Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

- Sie sind doch gar nicht in der F.D.P.; die CDU hat zum Teil ein sozialeres Herz als die F.D.P. Das will ich nicht verschweigen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - An- haltende Zurufe)

Ich wiederhole einmal: Der F.D.P.-Klientel kann es doch egal sein, wie die pädagogische Qualität in den Kindertagesstätten ist, kauft sie sich doch notfalls privat eine gute Versorgung für ihre Kinder ein!

(Zurufe - Unruhe)

Die CDU-Position ist unklar; sie hat keinen Gesetzentwurf eingebracht und sie hat auch keinen anderen Vorschlag eingebracht. Sie wird mit Sicherheit auch nichts einbringen, um dann immer gegen etwas sein zu können. Das zeichnet vor allem die schleswigholsteinische CDU aus.

(Klaus Schlie [CDU]: Mein Gott, das ist doch zu billig! - Günther Hildebrand [F.D.P.]: Er- zählen Sie ruhig weiter, das profiliert Sie so schön!)

Die Diskussion ist also noch nicht zu Ende, aber mit der Einbringung des Finanzausgleichsgesetzes machen die Koalitionsfraktionen einen ersten Schritt zur Umsetzung der Ergebnisse des Sonderausschusses.

Weitere Schritte werden folgen, zumal viele Themen von der Enquetekommission behandelt werden, die aus meiner Sicht nicht überflüssig geworden ist. Aber wir sollten nicht mit jedem Tippelschrittchen so lange warten, bis die Enquetekommission ihre Arbeit abgeschlossen hat; denn das wird noch eine Weile dauern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Klaus Schlie [CDU]: Den Ein- druck haben wir auch!)

Ich erteile Frau Abgeordneter Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen haben sich die Ereignisse in der Frage der kommunalen Finanzen und der Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen Land und Kommunen wirklich überschlagen. Darum eine Bemerkung vorweg: Die Veranstaltung am letzten Wochenende in Neumünster war eine parteiinterne Veranstaltung der SPD - nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie hat nicht dazu geführt, dass sich alle Probleme in der Beziehung von Land und Kommunen in Luft aufgelöst haben. Deshalb begrüßen wir, dass die Diskussion um die Höhe des finanziellen Eingriffes bei den Kommunen endlich wieder da ist, wo sie hingehört, nämlich in den Landtag.

(Beifall beim SSW)

Das Gleiche gilt natürlich für die übrigen Vorschläge zum kommunalen Finanzausgleich und zum Jugendförderungsgesetz, die wir heute in erster Lesung debattieren. Es geht dabei auch um den Bericht der Landesregierung zur Beschlussempfehlung des Sonderausschusses, wobei ich wiederholen möchte, was ich schon in der Juli-Tagung sagte, als es um die Beschlussempfehlung ging: Die genannten Vorschläge sind keine Ergebnisse einer parlamentarischen Beratung. - Was ansonsten dazu gesagt wurde, kann man in den Protokollen nachlesen; das will ich heute nicht alles wiederholen. Die Vorgeschichte hinsichtlich einer Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen Land und Kommunen wird also niemals zu den Sternstunden des Parlamentes gehören. Es ist mehr als fraglich, ob die Fortsetzung, mit der wir es heute zu tun haben, anders sein wird.

(Vizepräsident Thomas Stritzl übernimmt den Vorsitz)

Erst jetzt liegen die Vorschläge von SPD und Bündnis 90/Die Grünen dem Landtag vor. Das war höchste Zeit. Schließlich haben wir nur noch knapp vier Wochen Zeit bis zur Entscheidung über den Haushalt 2001. Angesichts der Konsequenzen, die sich aus den einzelnen Vorschlägen, insbesondere zum Finanzausgleichsgesetz ergeben, ist das nicht viel Zeit.

Der SSW hatte im Vorfeld der NovemberSteuerschätzung die Landesregierung dazu aufgefordert, mögliche Steuermehreinnahmen dazu zu nutzen, die geplanten Kürzungen im Minderheitenbereich und den finanziellen Eingriff bei den Kommunen zurückzunehmen. Auch im sozialen Bereich sollte die

(Anke Spoorendonk)

Landesregierung einige ihrer Sparvorschläge überdenken.

Wir begrüßen daher, dass die Ministerpräsidentin am Wochenende den Kommunen ein Stück entgegengekommen ist. Statt der beabsichtigten Kürzung von 100 Millionen DM sollen den Kommunen im Endergebnis jetzt 60 Millionen DM pro Jahr aus dem kommunalen Finanzausgleich genommen werden.

(Günther Hildebrand [F.D.P.]: 75!)

- Die Geschichte kenne ich. Ich will sie hier nicht wiederholen.

Wenn man bedenkt, dass auch die Kommunen durch die neue Steuerschätzung 2001 mit zusätzlichen Einnahmen von mindestens 25 Millionen DM rechnen können, sieht die Lage nicht mehr ganz so bedrohlich aus.

Dennoch bleiben wir bei unserer Aussage, dass die angespannte Haushaltslage der Kommunen in Schleswig-Holstein grundsätzlich keinerlei zusätzliche finanzielle Belastungen durch das Land zulässt. Wir schlagen als alternative Finanzierung weiterhin vor wir stehen auch dazu -, dass das Land die 57 Millionen DM einsetzt, die durch die Rückkehr zur Verbeamtung junger Lehrer eingespart werden. Die Situation ist so, dass dieser Schritt zu verantworten ist.

Als weitaus problematischer sieht der SSW den Vorschlag an, dass den Kommunen zur Finanzierung der verbleibenden Haushaltslücke ein geldwerter Vorteil in Form einer generellen Öffnung von Standards ermöglicht werden soll. Es mag natürlich Bereiche geben, in denen eine Standardöffnung sinnvoll ist. Wir sind aber enttäuscht darüber, dass man sich bis jetzt der Gesetzentwurf der F.D.P. zur Standardöffnung liegt bereits seit Anfang Juni vor - noch nicht die Mühe gemacht hat, differenzierte Vorschläge zur Öffnung der Standards in einigen ausgewählten Bereichen vorzulegen.

Stattdessen hat das Kabinett gestern beschlossen, dass man durch eine Änderung des Landesverwaltungsgesetzes den Kommunen die Möglichkeit eröffnen will, von Mindestanforderungen sowie Verfahrensvorgaben abzuweichen.

(Widerspruch der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Wenn das, wie Sie sagen, so nicht beschlossen worden ist, dann nehme ich das zurück. Meiner Erinnerung nach war das wirklich ein Beschluss. Aber - ich sage einmal - das ist im Gespräch.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Vorschlag!)

- Das ist also ein Vorschlag. Nach diesem Vorschlag soll die Möglichkeit eröffnet werden, von Mindestanforderungen sowie Verfahrensvorgaben abzuweichen, die als Ausführungsbestimmungen eines Gesetzes in Landesverordnungen festgelegt sind.

Nun soll das Innenministerium bis zum 5. Dezember 2000 eine Sichtung von fast 1.200 Verordnungen durchführen, damit das Kabinett dann an diesem Tag den endgültigen Beschluss fassen kann. Erst danach soll dem Landtag ein Bericht zur zweiten Lesung des Haushaltsentwurfs 2001 vorgelegt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Heinold, dass Sie dazu beigetragen haben, dass ich das richtig begriffen habe.

Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass wir erhebliche Zweifel daran haben, dass man in so kurzer Zeit eine Überprüfung durchführen kann, die alle Konsequenzen erfasst. Unabhängig von den Ergebnissen dieser Überprüfung werden wir bei unserer Haltung bleiben, dass es nicht den einzelnen Kommunen überlassen werden darf, welche Standards sie absenken wollen; denn zu Ende gedacht, führt die Umsetzung eines solchen Gesetzentwurfs dazu, dass sich das Land als Gesetzgeber aus wesentlichen Bereichen der Gesellschaft herauszieht. Wir lehnen also die Vorgehensweise der Landesregierung in dieser Frage ab.

Der Kollege Schlie ist im Moment nicht im Saal. Gleichwohl muss ich sagen: Mir ging der Hut hoch, als der Kollege Schlie sagte, dass die wirklichen Brocken unter anderem das Mitbestimmungsgesetz und auch das Gleichstellungsgesetz seien. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass der Landtag es ernst meint, wenn er Gesetze beschließt.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darum wäre es wichtig gewesen, dass die CDU zu diesem Gesetzentwurf Änderungsvorschläge einbringt. Solche sehe ich nicht.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Ganze sagt auch etwas darüber aus, auf welchem Niveau diese Debatte geführt wird. Wer noch immer Zweifel daran hat, dass vieles von dem, was gesagt wird, wirklich nichts mit Wissen zu tun hat, sollte sich einmal den Umdruck 15/299 - das ist die Stellungnahme des Landkreistages - zu Gemüte führen; denn darin wird vorgeschlagen, dieses und jenes zu ändern. Unter anderem wird ausgeführt, dass man wesentliche Bestimmungen des Landesarchivgesetzes außer Kraft setzen beziehungsweise ändern könnte. Zum Glück hat dazu der Verband der kommunalen Archivare in einem

(Anke Spoorendonk)

offenen Brief geantwortet. Schauen Sie sich den einmal an. Darin wird ganz klar, dass die Intention des Gesetzes dadurch ausgehebelt wird.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der SSW unterstützt insbesondere die Forderung der Wohlfahrtsverbände und der Grünen, dass es keine Freigabe der Kindergartenstandards geben darf. Wir hoffen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dass Sie in dieser Frage hart bleiben.

Selbstverständlich ist auch der SSW für eine Stärkung der Eigenverantwortung der Kommunen. Wir können zum Beispiel eine ganze Reihe der gestern vom Kabinett beschlossenen Aufgabenverlagerungen vom Land auf die kommunale Ebene unterstützen. So erscheinen die 22 Deregulierungsvorschläge, die die Landesregierung im Rahmen der Funktionalreform beschlossen hat, auf den ersten Blick durchdacht und auch sinnvoll. Nur, wenn man diese Stärkung der Eigenverantwortung mit einer Schwächung der Finanzkraft verbindet, erreicht man leider insgesamt keine Stärkung der kommunalen Ebene. Im Gegenteil: Man höhlt das gesamte kommunale System weiter aus.

Wer durch Deregulierung und Standardöffnung eine Stärkung der Kommunen erreichen will, muss auch dafür sorgen, dass sie über ausreichende Finanzkraft verfügen. Das ist leider in einer ganzen Reihe von kreisfreien Städten, Landkreisen und Gemeinden weiterhin nicht der Fall.

Der geplante Eingriff des Landes wird diesen negativen Trend trotz einer Reduzierung des Betrages von 100 Millionen DM weiter verstärken. In diesem Zusammenhang ist auch die vorgeschlagene Änderung des interkommunalen Finanzausgleichs eher kontraproduktiv, denn sie trifft gerade die finanzschwachen Landkreise und kreisfreien Städte und vergrößert so den Unterschied in der Finanzkraft innerhalb der kommunalen Familie.

Es mag sein, dass sich einzelne Kreise im Hamburger Randgebiet im jetzigen kommunalen Finanzausgleich der Kreise benachteiligt sehen. Der Vorschlag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN führt nach Angaben der Landesregierung aber dazu, dass die Kreise und die kreisfreie Stadt Flensburg im strukturschwachen Landesteil Schleswig fast 1 Million DM im interkommunalen Finanzausgleich verlieren, während die Kreise im wirtschaftsstarken Hamburger Randgebiet über 3 Millionen DM mehr bekommen.

(Zuruf: Richtig!)

Die Forderung der Kreise aus dem Hamburger Randgebiet kann man durchaus mit den Forderungen gleichsetzen,

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])