Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute befassen wir uns mit drei Anträgen, die inhaltlich durchaus in einem engen Zusammenhang zu sehen sind: Die F.D.P.-Fraktion setzt sich für eine stärkere Förderung der Gentechnik ein, die CDU-Fraktion ist auch dafür, ist sich aber nicht sicher, ob die Technikfolgenabschätzung auch bei uns stattfinden soll, und SPD und Grüne fordern vor dem Hintergrund der öffentlichen Debatte darüber, ob und in welchem Umfang Gentechnik tolerierbar, akzeptabel oder unverzichtbar ist, eine wissenschaftlich fundierte Technikfolgenabschätzung und -bewertung. Beide Forderungen schließen sich meines Erachtens nicht aus, sie ergänzen sich sogar in bestimmten Bereichen.
Vor dem Hintergrund weit verbreiteten Misstrauens und berechtigter Ängste gegenüber den Folgen einer gentechnischen Manipulation sind wir meines Erachtens moralisch und auch verfassungsrechtlich verpflichtet, Chancen und Risiken der Entwicklung und des Einsatzes von neuen Techniken aufzuzeigen. Nur wenn dies bejaht wird, werden Unternehmen gentechnische Verfahren und Produkte erfolgreich auf dem Markt etablieren können.
Aber heute sind viele Fragen noch ungeklärt. Nehmen wir den Bereich der Landwirtschaft. Was haben wir nicht alles an Versprechen gehört? Der Hunger in der Welt würde bekämpft, die Verwendung von Pestiziden in der traditionellen Landwirtschaft würde drastisch sinken - und das alles ohne Nebenwirkungen.
Was ist aus den Versprechungen geworden? Nein, die Erträge genmanipulierter Sorten sind nicht grundsätzlich höher. Sie sind oft sogar niedriger als bei natürlichen Pflanzensorten.
Durch Übertragung der Herbizidresistenz von der Ackerpflanze auf Wildkräuter musste der Spritzmitteleinsatz häufig sogar erhöht werden. Und nützliche Raubinsekten wie die Florfliege zum Beispiel starben an Maiszünslern, die wiederum an genetisch verändertem Mais geknabbert hatten. Sie sehen, ohne eine Technikfolgenabschätzung lebt man riskant.
(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW sowie der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD] und Konrad Nabel [SPD])
Aber die Verwendung neuer Technologien im offenen Bereich darf nicht zulasten Dritter gehen, zumal wenn der Nutzen der so genannten grünen Gentechnik ökonomisch und ökologisch offen und fragwürdig ist.
In diesem Bereich sind die Kriterien der Rückholbarkeit und des vorsorgenden Verbraucherschutzes zu beachten. Ferner müssen Landwirte vor dem ungewollten Eintrag von Transgenen aus benachbarten Freisetzungsfeldern geschützt werden. Denken Sie in diesem Zusammenhang an die Diskussion über den Import von mit Transgenen kontaminiertem Saatgut, der uns hier vor der Sommerpause beschäftigt hat. Oder nehmen Sie den Bereich der Humangenetik. Früher als erwartet ist die Sequenzierung des menschlichen Erbgutes abgeschlossen worden. Die Möglichkeit, Informationen über individuelle Erbinformationen zu erhalten, rückt in greifbare Nähe. Dürfen wir etwas also schon tun, nur weil wir es schon tun können? Ohne weiteres muss man dies mit Nein beantworten.
Wer möchte und wer darf Informationen über Gene bekommen? Was geschieht, wenn die Keimbahntherapie technisch ausreichend gut funktioniert? Zu welchen Zwecken und Zielen werden hier Begehrlichkeiten geweckt? Das ist nur ein Bruchteil der Fragen, die diskutiert werden müssen, um einen möglichst breiten Konsens zu erreichen. Diese und andere Fragen sollen in Verbindung mit der weiteren Entwicklung der Gentechnik immer wieder gestellt und diskutiert werden. Karl-Martin Hentschel hat darauf hingewiesen, dass in Großbritannien oder in den USA die Unternehmen, die hier Vorreiter waren, heute bereits erhebliche Schwierigkeiten auch gerade finanzieller Natur haben.
Wie bereits im Bericht der Enquetekommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ ausgeführt, wird eine fundierte Technikfolgenabschätzung dazu beitragen, Entscheidungsgrundlagen zu verbessern und darüber hinaus alternative Entwicklungen und Handlungsoptionen aufzuzeigen. So können gen- und biotechnologische Verfahren nicht nur bezüglich der Wirkung auf Mensch und Umwelt, sondern auch auf langfristige ökologische und soziale Folgen untersucht werden. Entwicklungsalternativen können aufgezeigt werden, um Handlungsoptionen zu schaffen und so eine Entscheidungsgrundlage für Wirtschaft und Politik zu bieten.
Gestatten Sie mir abschließend den Hinweis auf ein praktisches Beispiel aus dem Umweltschutz, wo die Landesregierung den Forderungen der F.D.P. bereits einen Schritt voraus ist. Das Umweltministerium hat im Ad-hoc-Arbeitskreis der Störfallkommission den Vorsitz, in der Substitutionspotenziale aus bio- und gentechnischen Verfahren für so genannte harte Chemieverfahren ermittelt werden sollen. Es soll festge
stellt werden, ob Verfahrensbedingungen aus dem Hochtemperaturbereich - also über 1.000 Grad Celsius - auf sanfte Verfahrensbereiche herunterskaliert werden können. Dies ist im Übrigen auch eine Art zu deregulieren, denn diese Verfahren fallen dann aus dem Katalog der Seveso II-Anlagen heraus. Mit anderen Worten: Bei Erhalt der Umweltstandards werden Verfahren in Schleswig-Holstein beschleunigt. Sie sehen, wir haben uns bereits auf den Weg gemacht und freuen uns hier über die Unterstützung aus dem Landtag.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Präsident Heinz-Werner Arens übernimmt den Vorsitz)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ergänzend zu dem, was mein Kollege Klaus Müller gesagt hat, noch fünf Anmerkungen zu dieser Debatte machen.
Erstens. Wir sind uns einig, dass die Bio- und Gentechnologie eine der großen Schlüsseltechnologien dieser und der nächsten Jahre ist.
Sie eröffnet erhebliche Potenziale für die Zukunft. Herr Dr. Garg, man muss fairerweise sagen, der „Economist“ spricht ganz bewusst von Bio- und Gentechnologie - von genetic- and biotechnology. Sie sind nicht hundertprozentig identisch. Schleswig-Holstein hat auch und gerade Chancen in einer Biotechnologie, die auch außerhalb der Gentechnologie liegen, was aber nicht unbedingt heißt, dass wir die Gentechnologie ausschließen.
Zweitens. Es wurde behauptet, Schleswig-Holstein liege im Wettbewerb der Bio- und Gentechnologiestandorte zurück. Wenn man das nur am Standort München misst, mag das so sein. Wenn man aber berücksichtigt, was im Moment passiert - manchmal wäre ich Ihnen dankbar, meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie bei einigen Veranstaltungen dabei wären, die wir in den letzten Monaten geführt haben -
Wir haben in den letzten Monaten bei Veranstaltungen der community der Bio- und Gentechnologieunternehmen - ich selbst war bei mindestens vier Veranstaltun
gen dabei - eine Aufbruchstimmung gespürt, die zwar von einer vergleichbar geringen Basis kommt, aber ein erhebliches Dynamiktempo enthält. Ich erinnere daran, dass die BioInitiative Nord - die Bio Nord - bereits eine Reihe gemeinsamer Maßnahmen mit Hamburg auf den Weg gebracht hat. Wir haben 17 Neugründungen, 10 sind im Moment in der Pipeline.
- Nehmen Sie doch einmal diese Zahl 17. Ist das denn nichts? Und 10 sind in der Pipeline, Herr Dr. Garg!
Wir haben eine community gegründet - Bay to Bio ich würde mich freuen, wenn Sie daran einmal teilnehmen würden -
Bay to Bio ist eine wichtige Einrichtung, um gerade diese Aufbruchstimmung, die wir im Moment haben, gemeinsam zu unterstützen. Dort entstehen neue Gemeinschaftsprojekte und ein neuer Ansatz für die Bereitstellung von Risikokapital für diesen Bereich. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Außerdem - das haben wir mehrfach gesagt - ist die Landesregierung dabei, drei Schwerpunktbereiche in Schleswig-Holstein einzurichten, in Lübeck, in Kiel und in Borstel, und zwar sowohl im Forschungs- und Kompetenzbereich - das wird ausgebaut - als auch in den Gründungszentren, die wir in den drei Bereichen haben.
Drittens. Es wurde zu Recht gesagt, wir sollten diese Dinge stärker in die Öffentlichkeit transportieren. Das ist völlig richtig. Das sind die Veranstaltungen, die ich eben genannt habe. Für eine öffentliche Diskussion brauchen wir auch eine Risikodiskussion. Machen wir uns doch nichts vor! Wenn wir die Chancen nutzen wollen, müssen wir mit der Bevölkerung und mit den Anwendern auch über die Risiken sprechen, anders bekommen wir keine positive Debatte.
(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Heiner Garg [F.D.P.] - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Aber nicht nur, Herr Mini- ster!)
- Sie haben das nicht so klar gesagt. Von „nur“ kann überhaupt nicht die Rede sein. Das habe ich deutlich gesagt. Mein Kollege Klaus Müller hat das auch nicht anders gesagt.
Viertens. Ich möchte darauf eingehen, dass wir nicht so sehr über die Risiken sprechen sollten, Frau Schmitz-Hübsch, sondern mehr über die Chancen. Ich habe deutlich gemacht, dass wir Chancen haben. Ich wiederhole aber: Wenn wir die Chancen nutzen wollen, müssen wir mit den Risiken offen umgehen. Das gilt gerade für die grüne Biotechnologie. Wir haben dafür auch gute Chancen.
Fünftens - das ist der entscheidende Punkt -: Technologiefolgenabschätzung Richtig ist, dass wir eine solche Technologiefolgenabschätzung auch in Schleswig-Holstein brauchen. Das heißt nicht, dass wir in Schleswig-Holstein eine Doppelforschung betreiben wollen. Das, was anderswo gemacht wurde, werden wir auch hier nutzen. In Hamburg gibt es zum Beispiel eine sehr profilierte Einrichtung an der Universität Sie werden sie kennen -, BIOGUM, wo es ein hohes Forschungspotenzial in diesem Bereich gibt.
Natürlich müssen wir uns mit ihnen zusammentun. Natürlich werden wir keine Doppelkapazitäten aufbauen. Es gehört jedoch zu einem Netzwerk, dass bestimmte Dinge, die sich auf schleswig-holsteinische Projekte beziehen, auch hier in Schleswig-Holstein mit einer Abschätzung begleitet werden. In anderen Fragen bedienen wir uns des Sachverstandes von Universitäten aus Nord- und Süddeutschland sowie aus Hamburg. Das ist mit diesem Antrag doch gar nicht ausgeschlossen. Wir sagen doch nur, dass wir auch in Schleswig-Holstein so etwas brauchen.
Ich fasse zusammen: Wir sind gut beraten, wenn wir dieses Thema - zumindest jetzt nicht mehr - nicht zu einem Streitthema machen, sondern gemeinsam feststellen, dass wir Chancen haben. Wenn wir diese Chancen nutzen wollen, dann müssen wir eine öffentliche Diskussion - auch über die Risiken - führen. Wir müssen auch in Schleswig-Holstein entsprechende Kapazitäten haben. Über den Umfang dieser Kapazitäten sollten wir im Ausschuss diskutieren.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, damit schließe ich die Beratung. Es wurde beantragt, alle drei Anträge federführend an den Wirtschaftsausschuss und zur Mitberatung an den Umweltausschuss zu überweisen. Wer so verfahren will, den bitte ich um