Seit dem Jahre 2002 warten wir auf die Entscheidung, PLAISIR einführen zu können. Seit September 2004 wissen wir um das Scheitern eben dieser Verhandlungen. Was kann Politik dazu beitragen, dass sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen als auch die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner von einem Personalbemessungsverfahren - gleich welcher Art - profitieren? Wenn wir die Pflege wieder zurück in die Gesellschaft holen wollen - Sie sagten es bereits, Frau Ministerin, Pflege geht uns alle an -, dann müssen wir schnell Antworten darauf finden, wie dies geschehen soll. Einen Beitrag hierzu kann das Pflegepersonalbemessungsverfahren sein.
Unsere ehemalige Sozialministerin, Frau Moser, hat auf einer Fachtagung der FDP zur Pflege im Hinblick auf PLAISIR festgestellt, dass die Ergebnisse aus dem Modellversuch bei einer Eins-zu-eins-Umsetzung die pflegebedingten Personal- und Sachkosten um rund 27 % erhöhen. Sie hat genau deshalb eine Anpassung an die hiesige Praxis gefordert. Welche Anpassung an schleswig-holsteinische Gegebenheiten ist jedoch notwendig? Ist, wenn wir die so genannte gefährliche Pflege - das wurde bereits ge
sagt, diese Antworten fehlen hier - vermeiden wollen, die Personalbemessung der richtige Ansatz? - Hier fehlen Fragen, hier fehlen Antworten.
Im Hinblick auf den herrschenden Personalmangel in der Altenpflege ist es traurig, dass wir zwar seit Jahren Maßnahmen diskutieren, Projekte aber die der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege und der Beseitigung des Mangels dienen, erst im Rahmen einer Auftaktveranstaltung am 20. Oktober 2004 durch die Landesregierung auf den Weg gebracht worden sind. Die Antworten auf die Große Anfrage zeigen eines: Vieles wurde hier im Landtag zur Qualitätsverbesserung in der Pflege diskutiert und beschlossen. Die praktische Umsetzung hakt aber noch in vielen Details. Darüber kann auch die Neuauflage der Pflegequalitätsoffensive der Landesregierung - wenngleich sie gut ist - nicht hinwegtäuschen.
Ich möchte auf der Tribüne weitere Besucher begrüßen, und zwar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Wandmaker, Tellingstedt, und der Firma Astra Zenica. - Herzlich willkommen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der CDU zeigt, dass diese Fraktion noch von einem sehr traditionellen Pflegeverständnis ausgeht. Frau Kleiner, immerhin fördert Ihre Große Anfrage, zutage, dass sich einige von den Christdemokraten regierte Landkreise immer noch nicht um das Thema Pflege kümmern. In Dithmarschen und Eckernförde funktioniert die Heimaufsicht nicht. In Ostholstein wird gerade - trotz hoher Landeszuschüsse - die hervorragend arbeitende Pflegeberatungsstelle geschlossen. In einer Reihe von Landkreisen wurde das Angebot des Landes zur Finanzierung einer bürgernahen Pflegeberatung gar nicht erst aufgegriffen. Statt hierfür der Landesregierung die Schuld zu geben, wie Sie das in der Vergangenheit häufig getan haben, Frau Kleiner, wäre die CDU gut beraten, vor Ort ihren Landräten und Kreistagsabgeordneten Dampf zu machen. Hier hätten Sie unsere volle Unterstützung!
Frau Kleiner, nun haben Sie heute sehr versöhnliche Töne angeschlagen. Wahrscheinlich bedurfte es dazu
tatsächlich der ausführlichen Rechtsberatung, die ein Stück weit auch durch die Antworten auf die Große Anfrage zum Thema Heimordnung erfolgte. Ich gebe zu, das Thema ist in der Vergangenheit - und ich betone gerade von den Beteiligten vor Ort - vernachlässigt worden. Ich habe wiederholt deutlich gemacht, dass auch ich immer noch nicht mit den Ergebnissen zufrieden bin. Ich glaube aber, dass es richtiger ist, an einem Strang zu ziehen, als sich wechselseitig die Schuld zuzuschieben.
Die Pflege braucht drei große Reformvorhaben: Die Heime brauchen mehr Personal und eine bessere interne Organisation. Hier erwarten wir, dass die Landesregierung - auch wenn sie nicht zuständig ist - genau wie in der Vergangenheit an der Seite der Kostenträger steht und nicht locker lässt, damit wir zu neuen Personalrichtwerten kommen. Diese sollten sich an den Erfahrungen von dem Modellversuch PLAISIR orientieren. Auch wenn die bundesweiten Verhandlungen zur Übernahme dieses Modells gescheitert sind: Das, was man in Schleswig-Holstein einmal an einem Modellversuch gelernt hat, kann von niemandem durch Befehl vergessen werden. Es geht darum, jetzt einen schlauen Weg zu finden, wie wir das, von dem wir wissen, dass es Not tut, umsetzen können, ohne dass wir uns in Verhandlungen mit einem kanadischen Anbieter herumschlagen müssen.
An dieser Stelle wird noch einmal deutlich, was es bedeutet, wenn geistiges Eigentum zu Privatbesitz wird. Dieses geistige Eigentum, nämlich eine vernünftige Pflegeorganisation, ist von allgemeinem Interesse und dient dem allgemeinen Wohl. Ich kann nicht verstehen, wie jemand das Recht hat, den Fortschritt hier mit unmäßigen Förderungen zu blockieren. Das scheint aber offenbar so zu sein. Wir müssen nun schlauer sein und trotzdem zum Ziel kommen.
Um eine möglichst lange Pflege im eigenen Haushalt zu gewährleisten und um den 36.000 Menschen in diesem Lande, die an Demenz erkrankt sind, endlich zu helfen, brauchen wir ganz andere und neue Formen der ambulanten, der teilstationären und der stationären Pflege sowie mehr Angebote in der Gerontopsychiatrie. Hierauf zielt auch unser Antrag, mit dem wir uns in dieser Landtagstagung noch beschäftigen werden, nämlich zu neuen Wohnformen für ältere Menschen. Ich denke, hier braucht es viel Phantasie von verschiedenen Ministerien und Kostenträgern, damit wir endlich zeitnah zu neuen Angeboten kommen.
Die Pflegeausbildung braucht eine völlige Neuorientierung. Immer noch sind wesentliche Tätigkeiten und Leistungen der Pflege im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos. Ausschließlich an mechanischen Handlun
gen orientierte Begrifflichkeiten, wie sie sich auch bisher im Pflegegesetz finden, verfehlen Sinn und Zweck der Pflege. Auf einer Tagung der Diakonie in Lübeck wurde neulich eindringlich berichtet, dass Menschen, die beispielsweise anderthalb Stunden einem Sterbenden beigestanden haben, dafür in der Pflegedokumentation keine Begrifflichkeit nach ihrem Verständnis gefunden haben. Offensichtlich sind - ich sage es einmal in meiner Sprache - noch immer nicht alle Pflegedokumente so gestaltet, das es dafür eine Rubrik zum Ankreuzen gibt. Bei der Reform der Dokumentation ist einmal das schnellere Dokumentieren das Ziel. Ich denke aber, das Ziel sollte darüber hinaus sein, dass, was die Pflege ausmacht, tatsächlich auch dokumentieren zu können. Hier müssen wir auch auf Bundesebene zu rechtlichen Reformen kommen. Ich sehe, dass die Landesregierung hier wegweisend handelt.
Schleswig-Holsteins Modellversuch geht bei der problemorientierten und berufsübergreifenden Pflegeausbildung in Flensburg neue Wege. Frau Kleiner, ich komme hier zu einem Punkt, den Sie auch angesprochen haben, nämlich die wissenschaftliche Verankerung der Pflegeausbildung, Fortbildung und Forschung. Hier gibt es bisher lediglich zaghafte Gespräche an der Uni Lübeck mit dem Medizinischen Uniklinikum. Ich glaube, wir müssen mutiger vorangehen. Unsere Fraktion möchte die Landesregierung ausdrücklich auffordern, in dem Prozess zu einer neuen Basis zu kommen und ihn zu beschleunigen. Es ist absurd, dass wir die tollen Modellversuche machen, sie aber anderswo - in Baden-Württemberg - erforscht werden. Dort fehlt es dann an der guten Praxis. Mir ist im Zweifelsfall die gute Praxis lieber als die Theorie, aber ich denke, wir brauchen beides.
Ich komme zu meinem letzten Satz. - Die Landesregierung hat gezeigt, dass sich die Pflege durch entschlossenes Handeln gemeinsam mit Verbündeten tatsächlich entscheidend verbessert hat. Wir sind bereit, jetzt die nächsten Schritte zu machen. Dies bedeutet, noch viele Steine aus dem Weg zu räumen. Ich hoffe, wir haben hierbei die Unterstützung des ganzen Hauses.
Wir haben heute einen sehr lebhaften Wechsel auf der Tribüne. Ich begrüße eine weitere Gruppe der FrauenUnion Schleswig-Holstein. - Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein großes Lob an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialministeriums. Diese haben in der Beantwortung der Großen Anfrage zur Pflegesituation erneut einen guten Überblick über die rechtlichen Zusammenhänge - insbesondere über die unterschiedlichen Aufgaben der Heimaufsicht, der Kommunen und der Fachaufsicht der Landesregierung - gegeben. Angesichts der zum Teil heftigen Auseinandersetzungen, die es gerade in diesen Fragen im Sozialausschuss gibt und gab, scheint mir eine Wiederholung der Antworten gut zu sein. Sie ist auch hilfreich bei der Aufklärung verschiedener Sachverhalte, über die wir im Pflegebereich gestritten haben.
Die Antwort der Landesregierung zeigt erneut sehr deutlich auf, wann die Heimaufsicht zuständig ist und wann die Landesregierung als Fachaufsicht eingreifen kann und muss. Das Fazit des SSW ist, dass man unter der geltenden Rechtslage dem Sozialministerium in kaum einem der leider vielen Pflegeskandale, deren Leidtragende die Bewohner von Heimen sind, einen Vorwurf machen kann. Vielmehr sind die Kommunen und Kreise gefragt. Allerdings macht die Antwort auf die Große Anfrage auch deutlich, dass die Heimaufsicht in Zusammenarbeit mit der Fachaufsicht des Landes sehr bemüht ist, die Kontrollen bei den Heimen zu verbessern. Dies ist und war auch notwendig.
Aufgerüttelt wurden wir insbesondere durch die skandalösen Zustände in den DRK-Pflegeheimen. In meiner Heimatstadt Flensburg mussten über 100 Bewohner von einem Tag auf den anderen wegen der katastrophalen Zustände im Heim ihre Sachen packen und ausziehen. Wir haben als Politikerinnen und Politiker eine Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass dies nicht wieder passiert. Die Landesregierung hat mit ihrer Initiative PflegePlus einen weiteren Schritt in die richtige Richtung gemacht.
Natürlich müssen wir die finanziellen Zuschüsse für den Pflegebereich erhöhen. Die alten Menschen verdienen, dass die Pflege mehr Zeit in Anspruch nimmt, weil sich damit auch die Qualität der Pflege automatisch erhöht. Dazu muss auch die Qualifikation der Beschäftigten im Pflegebereich verbessert werden. Wir brauchen in den Heimen und bei den ambulanten Pflegediensten gut qualifiziertes Personal. Die geplante Erhöhung der Haushaltsansätze durch die Landesregierung ist aber im Grunde viel zu wenig und die Aussichten für den Haushalt 2005 machen die Situation nicht besser.
Deshalb ist es auch so ärgerlich, dass das erfolgreiche Personalbemessungssystem PLAISIR, das schon als Modellversuch sehr gute Ergebnisse vorzuweisen hatte, wegen des Zusammenbruchs der Verhandlungen zwischen der deutschen Gesellschaft und dem Lizenzinhaber nicht genutzt werden darf.
In der Beantwortung der Großen Anfrage macht die Landesregierung auch klar, warum es aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, ähnliche oder abgewandelte Modelle von PLAISIR zur Anwendung zu bringen. Dies ist bedauerlich. Die wiederkehrenden Skandale in Pflegeheimen haben nämlich eines gezeigt: Wenn es brennt, schieben alle Beteiligten die Verantwortung auf andere ab. In Krisensituationen muss aber schnell und richtig gehandelt werden. Deshalb fordern wir weiterhin die Einführung einer Notfallplanung bei schweren Pflegemängeln.
Das Land muss in akuten Fällen den Pflegekassen, dem Heimträger und der kommunalen Heimaufsicht Weisungen erteilen können, damit die Interessen der Pflegebedürftigen nicht untergehen. Hier weise ich aber ausdrücklich darauf hin, dass das nicht unter die Fachaufsicht fällt. Es scheint Ihnen irgendwie immer noch nicht begreiflich zu sein, was der Begriff Fachaufsicht bedeutet. Lesen Sie einfach die Große Anfrage, manchmal hilft das.
Wir würden uns wünschen, dass hier die Landesregierung so schnell wie möglich aktiv wird, damit wir nicht noch einmal zusammen mit den hilflosen Heimbewohnern kapitulieren müssen.
Wir wollen auch, dass die Arbeit der unabhängigen Pflegeberatungsstellen nach 2005 fortgesetzt wird.
- Schön. Es wäre gut, wenn Sie das Ihren Kolleginnen und Kollegen in den Kreisen auch einmal mitteilen würden, damit sie die unabhängigen Pflegeberatungsstellen auch mit unterstützen.
Der SSW bleibt auch bei seiner Ansicht, dass die Finanzierung der Pflegekassen eines der Hauptprobleme der Zukunft sein wird. Der von der Bundesregierung beschlossene zusätzliche Pflegeversiche
rungsbeitrag für Kinderlose ist nicht gerecht und stopft auch nur kurzfristig die schlimmsten Löcher. Wir brauchen also weiterhin eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung. Weil wir die Beiträge wegen der hohen Lohnnebenkosten nicht einfach ins Bodenlose erhöhen können, plädieren wir auch in diesem Bereich für eine steuerfinanzierte Pflegeversicherung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Kleiner: Ich hoffe nicht, dass das Ihr letzter Wortbeitrag in diesem Plenum war, denn das hieße, dass wir in dieser Legislaturperiode über Pflege nicht mehr reden. Ich denke, das Thema Pflege hat es verdient, dass wir möglicherweise auch im Januar wieder darüber reden sollten. Ich würde mich freuen, Sie auch im Januar hier zu hören.
Es gibt aber zwei Gründe, warum ich hier noch einmal nach vorn gegangen bin. Erstens. Es besteht weitgehend - zumindest in dieser Legislaturperiode - Einigkeit darin, dass wir Lösungen brauchen, wie wir mit pflegebedürftigen Menschen umgehen, die weit über die Problematik der Finanzierung pflegebedingter Kosten hinaus gehen, also den Auf- und Ausbau einer Pflegeinfrastruktur von betreutem Wohnen bis hin zum stationären Hospiz. Darin besteht weitgehend über alle Fraktionsgrenzen hinweg, inklusive des SSW - auch wenn sie bei der Finanzierung eine etwas andere Auffassung haben -, Einigkeit.
Eines verstehe ich aber nicht, dass, wenn sich eine Kollegin, die sich harte Wortgefechte mit der ehemaligen Sozialministerin Moser über die Auslegung der Rechts- und Fachaufsicht geliefert hat, hier hinstellt und der neuen Ministerin ausdrücklich für ihre neue Haltung dankt, dass ihr dies dann von dem Kollegen Beran dadurch gedankt wird, dass er stereotyp an seinem Redemanuskript festhält, ohne der Frau Kollegin zugehört zu haben, und ihr vorwirft, sie würde wieder diese alte Debatte aufmachen.