bei dem Vorschlag, den die FDP vorgelegt hat, sind immer noch durch die Anwendung von d’Hondt bei der Wahl die großen Parteien bevorteilt. Ihr Stimmergebnis wird immer automatisch vergrößert und nicht verkleinert.

Ich glaube, dass auch das Grundmandat Sinn macht. Denn das Grundmandat führt überhaupt nicht zu einer Verzerrung, sondern das Grundmandat verhindert nur, dass die Ausschüsse übermäßig klein gewählt werden. Die Gemeinderäte haben die freie Wahl, die Ausschussgröße zu bestimmen. Gerade in den letzten Wochen nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und übrigens auch nach der Neuwahl - ich nenne nur das Beispiel Lauenburg - haben wir Fälle gehabt, wo die Ausschüsse bewusst verkleinert worden sind, um kleine Parteien herauszuhalten. Um so etwas zu verhindern, ist ein Grundmandat ein ausgesprochen sinnvolles Instrument. Wenn man die Ausschussgröße groß genug wählt, dass Parteien in den Fraktionsstärken berücksichtigt sind - dafür reicht in der Regel eine Ausschussgröße um die neun bis elf Personen -, dann gibt es überhaupt kein Problem und dann ist auch bei Hare/Niemeyer ein Grundmandat überhaupt nicht notwendig. Wenn aber der Gemeinderat oder ein Kreistag beschließt, bewusst die Ausschüsse kleiner zu wählen, um kleine Parteien herauszuhalten, ist das Grundmandat ein sinnvolles Instrument, um das zu verhindern.

(Klaus Schlie [CDU]: Kosten sparen! Ar- beitseffektivität!)

Wir haben inzwischen ein Urteil eines Landesverwaltungsgerichts, nämlich das des Landesverwaltungs

gerichts Bayern, zu diesem Thema. Dieses Landesverwaltungsgericht Bayern sagt eindeutig: Auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sind Zählgemeinschaften weiterhin zulässig, wenn sie dazu dienen, dass sich mehrere kleine Parteien zusammenschließen, um auch in den Räten angemessen repräsentiert zu sein. Das hat auch der Wissenschaftliche Dienst des Landtages festgestellt. Ich bitte deshalb noch einmal explizit den Innenminister, seine Interpretation zu überprüfen, weil die Interpretation des Innenministeriums der Aussage des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages widerspricht.

Bei mir ist die Situation so, dass eine Reihe von Kommunalvertretern in den letzten Monaten aus den Ausschüssen herausgeflogen sind. Deshalb drängen diese Kommunalvertreter die Landtagsfraktion, etwas zu tun. Sie sagen: Sonst werden wir klagen. Wir werden eine ganze Reihe von Klagen in den Kommunalparlamenten haben, die sich insbesondere auf das Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtes beziehen werden. Ich kann deshalb nur an die großen Parteien appellieren, insbesondere an unseren Koalitionspartner, dass sie sich bewegen, damit wir diese Klagen vermeiden und zu einer Lösung kommen, die demokratisch ist, angemessen ist und eine demokratische Repräsentanz auch kleiner Parteien ermöglicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich möchte zunächst neue Gäste auf der Tribüne begrüßen, Gäste des CDU-Ortsverbandes Pellworm und des Deutschen Roten Kreuzes Neumünster. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile jetzt der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der jetzige Antrag der FDP bietet uns heute die Chance, den Verwirrungen entgegenzuwirken, die aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes Ende 2003 und dem daraus resultierenden Erlass des Innenministeriums zu Zählgemeinschaften entstanden sind. Darüber hinaus bietet sich uns erneut die Chance, die Demokratie in den Kommunen zu stärken.

Es ist Aufgabe des Landtages, die Rahmenbedingungen für die kommunale Demokratie zu setzen. Wir entscheiden, wie die Aufgaben und die Entscheidungskompetenzen in den Kommunen verteilt wer

(Silke Hinrichsen)

den. Am Anfang dieser Legislaturperiode haben wir in einem Sonderausschuss und danach im Innen- und Rechtsausschuss und im Landtag lange darüber diskutiert, wie ein neues zukünftiges Kommunalverfassungsrecht aussehen sollte.

Im Dezember 2003 kam dann das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Im Anschluss an dieses Urteil - das ergab sich auch aus der heutigen Diskussion - gab es von verschiedenen Seiten Aussagen hierzu, die für große Verwirrung sorgten. Das „Hamburger Abendblatt“ sprach im März vom „Todesstoß für die kleinen Fraktionen“, während die Grünen im Mai noch davon ausgingen, dass aufgrund eines Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts - der Kollege hat es auch zitiert - Zählgemeinschaften doch zulässig sind.

Dieser Bewertung wird aber durch die Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Hildebrand widersprochen. Die Landesregierung geht nämlich davon aus, dass möglicherweise die Beschlüsse eines derartig zusammengesetzten Ausschusses einer rechtlichen Prüfung durch ein Gericht nicht standhalten. Wir dürfen nicht vergessen, dass in vielen Gemeinden den Ausschüssen, gerade den Bauausschüssen, die Letztentscheidung übertragen wird. Das geht nicht unbedingt noch einmal in die Gemeindeversammlung zurück.

Der Vorschlag der FDP, das Zählverfahren nach Hare/Niemeyer einzuführen, begrüßt der SSW natürlich.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben uns schon sehr lange dafür ausgesprochen, da dieses Zählverfahren nach unserer Ansicht das prozentuale Wahlergebnis besser widerspiegelt.

(Lars Harms [SSW]: So ist es!)

Der SSW hatte deshalb schon bei der Änderung der Kommunalverfassung beantragt, die Mandatsverteilung zukünftig nach dem System Hare/Niemeyer statt nach dem d’hondtschen Höchstzählverfahren vorzunehmen. Der Antrag wurde damals behandelt und abgelehnt. Der Grund ist - wir haben es auch heute wieder gehört -, dass die großen Parteien, in diesem Fall CDU und SPD, von der Auszählung nach d’Hondt profitieren und die kleinen davon, wenn nach Hare/Niemeyer ausgezählt würde.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die SPD freut sich auch bald darüber!)

Es gibt jedoch auch Kritikpunkte am Antrag der FDP. Der SSW lehnt das Konzept des Grundmandates ab.

Durch die neue Kommunalverfassung, die wir im Ausschuss durchgesprochen haben, wurde allen gewählten Vertretern und bürgerlichen Mitgliedern eines Ausschusses ein Rede- und Antragsrecht in allen Ausschüssen eingeräumt.

(Zuruf von der CDU: Das ist schlimm ge- nug!)

- Die Mehrheit hat es so gewollt. Die Einführung eines Grundmandates, wie das in Ihrem Antrag anklingt, wird damit eigentlich ad absurdum geführt.

Das Grundmandat sollten nur Fraktionen erhalten. In Gemeindevertretungen gibt es aber auch Einzelrepräsentanten, die fraktionslos sind, aber einer Partei angehören. Ganz genau verstanden habe ich das in Ihrem Antrag nicht.

Wo ich mich dem Kollegen Puls anschließen kann, ist, dass wir im Ausschuss über die genauen Auswirkungen sprechen sollten. In diesem Zusammenhang sei bereits jetzt eingebracht, dass aufgrund der Kleinteiligkeit der Kommunen in Schleswig-Holstein und damit vieler Einzelvertreter in Kommunen die Ausschüsse auch heute schon die Verhältnisse der Gemeindevertreterversammlung eigentlich nicht mehr widerspiegeln.

(Beifall beim SSW)

Ich weise darauf hin, dass es faktisch eine 10- oder 12-%-Sperrklausel bei den Wahlen zu Gemeindevertretungen gibt. Das liegt einfach an der geringen Zahl von Gemeindevertretern, die überhaupt gewählt werden können. Das ist hier überhaupt nicht erwähnt worden. Es gibt deshalb einige Bundesländer, die die 5-%-Sperrklausel aufgehoben haben und bei einer 2-%-Sperrklausel zumindest bei Gemeindevertretungen sind.

Darüber hinaus ergeben sich schon jetzt aus dem Gesetzentwurf weitere unklare Regelungen. Plötzlich taucht der Satz auf:

„Fraktionslose Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter erhalten für die von ihnen ausgewählten Ausschüsse ebenfalls ein Grundmandat.“

Das finde ich besonders spannend. Das bedeutet, dass die fraktionslosen Vertreter nunmehr selber bestimmen dürfen, in welchem Ausschuss sie ein Mandat erhalten und in wie vielen Ausschüssen sie einen derartigen Sitz erhalten. Das habe ich überhaupt nicht verstanden. Das kann dazu führen, dass Personen einfach aus ihrer Fraktion ausscheiden, um damit einen Sitz in einem Ausschuss zu erhalten, den sie sonst nicht bekommen hätten.

(Silke Hinrichsen)

Es wäre vielleicht auch eine gute Idee, im Ausschuss zu klären, was mit dem Begriff Grundmandat eigentlich gemeint ist. Die Grünen haben am Anfang der Legislaturperiode darunter ein Mandat ohne Stimmrecht verstanden, während die FDP es als Chance für „Einzelkämpfer“ gesehen hat.

Es gibt reichlich Klärungsbedarf. Dem sollten wir im Ausschuss dringend Rechnung tragen. Wir sollten darüber diskutieren, was wirklich gemeint ist.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich zunächst Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will gar nicht zu verschiedenen Dingen Stellung nehmen, sondern nur zu einer Feststellung des Kollegen Puls etwas sagen. Man muss wirklich aufpassen, dass da keine Missverständnisse entstehen. Sie haben gesagt, Hare/Niemeyer bevorzugt kleine Fraktionen. Das ist definitiv nicht der Fall. D’Hondt bevorzugt große Fraktionen.

(Beifall bei FDP und SSW)

Ich kann Ihnen das ganz schnell belegen. In meiner Gemeinde Ellerbek hat die CDU 8 Sitze, die FDP 7 und die SPD 3. Wenn wir 9er-Ausschüsse haben, hat die CDU auf einmal 5 Sitze und damit die absolute Mehrheit im Ausschuss, die sie in der Gemeindevertretung nicht hat. Das macht deutlich, wie ungerecht und mathematisch nicht korrekt d’Hondt ist.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hare/Niemeyer aber ist mathematisch korrekt und spiegelt die Verhältnisse in den Ausschüssen wider.

Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, damit aufzuhören zu sagen, Hare/Niemeyer bevorzugt kleine Fraktionen. Die korrekte Feststellung ist: D’Hondt bevorzugt die großen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Innenminister Buß.