Protokoll der Sitzung vom 27.08.2004

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Gibt es Wortmeldungen zu diesem Bericht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die Antragsteller erteile ich jetzt für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was das EU-Vogelschutzgebiet auf Eiderstedt angeht, schlagen heute zwei Herzen in meiner Brust.

(Zuruf: Doppelherz!)

Ich bin froh, dass wir uns als SSW mit elementaren Forderungen in Bezug auf den Vertragsnaturschutz und bei der Frage bezüglich der Anhebung des Wasserstandes auf der Halbinsel durchsetzen konnten. Andererseits muss ich sagen, dass ich in höchstem Maße unzufrieden mit der Art und Weise bin, wie man die komplette Ausweisung von Eiderstedt als Vogelschutzgebiet betrieben hat.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Aber zuerst einmal zum Positiven für die Menschen auf Eiderstedt. Wir beschließen heute, dass Vertragsnaturschutz auf Eiderstedt anzustreben ist und dass die einzelnen Landbesitzer auf Eiderstedt nicht zwangsweise dem zu schließenden Rahmenvertrag mit dem Kreisbauernverband beitreten müssen. Natürlich ist es so, dass unter den derzeitigen Verhältnissen nicht daran zu denken ist, dass der Kreisbauernverband einen Rahmenvertrag abschließen wird. Aber vielleicht besteht in etwas ferner liegender Zukunft doch noch die Chance, sich auf irgendetwas zu einigen, und dann ist ein solcher Beschluss wichtig, weil er schon im Vorwege Unklarheiten beseitigt.

Weiter wird in dem Beschluss festgelegt, dass nicht nur Beschränkungen in den Verträgen genau festgelegt werden, sondern dass auch ausdrücklich erlaubte Nutzungen festgeschrieben werden. Das bedeutet mehr Rechtssicherheit für diejenigen, die einen solchen Vertrag unterschreiben. Zu guter Letzt wird noch festgelegt, dass der Wasserstand auf Eiderstedt nicht angehoben wird, es sei denn, dass die betroffenen Eigentümer zustimmen. Hierüber gab es bisher ebenfalls keinen Beschluss und somit trägt dieser Beschluss dazu bei, dass hier Sicherheit für die Betroffenen geschaffen wird.

Soweit wäre eigentlich alles gut, wenn da nicht der Punkt eins wäre, der zwar im Ausschuss schon politisch beschlossen wurde, aber dann von der Landesregierung nicht berücksichtigt wurde. Nach Beschlusslage vom 17. Juni 2004 sollten nur die geeignetsten Gebiete als Vogelschutzgebiete ausgewiesen werden und sie sollten sich keinesfalls auf die gesamte Halbinsel Eiderstedt ausdehnen. Als man dies im Ausschuss beschloss, war die bis dahin vorgeschlagene Gebietskulisse klar. Ebenso klar war, welche Gebiete aus nachvollziehbaren Gründen aus dem Vor

(Lars Harms)

schlag herausgenommen werden sollten. Das waren die Flächen für den Offshore-Hafen Husum, die B 5 und die Ackerköge. Von den ursprünglich geplanten 25.000 ha waren dies 5.000 bis 6.000 ha. Somit war damals klar, dass man über eine Restfläche von rund 19.000 bis 20.000 ha redete, die man als Ausweisung von ganz Eiderstedt betrachtete und die wesentlich reduziert werden sollte.

(Konrad Nabel [SPD]: Quatsch!)

Ziel des Beschlusses war es, die Möglichkeiten für eine Kompromisslösung zu eröffnen, die sichtlich unter der bisherigen Flächengröße lag.

Genau diese Möglichkeiten hat die Landesregierung aber nicht ergriffen, sondern weiter an der großflächigen Ausweisung festgehalten und damit natürlich gegen den politischen Willen des Ausschusses gehandelt.

(Konrad Nabel [SPD]: Dummes Zeug!)

Rot-Grün hat im Ausschuss die Begrenzung der Flächen mitgetragen und sich für einen Kompromiss eingesetzt. Doch die rot-grüne Regierung tat genau das Entgegengesetzte, indem sie die großflächige Ausweisung von Eiderstedt beschloss. Man weist also Eiderstedt aus, obwohl der Ausschuss nicht ganz Eiderstedt ausweisen wollte.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Das hat der Minister höchstpersönlich gesagt!)

Wenn wir aber heute so beschließen, wie es der Ausschuss am 17. Juni 2004 gewollt hat, muss der Vorschlag der Landesregierung korrigiert werden.

(Günther Hildebrand [FDP]: Richtig!)

Noch besteht hierfür auch die Möglichkeit, weil die Meldung an die EU aufgrund eines anhängigen Verfahrens, das einige Gemeinden und Bürger angestrengt haben, noch nicht erfolgt ist. Wenn wir heute unseren Beschluss als Landtag fassen, dann müssen Sie als rot-grüne Fraktion den Mut haben, dafür zu sorgen, dass die rot-grüne Regierung ihren Beschluss rückgängig macht.

(Konrad Nabel [SPD]: Quatsch!)

Alles andere wäre ein Beitrag zur Politikverdrossenheit und gerade da sollten wir uns jeden Beitrag sparen.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie Ihre pauschale Ausweisung zurück und weisen Sie nur die Flächen aus, die unbedingt notwendig sind - so wie Sie es am 17. Juni 2004 im Ausschuss schon einmal beschlossen haben!

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcrone.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag des SSW stellt für mich den Versuch dar, in letzter Minute noch zu einem Kompromiss zwischen den Parteien zu kommen. Das ist ehrenwert, wenn auch von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen, denn wie ein roter Faden zieht es sich durch die Akten, wenn man sie denn gelesen hat, dass die offiziellen Vertreter der Eiderstedter Bauern von Anfang an nicht zu einem Kompromiss bereit waren, sogar das Gespräch verweigerten. Das ist eine eindeutige Position der Schwäche.

(Günther Hildebrand [FDP]: Nun haben die auch noch Schuld!)

Das Angebot des freiwilligen Naturschutzes war eben leider kein wirkliches Kompromissangebot, weil dieses, wie vorgeschlagen, eben nicht akzeptiert worden wäre, wie wir alle wissen. Inoffizielle Überlegungen, die es auch gab, waren sicher gut gemeint, aber weder belastbar noch in der Substanz ausreichend. Zwischenzeitlich hat das Umweltministerium die Gebiete ausgewiesen, sie aus prozessualen Gründen jedoch nicht weitergemeldet. Der Landtag hat zwar über den Antrag des SSW noch nicht entschieden, ich sehe aber trotzdem darin keine Missachtung des Gerichts, denn Punkt eins des Antrages ist erfüllt. Die Regierung hat diejenigen Flächen, die ihr unter ornithologischen Gesichtspunkten als geeignet erschienen, benannt, keineswegs ganz Eiderstedt.

(Zuruf von der FDP: Große Teile!)

Ein Drittel der Halbinsel ist tatsächlich nicht ausgewiesen. Gegenüber dem vorgelegten Zwischenergebnis sind noch einmal 20 % herausgenommen worden, etwa 5.000 ha, keineswegs nur Quadratmeterchen, wie Lars Harms das genannt hat.

Nun hätte ich mir als örtlicher Abgeordneter durchaus im Sinne des Friedens vor Ort auch eine kleinere Fläche gewünscht, weil diejenige, die heute als Kerngebiet bezeichnet wird, etwa 10.000 ha groß ist. Das Problem ist nur, dass die Kriterien, die schließlich zur Ausweisung des Gebietes geführt haben, sich auf Eiderstedt überall dort finden, wo es entsprechendes Dauergrünland gibt. Deswegen mussten alle Dauergrünlandflächen konsequenterweise ausgewiesen

(Dr. Ulf von Hielmcrone)

werden. Diese Flächen nicht auszuweisen, wäre das Einfallstor für alle Klagen gewesen, weil der Gleichheitsgrundsatz vernachlässigt worden wäre. Wenn man weiß, dass - jedenfalls ist das den heutigen „Husumer Nachrichten“ zu entnehmen - der beauftragte Rechtsanwalt 46.000 € liquidiert, dann ist das nicht gerade wenig. Dafür verspricht er allerdings auch, bis zum Jüngsten Gericht zu klagen.

(Zuruf von der CDU: Das dient nicht der Sa- che, was Sie da sagen!)

Ohne eine Einigung wäre deswegen eine andere kleinere Fläche gar nicht zu erreichen gewesen. Es ist deswegen auch keineswegs zutreffend, stereotyp immer alle Schuld beim Minister zu suchen. Ein Vorwurf ist reiner Populismus. Es hätte wenigstens aufseiten der Landwirte den Versuch einer Einigung geben müssen. Wer dies von Anfang an verweigert, darf nicht mit Fingern auf andere zeigen.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang merke ich sehr deutlich an, nicht jeder, der am lautesten schreit, hat deswegen Recht und nicht derjenige, der diesem lauten Protest widersteht, missachtet die Interessen der Menschen vor Ort.

Zur ehrlichen Politik gehört es, den Menschen die Wahrheit zu sagen und ihnen nicht nach dem Munde zu reden,

(Beifall bei der SPD)

wie Sie es ständig tun. Die Wahrheit ist nun einmal, jedenfalls aus meiner Sicht und Überzeugung: Gebiete auf Eiderstedt müssen nach EU-Recht ausgewiesen werden. Es gibt Gutachten für und wider die Ausweisung. Ich bin Jurist genug, um zu wissen, was ich von Parteigutachten zu halten habe. Ich misstraue im Übrigen jedem Gutachten. Wenn aber drei Gutachten, von denen ich in diesem Falle weiß, unabhängig voneinander zum selben Ergebnis kommen, nämlich der Ausweisungsnotwendigkeit, dann besteht für mich kein ernsthafter Grund mehr, daran zu zweifeln.

(Beifall bei der SPD)

Trotzdem ist es sinnlos, sich hier und heute aufzuregen. Die Gerichte werden entscheiden. Dies wird abzuwarten sein. Dennoch muss mit Hochdruck weitergearbeitet werden daran, wie die Landwirtschaft in Zukunft eine tragbare Lösung erreicht. Dafür mag der vorliegende Antrag hilfreich sein. Aber auch die Landwirtschaft selbst, alle Verantwortlichen auf Eiderstedt müssen sich überlegen, wie ein Plan B für die Zeit nach dem Urteil aussehen kann. Auch danach muss es weitergehen, und zwar möglichst besser als

jetzt, auch im Interesse der Eiderstedter, auch im Interesse aller Bürger.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Ursula Sassen.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Dezember 2003 haben wir das Thema Natura 2000 dreimal diskutiert. Gebracht hat es wenig. Rot-Grün war Argumenten nicht zugänglich, jetzt entscheiden die Gerichte. Zur Erinnerung: FDP und CDU hatten Berichtsanträge zur Benennung von Natura 2000 und Vogelschutzgebietsausweisung Eiderstedt gestellt, um überhaupt einmal zu erfahren, auf welche naturschutzfachliche Begründung sich der Minister stützt. Ein peinlich dürftiges Konzept hat er abgeliefert trotz Vorlaufzeit - und das erst auf unsere Anfrage am 12. Dezember in der Plenartagung. Der SSW hat mit seinem Änderungsantrag die Notwendigkeit der Vogelschutzgebietsausweisung Eiderstedt und die spärliche und keineswegs überzeugende Begründung des Umweltministers nicht infrage gestellt. Kollege Harms hat sich in seinem Redebeitrag wie so oft langatmig und populistisch geäußert, aber um den heißen Brei geredet. Wir konnten daher dem SSWAntrag nicht zustimmen, weder in der Plenartagung noch im Umweltausschuss, und werden uns auch heute enthalten, weil der Antrag ja auch nichts mehr bedeutet. Die Kabinettsentscheidung hat, obwohl die SPD mitgestimmt hat, diesen ignoriert.

Für Eiderstedt hätten gemeinsame Anträge der regionalen Abgeordneten mit der CDU mehr gebracht als selbstdarstellerische Alleingänge

(Beifall bei CDU und FDP)

und sogar ein Nein bei der namentlichen Abstimmung über den CDU-Antrag zu diesem Thema am 20. April.

Bei der von uns beantragten Akteneinsicht habe ich übrigens den Kollegen Harms vermisst. Dort hat sich für mich der Eindruck verstärkt, dass die Landesregierung nicht naturschutzfachlichen Zwängen, sondern vornehmlich grüner Ideologie und den Wunschvorstellungen der Naturschutzverbände, insbesondere des NABU, gefolgt ist. Wie sonst lässt sich erklären, dass es in einem Fax des Umweltministeriums noch am 18. November Bedenken gegeben hat zu der geplanten Ausweisung. Noch drei Tage später - jetzt

(Ursula Sassen)

kommt eine neue Leier, die Sie nicht gelesen haben - hat man im Umweltministerium am 21. November Berechnungen darüber angestellt, welche Kosten die so genannte rote Kulisse mit 8.000 ha oder die so genannte schwarze mit 30.000 ha für das Land mit sich bringen würde. So eine Berechnung in Auftrag zu geben macht doch nur Sinn, wenn man auch die kleinere Gebietskulisse für die Meldung nach Brüssel naturschutzfachlich hätte vertreten können.