Protokoll der Sitzung vom 25.08.2004

Der SSW fordert deshalb weiter, dass im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit und die Leistungsfähigkeit eine Gemeinde aus mindestens 8.000 Einwohnern bestehen sollte. Für die in den Gemeinden ehrenamtlich tätigen Politikerinnen und Politiker ist dann auch endlich wieder ein größerer Entscheidungsspielraum vorhanden.

Für unser Modell spricht auch, dass dann endlich leistungsstarke Kommunen vorhanden sind, die die im Bericht des Landesrechnungshofes genannten vielfältigen Anforderungen an eine moderne, verantwortliche Kommune erfüllen können. Dann können auch von der Landesebene wieder mehr Aufgaben an diese leistungsstarken, effizienten Gemeinden gegeben werden. Auch die Kommunalpolitiker vor Ort erhalten den Gewinn, wieder etwas entscheiden zu können und nicht nur weiter delegieren zu müssen.

Mit diesem Gesetzentwurf wird die Landesregierung das Ehrenamt eindeutig weiter schwächen. Der SSW wird dem vorliegenden Entwurf daher nicht zustimmen.

(Beifall der Abgeordneten Veronika Kolb [FDP])

Nun noch kurz zu den Aussagen der Kollegen, die vor mir geredet haben. Herr Schlie, ich hatte eigentlich gehofft, heute von Ihnen etwas dazu zu hören, was Sie von der neuen kommunalen Verwaltungsstruktur halten. Leider war wieder nichts zu hören.

(Klaus Schlie [CDU]: Es geht ja um die Amtsordnung!)

Daneben wurde mir überhaupt nicht klar, was die FDP möchte. Herr Hentschel, bei den Ausführungen vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte ich das Problem, dass Sie gesagt haben, es sei der erste Schritt. Mir wäre es lieber gewesen, man hätte sofort den zweiten Schritt getan, also die Möglichkeit eingeräumt, die Besetzung der Ämter direkt zu wählen. Das habe ich hier besonders vermisst. Es ist sehr bedauerlich, dass zunächst die Bürgermeister und erst irgendwann später vielleicht einmal die Direktwahlen eingeführt werden.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Redezeiten der Fraktionen sind weitestgehend ausgeschöpft. Ich eröffne nun die Runde mit den Kurzbeiträgen. Zunächst hatte sich der Herr Abgeordnete Werner Kalinka gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war hier vom Schreien der Opposition die Rede. Bevor dies zu polarisierend wird, möchte ich doch kurz ein paar Punkte sagen, weil auch ich aus dieser Ecke komme.

Erstens. Die drei Gemeinden Heikendorf, Schönkirchen und Mönkeberg wollen einen solchen Zusammenschluss freiwillig. Der Kollege Schlie hat deutlich gemacht, dass er Freiwilligenlösungen völlig offen und positiv gegenübersteht. Ich möchte das hier einfach einmal festgehalten haben, bevor wir in dieser Diskussion eine Schieflage erhalten.

Zweitens. Diese Gemeinden wollen mit dieser Diskussion keine flächendeckende Diskussion über die Amtsverfassung auslösen. Es geht ja nur um ihre Lösung und nicht um die Frage, was woanders möglich ist oder nicht. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dies zu sagen.

Bei der ganzen Geschichte, über die wir uns unterhalten, gibt es natürlich auch Probleme. Es gibt bezüglich dieser Regelung Kostenfragen und ganz ohne Frage auch Chancen. Auf Dauer werden wir darüber sprechen müssen, ob beispielsweise Kreisaufgaben verlagert werden müssen. Ich halte das für eine ganz notwendige Diskussion, die dazugehört.

Im Kern der Geschichte geht es um eine Freiwilligkeit, die in diesen Raum passt, die gewollt ist und die auch positiv begleitet wird. Es wird aber nicht der Anspruch erhoben, dass damit eine landesweite Funktion ausgeübt wird.

Ich darf das am Ende vielleicht einmal etwas freundlich sagen: Wie ich gehört habe, waren die drei Gemeinden immer in einem guten Gespräch mit dem Innenministerium. Ich glaube, die beiden anderen Fraktionen haben nachher nur noch die Unterschrift geleistet. Die wirklichen Gespräche darüber haben vorher stattgefunden und sie sind von vielen von uns positiv begleitet worden.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich jetzt dem zuständigen Innenminister, Herrn Buß, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass der Gesetzentwurf zur Verbesserung der kommunalen Verwaltungsstruktur bereits in der jetzigen Tagung in erster Lesung beraten werden kann.

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Empörung, als ich im August 2002 im Rahmen eines dpa-Interviews neue Verwaltungsstrukturen angemahnt hatte. Inzwischen gibt es dankenswerterweise kaum noch jemanden, der die Notwendigkeit einer verstärkten kommunalen Zusammenarbeit und einer Bündelung von Verwaltungskräften ernsthaft infrage stellt - auch Sie nicht, Herr Schlie; dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.

(Beifall bei der SPD)

Es ist nun an der Zeit, dass nicht länger über das Ob, sondern endlich über die konkreten Inhalte zukunftsfähiger kommunaler Verwaltungsstrukturen diskutiert wird.

Frau Hinrichsen, das, was Sie hier vorgetragen haben, waren fromme Wünsche. Wir können sie gern austauschen; das macht viel Spaß. Solange wir aber die Freiwilligkeit hochhalten - das tun wir -, wird das nicht flächendeckend möglich sein. Wir müssen Zwischenschritte schaffen, um voranzukommen.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Die Verwaltung des ländlichen Raums in SchleswigHolstein stützt sich maßgeblich auf die Amtsverfassung. Das wird nach meiner Überzeugung auch künftig der Fall sein. Angesichts der traditionell kleinteiligen Gebietsstruktur sind die Ämter unverzichtbar für die Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung.

Gerade wenn wir an der Amtsverfassung festhalten wollen, müssen wir die Ämter in die Lage versetzen, ihre Aufgaben auch künftig zuverlässig und professionell zu erledigen und den berechtigten Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden. Diesem Ziel dient der Gesetzentwurf.

Er sieht vor, dass Ämter - ebenso wie gegenwärtig bereits amtsfreie Gemeinden - eine hauptamtliche Verwaltungsleitung haben können. Ich betone es: können. Das bedeutet keineswegs eine Abkehr von dem bisherigen Grundsatz der Ehrenamtlichkeit der Ämter, wie es hier suggeriert wird.

(Holger Astrup [SPD]: So ist es!)

Im Gegenteil: Die Verpflichtung zur Hauptamtlichkeit soll erst ab einer Grenze von 15.000 Ein

wohnerinnen und Einwohnern gelten. Diese Grenze überschreitet gegenwärtig nur das Amt Trittau. Da das Amt Trittau allerdings keine eigene Verwaltung hat, sondern von der Gemeinde Trittau mitverwaltet wird, würde auch hier die Verpflichtung zur Hauptamtlichkeit nicht greifen. Deshalb würde für alle Ämter in Schleswig-Holstein weiterhin der Grundsatz der ehrenamtlichen Verwaltungsleitung gelten. Allerdings gibt es gut 50 Ämter zwischen 8.000 und 15.000 Einwohnerinnen und Einwohner, die sich auf freiwilliger Basis für eine hauptamtliche Verwaltungsleitung entscheiden könnten.

(Beifall bei der SPD)

Wie Sie sehen, sind die Einwohnergrenzen so gewählt, dass keine Amtsverwaltung unmittelbar oder mittelbar in die Hauptamtlichkeit gezwungen wird. Größeren Ämtern - ab 8.000 Einwohnern - wird aber gleichwohl die Möglichkeit eingeräumt, eigenverantwortlich über ihre innere Verfassung zu entscheiden.

Ich bin jedenfalls fest davon überzeugt, dass die kommunale Selbstverwaltung ihre Entscheidungen verantwortungsbewusst und natürlich auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit trifft. Ich habe dieses Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung.

(Beifall bei der SPD)

Sofern sich ein Amt für die Hauptamtlichkeit entscheidet, hat das natürlich Auswirkungen auf die innere Organisation. Die Verwaltungsleitung wird dann einer hauptamtlichen Amtsbürgermeisterin oder einem Amtsbürgermeister obliegen. Sie oder er hat den Status einer Wahlbeamtin oder eines Wahlbeamten auf Zeit. Die Wahlzeit kann - wie auch bei den Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten der Gemeinden und Kreise - auf sechs bis maximal acht Jahre festgelegt werden. Die Amtsbürgermeisterin oder der Amtsbürgermeister wird nicht vom Amtsausschuss gewählt, sondern von sämtlichen Gemeindevertreterinnen und -vertreter der amtsangehörigen Gemeinden. Die demokratische Legitimation wird so auf eine breitere und repräsentativere Grundlage gestellt als bei einer Wahl durch den Amtsausschuss.

Die Frage der demokratischen Legitimation ist in den zurückliegenden Jahren wiederholt aufgegriffen worden. Zuletzt hat Dr. Utz Schliesky die hinreichende Legitimation der Ämter in einem Gutachtern infrage gestellt. Herr Schlie hat aus diesem Gutachten ja zitiert ohne es zu benennen.

(Klaus Schlie [CDU]: Das ist so!)

Das Innenministerium hat sich mit den Ausführungen Dr. Schlieskys intensiv auseinander gesetzt. Die

(Minister Klaus Buß)

Schlussfolgerungen und Ergebnisse des Gutachters teile ich nicht.

Die Frage der demokratischen Legitimation ist Gegenstand einer abstrakten wissenschaftlichen Diskussion, die zu gegebener Zeit geführt werden sollte. Im Augenblick erscheint es mir wichtiger, dass wir die konkret anstehenden Änderungsnotwendigkeiten aufgreifen und sie im Innen- und Rechtsausschuss zügig erörtern.

(Beifall bei der SPD)

Die Aufgaben und Kompetenzen der Amtsbürgermeisterin oder des Amtsbürgermeisters entsprechen den Aufgaben und Kompetenzen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister hauptamtlich verwalteter Gemeinden. Gleiches gilt konsequenterweise auch für die Besoldung und die Aufwandsentschädigung.

Es ist hier mehrfach gesagt worden, das sei zu teuer. Das verstehe ich nun überhaupt nicht mehr. Es gibt ein konkretes Beispiel, das hier mehrfach erörtert worden ist. Die Lösung ist eindeutig billiger.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Beispiele gibt es zurzeit überhaupt nicht. Ich sage es noch einmal: Ich habe das Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung, dass sie auch die Wirtschaftlichkeit bei ihren Entscheidungen berücksichtigt.

Die Einführung einer hauptamtlichen Verwaltungsleitung wird sich in den betroffenen Ämtern auf die Aufgabenstellung der Amtsvorsteherinnen und Amtsvorsteher sowie der leitenden Verwaltungsbeamtinnen und -beamten auswirken. So werden die Amtsvorsteherinnen und Amtsvorsteher keine verwaltungsleitende Funktion mehr haben. Vergleichbar den Bürgervorsteherinnen und Bürgervorstehern in hauptamtlich verwalteten Gemeinden wird sich ihre Funktion auf den Vorsitz in der Vertretungskörperschaft beschränken.

Auch die bisherige Funktion der leitenden Verwaltungsbeamtinnen und Verwaltungsbeamten wird in hauptamtlich verwalteten Ämtern entbehrlich sein. Es wird auch weiterhin - ähnlich wie in hauptamtlichen Gemeindeverwaltungen - die Funktion einer Büroleitung geben. Die in § 15 der Amtsordnung den leitenden Verwaltungsbeamtinnen und Verwaltungsbeamten ausdrücklich zugewiesenen Funktionen, nämlich die Zuständigkeit für die Geschäfte der laufenden Verwaltung und die Eigenschaft als Dienstvorgesetzte der Beschäftigten des Amtes, werden in den Ämtern aber originär von der Amtsbürgermeisterin oder dem Amtsbürgermeister wahrgenommen.

Ich habe mich in der Vergangenheit bei verschiedenen Anlässen zur schleswig-holsteinischen Amtsverfassung bekannt. Das tue ich auch heute ausdrücklich. Die Amtsverfassung ist unter Berücksichtigung der besonderen Gebietsstruktur Schleswig-Holsteins, wie wir sie heute noch haben, Frau Hinrichsen, die geeignete Verwaltungsform für den ländlichen Raum. Dass sie sich in den zurückliegenden Jahrzehnten bewährt hat, steht für mich außer Frage.

(Beifall bei der SPD)

Wir dürfen aber nicht übersehen, dass die Amtsordnung seit ihrer Einführung im Jahre 1947 mehrfach überarbeitet und den jeweils veränderten äußeren Rahmenbedingungen angepasst worden ist. Auch heute stehen wir wieder an einem Punkt, an dem erneuter Anpassungsbedarf offenkundig ist.

(Glocke des Präsidenten)