Protokoll der Sitzung vom 27.08.2004

kommt eine neue Leier, die Sie nicht gelesen haben - hat man im Umweltministerium am 21. November Berechnungen darüber angestellt, welche Kosten die so genannte rote Kulisse mit 8.000 ha oder die so genannte schwarze mit 30.000 ha für das Land mit sich bringen würde. So eine Berechnung in Auftrag zu geben macht doch nur Sinn, wenn man auch die kleinere Gebietskulisse für die Meldung nach Brüssel naturschutzfachlich hätte vertreten können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Mit dem für mich darüber hinaus fragwürdigen Einsatz von Modulationsmitteln hierfür erfüllt man sich mit der größeren Gebietskulisse einen grünen Traum, der für die Region zum Albtraum wird. Wo bleiben die Einwände im Beteiligungsverfahren? Sie wurden, so ist mein Eindruck nach der Akteneinsicht, politischer Willkür geopfert, und dies, obgleich uns bisher weder Originalakten noch vollständige Unterlagen vorgelegt wurden. Das Parlament wurde nicht einmal, wie es gemäß Artikel 23 Abs. 3 Satz 2 der Landesverfassung vorsieht, darüber vom Umweltministerium in Kenntnis gesetzt. Vorgestern, erst auf Druck unseres Schreibens, kam ein Entschuldigungsschreiben vom Umweltministerium.

In diesem Zusammenhang, Herr Minister, gestatten Sie mir noch eine andere Frage: Warum haben Sie uns nur davon erzählt, es fehlten lediglich zehn Seiten, aber den Anwälten der klagenden Gemeinde St. Peter-Ording schildern Sie in einer Sperrerklärung, dass darüber hinaus auch sechs Stehordner mit Kabinettsvorlagen und die Reise nach Brüssel fehlen? Dies haben Sie in Ihrem jüngsten Brief nicht erwähnt. Das Parlament wurde also erneut nicht im Sinne von Artikel 23 Abs. 3 Satz 2 informiert.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dies werden wir in der nächsten Woche bei der Umweltausschusssitzung aufgreifen. Ich sage Ihnen, wer so handelt und nur auf Druck etwas herausgibt, der muss damit rechnen, dass man ihm vorwirft, er habe etwas zu verbergen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist nicht ehrlich und täuscht die Menschen in diesem Land über die tatsächliche Vorgehensweise von Rot-Grün. Wenn SPD und Grüne nur

das täten, was sie anscheinend selbst fordern in ihrem Antrag, dürfen sie einen Großteil der Halbinsel Eiderstedt und auch andere Regionen nicht als Natura2000-Gebiete ausweisen.

So besagt der erste Punkt des Antrages, dass sich die Auswahl der Vogelschutzgebiete auf Eiderstedt auf die nach ornithologischen Kriterien geeignetsten Gebiete beschränken soll.

(Konrad Nabel [SPD]: Genau so ist gehan- delt worden!)

- Bleiben Sie mal ganz ruhig. - Gleichzeitig fordern Sie in Ihrem Antrag, dass sich die Gebiete keineswegs auf die gesamte Halbinsel Eiderstedt ausdehnen dürfen. Das ist an sich schon ein Widerspruch zu Ihrer bisherigen Verhaltensweise. Rein theoretisch, wenn nämlich die ornithologischen Voraussetzungen für ganz Eiderstedt vorlägen, müsste die Landesregierung nach ihrem eigenen Vortrag und auch nach der EU-Richtlinie ganz Eiderstedt ausweisen.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Sie hätte gar keine Wahl. Der Knackpunkt ist aber, dass begründete Zweifel an der ornithologisch fachlich richtigen Ausweisung bestehen. Hierzu brauche ich noch nicht einmal das Gutachten des Kölner Büros für Faunistik heranzuziehen, in dem die Situation auf Eiderstedt dezidiert beschrieben wurde und man zu ganz anderen Erkenntnissen gekommen ist.

(Konrad Nabel [SPD]: Sie tragen hier Text- bausteine vor!)

- Nein, das Ministerium war ja selbst der Auffassung, dass sich der Großteil von Eiderstedt nicht für eine Ausweisung als Vogelschutzgebiet eignet.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn für ein Minis- terium?)

Herr Kollege von Hielmcrone, ich kann nur sagen: Das ist ja Ihr eigenes Gutachten und nicht das fremde Gutachten. Dem sollte man zumindest vertrauen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Hierzu zitiere ich gerne aus einem Telefax des Umweltministeriums an den NABU vom 18. November. Es wurde also wenige Tage, bevor der Umweltminister auf der denkwürdigen Veranstaltung in Garding die Ausweisung von fast ganz Eiderstedt in der Öffentlichkeit proklamierte, verschickt. Absender ist ein Abteilungsleiter aus dem Ministerium. Ich zitiere:

„Die beiden - Nonnengans und Goldregenpfeifer - fallen wegen ihrer geringen ökologischen Ansprüche und ihrer weiten Verbrei

(Günther Hildebrand)

tung weitgehend aus als Begründung für ganz Eiderstedt. Es bleibt die Trauerseeschwalbe. Mit ihr lässt sich nicht ganz Eiderstedt begründen, sondern nur der Nordwesten.“

Weiter heißt es:

„Wenn wir ganz Eiderstedt melden wollten, würden wir meines Erachtens von unserem Konzept abweichen und dann erstmalig Gebiete ausschließlich oder ganz überwiegend mit Artikel 4 Absatz 2-Arten begründen, was wir vorher vermieden haben.“

So weit das Zitat des Abteilungsleiters aus dem Umweltministerium. Ich weiß genau, dass er sagen wird, er habe dieses Schreiben ein halbes Jahr, nachdem es bekannt geworden ist, wieder korrigiert. Herr Kollege Nabel, ich kann dazu nur sagen: Ist die Kugel aus dem Lauf, hält sie kein Gebiet mehr auf.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir wissen jetzt, wie die Fachleute im Ministerium diese Sache beurteilen.

Sie haben die Parameter also selbst geändert, um einen Großteil von Eiderstedt melden zu können. Es war nicht die EU, es war dieser grüne Umweltminister, der ohne ausreichende fachliche Begründung die Ausweisung größter Teile Eiderstedts als Vogelschutzgebiet durchgesetzt hat. Kurz vor dem Kabinettsbeschluss kam es noch zu einer Korrektur, um zum Beispiel den Husumer Hafen als Schutzgebiet auszuklammern. Der Grund dafür ist doch nahe liegend: Der geplante Offshore-Windpark 80 km westlich von Sylt benötigt natürlich einen Versorgungshafen. Vogelschutz könnte da natürlich nur stören.

Meine Damen und Herren, dem Land liegen allein 18 Klagen bezüglich der Ausweisung von Vogelschutzgebieten auf Eiderstedt vor. Das Land sieht sich landesweit 43 Rechtsstreitigkeiten aufgrund der von der Landesregierung ausgewiesenen Natura-2000Gebiete gegenüber. Das kann kein Zufall sein.

In diesem Zusammenhang möchte ich durchaus positiv bemerken, dass die Landesregierung die beklagten Gebiete nach eigener Auskunft zunächst nicht an den Bund weitermelden wird und den Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht am 26. Oktober 2004 abwartet. Gibt es hier möglicherweise Zweifel an der eigenen Gebietsauswahl?

Äußerst bedauerlich hingegen ist die Tatsache, dass die Bürgerinnen und Bürger und Gemeinden wie St. Peter-Ording, Kirchspiel Garding, Tating oder die Stadt Tönning gezwungen sind, rechtlich gegen die

Ausweisung vorzugehen. Es war nicht die Landesregierung, die die Interessen der Eiderstedter vertreten hat. Nein, ganz im Gegenteil: Sie ist ihr Hauptgegner.

(Beifall bei FDP und CDU)

Nebenbei bemerkt und nur zur Information: Falls die Entscheidung am 26. Oktober 2004 nicht im Sinne der Gemeinden ausfällt, besagt dies noch nichts. Die Gemeinden wollen in diesem Verfahren zunächst nur erreichen, dass die Gebiete eben nicht nach Berlin gemeldet werden. Es wird also keine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Gebietsausweisung fallen. Das wird erst der nächste Schritt sein.

Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Dieser vorliegende Antrag und das Handeln der Landesregierung klaffen weit auseinander. Aus diesem Grund müssen wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Hildebrand, aus einem Referatsleiter haben Sie einen Abteilungsleiter und aus der Äußerung in einem Arbeitsprozess haben Sie die Meinung des Ministeriums gemacht und so weiter. Mit dieser Genauigkeit schicken Sie sich an, hier Regierungspartei zu werden? Das mag der Wähler beurteilen.

(Ursula Sassen [CDU]: Sie müssen über Ge- nauigkeit reden!)

Der Dialog gerade im Gebiet Eiderstedt war und ist noch außerordentlich schwierig. Das liegt zum einen an der schwierigen Natur der Sache und zum anderen daran, dass in Zeiten des Vorwahlkampfes insbesondere bei der CDU ein hohes Interesse vorlag, jegliche Konstruktivität im Dialog zu unterbinden. Das ging schon damit los, dass in der Anfangsphase ein Vertreter des Bauernverbandes Gespräche schlichtweg abgelehnt hat. Es handelte sich um ein CDU-Mitglied, das sich vergeblich um ein Direktmandat für den Landtag bemüht hatte. Das gehörte wohl zu den Profilierungsmühungen im Vorfeld dieser Absichten. Dies setzte sich mit Bürgermeistern, Amtsvorstehern sowie Tourismus- und Wirtschaftsvertretern, die alle ein schwarzes Parteibuch in der Tasche haben, fort.

(Veronika Kolb [FDP]: Kommen Sie zur Sa- che!)

(Detlef Matthiessen)

Ich will damit sagen, dass es neben dem Dialog um die NATURA-2000-Ausweisung auch andere Interessen zu wahren gab, die das sachliche Gespräch sehr erschwerten und die alles zum Ziel hatten, aber keine vernünftigen Kompromisse und Lösungen.

In dieser schwierigen Gemengelage wäre eine Position der Landesregierung nur dann akzeptiert worden, wenn auf eine Gebietsmeldung gänzlich verzichtet worden wäre. Dies war jedoch weder rechtlich noch sachlich möglich.

Nun haben wir also den Beschluss des Kabinetts zur Gebietsmeldung. Danach wurden im Gebietszuschnitt nochmals erhebliche Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf vorgenommen. Es hätte ja auch einmal mit einem Nebensatz oder mit einem kleinen Wort honoriert werden können, dass der Dialog mit der Bevölkerung in Schleswig-Holstein bei der NATURA-2000-Umsetzung tatsächlich dazu führt, dass in 40 % der Fälle Veränderungen bei den Zuschnitten, Bezeichnungen und so weiter vorgenommen werden. In Schleswig-Holstein findet der Dialog mit der Bevölkerung statt. Es ist nicht nur ein Scheindialog, trotz dessen der Entwurf A bis in alle Ewigkeit der Entwurf A geblieben wäre. Im Laufe dieses Dialogs hat sich sehr viel geändert. Das ist eine erfolgreiche Demokratie und Beteiligung der Bevölkerung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Zuruf von der CDU: Theorie und Praxis klaffen weit auseinander!)

Zu den Verunsicherungen insbesondere in der Landwirtschaft trägt vor allem auch die schwierige generelle Lage der Landwirtschaft bei. Die fundamentale Reform der Agrarförderung steht vor der Tür, der Milchpreis ist miserabel und dann noch der Naturschutz, an dem sich der Unmut leicht entladen konnte.

(Zuruf von der CDU: Gestern haben Sie noch etwas anderes erzählt!)

Die wirtschaftlichen Folgen der Ausweisung des Naturschutzgebietes sind aus meiner Sicht nicht von Nachteil. Im Gegensatz: Grundschutz ist wirtschaftlich machbar. Mit Naturschutz kommt mehr Geld in die Region als ohne. Durch die gezielt auf Grünlandförderung ausgerichtete Agrarpolitik der Landesregierung profitiert insbesondere der Großteil der Landwirtschaft auf Eiderstedt.