Protokoll der Sitzung vom 25.08.2004

Insbesondere unsere grünen Freunde haben bei diesem Gesetzentwurf so richtig die Maske fallen lassen. Gerade die Grünen, die sich doch immer so bürgernah geben, die immer eine größtmögliche Bürgerbeteiligung in kommunalen Angelegenheiten fordern, beantragen jetzt, den Amtsbürgermeister von der neu zu wählenden Amtsversammlung, also nicht in Direktwahl, wählen zu lassen. Bei den hauptamtlich verwalteten Gemeinden, auf die Sie im Entwurf immer Bezug nehmen, ist das aber vorgeschrieben. Das Dilemma, in das Sie sich damit begeben, besteht natürlich darin, dass bei einer Direktwahl des Amtsbürgermeisters für die ehrenamtlichen Bürgermeister der amtsangehörigen Gemeinden, die nur von der Gemeindevertretung gewählt werden, eine andere demokratische Legitimation vorläge.

Schon aus diesen wenigen Beispielen lässt sich erkennen, dass der Gesetzentwurf wenig durchdacht ist.

(Günther Hildebrand)

In vielen Gesprächen mit Gemeindevertretern, Amtsvorstehern und verwaltungsleitenden Beamten wurde mir in den letzten Wochen bestätigt, dass es für diese vorgesehenen Regelungen keine Akzeptanz gibt.

Was aber ist passiert, warum macht Rot-Grün das? Die jeweils hauptamtlich verwalteten Gemeinden Heikendorf, Schönberg und Mönkeberg

(Zuruf von der SPD: Schönkirchen!)

- Entschuldigung, Schönkirchen, das ist korrekt - wollen sich zu einem Amt zusammenschließen und hätten nun nach der gültigen Amtsordnung zukünftig nur einen ehrenamtlichen Amtsvorsteher und einen verwaltungsleitenden Beamten. Drei hauptamtliche Bürgermeister könnten zukünftig wegfallen. Die drei Gemeinden bestehen aber offensichtlich auf eine hauptamtliche Verwaltungsspitze, den Amtsbürgermeister. Es handelt sich hier anscheinend um eine „Lex Probstei“. Der bekommt dann auch noch die gleichen Kompetenzen wie ein hauptamtlicher Gemeindebürgermeister. Das ist unsystematisch, denn Gemeinden sind keine Ämter. Man kann Ämter und Gemeinden nicht miteinander vergleichen. Ämter haben trotz ihrer weitgehenden Bedeutung nicht die verfassungsrechtliche Stellung einer Gemeinde. Gemeinden sind bedeutsamer, sie sind originär mit Selbstverwaltungsaufgaben ausgestattet, Ämter nicht. Die Erledigung dieser Aufgaben werden den Ämtern erst übertragen.

Es bestehen darüber hinaus verfassungsrechtliche Grenzen, über die hinweg ein bestimmtes Ausmaß an Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben von den Gemeinden an die Ämter unzulässig ist. Die Ämter erledigen heutzutage viele Selbstverwaltungsaufgaben kleinerer Gemeinden. Der Amtsausschuss ist aber nicht hinreichend demokratisch legitimiert, denn seine Mitglieder werden nicht direkt gewählt.

(Beifall der Abgeordneten Silke Hinrichsen [SSW])

Hier muss Klarheit darüber geschaffen werden, wo die Grenze einer zulässigen Aufgabenübertragung von der Gemeinde auf das Amt zu ziehen ist. Das ist zum Beispiel eine Diskussion, die unbedingt geführt werden sollte.

Wir aber befassen uns jetzt mit der völlig überflüssigen Schaffung von Amtsbürgermeistern.

Was SPD und Grüne hier machen, ist völliger Unsinn. Sie schaffen hoch dotierte Verwaltungsposten, die die Verwaltung verteuern, die Qualität verschlechtern und aus demokratischer Sicht bedenklich sind. In diesem Zusammenhang ist die Aussage des Kollegen Puls interessant. Ich zitiere seine Aussage aus den

„Kieler Nachrichten“ vom 18. August dieses Jahres zum geplanten Wahlverfahren der Amtsbürgermeisterin oder des Amtsbürgermeisters wörtlich - auch heute hat er es wiederholt -:

„Auf diese Weise haben wir eine möglichst breite demokratische Basis.“

- Falsch, Herr Kollege Puls! Möglichst breit wäre die demokratische Basis bei einer Direktwahl.

(Holger Astrup [SPD]: Das geht doch nicht!)

Nicht vergessen sollten wir die vorgesehenen Änderungen zum Gesetz über kommunale Zusammenarbeit und gemeinsame Kommunalunternehmen. Hier können sicherlich Verwaltungsvereinfachungen zu einem Mehr an Effektivität führen. Und hier haben Sie auch unsere Unterstützung für den Gesetzentwurf. Dieser Teil kann aber gesondert beraten und verabschiedet werden und steht in keinem direkten Zusammenhang mit der Amtsordnung.

Sehr geehrte Kollegen von der SPD und von den Grünen, ziehen Sie Ihren Gesetzentwurf zurück. Nicht alles, was Ihnen vom Innenminister vorgelegt wird, muss sinnvoll, durchdacht und damit logisch sein. Wenn wir eine Änderung der Amtsordnung in Angriff nehmen - und dafür gibt es genug Gründe -, sollten wir sie grundsätzlich diskutieren und nicht nur partiell. Dafür reicht aber mit Sicherheit nicht mehr die Zeit in dieser Legislaturperiode. Denn selbstverständlich sind in eine solche Diskussion auch andere, zum Beispiel die Kommunalpolitiker, mit einzubeziehen.

(Glocke des Präsidenten)

Und wie anfangs schon gesagt: Zuerst die Aufgabenkritik, dann die Ausgestaltung der Verwaltungsebenen und dann die Zuordnung der Aufgaben - so wird ein Schuh daraus.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, können wir möglicherweise auch über Amtsbürgermeister reden.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Herrn Fraktionsvorsitzen

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

den Karl-Martin Hentschel.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Hildebrand, nun hören Sie aber auch zu! - Günther Hildebrand [FDP]: Ich höre zu!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein hat bekanntlich die kleinsten Gemeinden und die teuersten Kommunalverwaltungen von ganz Deutschland. Deshalb wird seit über 30 Jahren über eine Änderung der Strukturen diskutiert. Nun ist in den letzten Monaten regelrecht Bewegung in die kommunale Landschaft gekommen. Auch wenn viele Hardliner immer noch jede Änderung ablehnen, so werden doch in vielen Kommunen und Ämtern mittlerweile Zusammenschlüsse diskutiert.

Denn solche Zusammenschlüsse führen ja nicht nur zu Einsparungen, sie ermöglichen den Kommunen auch, mehr Aufgaben von den Kreisen zu übernehmen und so dem Bürger vor Ort mehr Service zu bieten.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von der Anmeldung des Autos zur Verwaltung der Schulen, vom Bauamt bis hin zum Jugendamt - in den meisten Kommunen in Schleswig-Holstein gibt es das heute nicht und der Bürger muss zum Kreis fahren.

Ein aktuelles Beispiel ist meine Heimatgemeinde Heikendorf, wo kluge Kommunalpolitiker beschlossen haben, mit den Nachbargemeinden Mönkeberg und Schönkirchen ein gemeinsames Amt mit einer gemeinsamen Verwaltung zu bilden. Ich finde das klug und mutig.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich empfehle übrigens den beiden Rednern von der Opposition, sich zunächst einmal darüber zu informieren, wo diese Gemeinden liegen. Sie liegen nämlich alle nicht in der Probstei. Schönberg liegt zwar in der Probstei, die Gemeinde Schönberg gehört aber nicht zu denen, die sich zusammenschließen. Also bitte: Erst einmal geografisch informieren, bevor man über Dinge redet.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Werner Kalinka [CDU]: Sehr gut!)

Durch diesen Zusammenschluss sind Probleme aufgetreten, die eine Änderung der Kommunalverfassung erfordern.

(Werner Kalinka [CDU]: Sie liegen aber auch nicht am Kieler Ostufer!)

- Das habe ich auch nicht gesagt.

Es geht um vier Punkte: Erstens. Das neue Amt, das wesentlich größer als alle Ämter ist, die wir zurzeit in Schleswig-Holstein haben, soll einen hauptamtlichen Amtsbürgermeister haben. Bisher hatten schon die Gemeinden hauptamtliche Bürgermeister. Wenn hier behauptet wird, dadurch würde mehr Geld ausgegeben, ist das völliger Blödsinn. Zurzeit haben wir drei oder zwei hauptamtliche Bürgermeister und stattdessen kommt jetzt ein hauptamtlicher Amtsbürgermeister und der leitende Verwaltungsangestellte kann wegfallen. Das heißt, wir haben statt vier Führungsposten nur noch einen. Das erst einmal dazu, wenn Leute über etwas reden, mit dem sie sich überhaupt nicht beschäftigt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP] - Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter Hentschel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Maurus?

Nein! - Zweitens. Das neue Amt soll eigene Wirtschaftsbetriebe haben können, so wie es die Gemeinden heute auch haben.

Drittens sollen die Kompetenzen des Amtes schrittweise denen einer Gemeinde angenähert werden und viertens soll es für die bisherigen hauptamtlichen Bürgermeister und für die bisherigen Frauenbeauftragten, die kommunalverfassungsrechtlich eine besondere Stellung haben, Übergangsregelungen geben. Auch das finde ich ausgesprochen sinnvoll.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Was ist nun das Schlimme an dieser ganzen Geschichte? Man fragt sich, warum die Opposition nun schon wieder Zeter und Mordio schreit. Irgendwie ist das schon erstaunlich. Normalerweise sollte man denken, die Opposition ist voller Vorschläge und Mut zu Reformen und die Regierung hat Probleme, etwas

(Karl-Martin Hentschel)

zu machen, weil sie Angst hat, etwas vorzulegen, gegen das die Bürger sein könnten.

(Beifall des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Das Gegenteil ist der Fall. Das hier ist ein lebendiges Beispiel für den qualitativen Unterschied zwischen der Arbeit der Regierungsfraktionen und der der Opposition in Schleswig-Holstein.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Die Regierungsfraktionen haben den Mut, noch ein halbes Jahr vor der Wahl einen Gesetzentwurf über die Reform der Kommunalverfassung vorzulegen. Natürlich war uns dabei klar, dass Sie versuchen werden, damit Wahlkampf zu machen. Das ist doch logisch.