Protokoll der Sitzung vom 12.11.2004

(Beifall bei FDP und CDU)

Tatsächlich aber stiegen von 1988 bis 2003 der nominale Schuldenstand des Landes um 105 % und die nominalen Nettoausgaben um 47 %.

(Zuruf des Abgeordneten Bernd Schröder [SPD])

Gleichzeitig fielen die Investitionen um 16 %, lieber Herr Kollege Schröder. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur wären die beste Möglichkeit gewesen, das schleswig-holsteinische Transportgewerbe wettbewerbsfähig zu halten.

Wenn Sie sagen, Herr Kollege Schröder, die Transportunternehmen sollten sich alle dafür bedanken, dass nichts dafür getan wird, dann haben sie eine ganz komische Vorstellung davon, wie es diesen Menschen wirklich geht. Die kämpfen nämlich um ihre Exis

tenz. Wenn die hören, dass nach wie vor nichts für sie passiert, dass sie keine Kompensation bekommen, dann sollte man das wenigstens ganz ehrlich sagen und nicht eine Nullnummer als Vorteil oder als Erfolg verkaufen wollen. Das ist unehrliche Politik. Mit dieser unehrlichen Politik werden wir nach dem 20. Februar 2005 aufräumen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erstens. Warum eine Maut? In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“ der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft ist eine Berechnung des Investitionsbedarfs im Straßenbau in Deutschland erfolgt. Ergebnis ist, dass die Reparaturmaßnahmen in Deutschland bereits ab 2010 mehr kosten werden als die Neuinvestitionen, dass im Jahre 2020 der Zeitpunkt erreicht wird, wo die Reparaturen unserer Straßen und Brücken insgesamt teurer werden als die Gesamtsumme, die zurzeit für Straßenbau und Sanierung zu Verfügung steht. Dann müssten wir entweder massiv zusätzliches Geld bereitstellen, oder wir haben ohne Neuinvestitionen einen ständigen Verfall unseres Straßennetzes. Das sind die Zahlen, die die Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft in der neuesten Ausgabe ihrer Zeitschrift darstellt. Das ist nicht meine Erfindung.

Daraus zieht diese Zeitschrift die Konsequenz: Es ist notwendig, dass die Teilnehmer des Verkehrs stärker zur Finanzierung herangezogen werden. Die höchste Belastung durch die Straßenabnutzung, nämlich etwa zwischen 95 und 99 %, erfolgt durch LKWs. Deswegen ist es sachgerecht, dass die LKWs beteiligt werden. Da es zunehmend, und zwar im großen Umfang, ausländische LKWs sind, weil nun einmal Deutschland mitten in Europa liegt und alle hier durchfahren, ist es richtig, sie stärker an der Finanzierung zu beteiligen. Völlig sachgerecht! Jeder, der an die Regierung kommt, und jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, wird sagen müssen: Das ist richtig, das ist notwendig.

Zweitens. Es ist sinnvoll, eine Maut zu erheben, weil

(Karl-Martin Hentschel)

sie zur Verkehrsverlagerung auf die Schiene und auf das Schiff führen kann.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Auf wel- che Schiene denn?)

- Sie haben sich mit diesen verkehrspolitischen Fragen nie beschäftigt, Herr Kubicki. Deswegen sollten Sie diese Zwischenfragen lassen. Sie blamieren sich nur. - Die Verlagerung ist notwendig, weil die Investitionen im Straßenbau immer teurer werden, gerade in den Zentren, und von daher die Probleme immer größer werden.

Ich komme zum Ergebnis: Die Maut ist gut für den Straßenbau, die Maut ist gut für die Bahn, und sie ist gut für die Volkswirtschaft, weil die ausländischen LKWs, die in Deutschland fahren, an den Kosten beteiligt werden und damit natürlich der Standort Deutschland geschützt und gestärkt wird.

Mittelfristig, wenn es zur Kompensation kommt, ist die Maut sogar von Vorteil für die deutsche Speditionswirtschaft, weil sie eine Entlastung im Vergleich zu den ausländischen LKWs bringt. Solange es nicht zur Kompensation kommt, sondern wenn das Übergangsmodell kommt, ist sie zumindest kein Nachteil; denn die Konkurrenzverhältnisse bleiben unverändert. Auch das muss man festhalten. Von daher ist die Behauptung, es würde zu einer Verschlechterung der Konkurrenzsituation führen, falsch. Richtig ist, dass es zu einer Belastung des Speditionsgewerbes in Deutschland und im Ausland kommt, was logischerweise zu einer gewissen Erhöhung der Transportkosten führen muss. Aber das soll es ja auch.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die Frage ist nur, ob sie überwälzt werden können oder nicht!)

- Wir leben doch in einer Marktwirtschaft, Herr Garg, oder wo leben wir? Haben Sie schon mal was von Marktwirtschaft gehört?

(Zurufe)

- Gut, danke. Es ist interessant, dass Sie davon schon mal gehört haben.

Bezüglich der Details stelle ich fest, dass das, was berichtet worden ist, und das, was von den Oppositionsparteien vorgetragen worden ist, nichts wesentlich Neues ist. Von daher werde ich mich jetzt zu den Details der verschiedenen Kompensationsmöglichkeiten nicht weiter äußern. Ich meine, dass wir angesichts der Zeit mit dieser Debatte langsam zu Ende kommen sollten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal beschäftigen wir uns hier im Landtag mit dem Thema, bei dem sich der Bundesverkehrsminister und seine Vertragspartner vor allen Dingen durch Misserfolge und Pannen ausgezeichnet haben. Wieder einmal beschäftigen wir uns mit der LKW-Maut. Heute geht es aber nicht um die Frage, ob es nun wirklich am 1. Januar losgeht oder welche Infrastrukturmaßnahmen in Schleswig-Holstein dann endlich losgehen können oder ob wieder einmal Verkehrsprojekte verschoben werden müssen, weil die Maut möglicherweise doch nicht kommt.

Nein, heute will die CDU von der Landesregierung erfahren, was sie denn unternommen hat, um die Nachteile für das Transportgewerbe aus der Fernstraßenmaut zu kompensieren, und wie der aktueller Sachstand ist. Wenn nicht bald Landtagswahl wäre, würde ich mich fragen, was die CDU mit diesem Berichtsantrag bezweckt. Es scheint so zu sein, dass die Antragsteller vor lauter Eifer aus den Augen verloren haben, dass die LKW-Maut aus dem Bundesverkehrsministerium kommt. Daher sind wir der Auffassung: Wenn jemand Kompensationsansprüche aufgrund der LKW-Maut haben sollte, möge er sich doch an die Bundesregierung wenden. Es soll ja auf Bundesebene auch eine CDU geben, die das beantragen kann. Sie, die Bundesregierung, wäre der logische Ansprechpartner in einer solchen Frage. Wenn schon eine Kompensation für die LKW-Maut erbracht werden soll, dann doch bitte bundesweit und auf der Grundlage einheitlicher Regelungen. Dies als Landesangelegenheit zu betrachten und einen Alleingang zu wagen, halte ich für den völlig falschen Ansatz. (Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

- Das steht bei euch im Antrag. Da steht: Ihre Maßnahmen, die der Landesregierung. Ihr lest noch nicht einmal eure eigenen Anträge!

(Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

- Eben. Ich habe gerade gesagt, man sollte keinen Alleingang machen. Sie müssen auch einmal zuhören, nicht immer nur quatschen.

Ich möchte generell zu bedenken geben, liebe Kollegin Strauß, dass Kompensationsmaßnahmen für die LKW-Maut durch die EU durchaus angezweifelt werden können. Schließlich werden alle LKWs, die

(Lars Harms)

unsere Fernstraßen benutzen, mit der Maut zur Kasse gebeten. Das bedeutet, dass auch ausländische LKWs eine Maut zu zahlen haben. Wenn dann dem deutschen Transportgewerbe im Zuge der Maut Kompensationen eingeräumt werden, so riecht das sehr nach Subvention. Ich glaube, dass dies vonseiten der EU genauso gesehen wird. Daher bezweifle ich den Erfolg einer solchen Maßnahme, da ausländische Wettbewerber dadurch schlechter gestellt würden. Wir würden uns mit der Kompensation einen Bärendienst erweisen. Maßnahmen wie zum Beispiel Steuerausnahmen, wie sie der Wirtschaftsminister gerade vorgestellt hat, wurden bereits vor einiger Zeit von der EU in anderen Ländern einkassiert und als wettbewerbswidrig eingestuft. Ob also das Modell der steuerlichen Anrechenbarkeit durchgeht, ist völlig unsicher.

Dass die Dieselpreise in Deutschland angestiegen sind und wir in Europa eine unterschiedliche Dieselbesteuerung haben, ist unbestritten. So haben sich mittlerweile die Kosten für Diesel neben den Personalkosten zum größten Block bei den deutschen Spediteuren entwickelt. So etwas trifft das Transportgewerbe natürlich hart. Allerdings hat das mit der Maut ursächlich nichts zu tun. Wenn man sich aber einmal die aktuellen europaweiten Dieselpreise genauer ansieht, stellt man fest, dass die deutschen Dieselpreise durchaus noch im europäischen Mittelfeld liegen. Es gibt Länder in Europa, in denen der Dieselpreis rund 20 ct über dem deutschen Preisniveau liegt, aber es gibt durchaus auch das andere Extrem, nämlich 20 ct unter unserem Niveau. Wir können also feststellen, dass das Transportgewerbe mit den höchsten Dieselpreisen belastet wird.

Um das deutsche Transportgewerbe weiter zu stärken, sollten wir viel mehr überlegen, welche grundsätzlichen Maßnahmen wir dafür ergreifen müssen. Um dies zu erreichen, benötigen wir dringend die Einnahmen aus der Maut. Diese Einnahmen müssen dann zweckgebunden in Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen fließen, wie es Kollege Hentschel gerade sagte. Hierzu gehört neben dem Ausbau von Straßen auch der Ausbau der anderen Verkehrsträger wie Schiene- und Wasserwege.

Damit die verschiedenen Verkehrsträger vernünftig und zweckdienlich genutzt werden können, brauchen wir aber entsprechende Logistikzentren, die die Verkehre entsprechend koordinieren und verzahnen. Daher gehören solche Logistikzentren auch zu den Maßnahmen, die durch die Maut finanziert werden müssen. Das ist das einzige Feld, auf dem die Landesregierung tätig werden könnte. Aber ich glaube, auch hier ist schon einiges im Fluss und deshalb bedurfte

es eigentlich nicht noch eines eigenen Antrags in dieser Sache.

Als Fazit bleibt: Der Dieselpreis liegt bei uns im Mittelfeld und die angedachten Kompensationsleistungen für die LKW-Maut sind möglicherweise eine ungerechtfertigte Beihilfe und deshalb wird dies möglicherweise nicht kommen. Viel wichtiger ist es, sich darüber Gedanken zu machen, wie man die Strukturen des Verkehrs so ändern kann, dass mehr Verkehr auf Schiene und Wasserwege verlagert wird, und wie die Verkehrsinfrastruktur auf der Straße verbessert und nicht einzelne Betriebszweige subventioniert werden; denn das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei SSW und SPD)

Mir liegen zwei Meldungen zu Kurzbeiträgen nach § 56 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor. Zunächst erteile ich der Frau Abgeordneten Strauß das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal kurz gemeldet, um Folgendes zu sagen. Kollege Harms, der Hinweis, wir könnten uns doch direkt an Berlin wenden, ist wirklich ein Witz und grenzt an Albernheit. Den ganzen Tag, lieber Herr Kollege Harms, tun wir hier fast nichts anderes, als Anträge in Richtung Berlin, Brüssel, auch in Richtung UN zu stellen. Das ist auch durchaus Aufgabe dieses Parlaments.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind Mitglied des Bundesrates. Wenn wir auch über Maßnahmen reden, ist es diesem Wirtschaftsminister, dieser Regierung nie verwehrt, Anträge in den Bundesrat einzubringen, um unsere Interessenlage zu stärken, wie es Bayern, Hessen und alle anderen tun.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn Sie meinen, dass das kein Anliegen der hiesigen Politik ist, nehme ich das zur Kenntnis. Ich bin erschüttert.

(Heiterkeit bei der CDU)

Kollege Hentschel und auch Kollege Schröder haben hier Dinge von sich gegeben! Das ist vielleicht auch Ergebnis des sibyllinischen Berichts, den der Minister gehalten hat. Wenn man das gelesen hat, kommt man erst auf der letzten Seite dahinter, dass die Absenkung der Mautgebühr von 15 auf 12,04 ct/km allen Nutzern zugute kommt. Ich habe in meiner Rede schon gesagt, dass man das gemacht hat, um die Steinkohlesubventionen aufrechtzuerhalten. Im Übrigen ein Hinweis:

(Roswitha Strauß)

Die Tonne Steinkohle kostet heute 120 €. Damit ist unsere deutsche Steinkohle fast wieder weltmarktfähig. Aber 17 Milliarden gehen in diese Subvention hinein. Ich erinnere mich noch an die Landtagsdebatte am ersten Sitzungstag zur Eigenheimzulage und so weiter.

Es ging darum, dass wir als Transitland auch die ausländischen, unsere Straßen nutzenden LKWs mit einer Maut belegen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du weißt nicht, was ich gleich sagen werde!)

Dich zu toppen ist fast unmöglich. - Das heißt, wir verzichten hier insgesamt auch auf eine ganz hübsche Summe an Einnahmen. Deshalb liegt es im Eigeninteresse der Bundesregierung dieses Landes, dass die Harmonisierung so schnell wie möglich kommt. Wenn nicht, ist die Kompensation immer billiger als das, was wir an Mauteinnahmen durch den ausländischen Verkehr verlieren. - Das nur einmal zur Klarstellung des Sachverhalts.