Die Regierungsfraktionen haben den Mut, noch ein halbes Jahr vor der Wahl einen Gesetzentwurf über die Reform der Kommunalverfassung vorzulegen. Natürlich war uns dabei klar, dass Sie versuchen werden, damit Wahlkampf zu machen. Das ist doch logisch.
Das schafft weniger Ärger. Das haben wir aber nicht gemacht. Sondern wir haben den Mut, Ihnen heute einen Gesetzentwurf vorzulegen, weil wir der Überzeugung sind, dass die Menschen das Traktieren leid sind. Die Menschen wollen eine Regierung, die handelt, und nicht einen Oppositionsführer, der sich nie entscheiden kann, was er eigentlich will.
Was macht die CDU? - Nach 30 Jahren Diskussion über die Reform der Ämter bringt die CDU doch tatsächlich einen Antrag zustande, in dem sie die Regierung bittet, sieben Fragen zu beantworten. Also, Herr Schlie, wenn Sie Innenminister werden wollen, müsste man nach 30 Jahren Diskussion doch zumindest erwarten, dass Sie diese Antworten selber geben könnten.
Ich würde auch erwarten, dass Sie einmal einen Vorschlag machen. Heute haben Sie wieder keinen Vorschlag dazu gemacht, wie Sie sich das vorstellen. Jetzt warten wir einmal ab, was das Wochenende bringt, an dem Sie Ihr Wahlprogramm, Regierungsprogramm wird das genannt, vorstellen werden. Ich bin sehr gespannt, ob zu diesen Punkten dort etwas drinsteht.
Ich möchte fast eine Wette abschließen, dass dazu nichts drinsteht. Da ich von einem MöchtegernInnenminister nach 30 Jahren Diskussion noch immer keinen Vorschlag bekommen habe, muss ich mich mit den Vorschlägen der Opposition an dieser Stelle zum Glück noch nicht beschäftigen und komme jetzt zum vorliegenden Gesetzentwurf.
Der Gesetzentwurf ist noch keine umfassende Novelle der Amtsverfassung, er ist ein erster Schritt. Sie können sich denken, dass ich gern mehr gehabt hätte, denn wenn ich bei den Ämtern wachsende Aufgaben und Kompetenzen übergebe, muss ich meines Erachtens auch die nächste Konsequenz ziehen und eine Amtsvertretung wählen, so wie Sie das gesagt und angesprochen haben. Meinen Sie das ernst? Dann lassen Sie uns das zusammen machen. Ich bin sofort dabei, wenn sie das ernst meinen. Wir schaffen eine Amtsgemeinde als neue Möglichkeit mit einem gewählten Bürgermeister und einer gewählten Amtsvertretung. - Jetzt schütteln Sie wieder den Kopf. Typisches CDU-Verhalten: Sobald man Sie beim Wort nimmt, sind Sie weg.
Wir haben vorgeschlagen, die Bildung von Amtsgemeinden mit einer eigenen Amtsvertretung und einem eigenen Amtsbürgermeister zu ermöglichen. Dann hätten die Gemeinden und Ämter, die diesen Weg gehen wollen - sie müssen es ja nicht -, ihn schon einmal beschreiten können. Unser Koalitionspartner wollte vor der Wahl oder auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit gehen. So haben wir uns darauf geeinigt, erst einmal einen ersten Schritt zu tun und einen gewählten Bürgermeister einzuführen und die Aufgaben der Ämter zu erweitern. Ich finde das sehr sinnvoll. Wir werden uns dann in den Koalitionsverhandlungen im Februar und März ausführlich darüber unterhalten, wie die nächsten Schritte aussehen.
Ein Problem, über das wir im Vorfeld dieses Gesetzentwurfes geredet haben, ist die Wahl der Amtsbürgermeister. Wir sind uns einig, dass wir keine Direktwahl einführen wollen, sondern die Direktwahl damit verbinden, dass tatsächlich eine Amtsgemeinde geschaffen wird. Als Alternative war vorgeschlagen worden, der Amtsausschuss solle den Bürgermeister wählen wie er jetzt den Amtsvorsteher wählt. Ich halte das für eine schlechte Alternative, denn der Amtsausschuss hat keine demokratische Legitimation, um einen hauptamtlichen Bürgermeister zu wäh
len. Deswegen haben wir gesagt, wir machen eine Amtsversammlung. Das muss man sich vorstellen wie die Bundesversammlung. Die Amtsversammlung tritt alle sechs Jahre zusammen, und Mitglied in der Amtsversammlung sind alle gewählten Gemeindevertreter. Das heißt, alle demokratisch gewählten Gemeindevertreter, die dafür legitimiert sind, ihre Gemeinde und die Verwaltung zu bestellen, wählen den Amtsbürgermeister. Ich halte das für die maximale demokratische Legitimation, die in dieser Situation, wo das Amt noch keine Gemeinde ist, möglich ist.
Wenn alle sechs Jahre alle Gemeindevertreter eines Amtes einmal zusammenkommen und eine gemeinsame Amtsversammlung machen, ist das auch ein guter Schritt zur Demokratie, wo die Leute zusammenkommen, und es ist ein guter symbolischer Akt, wenn ein Bürgermeister auf diese Weise gewählt wird.
Ein weiteres Problem war die Definition der Kompetenzen des Amtes. Hier sind wir einige Schritte in Richtung Gemeindeverfassung gegangen, aber eben nur einige Schritte und nicht den ganzen Weg. Darüber wird weiter zu reden sein im nächsten Jahr.
Meine Damen und Herren, die einzige relevante Argumentation der Opposition ist die Behauptung, es würden mehr Kosten auftreten. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Alle konkreten Fälle zeigen, dass es binnen weniger Jahre zu erheblichen Verwaltungseinsparungen kommen kann. Die Gemeinden Heikendorf, Schönkirchen und Mönkeberg machen das ja gerade, weil sie zu erheblichen Einsparungen kommen können. Auch die Gemeinden, die über diese Beispiele nachdenken, haben mir genau diese Zahlen genannt. Die Rede ist immer von Einsparungen zwischen 10 und 20 %. Das sind schon erhebliche Summen. Ich schlage der Opposition also vor, sich die Sache noch einmal zu überlegen.
Bislang haben Sie doch immer von Freiwilligkeit der Gemeindereform geredet. Sie haben immer betont, niemand solle gezwungen werden, aber natürlich sei eine Reform sinnvoll. Auch Sie, Herr Schlie, haben eben gesagt, eine Reform, ein Zusammengehen von Gemeinden sei sinnvoll. Nun finden in der Realität Zusammenschlüsse statt, und wir wollen die nötigen gesetzlichen Regelungen schaffen, damit das möglich wird vor Ort, und dann finden Sie schon wieder, das gehe zu weit. Ich finde, Ihr Verhalten geht zu weit.
Dass Sie nun Reformen aktiv verhindern wollen, hatten Sie bisher noch nicht verkündet. Sie haben noch eine Chance zur Besinnung, lieber Herr Schlie. Sie stehen vor einer historischen Entscheidung: Sind Sie die Blockadepartei in Schleswig-Holstein oder sind Sie mutig und dynamisch?
Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ende April hat der Landtag sich bereits mit dem Thema „Kommunalreform“ befasst, und die Landesregierung wurde durch Beschluss von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufgefordert, eine Gesetzesinitiative zur Verbesserung der kommunalen Verwaltungsstruktur vorzulegen. Hintergrund war wohl der zunehmende öffentliche Druck, endlich die veralteten kommunalen Strukturen neu zu ordnen. So sorgte ein Bericht des Landesrechnungshofes zur kleinteiligen kommunalen Verwaltungsstruktur für Zündstoff, und auch die Pläne zur kommunalen Zusammenlegung in Dänemark machten in der schleswig-holsteinischen Öffentlichkeit einen großen Eindruck.
Für den SSW bleibt dabei die entscheidende Frage, ob sich Schleswig-Holstein im 21. Jahrhundert weiterhin eine kommunale Struktur aus dem 19. Jahrhundert leisten will. Wir haben mit unserem kommunalen Eckpunktepapier klare Prioritäten gesetzt, indem wir fordern, dass alle bestehenden Ämter in Kommunen umgewandelt werden sollen und dass eine Kommune mindestens 8.000 Einwohner haben soll.
Unser Vorschlag beinhaltet nur eine dreistufige Verwaltungsstruktur, weniger Kommunen sowie eine transparente und effiziente Verwaltung. So definieren wir auch eine bürgernahe Verwaltung.
Der SSW hatte sich angesichts der Debatte im April und der öffentlich präsentierten Vorschläge der Partei der Grünen erhofft, dass auch die Regierung und die
regierungstragenden Fraktionen noch vor der Wahl mit einem mutigen Vorschlag zur Kommunalreform kommen werden. Der heute vorliegende Gesetzentwurf hat mich allerdings sehr enttäuscht.
Kern des Gesetzentwurfes der Landesregierung, der von der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute eingebracht wurde, ist die Änderung der Ämterordnung. Entsprechend der Begründung sollen die Ämter durch diese Änderung in die Lage versetzt werden, eine größere Anzahl von Gemeinden und deren Einwohnerinnen und Einwohner zu betreuen. Deshalb wird die Organstruktur der Gemeindeordnung für hauptamtlich verwaltete Gemeinden auf die Ämter übernommen, das heißt, hauptamtliche Amtsbürgermeister und ein Hauptausschuss werden auch auf Amtsebene möglich. Da sämtliche Gemeindevertreterinnen und -vertreter aller amtsangehörigen Gemeinden diesen Amtsbürgermeister wählen, steht nach Ansicht der Regierungsfraktionen diese Wahl auf einer breiten demokratischen Basis.
Das sind die Grundthesen zu diesem Vorschlag zur Änderung der Amtsordnung. Die Ziele des Entwurfes sind zum einen, die rechtliche Rahmenbedingung für das Zusammenführen von Verwaltungskapazitäten zu verbessern, um die Bereitschaft der Kommunen zu einer stärkeren kommunalen Zusammenarbeit zu fördern. Zum anderen soll die Eingliederung amtsfreier Gemeinden in bestehende Ämter und eine intensivere Zusammenarbeit mit größeren Städten, Gemeinden und Ämtern untereinander erleichtert werden. Der Kollege Schlie hatte das vorhin etwas näher ausgeführt, wie das erfolgen soll.
Die Ausgangssituation in Schleswig-Holstein, die bereits im Bericht des Landesrechnungshofes 2003 zur Verwaltungsstruktur und Zusammenarbeit im kreisangehörigen Bereich beschrieben wird, weist auf die kleinteilige Gebiets- und Verwaltungsstruktur hier in unserem Lande hin. Es geht darum, den komplexen Anforderungen an die kommunalen Verwaltungen und deren Politikerinnen und Politikern sowie den berechtigten Ansprüchen ihrer Einwohnerinnen und Einwohner gerecht zu werden.
Der Landesrechnungshof weist in seinem Bericht noch auf eine weitere und zum Teil andere Schlussfolgerung als die im Entwurf genannte Auswahl hin. Seit 30 Jahren hat sich nämlich die Verwaltungsstruktur in Schleswig-Holstein trotz Leitlinien, die bereits unter CDU-Regierung erlassen wurden, nichts verändert. Nun ist ja zu vermuten, dass sich den Empfeh
lungen des Landesrechnungshofes etwas entnehmen lässt, das auf eine Veränderung der kleinteiligen Strukturen in Schleswig-Holstein durch das Einführen eines Amtsbürgermeisters schließen lässt. Dies ist jedoch gerade nicht eine Schlussfolgerung aus dem Bericht, sondern es wird eigentlich nur in finanzieller Hinsicht darauf hingewiesen, dass sich durch die Zusammenlegung von zwei kleineren Verwaltungen eine Ersparnis von circa vier Planstellen darstellen lässt. Diese wird aber doch gerade nach unserer Ansicht durch die Einführung des neuen zu bezahlenden Amtsbürgermeisters wieder „aufgefressen“ werden.
Eine Veränderung der Kleinteiligkeit von 1.127 politischen Gemeinden ist bei dem vorliegenden Gesetzentwurf überhaupt nicht erkennbar; denn die Kommunen werden weiterhin mit einem eigenen Gemeinderat bestehen bleiben. Hier regiert ja der Staat nicht hinein, wie der Kollege Puls gesagt hat. Der einzige Unterschied ist im Kern die mögliche Einführung eines hauptamtlichen Amtsbürgermeisters. Die Folgerungen des Landesrechnungshofes waren aber viel weitergehender. Er fordert echte Verwaltungszusammenschlüsse, um die Wirtschaftlichkeit und die Leistungsfähigkeit der Verwaltung zu steigern. Von neuen teuren Leitungsfunktionen stand im Bericht des Landesrechnungshofes jedenfalls nichts drin.
Durch den jetzt vorliegenden Entwurf werden die Ämter weiter gestärkt und erhalten mehr und mehr die Struktur einer Gemeinde, obwohl sie es nicht sind.
Darüber hinaus wird es in der Zukunft unterschiedliche Ämter geben - einige mit Bürgermeister, einige ohne. Der SSW hat sich in seiner langjährigen Geschichte oft gegen die immer selbstständiger werdende Ämterstruktur ausgesprochen. Die Ämter sind in den letzten 30 Jahren eben nicht die Schreibstuben der Gemeinden geblieben, sondern immer stärker mit eigenen Rechten ausgestattet worden. Gerade diese Strukturveränderung wird durch die hier vorgeschlagene Änderung der Amtsordnung zementiert, ohne dass die Einwohnerinnen und Einwohner in ihren Rechten gestärkt und eine klarere Verantwortlichkeit und Transparenz für diese erkennbar werden.
Der SSW tritt dafür ein, dass die Gemeinden eines Amtes zu einer politischen Gemeinde zusammengefasst werden, damit für den einzelnen Bewohner erkennbar wird, an wen er sich bei einem Problem wenden kann und wer die Entscheidung fällt. Es muss für den einzelnen Bürger klar sein, wer verantwortlich und der Ansprechpartner ist.
Durch diesen Gesetzentwurf wird aber erneut eine Ebene geschaffen, die dazu beiträgt, dass sich niemand verantwortlich fühlt und niemand Rechenschaft ablegen muss, weil man die Entscheidung beziehungsweise die Verantwortlichkeit hin- und herschieben kann.
Der SSW fordert deshalb weiter, dass im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit und die Leistungsfähigkeit eine Gemeinde aus mindestens 8.000 Einwohnern bestehen sollte. Für die in den Gemeinden ehrenamtlich tätigen Politikerinnen und Politiker ist dann auch endlich wieder ein größerer Entscheidungsspielraum vorhanden.