In Anbetracht des desolaten Zustandes der schleswigholsteinischen Landesfinanzen fällt es mir schwer, mich zu diesem realitätsfernen Vorschlag freundlich zu äußern,
insbesondere angesichts des Stricks, den diese Landesregierung bereits jetzt den Hochschulen um den Hals gelegt hat.
Spätestens die gestrige Demonstration war doch Beweis genug, dass es so nicht weitergehen kann und dass wir hier nicht überflüssige Institutionen ansiedeln müssen, die es längst gibt.
Ich fordere Sie deshalb auf, dem Vorschlag der CDUFraktion zu folgen, der eine vermehrte Teilhabe der wissenschaftlichen Institutionen unseres Landes an den Technikfolgeerkenntnissen bundesweiter Institute zum Inhalt hat. Hier muss wirklich nicht jeder vor sich hinforschen, sondern kann angesichts der immens knappen Mittel im Hochschulbereich vom anderen profitieren. Die wirklich wissenschaftlich orientierten Institute in Schleswig-Holstein tun dies längst. Ihr Antrag rennt längst offene Türen ein!
Die Regierungsfraktionen bedienen sich zur Untermauerung dieses Antrags der Voten der Enquetekommission.
Das ist stark. Die Voten der Kommission wurden 1998 erarbeitet und 1999 zu Papier gebracht. Damals ahnten die Mitglieder der Kommission wohl noch nicht, welche Drangsalierungen durch die Landesregierung auf die Hochschulen zukommen würden.
Wenn Sie es so ernst mit der Kommission meinen, weshalb greifen Sie dann nicht auch andere Empfehlungen auf, Herr Weber? Was ist zum Beispiel aus der Professur für Molekularbiologie geworden, die die Kommission empfohlen hat? Welchen Sachstand gibt es hier? Läuft ein Berufungsverfahren? Das können wir dann ja im Ausschuss besprechen.
Ohne Zweifel ist eine Bewertung der Risiken der Gentechnik notwendig. Doch dies darf nicht die einzige Seite der Betrachtung sein. Über die Chancen wird in Schleswig-Holstein fast gar nicht oder nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen oder der Wirtschaftsminister tut dies bei Firmenbesuchen. Deshalb ist es notwendig, die Forschung in diesem Bereich massiv zu unterstützen, damit wir nicht von der Entwicklung in anderen Bundesländern abgekoppelt werden, geschweige denn in anderen Ländern.
Der Kollege Garg hat vorhin sehr deutlich gemacht, dass man bei diesem Wettlauf total zurückfallen kann, wenn man nicht endlich in die Puschen kommt.
Wir appellieren deshalb in unserem Antrag an das hohe Haus, die Technikfolgenabschätzung unter dem Aspekt der Kostenminimierung zu bearbeiten, die Chancen dieser Technik aber unter dem Aspekt der Nutzenmaximierung voranzubringen. Dazu gehört die entschlossene Förderung der Forschung auf allen Gebieten, wie sie im Antrag der F.D.P. verlangt wird, dem wir zustimmen werden. Jetzt ist aber offensichtlich Ausschussüberweisung beantragt worden.
Zum verantwortlichen Umgang mit der Gentechnologie gehört aber auch, dass die Ängste, die in der Bevölkerung ohne Zweifel vorhanden sind, ernst genommen und entkräftet werden. Das kann nur über eine offene Diskussion auf allen Ebenen geschehen, auf denen das Thema immer wieder angesprochen und auf den Punkt gebracht wird. Dazu brauchen wir auch eindeutige Stellungnahmen von höchsten Entscheidungsträgern in der Politik.
Noch ein Beispiel für die vorausschauende Politik der CDU, Herr Weber! Die Regierung Kohl hat in den 90er-Jahren die Diskussion um die Gentechnologie wieder belebt. Sie hat 1990 ein Gentechnikgesetz auf den Weg gebracht, an dem sich viele Menschen orientieren konnten. Aus dieser Zeit stammt auch der BioRegio-Wettbewerb, der in der Bundesrepublik bei den Bürgen für eine enorme Akzeptanz der Bio- und Gentechnologie gesorgt hat. In Schleswig-Holstein kam man nur sehr mühevoll und unter riesigen Bedenken in die Puschen und kam dann bei dem Wettbewerb auch zu spät.
Was aber macht Bundeskanzler Schröder? - Wie immer verfährt er nach einem kräftigen „Sowohl-alsAuch“. In seiner Rede zum Expo-Projekt Pflanzenzüchtung im Juni dieses Jahres lobte er die wirtschaftliche Dynamik, die von der Bio- und Gentechnologie ausgeht, über den grünen Klee, äußerte sich freundlich über das gemeinsame Förderprogramm zur Erforschung der pflanzlichen Genome, forderte dann ein Forschungs- und Beobachtungsprogramm für den Bereich der grünen Gentechnik - natürlich auf freiwilliger Basis -, um anschließend die Betriebe aufzufordern, während der Dauer dieses Programms, also für mehrere Jahre, den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zurückzustellen. Ist das politische Führung, meine Damen und Herren?
Es ist eine neue Auflage des üblichen Debattierclubs von Rot-Grün, der ständig mit dem Satz endet: „Wir
Durch ein solches Verhalten werden die Menschen, die in unserem Land in der Gentechnologie forschen und vermarktungsfähige Produkte entwickelt haben, mutlos. Sie werden richtig mutlos. Gehen Sie einmal in die Labore und Institute und reden Sie mit ihnen.
Das betrifft die Wissenschaftler, die in andere Länder abwandern, in denen Forschung weniger behindert wird als bei uns. Es droht damit ein Kompetenzverlust, der sich später nicht mit Greencards lösen lässt. Es betrifft aber auch die Betriebe, die fertig entwickelte Produkte in jahrelangen Verfahren nicht genehmigt bekommen und schon jetzt einen Teil ihrer Produktion ins Ausland verlagert haben. Das wurde am 9. Oktober auf unserer Veranstaltung zur grünen Gentechnik hier im Landeshaus mehr als deutlich.
Es ist notwendig, der Gentechnologie eine dauerhafte Perspektive zu geben, damit hier weiter geforscht werden kann. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, über die Bundesregierung auf die Gremien der EU einzuwirken, möglichst zügig neue Regeln für die Risikoprüfung und Genehmigung von gentechnisch veränderten Organismen zu erlassen. Seit der Blockade der Zulassungsverfahren 1998, also vor rund zweieinhalb Jahren, bewegt sich innerhalb der EU in diesem Bereich nichts mehr. Entsprechend sind auch die Zulassungsverfahren in der Bundesrepublik gestoppt. Nach meiner Information ist die Industrie bereit, auch strengere Zulassungsvorschriften in Bezug auf Freisetzungen zu akzeptieren, wenn es damit endlich Rechtssicherheit und Transparenz gibt.
Es dürfte also Kanzler Schröder nicht schwerfallen, hier aktiv zu werden, damit die von ihm beschworene Wachstumsdynamik der Bio- und Gentechnologie wirklich wirksam werden kann.
Meine Damen und Herren, wir wollten unseren Antrag alternativ zum Antrag der SPD stellen. Da aber der Kollege Weber Ausschussüberweisung für alle drei Anträge beantragt hat, stimmen wir dem zu und freuen uns auf die Fortsetzung der Diskussion im Ausschuss.
Für die eben kurz zuvor erkrankte Frau Abgeordnete Fröhlich erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum Technikfolgenabschätzung? - Gentechnologie ist eine Risikotechnologie. Die Stufe 3 der Gentechnologie erfordert Räume, die ständig im Unterdruck gehalten werden, damit sichergestellt ist, dass keinerlei Material aus diesen Räumen nach außen dringen kann. Sie erfordert Schleusen, durch die die Arbeiter oder Wissenschaftler diese Räume betreten. Sie erfordert eine Verbrennung sämtlicher Materialien, die herauskommen, damit gewährleistet ist, dass keinerlei organische Substanz übrig bleibt.
Diese Sicherheitsbestimmungen, die sicherlich nicht umsonst geschaffen worden sind, machen deutlich, dass wir es hierbei mit einer Technologie zu tun haben, die unserer Aufmerksamkeit bedarf. Bei der Freisetzung von organischen Materialien ist es nicht wie bei chemischen Materialien, dass sie sich irgendwann einmal ablagern; vielmehr bedeutet Freisetzung von organischen Materialien die Freisetzung von Lebewesen, die sich weiter vermehren können. Das heißt, es besteht die Gefahr, dass Giftstoffe, Bakterien, Viren und Ähnliches produziert werden, die sich selbst weiter vermehren und neue Krankheiten schaffen, möglicherweise sogar Epidemien hervorrufen.
Die Freisetzung von Lebewesen in der Landwirtschaft bedeutet, dass wir künstliche Lebewesen produzieren, die als Pflanzen oder Tiere in Konkurrenz zu bestehenden Arten treten und damit verheerende Auswirkungen auf die Biosphäre dieses Planeten haben können. Das sind alles Fakten, mit denen wir uns beschäftigen müssen, wenn wir das Thema Gentechnologie angehen.
Das, was Sie hier vorgetragen haben, Frau SchmitzHübsch, nämlich dass die Gentechnologie in Schleswig-Holstein oder in der Bundesrepublik Deutschland leide, geht völlig an der Realität vorbei; denn es ist sogar umgekehrt. In den letzten Jahren ist es sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der wirtschaftlichen Betätigung zu einem erheblichen Aufschwung gekommen. Darüber hinaus hat sich die harte Front gegen die Gentechnologie von Deutschland in die USA und nach England verlagert. Das heißt, die Situation hat sich völlig verändert, was Sie offensichtlich noch nicht mitbekommen haben.
Ein weiterer Grund dafür, dass wir Technikfolgenabschätzung brauchen, ist die Geschwindigkeit, mit der
mittlerweile der Übergang von der Wissenschaft zur Anwendung stattfindet. Dauerte in früheren Jahrhunderten der Übergang von der Forschung zur Anwendung teilweise Jahrhunderte, mindestens Jahrzehnte, so sind es heute teilweise nur noch wenige Jahre, innerhalb derer ein solcher Übergang stattfindet, und zwar ohne dass genügend geprüft wird, ob das, was in die Praxis eingeführt wird, tatsächlich allen Überprüfungen standhält. Eine Selbstkontrolle der Wirtschaft und eine Selbstkontrolle der Wissenschaft ist aufgrund des Konkurrenzprinzips nicht möglich.
Das sage nicht nur ich, sondern das wird Ihnen jeder Forscher in Borstel sagen, wenn Sie einmal dort hingehen. Ich habe mit denen geredet. Alle sagen: Wir erwarten von der Politik, dass sie uns sagt, wo die Grenzen sind und was getan werden kann und was nicht. Sie können doch nicht von uns erwarten, dass wir unsere eigenen Grenzen beschreiben. Das ist vom System her nicht möglich; das ist systemfremd.
Beispiele für die unzureichende Technikfolgenabschätzung gab es in der Vergangenheit genug. Nehmen wir nur die Contergan-Fälle; Tausende von Kindern sind aufgrund eines schlechten Medikaments verkrüppelt geboren worden. Ein weiteres Beispiel ist das FCKW im Hinblick darauf, dass internationale Konferenzen erforderlich werden, um die Produktion einer Chemikalie zu stoppen, die die Atmosphäre unseres Planeten zerstört.
Ein weiteres Beispiel für eine mangelnde Technikfolgenabschätzung ist der Skandal um PVC-Spielzeug. Tausenden von Kindern, die Spielzeug gegessen hatten, mussten die Mägen zerschnitten werden, weil das weiche Plastik im Magen hart geworden war und dann zu entsprechenden Zerstörungen geführt hat.
Ein weiteres Beispiel ist die Atomenergie. Es kostet heute Milliarden, um von dieser Wahnsinnstechnologie wieder herunterzukommen. Dadurch werden Generationen belastet.
Das heißt, Euphorie ist angebracht; denn es geht um neue Chancen. Aber Technikfolgenabschätzung ist notwendig. Kontrollen und Überwachung müssen fallspezifisch sein, Frau Schmitz-Hübsch. Sie können nicht generelle Kontrollen durchführen und sagen: Da gibt es irgendwo Institute, die das machen.