Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir tun so, als diskutierten wir ganz abgehoben. Die meisten von uns waren - dies stellt man fest, wenn man sich einmal die Historie anschaut - Kommunalpolitiker. Ich habe das Gefühl, dass sich viele von uns davon bereits so weit entfernt haben, dass sie gar nicht mehr wissen, unter welchen Problemstellungen wir vor Ort aktiv sind.
Den Bürgern vor Ort können wir Finanzausgleichsgesetz, KIF und alle diese Dinge nicht erklären; für die erscheint es nur so: Die kassieren ab, auf steuerlicher Ebene, egal, was es ist. Die können nicht unterscheiden, ob der Bund schuld ist, der Kreis oder wir. Nur wir vor Ort, die Ehrenamtlichen, die nach ihrem Feierabend noch Politik betreiben, sollen nun den Bürgern
erklären, warum kein Geld da ist. Das ist doch die Katastrophe, die wir einfach nicht hinnehmen können.
Ich will ja die CDU auf Bundesebene davon gar nicht ausnehmen. Das Kindergartengesetz und ähnliche Dinge führten ja dazu, dass die Belastungen immer unten hindurchgeschoben wurden und wir überhaupt keine Luft mehr zum Atmen haben. Die Standards, die wir eingeführt haben, waren doch nicht nur technisch bedingt, sondern sie haben im Grunde zu einer gesellschaftlichen Veränderung in dem Sinne geführt, dass die Leute vor Ort, die Gemeinschaft, die die Dinge gemeinsam aufgebaut hat, zu einer reinen Forderungsgesellschaft geworden sind: Ich habe Anspruch darauf, ich will das haben! Damit haben wir doch die Strukturen zerstört.
Wenn wir jetzt den Kommunen noch das letzte Geld wegnehmen, dann zwingen wir sie zu anderen Maßnahmen. Gerade auf dem Land haben wir noch gelegentlich niedrige Hebesätze gehabt. Dafür hatte man andere Nachteile hinzunehmen, längere Anfahrten zum Arbeitsplatz und ähnliche Dinge und den Verzicht auf anderen Komfort, der dort fehlt.
Jetzt sind wir gezwungen, die Hebesätze anzuheben und den vor Ort ehrenamtlich Tätigen in den Vereinen und Verbänden, die als Einzige noch die Sozialstruktur aufrechterhalten, auch das Geld wegzunehmen. Wir zerschlagen die Basis dieses demokratischen Gemeinwesens und deswegen appelliere ich an Sie!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gern auf das eingehen, was der Kollege Eichelberg zuletzt gesagt hat. Er hat in der ihm eigenen Art deutlich gemacht, dass er sich - das nehme ich ihm ausdrücklich ab - um die kommunale Selbstverwaltung und die Finanzausstattung der Kommunen Sorgen macht. Dazu hat er hier Hinweise gegeben. Ich möchte gern versuchen, darauf einzugehen, erlaube mir aber noch zwei Bemerkungen zu den Ausführungen von zwei anderen Kollegen, nämlich denen von Herrn Hildebrand und von Herrn Sager. Ich fange einmal mit dem Letzten an.
Uwe Eichelberg, es ist richtig: In Teilbereichen wird es zur Anhebung von Hebesätzen kommen können und
vielleicht auch kommen müssen. Dieses „Müssen“ bringt mich dann schon zu den Ausführungen des Kollegen Hildebrand, der ja - wie ich - seit einem Vierteljahrhundert und mehr Gemeindevertreter in seiner Heimatgemeinde war und ist. In der Gemeinde Ellerbek - so las ich zu meinen Erstauen in der Vorbereitung auf diesen Disput - gibt es Hebesätze, von denen ich sage, dass sie deutlich unter dem Landesdurchschnitt und unter den Novellierungssätzen liegen. Das kann man wollen.
Jetzt kommt noch die zweite Hälfte dieses Gedankens - Sie müssen einfach einmal zuhören -: Das sieht in der Gemeinde Ellerbek so aus, dass sie beschlossen hat - kommunalpolitisch selbstverständlich völlig in Ordnung -, auf eigene Gelder bei der Grundsteuer A und B in der Größenordnung von round about 225.0000 DM in der Einnahme zu verzichten. Das kann man beschließen. Aber man kann sich nicht gleichzeitig hinstellen und sagen: Diese Operation, liebes Land, kostet mich 30.000 DM und das ist von Übel! Das geht nicht.
Ein zweites Beispiel! - Ich habe ja vorhin gesagt, die F.D.P. spielt für mich in der Debatte keine so große Rolle; deshalb belasse ich es an der Stelle auch dabei und komme zur CDU.
Während die schleswig-holsteinischen Kommunen im Vergleich aller Flächenländer die geringste Pro-KopfVerschuldung haben, belegt unser Saarland
(Lachen und Beifall bei CDU und F.D.P. - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Kinder sind das bloß in der Opposition!)
Entschuldigung! -, liegt unser Land hinter dem Saarland an der Spitze. - Ihr seid leicht zu unterhalten. Dies ist das Ergebnis einer jahrelangen besonders kommunalfreundlichen Landespolitik und der soliden Finanzpolitik der meisten Kommunen.
Wenn Sie dies so bestreiten, bestreiten Sie im Moment die Antwort des damaligen Innenministers Karl Eduard Claussen, den einige von uns noch gut kennen, der eben dies als Begründung gab zur damaligen 1983/1984; ich habe es vorhin schon erwähnt - Entnahme von 153 Millionen DM für das Haushaltsjahr
Ich sage dies nicht, um das zu kritisieren, sondern ich sage dies in Richtung mancher Pharisäer, die jedenfalls im Moment nicht auf unserer Seite zu suchen sind.
Weil Uwe Eichelberg von Verständnis sprach, nun zur alten Rechnung - die neue habe ich noch nicht nachgerechnet; da wird es noch „günstiger“ -: Wenn in einer Familie der Haushaltsvorstand - das Land - beschließt, seinem Kind - den Kommunen - zu sagen, liebes Kind, aufgrund unseres gesunkenen Einkommens und unserer gestiegenen Ausgaben können wir dir bedauerlicherweise nicht mehr 2.000 DM Taschengeld im Jahr zahlen, sondern nur noch 1.900 DM
dann bedeutet das, dass wir bei dem TaschengeldBeispiel eine Differenz von jetzt nicht mehr 167 DM im Monat haben, die zur Verfügung stehen, sondern von 158 DM, die zur Verfügung stehen. Diese 9 DM Differenz, die verlangen wir von dem Kind - den Kommunen -, weil wir glauben, dass wir ihm über das Taschengeld hinaus beispielsweise mit der Förderung seiner Ausbildung etwas Besseres tun, als ihm dieses Geld nur so auszuzahlen.
Ich wünschte mir ein bisschen mehr Sachlichkeit, ein bisschen weniger Aufgeregtheit. Ich erlebe in vielen Bereichen, dass es eine reine Funktionärsdebatte ist.
Ich hoffe, dass wir sie dann auch bald beenden können. - Ich bedauere, dass ich meine Redezeit überzogen habe. Entschuldigung!
Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat jetzt Herr Abgeordneter Jürgen Feddersen.
Holstein diskutieren, nicht über das Saarland, lieber Kollege Astrup; das war sicherlich ein Versprecher.
Wieder einmal muss das Finanzausgleichsgesetz geändert werden - das letzte Mal ist ja noch gar nicht so lange her - und das wieder einmal nur, weil die Landesregierung keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann. Wieder einmal sind es die Kommunen, die bluten müssen, waren sie es doch gerade, die in den vergangenen Jahren immer versucht haben, eine einnahmeorientierte Finanzpolitik zu gestalten, um in der Verschuldung nicht immer höher zu kommen.
Ich denke einmal, dass die Kommunen auch diesen Eingriff ablehnen werden, und ich kann nicht sagen, Herr Minister Buß - Sie meinten, dass da vielleicht Einvernehmen mit den kommunalen Landesverbänden bestünde -, dass das ohne Widerspruch des Gemeindetages hingenommen werden wird.
In den letzten fünf Jahren haben die Kommunen Einnahmeverluste hinnehmen müssen. Deshalb haben die Gemeinden rechtzeitig Konsolidierungsmaßnahmen ergriffen, um der weiteren Verschuldung zu begegnen.
Völlig anders dagegen gestaltet sich die Finanzpolitik des Landes. Einnahmezuwächse in 1995 von 12,6 Milliarden DM bis 1999 mit 13,9 Milliarden DM bedeuten eine Zunahme von 10 %. Wenn man das mit den Kommunen vergleicht, so haben die im gleichen Zeitraum 101 Millionen DM dazu bekommen, was nur einer Steigerung von 1 % entspricht.
Die Ausgaben des Landes lagen in den gleichen Jahren erheblich über den Einnahmen. Wenn man bedenkt, dass das Land 1995 1,343 Milliarden DM mehr ausgegeben hat, als es eingenommen hat, und das Gleiche 1996 mit 1,653 Milliarden DM bis heute, im Jahr 2000, mit rund 1 Milliarde DM tut, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, dass die Verschuldung des Landes so rapide nach oben geht, nämlich 1990 mit rund 20 Milliarden DM auf bis zu 32,5 Milliarden DM 2001. Wohin soll das noch gehen? Zu verkaufen oder zu versilbern, Herr Finanzminister, haben wir nicht mehr viel. Deswegen müssen wir aufpassen, dass die Verschuldung nicht weiter zunimmt.
Auch die Ziele, die sich die Landesregierung gesetzt hat - es sind drei -, hat sie nicht erreicht. Sie hat nicht erreicht, die Nettokreditaufnahme auf 800 Millionen DM zu begrenzen; sie hat nicht erreicht, die Nettoausgaben auf eine Steigerung von 1,5 % zu begrenzen,