Protokoll der Sitzung vom 22.09.2004

Frau Simonis, hinsichtlich dessen, was sie eben bezogen auf die Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel klargemacht haben, darf ich Sie daran erinnern, dass die Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel genau die gleichen Schwierigkeiten hat wie Sie mit den Grünen. Die gegenseitige Schuldzuweisung ist absolut unnötig und ich darf daran erinnern, dass die KFG fast zur Hälfte sowohl dem Land als auch der Stadt Kiel gehört. Sie sind also beide dafür verantwortlich und darauf möchte ich Sie gern hinweisen.

Die Diskussion hier entzündet sich im Grunde am Gutachten, das irgendwo noch ansteht. Ich darf ein bisschen auf die Historie verweisen, obwohl mir das bald auf den Wecker geht. Seit 1999 sitzen wir in der Öffentlichkeit und seit 2000 hier im Landtag und diskutieren - das haben wir bereits fünf, sechs oder sieben Mal gemacht - über die Frage Flughafen. Seit 2000 hat es eine Potenzialanalyse, eine zweite Potenzialanalyse, das Gutachten des Landesrechnungshofes, zwei weitere Rechtsgutachten, eine weitere Bedarfsanalyse, die gerade fertig ist, und jetzt noch zusätzlich ein Finanzierungsgutachten, das möglicherweise Mitte Oktober fertig gestellt ist, gegeben.

Also, die Gutachteritis ist ganz schön. Aber wenn man sich - das sage ich jetzt ehrlich - die ersten zwei Potenzialanalysen, Herr Minister Rohwer, genau angesehen und durchgerechnet hätte, dann wäre man relativ schnell darauf gekommen, dass dieser Flugplatz nur mit Charter zu betreiben ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das habe ich doch gesagt!)

Wir haben hier eindeutig gesagt und dem Wirtschaftsministerium zugestimmt, dass Charter für KielHoltenau nicht angemessen ist. Wenn man von dieser Sachlage ausgeht, muss man sich von diesem Flughafen verabschieden. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin aus dem Altenholzer Umland und im Sinne seiner Bürger sehr froh darüber, dass sich dieser Flughafen Kiel-Holtenau nicht für Charterflüge eignet. Er eignet sich nicht dafür und er eignet sich für alles andere, was Sie, Herr Astrup, jetzt womöglich vorschlagen, auch nicht. Mir wäre es ganz lieb, wenn wir diese Diskussion nun endlich in kürzester Zeit

(Sylvia Eisenberg)

beenden könnten. Denn es ist besser, ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende zu haben.

Herr Abgeordneter Harms bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gehört, dass über dieses Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende Mitte Oktober entschieden wird. Insofern werden wir hören, was dabei herauskommt.

Ich bin froh, dass Herr Kubicki ans Rednerpult gegangen ist und noch einmal die wichtigen Dinge, die eigentlich eine Rolle spielen, herausgearbeitet hat. Wir beide waren uns diesbezüglich schon immer einig und von daher nah beieinander.

(Jürgen Weber [SPD]: Das gibt zu denken!)

- Mir nicht. Er hat gerade eben noch einmal gesagt: Die Grundfrage, die sich stellt, ist: Was brauchen wir? - Das ist nie untersucht worden, es ist nie richtig untersucht worden.

Wir haben als SSW damals einen Antrag gestellt, mit dem wir ein Planfeststellungsverfahren gefordert haben. Dafür wurden wir verteufelt und verdammt. Uns wurde vorgeworfen, wir hätten alles blockieren wollen und wir hätten das nur aus populistischen Erwägungen heraus getan. Hätten wir dieses Verfahren durchgeführt, das dann von vornherein festgestellt hätte, dass wir keinen Charterverkehr wollen, dann würden wir diese Diskussion heute nicht mehr führen, weil wir wüssten, dass wir diesen Flughafen so nicht betreiben können. Dann wären wir mit dem Thema durch. Jetzt sind wir mit dem Thema nicht durch.

Der Wirtschaftsminister möge mich korrigieren, aber ich habe vorhin bei ihm Folgendes herausgehört: Jetzt überlegen wir, ob wir nicht doch ein bisschen Charterverkehr machen können. - Dann hätte ich damit zwei Probleme.

Erstens. Bisher haben wir gesagt, wir wollen keinen Charterverkehr und wir haben gute Gründe dagegen. Zweitens haben wir einen anderen Flughafen in Schleswig-Holstein, der sich auf Charterverkehr spezialisiert hat. Auch dessen Interessen haben wir zu berücksichtigen. Das ist Lübeck-Blankensee. Insofern muss man genau aufpassen.

Was wir jetzt wissen, ist: Die Fluggastzahlen sind rückläufig; das muss man auch einmal sagen. Es werden Linien aus Kiel abgezogen; das spricht nicht gerade für Kiel. Also auch die Fakten sprechen nicht für

Kiel, sondern eher für eine Stärkung von LübeckBlankensee und eine Stärkung von Fuhlsbüttel und das hat dann etwas mit Verkehrsverbindungen zu tun, wie ich es eben dargestellt habe.

Noch ein zweiter Punkt ist in dem, was wir als Land Schleswig-Holstein zu bedenken haben, wichtig, wenn es um unser Geld geht. Es geht um die Betriebsverluste der KFG. Wir fahren jedes Jahr Betriebsverluste ein und die Gutachten und Prognosen, die wir bekommen haben, sagten aus, wir müssten mit mehr Minus rechnen. Andere haben gesagt: Das ist es uns wert. - Die Ministerpräsidentin hat gesagt: Straßen kosten Geld und Flughäfen kosten auch Geld.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann brauchen wir kein Gutachten mehr!)

Das mag okay sein, aber diese Minuszahlen, die höher als die jetzigen sind, stimmen jetzt auch schon nicht mehr. Das Minus wird größer und wir haben uns als Land Schleswig-Holstein - da wir die Hälfte der Anteile haben - an den Kosten zu beteiligen und hier geht es um Millionen. Auch das möge man in einer solchen Entscheidung bedenken.

Der dritte Punkt ist mir auch wichtig. Insofern verstehe ich nicht, warum sich die Landesregierung und die Stadt Kiel die Verantwortung immer gegenseitig zuschieben. Es ist für mich wichtig, dass wir unsere Fördermittel sichern. Wir haben Fördermittelzusagen. Wenn wir diesen Flughafen nicht ausbauen, bekommen wir diese Fördermittel nicht. Mein Interesse als Schleswig-Holsteiner liegt aber darin, diese Fördermittel zu sichern. Deswegen ist es wichtig, dass wir schnell entscheiden, damit wir diese Fördermittel anderweitig sichern können, wenn wir diesen Flughafen nicht ausbauen. Das ist das ureigenste Interesse unseres Landes und dem haben wir nachzukommen.

Deswegen sage ich: Schnell entscheiden und meiner Meinung nach gegen einen Ausbau entscheiden, um dann diese Fördermittel so schnell wie möglich in andere Verkehrsprojekte umzulenken! Wir haben heute Morgen schon einmal über die Maut geredet und festgestellt, wie viele Verkehrsprojekte wir nicht umsetzen können. Da gibt es vielleicht ein bisschen Spielraum, ein paar gute Dinge zu tun. Diese sollten wir durchziehen.

(Beifall beim SSW)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag gebe ich Herrn Abgeordneten Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! KielHoltenau ist nur mit Charter rentierlich zu betreiben. Über diese Konsequenz muss man sich im Klaren sein. Deswegen hat Kollege Kubicki mit seiner Darlegung zu der Frage völlig Recht, was ein wirklicher Bedarf ist, was rentierlich zu machen ist und welche Zuschüsse dafür zu verantworten sind.

Bevor wir über alle möglichen Abwägungen sprechen, möchte ich Ihnen einiges sagen. Für die Region, aus der ich komme, ist der Tourismus von allergrößter Wichtigkeit. Ein Charterverkehr über unserer Region ist dem Tourismus nicht zuträglich. Sie mögen zu anderen Ergebnissen kommen, aber ich trage Ihnen das hier vor. Charterverkehr wäre für den Tourismus bei uns das Ende.

Zweitens. Was die Menschen betrifft, muss ich sagen: Frau Ministerpräsidentin, die bei uns wohnenden Menschen sind nicht davon ausgegangen, dass sie mit viel Flugverkehr in Gestalt von Charterverkehr rechnen müssten. Ich finde, man muss die Sorgen dieser Menschen zumindest mit in Betracht ziehen, auch wenn man den Sorgen nicht in allen Punkten folgt. Jedenfalls muss man die Sorgen der Menschen, die sich um den Fluglärm Gedanken machen, ernst nehmen. Daher plädiere ich dafür, dies mit aufzunehmen. Wenn Sie wüssten, welche Neubaugebiete wir bei uns haben, dann würden Sie nachvollziehen können, welche Sorgen die jungen Familien haben, die sich für ihr Haus verschuldet haben und die sich fragen: Was ist mein Haus noch wert, wenn Charterverkehr kommt?

Drittens ist an das Interesse der Unternehmen zu denken.

(Zurufe von der SPD)

- Nehmen Sie das doch einmal auf, auch wenn Sie zu anderen Ergebnissen kommen!

Bei uns gibt es Unternehmen, die sagen: Für unsere Mitarbeiter ist es sehr wichtig, welche Schulen es gibt, was für Kindergärten es gibt, wie der Freizeitwert ist, was für die Kultur getan wird. Glauben Sie denn im Ernst, wir sprächen nicht mit unseren Unternehmen? Da geht es nicht allein um die Frage, ob Manager fliegen können. Da gibt es ganz andere Fragen. Wir müssen in unserem Kreis ordentliche Schulen haben, und dass wir gute Schulen haben, davon haben Sie, Frau Ministerpräsidentin, sich ja selbst überzeugen können. Auch wenn Sie zu anderen Ergebnissen kommen, trage ich unsere Argumente vor. Denn ich bin Vertreter dieser Region. Ich trage die Argumente ganz ruhig und sachlich vor.

Ich frage mich, warum 45 Minuten nach Hamburg in einem breit angelegten Flugverkehr zu lang sein sollen. Darauf konnte mir bisher niemand eine Antwort geben. Jene, die aus ihrer Sicht mit guten Argumenten für eine bestimmte Richtung in Holtenau kämpfen, was ich auch respektiere, sollten auf der anderen Seite genauso respektieren, dass es Menschen gibt, die sagen: Es gibt auch andere Abwägungen. Dass eine FDP in Schleswig-Holstein, die unverdächtig ist, wirtschaftsunfreundlich zu sein, sich so positioniert und sich zum Teil sogar korrigiert, das nötigt es mir auf, dazu etwas zu sagen.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Wirtschaftsminister Professor Dr. Rohwer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich dachte, dass die Dinge nach dem Beitrag der Ministerpräsidentin klar seien. Aber es sind wohl einige Missverständnisse aufgetaucht, die unbedingt aufgeklärt werden müssen.

Erstens. Selbstverständlich ist der Flughafen Hohn zivil mit nutzbar. Diese Aussage haben wir. Daher ist es falsch zu behaupten, wir könnten nur Jagel nutzen. Wenn Sie mit bestimmten Leuten sprechen, bitte ich Sie, auch andere Stimmen dazu zu hören.

Zweitens. Hier geht sehr viel durcheinander. Wir reden nicht über Charter für Holtenau. Das haben wir hier oft genug diskutiert. Wir haben gesagt: Dafür gibt es bestimmte Gründe. Man mag das beklagen oder nicht: Der typische touristische Pauschalflugreiseverkehr per Charter ist hier in Holtenau nicht machbar.

Wir reden aber über etwas anderes und das wird völlig durcheinander gebracht. Wir reden über Low-cost- oder Mid-cost-Angebote à la Lübeck. In Lübeck findet überhaupt kein Charterflugverkehr statt. Dort finden günstige Linienflugverkehre statt. Das sind keine Charterflugverkehre, sondern Linienflugverkehre. Was in Lübeck stattfinden kann, kann im Prinzip auch in Kiel stattfinden, wenn es sich an die 1.800-mGrenze hält. Das ist die entscheidende Frage, die wir in dem Gutachten geprüft haben. Mit welchen Maschinen kann man Verkehre unterhalb von 1.800 m machen? Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass man das mit 90 oder 100 Sitzen von Kiel aus machen kann. Es gibt allerdings die Nachfrage, ob diese Maschinen von den Low-cost-Ländern auch

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

wirklich eingesetzt werden. Es muss erlaubt sein, das einmal zu prüfen.

Es ist gesagt worden, wir prüften und prüften. Meine Damen und Herren, es geht um eine Entscheidung für zehn oder 20 Jahre. Da kann man sich ruhig einmal vier, sechs oder acht Wochen mehr Zeit nehmen und auch die eine oder andere Nachfrage stellen. Das muss man sogar tun. Man kann nicht einfach sagen: Jetzt muss nur noch entschieden werden. Das fände ich etwas billig.

Dann ist von den Kosten der Schienenanbindung gesprochen worden. Wir sind uns doch alle einig: Natürlich wäre die Schienenanbindung wünschenswert. Die 45 Minuten können Sie vergessen. Die Gutachten liegen vor. Was wir, wenn wir Geld in die Hand nähmen, wirklich erreichen könnten, ist die Zeit von 65 bis 70 Minuten vom Einstieg bis zum Ausstieg. Es hängt von der Geschwindigkeit ab. Die Ministerpräsidentin hat die Kosten genannt: Es sind etwa 65 Millionen bis 70 Millionen €. Allein die Infrastruktur kostet 60 bis 100 Millionen €. Die Verkehre, die wir bezahlen müssen, bezahlt kein anderer, weil sie defizitär sind; denn damit fahren die Leute nicht massenhaft. Wir zahlen über zehn Jahre 100 Millionen bis 150 Millionen €. Herr Kubicki, da können Sie sagen 20 Millionen € pro Jahr seien nicht viel. Jedenfalls ist es wesentlich mehr, als wir für Holtenau zahlen müssten. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen. Man darf nicht einfach über die Zahlen hinweggehen.

Dann ist gesagt worden, die Zahlen in Kiel seien rückläufig. Sie sind tatsächlich rückläufig. Aber warum? Doch nicht weil wir den Flughafen ausbauen wollen, sondern weil er nicht ausgebaut ist.

Herr Harms, ich verstehe, dass Sie sich für Ihre Klientel einsetzen müssen. Aber - mit allem Respekt - man darf nicht nur die SSW-Region im Blick haben. Flensburg-Jagel ist sicherlich wichtig, aber es gibt auch noch etwas anderes. Wir müssen an ganz Schleswig-Holstein denken. Das ist mir wichtig.

Sie haben gesagt, es sei nie untersucht worden, was wir wirklich brauchten. Ein größerer Quatsch kann hier gar nicht erzählt werden. Entschuldigung! Das ist doch Blödsinn. Wir haben doch die Gutachten. Darin steht es. Wir haben alles vorgelegt und genau gesagt, was wir brauchen. Wir brauchen nämlich für Kiel keinen Charterverkehr, sondern vernünftige Linienverkehre. Die sind definiert worden. Sie werden sich erinnern; denn wir haben darüber hier diskutiert. Wir haben sogar die Ziele benannt und gesagt: Es geht um wichtige Handels- und Wirtschaftszentren in Deutschland sowie um Ostseeverkehre.

Wir haben uns gefragt, welche Flugzeuge und welche Startbahnen wir dazu brauchen. Es geht um 1.800 Meter. Alles das ist hier hin und her diskutiert worden. Und jetzt fängt es wieder von vorn an. Wir diskutieren hier heute, was wir vor drei Jahren diskutiert haben. So kommen wir nicht weiter. Ich plädiere dafür, die Linie zu halten und auch das Wasser noch vier Wochen zu halten. Wir haben zwei klare Bedingungen gestellt. Ich finde, dabei sollten wir bleiben - es spricht alles dafür - und dann eine vernünftige Entscheidung treffen.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wie soll verfahren werden? - Der Bericht hat durch die Debatte darüber seine Erledigung gefunden. - Damit sind Sie einverstanden. Der Tagesordnungspunkt ist somit erledigt.