Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, ich bedanke mich herzlich für den Bericht, der dem hohen Hause ja schon vor einiger Zeit vorgelegt wurde. Allerdings schadet es in diesem
Falle nicht, dass wir erst heute in die Aussprache eintreten können, denn eines muss man feststellen: Die Reformeuphorie, die noch vor zwei Jahren bestand, als die Justizministerkonferenz meinte, mit einem überschriftenartig gehaltenen Thesenpapier nun in einem Parforceritt die gesamte Juristenausbildung innerhalb kürzester Zeit ändern zu können, besteht nicht mehr. Ich glaube, das ist auch gut so. Bevor man einen so weit gehenden Systemwechsel vornimmt, wie er vor zwei Jahren angedacht war, wäre es gut, im Dialog mit den Betroffenen, mit den Universitäten und mit den Praktikern, zunächst einmal vorurteilsfrei über Stärken und Schwächen des bisherigen Systems zu diskutieren und dabei auch die Vor- und Nachteile herauszustreichen, die ein solcher Systemwechsel mit sich bringen würde.
An der derzeitigen Juristenausbildung wird Kritik in folgender Hinsicht geübt. Es ist die Rede von Justizlastigkeit und es wird gesagt, die Rechtsberatung spiele eine zu geringe Rolle, die internationalen Rechtsbeziehungen würden nicht genügend herausgestellt, die europäische Integration werde nicht berücksichtigt, es würden Anwendungstechniken unzureichend ausgebildet und eine Tätigkeit in der Wirtschaft würde unzureichend vorbereitet. Darüber kann man natürlich diskutieren. Ich halte eine solche Diskussion auch für sinnvoll.
Wir müssen uns aber über eines im Klaren sein. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Universitäten bereits in den vergangenen Jahren erhebliche und auch erfolgreiche Anstrengungen unternommen haben, die Qualität der Ausbildung zu verbessern. An einem Problem kommen Sie aber nicht vorbei, nämlich an der Überlast. Es ist eine Tatsache, dass immer noch ein ungebremster Ansturm auf das juristische Studium besteht. Weit mehr junge Menschen drängen in das Jurastudium, als letztendlich nach Abschluss der Ausbildung in klassischen Juristenberufen unterkommen können. Weit mehr junge Juristinnen und Juristen studieren an unseren Universitäten, als es nach der Personal- und Sachausstattung unserer Hochschulen eigentlich angemessen wäre. Es darf sich niemand darüber wundern, dass darunter die Qualität der Ausbildung leidet. Dies wird auch niemanden überraschen.
Ich sage eines sehr klar: Ich hatte zu Beginn der Beratungen auf der Ebene der Justizministerkonferenz den Eindruck, dass in erster Linie fiskalische Argumente der Ausgangspunkt für die Diskussion waren. Das kann aber nicht der Weg sein und das kann auch kein günstiges Rezept sein. Wenn wir über Reformen streiten, dann muss es um Qualitätsverbesserung und nicht in erster Linie um Einsparmaßnahmen gehen. Eine qualitativ hochwertige Juristenausbildung ist auch für das Funktionieren wichtiger Teile des Staats
apparates entscheidend. In der Verwaltung werden auch in Zukunft in vielen Schlüsselpositionen Juristen tätig sein. Wir haben alle ein Interesse daran, dass sie gut ausgebildet sind.
Deshalb muss bei allen Reformüberlegungen der Gesichtspunkt der Qualität der Ausbildung Vorrang vor allen anderen Kriterien haben.
Ich möchte weiterhin gern am Berufsbild des Einheitsjuristen festhalten, das heißt an seiner universellen Befähigung zum Einstieg in die unterschiedlichsten Berufsfelder. Das Verständnis und die Anwendung von Recht leben von der Durchdringung unterschiedlicher Rechtsgebiete, namentlich der klassischen Bereiche von Zivil-, Straf- und öffentlichem Recht. Eine Verengung auf nur eine oder zwei dieser Sparten wird Schmalspurjuristen hervorbringen und diese können wir nicht gebrauchen. Daher sollten solche Überlegungen gar nicht weiter verfolgt werden.
Ich sage auch dies sehr deutlich: Für mich hat sich die Gliederung der Ausbildung in ein wissenschaftliches Universitätsstudium und einen anschließenden praktischen Vorbereitungsdienst bewährt. Wir können miteinander über Reformen und die Ausgestaltung und Struktur sowohl des Studiums als auch der Vorbereitungsphase diskutieren. Ich halte aber gar nichts davon, beide Bereiche miteinander zu vermischen. Dies ist in den Siebzigerjahren erprobt worden. Bemühungen in dieser Richtung sind aber eingestellt worden, und zwar nicht deshalb, weil diese Bemühungen überaus erfolgreich gewesen wären, sondern deshalb, weil sich die Vermischung überhaupt nicht bewährt hat.
Eine gründliche wissenschaftlich-theoretische Ausbildung ist Voraussetzung für die Anwendung und Erprobung praktischer Fähigkeiten. Wer eine Vermengung der beiden Bereiche vornimmt, wird weder in dem einen noch in dem anderen Feld gute Juristen hervorbringen. Deshalb meine ich, dass sich ein solcher Systemwechsel überhaupt nicht anbietet.
Ich warne auch davor, dass wir - manchmal wird dieser Eindruck erweckt - das Studium zu einem Kurssystem, zu einer Rechtskunde, die nur auf Wissensvermittlung ausgerichtet ist, verkümmern lassen. Wenn wir die Leistungsfähigkeit von Juristen im Blick haben wollen, gerade auch in der Konkurrenzsituation gegenüber anderen europäischen Ländern, müssen wir darauf achten, dass die Selbstständigkeit, das eigen
Schauen Sie sich einmal an, was in dieser Hinsicht angeblich alles fehlt. So wird beispielsweise die mangelnde Kenntnis von Fremdsprachen geltend gemacht. An der Universität kann jeder, der es wünscht, am Fremdsprachenunterricht für Hörer aller Fakultäten teilnehmen. Wer nicht von allein darauf kommt, obwohl das Angebot allenthalben zur Verfügung steht, dem werden wir letztendlich auch nicht helfen, wenn wir ihm etwas verpflichtend auferlegen.
Die Debatte wird weitergeführt werden und das ist auch gut so, denn es gibt in der Tat gute Überlegungen, wie man das Studium noch effizienter gestalten kann und wie man den Vorbereitungsdienst verbessern kann. Solchen Überlegungen werden wir uns nicht versperren. Wir werden uns vielmehr gern konstruktiv daran beteiligen.
Aber ich warne davor, einen Systemwechsel herbeizuführen, der nicht zu einer Qualitätsverbesserung der Ausbildung der Juristen führt.
Ich freue mich auf die Fortsetzung der Diskussion. Die Reformhysterie ist vorbei. Nun kann eine sachliche und konstruktive Debatte beginnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Je mehr Juristen es in Landtagsoppositionen gibt, desto größer ist die Gefahr überflüssiger Untersuchungsausschüsse.
(Heiterkeit und Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Heinz Maurus [CDU]: Zur Sache, Herr Kollege!)
Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen ist der Staat verpflichtet, für gut ausgebildete Juristen zu sorgen. Glücklicherweise zieht es nicht alle Juristen in die Politik.
Reformdiskussion nehmen auch wir mit Dank zur Kenntnis. Über Einzelfragen, vielleicht auch zusätzliche Anregungen aus schleswig-holsteinischer Sicht, sollten wir im Fachausschuss weiter diskutieren unter Einbeziehung der im Land von der Reform betroffenen Institutionen und Verbände und so, wie es bisher unter Federführung des Justizministeriums ja auch schon geschehen ist.
Wir teilen die Auffassung der Ministerin, dass eine Reform der juristischen Ausbildung notwendig ist, um die angehenden Juristinnen und Juristen besser und vor allem individuell auf ihre jeweils angestrebte Berufstätigkeit vorzubereiten. Wir sind auch der Auffassung, dass ein einphasiges Ausbildungsmodell mit integrierten Praxisanteilen und anschließender konkreter Berufseinführungsphase - Herr Geißler - geeignet sein kann, zu einer Verbesserung der Ausbildung insbesondere in berufspraxisbezogener Hinsicht zu kommen. Als SPD-Landtagsfraktion legen wir allerdings auch Wert darauf - da treffen wir uns mit Ihnen wieder, Herr Geißler -, dass die wissenschaftliche Grundausbildung unter Einbeziehung auch sozialwissenschaftlicher Bezüge bei aller Praxisnähe und Orientierung nicht ins Hintertreffen gerät.
Zu den Maßstäben der SPD-Landtagsfraktion an eine Reform der Juristenausbildung hier in SchleswigHolstein und im ganzen Land kann ich nur wiederholen: Das Ziel muss und kann nur lauten Verbesserung der Ausbildungsqualität. Auch insoweit sind wir mit Ihnen einig, Herr Geißler! Kosteneinsparungen können dabei auch herausspringen, sind sogar erwünscht und wären willkommen. Sie dürfen allerdings nicht der Zweck der Übung sein. Die Ausbildungsqualität darf durch fiskalische Zwänge nicht gefährdet werden.
Lassen Sie uns den Bericht der Ministerin im Einzelnen und mögliche Ergänzungs- und Verbesserungsvorschläge im Ausschuss weiter beraten.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! „Reform ja - nur wie?“, das ist der Tenor des Berichtes zur Juristenausbildung, den uns die Landesregierung heute präsentiert. Mit anderen Worten: nichts Neues in Sachen Juristenausbildung!
Ehrlich gesagt hatte die F.D.P.-Fraktion auch nichts anderes erwartet - auch nicht in Schleswig-Holstein. Das ist kein Vorwurf an die Landesregierung, im Ge
Eine Reform der Juristenausbildung wird bereits so lange diskutiert, wie es die Juristenausbildung überhaupt gibt, mal mehr, mal weniger, mal mit Konsequenzen, meistens ohne. Zurzeit sind die Diskussionen gerade mal wieder lauter. Die Zahl der Vorlagen, die die Mitglieder des Innen- und Rechtsausschusses in dieser Angelegenheit erhalten, machen das sehr deutlich. Auch der CDU konnten sie daher nicht entgehen. Einen Fragenkatalog, wie ihn die CDU erarbeitet hat, rechtfertigt das jedoch noch lange nicht, jedenfalls so lange nicht, solange die grundsätzlichen Fragen zu dieser Reform noch nicht geklärt sind, etwa die Rückführung staatlicher Reglementierung, die Bildungszukunft junger Menschen oder die personelle und finanzielle Ausstattung der rechtswissenschaftlichen Fakultäten.
Doch zum Glück weichen der - auch im CDU-Antrag anklingenden Reformhysterie allmählich wieder Sachargumente und die Diskussion findet wieder in geordneteren Bahnen statt. Ich bin deshalb der Landesregierung für einen Bericht sehr dankbar, der genau diesem Aspekt Rechnung trägt. Er macht - ergänzt durch ausführliche Anlagen - kurz und knapp deutlich, dass eine Verbesserung der Qualität der Juristenausbildung erforderlich ist, dass für eine solche Reform die von der Justizministerkonferenz bislang ins Auge gefasste einphasige Ausbildung ein Weg sein kann, nicht sein muss - das betone ich ausdrücklich - und dass - hier liegt der ganz große Knackpunkt - in jedem Fall die Rahmenbedingungen in personeller und finanzieller Hinsicht für die wissenschaftliche und praktische Ausbildung der angehenden Juristinnen und Juristen stimmen müssen. Ich denke, in dieser grundsätzlichen Haltung stimmen wir alle überein.
Da ich gerade beim Lob bin: Ich habe mich wirklich gefreut, dass die Landesregierung erkennbar über ihren Schatten gesprungen ist und ihr generelles Ja zum einphasigen Reformmodell inzwischen den Sachfragen, vor allem der Frage nach den geeigneten Rahmenbedingungen, untergeordnet hat. Offenbar setzt sich die Erkenntnis durch, dass es doch Diskrepanzen zwischen der geplanten Juristenausbildungsreform und der Hochschulreform gibt. Denn die Reform der Juristenausbildung setzt für eine sinnvolle Umsetzung voraus, dass die Betreuungsrelation zwischen Lehrenden und Lernenden an den Universitäten deutlich verbessert wird. Dagegen sollen im Rahmen der Hochschulreform Stellen eingespart werden. Das passt erkennbar nicht zusammen.
Allein sinkende Studentenzahlen im Fach „Rechtswissenschaften“ sind sicherlich auch nicht des Rätsels
Lösung. Daher sollten unbedingt die Überlegungen von einem Ressourcentransfer vom Justizetat infolge der möglicherweise wegfallenden Referendariatsstellen zum Wissenschaftsetat weiter entwickelt werden.
Außerdem habe ich erfreut zur Kenntnis genommen, dass sich die Landesregierung Gedanken um die große Zahl der Absolventinnen und Absolventen macht, die einen Anwaltsberuf anstreben, aber nach dem bisherigen Modell dafür möglicherweise keinen Ausbildungsplatz mehr erhalten können. Ganz offensichtlich sind wir uns einig, dass sich der Staat - staatliche Reglementierungen hin, Eigeninitiative her - um ein Mindestmaß an Verantwortung in dieser Ausbildungsfrage nicht herumdrücken kann. Die „Warteposition“, die Schleswig-Holstein in Fragen der Juristenausbildung einnimmt, um die weiteren Beratungen der Justizministerkonferenz und die bundesweiten Entwicklungen abzuwarten, ist also nicht ganz unbegründet. Ein Grund zum „Ausruhen“ ist das aber nicht.
Bereits heute stehen der Landesregierung durchaus Möglichkeiten zur Verfügung, im eigenen Lande dafür Sorge zu tragen, dass die Juristenausbildung - auch nach dem gegenwärtigen Ausbildungsstatus - eine gute und anerkannte Ausbildung bleibt. Das fängt damit an zu verhindern, dass fähige Ausbilder und hoffnungsvoller Nachwuchs weiter aus Schleswig-Holstein abwandern, weil die Kieler Universität ihnen nichts Ausreichendes mehr zu bieten hat und auch die praktische Ausbildung nicht mehr angemessen ist.