Wir kommen jetzt zum Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 15/516. Ist Ausschussüberweisung beantragt?
Wer dann diesem Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der vorliegenden Form seine Zustimmung in der Sache erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und F.D.P. angenommen worden. Dieser Tagesordnungspunkt ist erledigt.
Stärkung und Stabilisierung des Wirtschaftsstandortes, des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme durch ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Schleswig-Holstein
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der Antragsteller erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In diesem Fall spreche ich für mich und meine Fraktion und nicht für Frau Dr. Happach-Kasan.
Ich habe es unter anderem zwei jungen Damen zu verdanken, dass ich mein VWL-Studium erfolgreich abschließen konnte.
Denn gemeinsam räumten wir Stolpersteine wie lineare Algebra und Analysis aus dem Weg und gemeinsam machten wir unser Examen - eine Türkin, eine Griechin und ein Deutscher. Was mittlerweile aus mir geworden ist, wissen Sie ja.
Aus den anderen beiden - vielleicht findet das ja eher Ihre Zustimmung - sind mittlerweile erfolgreiche Geschäftsfrauen geworden. Die eine übernahm den elterlichen Betrieb mit acht - überwiegend deutschen Angestellten und die andere ist Marketingleiterin eines pharmazeutischen Unternehmens.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, „Na und?“, mag jetzt die eine oder der andere von Ihnen sagen, „So etwas ist doch heute selbstverständlich“. Vielleicht ist es aber gerade diese Selbstverständlichkeit, warum dieser Aspekt in der gegenwärtigen Auseinandersetzung um die Zukunft des Einwanderungslandes Deutschland nach meiner Auffassung viel zu wenig Beachtung findet.
Das ändert überhaupt nichts daran, dass Solidarität und Zivilcourage von uns allen gefordert ist, wenn es darum geht, Ewiggestrigen die rote Karte zu zeigen.
Wir müssen uns aber vorsehen, dass in der gegenwärtigen Auseinandersetzung nicht der Eindruck entsteht, wir würden unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger auf die Rolle des Opfers rechtsradikaler Gewalt in unserem Land reduzieren.
Wir dürfen nicht zulassen, dass mehr über die ebenso dümmlichen wie platten Parolen brauner Glatzen gesprochen wird als über die Leistungen ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserem Land.
Und all jenen, die sich still und heimlich mit den braunen Parolen identifizieren sage ich: Angst um Arbeitsund Ausbildungsplätze, Angst um die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme müssten wir erst Recht haben, wenn kein Ausländer mehr bereit wäre, ein Unternehmen in Deutschland zu gründen, wenn kein Ausländer mehr seinen Beitrag zu den Sozialversicherungssystemen leisten würde, wenn kein Ausländer mehr Steuern zahlen würde.
aber: Warum sollte ein Ausländer bereit sein, hier bei uns sein Wissen, seine Arbeitskraft und sein Geld in den Aufbau eines Unternehmens zu investieren und damit Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu schaffen, wenn er Angst um sein Leben oder das seiner Familie haben muss?
Das Engagement, die Risikobereitschaft und der Ideenreichtum ausländischer Arbeitgeber wie Arbeitnehmer haben in der Vergangenheit unser Land bereichert, haben aktiv zu unserem heute erreichten Wohlstand beigetragen und das soll und muss in Zukunft auch so bleiben.
Die Feststellung, es geht gar nicht ohne den Beitrag ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger, ist hierbei aber nur eine Seite derselben Medaille. Auf der anderen muss das unmissverständliche Bekenntnis stehen: Wir wollen es auch gar nicht anders! Das, was heute Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur unseres Landes ausmachen und worauf wir zu Recht stolz sein können, wurde bereits seit Jahrzehnten von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern mitgeprägt und weiterentwickelt.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, lassen Sie uns deshalb das an und für sich Selbstverständliche in die aktuelle Auseinandersetzung einbeziehen: Noch so lautes Gegröle von rechts kann und wird nicht übertönen, welchen Beitrag ausländische Mitbürger für unsere Gemeinschaft in der Vergangenheit geleistet haben, heute leisten und auch in Zukunft leisten werden.
(Beifall der Abgeordneten Klaus-Dieter Müller [SPD], Günter Neugebauer [SPD] und Anke Spoorendonk [SSW])
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion, ob Deutschland nun ein Einwanderungsland ist oder nicht, könnte zweifellos versachlicht werden, wenn sich alle Beteiligten schlicht an den Tatsachen orientieren würden, die für jedermann nachvollziehbar sind. Dazu zählen in erster Linie die ökonomischen und sozialen Daten über die Erwerbstätigkeit der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger und damit die Bedeutung, die die hier lebenden Ausländer für die deutsche Wirtschaft und die sozialen Systeme inzwischen haben.
Um über die Faktenlage ein aktuelles Bild zu bekommen, ist der F.D.P.-Antrag sicherlich hilfreich und findet deshalb auch unsere Unterstützung. Er findet vor allem deshalb unsere Zustimmung, weil mit den Ergebnissen des Berichts - ohne hier im Einzelnen vorgreifen zu wollen - mit ebenso hartnäckigen wie falschen Vorurteilen aufgeräumt werden kann, die gerade im Dunstkreis der rechten Szene gepflegt werden.
Ich kann es zumindest nachvollziehen, wenn sich verunsicherte Jugendliche - die nicht sicher sein können, ob sie eine Lehrstelle und anschließend einen Job bekommen - von der These beeindrucken lassen, die Ausländer würden ihnen ihre Jobs wegnehmen. Natürlich lässt sich diese Behauptung durch nichts belegen. Im Gegenteil, das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kommt zu dem Ergebnis, dass die Formel „Weniger Ausländer gleich mehr Jobs“ nicht aufgeht. So werden rund drei Viertel der Arbeitsgenehmigungen für Ausländer erteilt, weil sich bevorrechtigte Arbeitnehmer, also Deutsche oder Bürger aus Ländern der EU, für diese Tätigkeiten nicht finden lassen. Bei den restlichen handelt es sich zu einem großen Teil um Saisonkräfte, beispielsweise um Erntehelfer, die - wie man aus diversen Berichten in der Zeitungen und im Fernsehen weiß - auch nicht gerade den Deutschen die Jobs streitig machen.
Wenn man darüber hinaus bedenkt, dass in der Zwischenzeit rund 200.000 Ausländer in Deutschland selbstständig sind und Arbeitsplätze schaffen, und zwar nicht nur für Ausländer, sondern in der Mehrzahl für Deutsche, dann wird klar: Per Saldo ist der Beschäftigungseffekt positiv. Klarheit darüber dürfte der Bericht liefern, um den es hier geht.
Anders ausgedrückt: Die Ausländer in Deutschland machen den Deutschen keine Arbeitsplätze streitig. Sie schaffen auch Arbeitsplätze und liefern somit - als unselbstständig Beschäftigte und als Selbstständige ihren Beitrag zum wirtschaftlichen Ergebnis und na
So viel steht auch fest: Der wirtschaftliche Beitrag, den die hier lebenden Ausländer leisten, ist nicht mehr wegzudenken. Am wenigsten können sich das übrigens die Unternehmen vorstellen. Eine Erhebung des arbeitgebernahen Instituts für Wirtschaftsforschung kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass es der Wirtschaft ohne ausländische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wesentlich schlechter gehen würde. Die Analyse des Instituts kommt deshalb klipp und klar zu dem Ergebnis, dass sich Deutschland um Einwanderer bemühen soll. Man muss sich das klar machen: Ohne Zuwanderung würden unsere sozialen Systeme unter einen enormen Druck geraten.
Man muss sich auch klar machen: Die Alternative zur Einwanderung heißt für die Deutschen unweigerlich, die Lebensarbeitszeit verlängern zu müssen. Das sollten diejenigen bedenken, die eine Volksabstimmung darüber fordern. Auf dem Stimmzettel müsste nämlich stehen: Wollen Sie, dass Deutschland zum Einwandererland wird, was es de facto schon ist, oder wollen Sie in den nächsten Jahren länger arbeiten, damit wir unser soziales System finanziert kriegen und damit der wirtschaftliche Beitrag erarbeitet wird, den die ausländischen Mitbürger bei uns leisten?
In Schleswig-Holstein leben knapp 150.000 Ausländer; das sind etwas mehr als 5 % der Gesamtbevölkerung. Damit liegt Schleswig-Holstein etwas unter dem Bundesdurchschnitt, den das Statistische Bundesamt mit etwas mehr als 9 % angibt. Bei uns sind knapp 35.000 Ausländerinnen und Ausländer sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Wir sollten uns klar machen: Ohne die Arbeit der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ginge es uns nicht besser, sondern schlechter. Was ebenso wichtig ist: Wir sollten diese Erkenntnis nicht für uns behalten, sondern wir sollten vor allem auch den ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern sagen, dass wir sie, dass wir ihre Arbeit und ihren Beitrag zum Gemeinwohl sehr zu schätzen wissen.