Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits jetzt ist absehbar, dass die Bundeswehr in den nächsten Jahren einen immer geringeren Bedarf an Wehrpflichtigen hat. Analog dazu werden sich hierzu die Zahlen der einzuberufenden Zivildienstleistenden entwickeln. Wie soll zukünftig die Arbeit, die bisher Zivildienstleistende in vielen Bereichen und Einrichtungen übernommen haben, geleistet werden? Welche Alternativen müssen entwickelt werden?
An Vorschlägen mangelt es nicht. Über Parteigrenzen hinweg werden diese - vom Ein-Euro-Job, das Soziale Pflichtjahr für Frauen und Männer, dem Ausbau von Mini-Jobs bis hin zu einer neuen Anerkennungskultur für freiwillige Dienste - diskutiert. Im vorgelegten Antrag werden deshalb auch einige Aspekte aus dem Kommissionsbericht über die Perspektiven des Freiwilligendienstes aufgegriffen.
Unterschwellig wird bei der Diskussion um Freiwilligendienste immer wieder deutlich, dass es bei den meisten Vorschlägen nicht darum geht, Menschen dazu zu bewegen, für die Gesellschaft etwas zu leisten, sondern darum, die derzeitigen Strukturen mit möglichst geringem Kostenaufwand zu erhalten. Ist der Zivildienst eine so unentbehrliche Größe geworden, dass Zivildienstleistende aus unserem sozialen System allein aus Kostengründen nicht mehr wegzudenken sind?
So wie die Wehrpflicht für die Einbindung der Armee in die Gesellschaft steht, steht der Zivildienst für die Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber Kranken, Alten, Behinderten, sozial Benachteiligten und der Kulturarbeit in Jugendverbänden. Schon deshalb darf sich die Diskussion nicht einseitig auf Kostengesichtspunkte beschränken. Es sind nachhaltige Konzepte gefragt, die das Qualitätsniveau der sozialen Dienste erhalten und den zukünftigen gesellschaftlichen Erfordernissen anpassen. Hier darf es nicht um die billigste, sondern muss es um die für die Gesellschaft beste Alternative gehen.
Die Diskussion über Alternativen zum Zivildienst sollte als Chance genutzt werden, um jetzt grundsätzlich über die Struktur der sozialen Dienste zu debattieren. Dazu gehört für uns auch, dass das freiwillige soziale Engagement durch Anreize und Vorteile für das Berufsleben oder bei der Sozialversicherung belohnt werden sollte.
Dies ist auch in dem Antrag enthalten. Warum soll ein freiwilliger sozialer Dienst in bestimmten Berufszweigen, zum Beispiel in der Pflegeausbildung, nicht auf die Ausbildungszeit angerechnet werden können?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Zukunft darf es nicht allein darum gehen, den Zivildienst zu ersetzen, sondern es muss ein gesellschaftlicher Konsens gefunden werden, wie soziale Dienstleistungen gesichert werden können. Hierzu erwarte ich eine spannende und auch intensive Diskussion im Ausschuss und möchte mit dem Dank meiner Fraktion an alle Zivildienstleistenden, aber auch an all jene, die freiwillig soziale Dienste übernommen haben, schließen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Entstehung dieses Antrages hat Herr Baasch alles gesagt. Ich möchte mich darauf beschränken, die Zielvorstellung zu vermitteln, die wir mit dem Freiwilligendienst verbinden. Vieles davon ist bereits gesagt worden. Wir sind uns anscheinend weitgehend einig. Nicht ganz einig sind wir uns vielleicht in der Frage, ob wir eine Wehrpflicht brauchen. Insoweit sehen wir Grünen höchstens noch einen schwindenden Bedarf. Aber selbst unabhängig von der Beantwortung dieser Frage brauchen wir Freiwilligendienste in der Gesellschaft. Das ist keine Frage.
Freiwilligendienste sind mehr als ein bloßer Ersatz für den Zivildienst. Mit unserem generationsübergreifenden Konzept möchten wir die Voraussetzungen und Anreize dafür schaffen, dass Menschen aller Generationen und Lebenssituationen Freiwilligendienste leisten können. Älteren Menschen wird so die Möglichkeit gegeben, sich nach der Erwerbsphase besser ehrenamtlich zu engagieren und ihre wertvol
Angesichts der zu erwartenden demographischen Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten kann unsere Gesellschaft nicht auf das aktive Engagement älterer Menschen verzichten. Menschen in der Erwerbs- und Familienphase können durch Freiwilligendienste Erfahrungen in neuen Berufsfeldern sammeln, beispielsweise auch, um sich beruflich neu zu orientieren.
Auch Erwerbslosen müssen Freiwilligendienste generell offen stehen. Die Vermittelbarkeit durch die Agentur für Arbeit darf hierdurch jedoch nicht gefährdet werden. Für Erwerbslose soll qualifizierte Freiwilligentätigkeit als Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahme gewertet werden.
Für junge Menschen stellt der Freiwilligendienst nicht nur eine Alternative zur Wehrpflicht dar. Freiwilligendienste können einen Einblick in Berufe bieten, und so jungen Menschen bei der Entscheidung helfen, ob sie einen bestimmten Beruf anschließend erlernen möchten oder nicht. Gleichzeitig bieten Freiwilligentätigkeiten Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz eine Chance auf Arbeit. Ein attraktives Konzept der Freiwilligendienste birgt also die Möglichkeit, Jugendarbeitslosigkeit effektiv entgegenzuwirken und zu überbrücken.
Freiwilligenarbeit nach unserer Idee ist mit einem hohen Maß an Verantwortung und Verbindlichkeiten verbunden, sowohl aufseiten der Freiwilligen als auch aufseiten der Einrichtungen. Einrichtungen, die künftig mit Freiwilligen zusammenarbeiten wollen, sollten sich daher Gedanken darüber machen, ob ihre Organisationsstruktur, die Aufgabenbereiche und insbesondere die Arbeitsbedingungen für Freiwilligendienstleistende ausreichend und angemessen sind.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir brauchen einen generationsübergreifenden Ansatz für die Entwicklung von Freiwilligendiensten, denn wir sind auf die Erfahrungen aller Generationen angewiesen und möchten nicht auf sie verzichten. Zugleich gilt es, eine neue Kultur der Freiwilligkeit zu fördern, denn freiwilliges Engagement ist ein wesentliches Gestaltungselement moderner Demokratie und einer lebendigen Zivilgesellschaft.
An dieser Stelle möchte ich mich dem Dank an alle Freiwilligen in diesem Lande, die alle Vorrednerin
Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag zur Weiterentwicklung des Zivildienstes greift ein Thema auf, das wir vor dem Hintergrund der aktuellen und zukünftigen Entwicklung des Wehrdienstes dringend diskutieren müssen.
Denn mit der Diskussion um eine mögliche Abschaffung der Wehrpflicht muss auch ein Nachdenken über die Zukunft des Zivildienstes beginnen.
Unbestritten ist, dass der Zivildienst mittlerweile ein wesentlicher Bestandteil unseres Sozialwesens bildet und die Dienste der Zivildienstleistenden kaum verzichtbar sind. Man kann das bedauern, weil es ja eigentlich nicht der Sinn des Zivildienstes sein sollte, die Zivildienstleistenden als unverzichtbare Mitarbeiter zum Beispiel in Pflegeheimen oder Krankenhäusern einzusetzen. Aber es ist eine Tatsache, die uns jetzt vor erhebliche Probleme stellt.
Bereits in den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Zivildienstleistenden zurückgegangen. So können wir einen Rückgang des Jahresdurchschnitts der Zivildienstleistenden von 2000 bis 2003 von circa 124.000 auf 105.000 registrieren. Im November 2004 befanden sich sogar nur circa 81.000 Zivildienstleistende im Dienst. Die Zahl wird voraussichtlich noch weiter zurückgehen, da die Zivildienstdauer zum 1. Oktober 2004 von zehn auf neun Monate reduziert und damit dem Grundwehrdienst angepasst wurde. Diese Zahlen verdeutlichen auch die Probleme, die sich daraus für unser Sozialwesen ergeben, weil man dort bisher die Arbeit der Zivildienstleistenden in erheblichem Maße schätzte und vor allen Dingen auch berücksichtigte.
Vor diesem Hintergrund gibt es schon seit längerem die Diskussion darüber, ob zum Beispiel ein verpflichtendes soziales Jahr für alle eingeführt werden soll oder ob ein entsprechend attraktiv gestaltetes Freiwilliges Soziales Jahr die sinnvolle Alternative wäre. Prinzipiell gesehen sind die Freiwilligendienste
vor allem für junge Menschen, aber auch für alte Menschen, eine sehr gute Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und sich mit Engagement für das Gemeinwesen einzusetzen. Deshalb unterstützt der SSW auch die Förderung und Weiterentwicklung dieser Freiwilligendienste im sozialen Bereich oder im Umweltbereich, aber auch in den Auslandsdiensten. Die Frage ist jedoch, ob dieser Dienst jetzt sozusagen langfristig als Ersatz für den Zivildienst ausgebaut werden soll.
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen mit ihrem Antrag die Landesregierung dazu auffordern, über eine Bundesratsinitiative, beziehungsweise über verschiedene Initiativen, die Förderung von Freiwilligendiensten als Weiterentwicklung oder sogar als Alternative zum Zivildienst einzufordern. Dabei ist zurzeit noch nicht einmal klar, ob und wann die Wehrpflicht abgeschafft wird. Wir vermissen also eine klare Aussage der Regierungsfraktionen darüber, ob man der Meinung ist, dass die Wehrpflicht abgeschafft werden soll. Deshalb kann die Landesregierung auch unserer Ansicht nach gar nicht wissen, in welche Richtung sie diese Initiative richten soll, wenn sie damit beauftragt wird.
Wir sind der Auffassung, dass die Personalprobleme des Sozialwesens im Grunde weder von den Zivildienstleistenden noch von den Freiwilligendiensten gelöst werden sollten.
Das ist eine der ureigensten Aufgaben des Sozialstaates. Deshalb sollte dafür gesorgt werden, dass für diese Tätigkeiten im unmittelbaren Dienst am Menschen reguläre Arbeitsplätze geschaffen werden.
Darüber hinaus haben wir uns über einige der weiteren Vorschläge im Antrag etwas gewundert. Warum soll geprüft werden, wie mit den finanziellen Mitteln des Zivildienstes auch zeitlich befristete sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für junge Erwachsene bis 25 Jahren geschaffen werden könnten? Es wird unserer Ansicht nach dadurch nicht beachtet, dass es bestimmte Verpflichtungen durch die eigenen HartzIV-Gesetze gibt.
Ich habe die Kollegin Fröhlich dahin gehend verstanden, dass man dies zur Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit einsetzen will. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich hatte das mit den Freiwilligendiensten beziehungsweise den sozialen Diensten etwas anders verstanden. Auch die Hartz-IVFörderung von jungen Erwachsenen sah im Gesetz
etwas anders aus. Nun soll das sozusagen über den Zivildienst finanziert werden. Das finde ich schwierig.
Ab 1. Januar 2005 können Jugendliche unter 25 Jahren auch dazu verpflichtet werden, zum Beispiel in Pflegeheimen so genannte Ein-Euro-Jobs anzunehmen. Wen sollen die da nehmen? Wir können dem Antrag, so wie er im Moment vorliegt, nicht zustimmen. Wir hoffen auf eine ausführliche Ausschussberatung. Ich würde mich freuen, wenn wir dort ausführlich darüber diskutieren könnten. Aus den verschiedenen Wortbeiträgen konnte man entnehmen, welche unterschiedlichen Haltungen dahinter stehen.
Für die Landesregierung erteile ich der zuständigen Ministerin, Frau Dr. Trauernicht-Jordan, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Befund ist klar. Es hat im Oktober eine weitere Verkürzung der Zivildienstzeit von zehn auf neun Monate gegeben. Dies hat die Diskussion über die Zukunft des Zivildienstes erneut aufleben lassen.
Ich nenne nun einige Zahlen zur Versachlichung der Debatte, die hier in diesem Raum bemerkenswert sachlich geführt wird. Dies ist nicht überall im Land der Fall. Im Jahresdurchschnitt hat es 1998 bundesweit die höchste Zahl an Zivildienststellen gegeben. Es waren damals 140.000. Im Verlauf der Kürzungen des Zivildienstes beträgt die Anzahl in diesem Jahr nur noch gut 80.000. Das heißt, es hat bundesweit eine Reduktion um 40 % stattgefunden. In SchleswigHolstein beläuft sich diese Reduktion unseres Wissens nach nur auf 30 %.
Dennoch ist klar: Die Zivildienstleistenden haben eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe geleistet. Dies ist in mehreren Wortbeiträgen deutlich geworden. Wir sind ihnen allen zu Dank verpflichtet. Es gibt auch einen weiteren Effekt, denn junge Menschen, die sich im Zivildienst engagieren, haben mit Blick auf ihre Persönlichkeit die größere Chance, sich zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu entwickeln. Deshalb begrüßen wir alle den Zivildienst.
Ich denke, hier ist nicht der Ort, über das Für und Wider der Wehrpflicht zu debattieren. Klar ist dennoch: Auch wenn es bei der Wehrpflicht bleibt, wird es doch weitere Verkürzungen der Dienstzeiten und
damit auch der im Jahresdurchschnitt beschäftigten Zivildienstleistenden geben. Deswegen müssen wir uns politisch darauf einstellen, wie wir mit diesem Wegfall der sozialen Ressourcen im sozialen Bereich umgehen wollen. Die Idee, als möglichen Ersatz für den Zivildienst ein soziales Pflichtjahr vorzusehen, hat zum Glück keiner der Abgeordneten hier in den Beiträgen erwähnt.