Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Dem CDU-Antrag werden wir zustimmen. Dem Antrag der SPD und der Grünen können wir nicht zustimmen, weil wir - wie gesagt - nicht für Modellprojekte sind. Wir sind für Taten.

(Beifall bei FDP und CDU - Zuruf der Ab- geordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Irene Fröhlich, Frau Heinold!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU fordert, was Gutes, die Landesregierung tut es.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wir diskutieren hier einen Antrag, der auf die Arbeit des Altenparlaments zurückgeht. Das ist verschärft zu begrüßen. Ich wünschte, wir hätten hier öfter mit dem zu tun, was uns Jugendparlament und Altenparlament

(Irene Fröhlich)

als Anregungen mitgeben. Insofern haben Sie ins Schwarze getroffen; das ist schon einmal gut.

Worum geht es; nur damit alle im Bilde sind? Nicht erst seit der Veröffentlichung der Demographiestudie wissen wir, dass die Alterung der Gesellschaft, aber auch die veränderten Bedürfnisse der älteren Generation es erfordern, dass wir uns ständig mit der Verbesserung des Wohnangebots für Ältere beschäftigen. Hierzu hat die Landesregierung in den letzten Jahren viel getan. Modelle des betreuten Wohnens wie auch des generationenübergreifenden Wohnens sind auf den Weg gebracht worden. Hier will ich nur einmal in aller Bescheidenheit erwähnen, dass die von mir hoch geschätzte Kollegin Angelika Birk in ihrer Zeit als Bau-, Jugend- und Frauenministerin an dieser Stelle wirklich wegweisend unterwegs war, leise von der CDU als „Nestbauministerin“ belächelt. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, was ist am Nestbauen so schlecht, am Nestbauen für junge Familien, am Nestbauen für ältere Menschen, am Nestbauen für junge Leute, am Nestbauen für Schwule, am Nestbauen für alle möglichen?

Wir haben damals also einen Haushaltstitel aufgenommen, der „Besondere Wohnformen“ hieß. Mit schöner Regelmäßigkeit hat die CDU in ihren Haushaltsanträgen immer wieder beantragt, die Mittel genau dafür zu streichen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Da ging es nicht um die seniorengerechten Wohnungen!)

Im letzten Haushaltsjahr hat das Ministerium dies angesichts der Zwänge der gegenwärtigen Finanzsituation Schleswig-Holsteins gestrichen. Daraufhin haben wir - und nicht Sie, Herr Kalinka - beantragt, es wieder aufzunehmen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Realität!)

Das Land hat viel dazu getan, hat Öffentlichkeitsarbeit geleistet, hat auch die wissenschaftliche Begleitung auf den Weg gebracht, denn es handelt sich hier um soziale Modellprojekte und nicht um Projekte des Bauens. Diese regeln wir über die Landesbauordnung, über Baugesetzbücher, in denen das barrierefreie Bauen bei Neubauten längst enthalten ist. Eine solche Regelung auch für Altbauten vorzuschreiben können wir uns gern gemeinsam mit Ihnen vornehmen. Für Subventionen wollen Sie doch wohl nicht mit uns gemeinsam eintreten - oder sollte ich das so verstehen?

„Weiter so, Landesregierung!“ kann ich hier nur sagen. Herr Kalinka hat allerdings schon auf ein ganz spezielles Problem hingewiesen, das dringend erörtert

werden muss: die Pflege demenzkranker Menschen außerhalb von Pflegeeinrichtungen. Hier gibt es bereits Modelle von selbst organisierten Wohngemeinschaften. Unsere Fraktion hat dazu kürzlich eine Anhörung durchgeführt, deren Ergebnisse wir jetzt auswerten. Auch dies soll das Land durch Öffentlichkeitsarbeit, Unterstützung der Vernetzung sowie Förderung der wissenschaftlichen Begleitung schwerpunktmäßig voranbringen.

Die schrumpfende und gleichzeitig alternde Bevölkerung wird es erforderlich machen, dass an die Stelle des Neubaus die Sanierung bestehender Häuser tritt. Hier müssen rechtzeitig Initiativen ergriffen werden, damit sich die barrierefreie Sanierung etabliert und somit auch im Altbaubereich ausreichend barrierefreie Wohnungen entstehen.

Aus der Mitte des Altenparlaments ist der Wunsch geäußert worden, den bisher relativ wahllos benutzten Begriff des betreuten Wohnens insofern zu schützen, als die Begriffe „Wohnen mit Service“ und „Wohnen mit Pflege“ an bestimmte Kriterien gebunden werden. Dies dient der Markttransparenz und der Vergleichbarkeit von Leistungen. Das Land kann hierfür zweierlei tun. Es kann ein Audit beziehungsweise Gütesiegel einführen und die Vergabe von Fördermitteln an die Erfüllung dieser Kriterien binden. So muss zum Beispiel gewährleistet sein, dass Mietverträge und Serviceverträge voneinander entkoppelt sind, dass ein Mindestangebot an Serviceleistungen gewährleistet ist und Pflegeleistungen später zusätzlich angefordert werden können.

Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, wir als Grüne haben unsere Hausaufgaben längst gemacht und konkrete Vorschläge ausgearbeitet.

(Dr. Heiner Garg [FDP]) : Sehr gut! Der Ursprungsantrag aus Ihrer Feder zielt in die richtige Richtung, bietet jedoch keine konkrete Handlungsagenda, sondern formuliert lediglich die Selbstverständlichkeit, dass Wohnangebote für die Bedürfnisse alter Menschen geschaffen werden sollen. Wir stimmen Ihnen darin zu. (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen für den SSW das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherlich sind Sie gespannt, was ich zu diesem Thema zu sagen habe.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Die heute vorliegenden Anträge sind - jedenfalls unserer Ansicht nach - das Ergebnis der Arbeitsgruppe 1 „Alternative Wohnformen“ des 16. Altenparlaments. Dort wurden bereits Aspekte der Wohnformen für ältere Menschen thematisiert. Ich finde es gut, dass wir im Landtag jetzt Gelegenheit haben, uns über dieses Thema auszutauschen, denn schließlich ist es ein Thema, das uns eines Tages direkt oder indirekt einholen wird.

Die zunehmende Einengung des Aktionsraums, der Verlust von sozialen Funktionen oder das Nachlassen der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie der sinnlichen Wahrnehmungskapazitäten sind die Gründe dafür, dass sich die Ansprüche, die Menschen an ihre Wohnungen stellen, im Alter ändern. Ältere Menschen fühlen sich in der Umgebung am wohlsten, die ihrem unterschiedlich starken Bedürfnis nach Privatheit, Autonomie oder der Möglichkeit der Selbstverwirklichung am ehesten entspricht. Dies alles sind Argumente dafür, warum die Wohnverhältnisse älterer Menschen sehr differenziert zu sehen sind. Diese Argumente müssen wir aufgreifen, um ein altersgerechtes Wohnen zu ermöglichen.

„Wohnen im Alter“ ist ein sehr zentrales Thema zukunftsorientierter Altenpolitik. Angesichts der schnelllebigen Zeit mit ihrem technischen Fortschritt und der demographischen Entwicklung müssen wir uns die Frage stellen, welche baulichen und sozialen Konzepte heute und für die Zukunft wichtig sind, um den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden. Daher ist auch eine sorgfältige Stadt- und Raumplanung von Bedeutung, wenn wir Entscheidungen für heute und morgen treffen; Stadt- und Raumplanung - sprich die Wohnquartiere - haben schließlich mehrere Jahrzehnte Bestand. Wohnungen haben eine sehr lange Lebensdauer. Eine sorgsame Abwägung ist daher von Belang.

Vergleicht man die beiden Anträge miteinander, ist deutlich festzustellen: Der Antrag von SPD und Grünen ist weitreichender und umfangreicher.

Ich muss deutlich sagen, dass folgender Aspekt für mich eine ganz besonders wichtige Rolle spielt: die demographische Entwicklung. Diesen Aspekt dürfen wir im Zusammenhang mit der Planung altengerechter Wohnformen nicht aus den Augen verlieren.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was nun aber die beiden Anträge hinsichtlich der Förderung der verschiedenen Wohnformen für Ältere angeht, können wir feststellen, dass es bereits verschiedene Förderprogramme im Rahmen der Wohnraumförderung vonseiten der Landesregierung gibt. Beispielsweise werden altengerechte Wohnungen, Gruppenwohnprojekte, nachbarschaftliches und generationenübergreifendes Wohnen oder Wohnungen für betreutes Wohnen oder „Wohnen mit Service“ bereits vom Land gefördert. Dies steht schon in der Stellungnahme des Herrn Innenministers zum 15. Altenparlament, denn auch dieses hat sich mit dem Thema beschäftigt. Die Diskussion über dieses Thema ist also keine neue Erfindung.

Auch aus Flensburg, um Ihnen auch das noch zu sagen, ist mir bekannt, dass es Modellprojekte gibt, die bereits Fördermittel über § 7 Landespflegegesetz bekommen. Wir können also feststellen, dass es derzeit durchaus förderfähige Modellprojekte in Schleswig-Holstein gibt. Die Frage, die sich jedoch stellt, ist: In welcher Geschwindigkeit schaffen wir es, den Bedarf zu decken?

Daher beantrage ich die Überweisung beider Anträge an den Sozialausschuss sowie den Innen- und Rechtsausschuss.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Gröpel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir im Parlament sind uns einig, dass wir schon im eigenen Interesse - wenn ich mir das Durchschnittsalter betrachte - rechtzeitig etwas für geeignete Wohnformen für ältere Menschen tun müssen.

(Beifall - Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie betrifft das aber nicht!)

Ich möchte an die Ausführungen der Kollegin Fröhlich anschließen und hervorheben, was wir bereits getan haben, da dies vielleicht nicht jedem bewusst ist:

Die Förderprogramme, die die Landesregierung schon seit Jahren unter dem Begriff „Wohnen mit Service“ - früher „Betreutes Wohnen“ - aufgelegt hat, ha

(Renate Gröpel)

ben inzwischen dazu geführt, dass SchleswigHolstein, was die Versorgung mit Wohnraum mit Serviceleistungen im Pro-Kopf-Vergleich angeht, im Bundesvergleich an zweiter Stelle liegt. Es reicht womöglich nicht aus und könnte noch mehr sein, aber ich glaube, dass es gut war, dass wir schon sehr frühzeitig solche Programme aufgelegt und gesagt haben: Wir brauchen mehr Anlagen „Betreutes Wohnen“ oder „Wohnen mit Service“. Wir sind also schon gut, können jedoch noch besser werden, denn - darüber sind wir uns auch einig - wir wollen, dass man im Alter so lange wie möglich in seiner vertrauten Umgebung wohnen kann. Dazu gehören nicht nur altengerechte Wohnungen, sondern auch strukturelle Angebote, die das gewährleisten.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Es geht dabei darum, dass man in der Nähe der altengerechten Wohnung die nötigen Angebote findet, beispielsweise einen Arzt oder Einkaufsmöglichkeiten.

Der aktuelle Seniorenbericht der Hansestadt Lübeck liegt vor. Darin wird unter anderem bemängelt, dass der Weg zum nächsten Arzt in vielen Wohngebieten zu weit ist.

Hier ist noch ein weites Feld städtebaulicher Entwicklung, um eine Struktur zu schaffen, die es Menschen, wenn sie alt sind, ermöglicht, alles Nötige in der Nähe zu haben. Es wäre schon gut, wenn wir gemeinsame Anstrengungen unternähmen, das zu erreichen. Wir haben dabei in Schleswig-Holstein gute Partner in den Wohnungsunternehmen, die das Thema schon lange auf ihrer Agenda haben. Dies betrifft nicht nur die Hansestadt Lübeck. Auch die Kreise haben mittlerweile eigene Wohnungsmarktprognosen und -analysen erstellt, die folgende Aspekte berücksichtigen: Wie sieht die demographische Entwicklung aus? Wie ist die Wohnbevölkerung zusammengesetzt? Wie verändert sie sich und welche Angebote brauchen wir? Die Wohnungsunternehmen wollen für ihre Kunden ein Angebot schaffen, mit dem sie möglichst zufrieden sind und lange bei ihnen wohnen bleiben können.

Wenn wir in dieser Richtung im Ausschuss gemeinsam diskutieren und als Landesregierung und als Landtag das Unsrige dazu beitragen, können wir auch für unser Alter guter Hoffnung sein.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich erteile der Frau Sozialministerin das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schleswig-Holstein ist ausgesprochen attraktiv. Das finden auch viele Menschen - darunter auch gerade ältere Menschen - aus anderen Bundesländern. Sie verbringen ihren Lebensabend gern in SchleswigHolstein. Das ist auch möglich, weil SchleswigHolstein über mehr altengerechte Servicewohnanlagen verfügt, als dies andere Bundesländer tun. Das ist auch das Ergebnis einer aktiven Wohnungswirtschaft hier in Schleswig-Holstein.

Herr Kalinka, wer also sagt, in Schleswig-Holstein sei nicht viel los, der kann nicht viel unterwegs gewesen sein.

(Beifall bei der SPD)