Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Antrag der Fraktion der F.D.P. Drucksache 15/387

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Herr Abgeordneter Kubicki hat das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die große Ehre, bei diesem Thema Frau Dr. Happach-Kasan zu vertreten. Diese Ehre nehme ich mit besonderer Freude an.

(Günter Neugebauer [SPD]: Wir lieben aber die Originale!)

- Kollege Neugebauer, dass Sie das Original lieben, wusste ich bisher noch gar nicht. Ich werde das weitergeben. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die schleswig-holsteinische Landwirtschaft Spitze.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Die Hektarerträge und Betriebsergebnisse brauchen keinen Vergleich mit anderen Bundesländern zu scheuen, obwohl die natürlichen Gegebenheiten unseres Landes dies nicht vermuten lassen würden. Die Landwirtschaftskammer leistet mit ihren Dienstleistungen einen wesentlichen Beitrag zu diesem Erfolg. Sie berät ihre Mitglieder, sie ist Trägerin der beruflichen Bildung, ihr obliegt das Versuchswesen und sie unterstützt die schleswig-holsteinischen Landwirte bei der überregionalen Vermarktung ihrer Produkte.

Diese Dienstleistungen - seien es Aufgaben der Selbstverwaltung oder Weisungsaufgaben - sind eine der Grundlagen für den Erfolg der schleswigholsteinischen Landwirtschaft. Die Mitglieder der Landwirtschaftskammer sind mit diesen Leistungen zufrieden. Wie eine Umfrage ergab, ist für sie noch nicht einmal die - zugegeben unliberale - Zwangsmitgliedschaft ein Problem. Es scheint mir allerdings so, als wären die Erfolge dieses Selbstverwaltungsgremiums der Landesregierung ein Dorn im Auge. Wie sonst sollen wir die Taten der Landesregierung interpretieren? Seit Jahren handelt die Landesregierung rechtswidrig. Die finanziellen Zuschüsse des Landes liegen seit Jahren unter den gesetzlichen Vorgaben. Staatssekretär von Plüskow hat dies am 9. Oktober in der gemeinsamen Sitzung von Finanz- und Agrarausschuss zum Haushalt 2001 unbekümmert zugegeben.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Ungeheuerlich!)

- Herr Dr. Garg, ich sehe, Sie kennen die Rede schon. Das ist eigentlich eine Ungeheuerlichkeit.

(Heiterkeit)

Ein Mitglied der Landesregierung bemerkt beiläufig, dass wissentlich gegen ein Gesetz verstoßen wird. Aber es geht ja um Geld - und beim Finanzgebaren der Landesregierung wundert mich schon lange gar nichts mehr. Frau Ministerin, die Landesregierung verspricht Abhilfe. Kurz gesagt, das Landwirtschaftskammergesetz soll an die Zahlungsmoral der Landesregierung angepasst werden. Wenn das Schule machen sollte, na dann Gute Nacht Schleswig-Holstein!

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

- Ich sehe, dass der Kollege Ehlers auch bei geschlossenem Fenster klatscht. Das freut mich sehr.

(Heiterkeit)

Die Befugnisse und Aufgaben der Landwirtschaftskammer sollen eingeschränkt werden. An ihre Stelle soll die öffentliche Verwaltung treten. Hierzu möchte ich sinngemäß aus dem Abschlussbericht der Enquetekommission zur Verbesserung der Effizienz der öffentlichen Verwaltung vom 2. November 1994 zitieren:

„Die Übertragung der landwirtschaftsbezogenen Aufgaben der Umweltämter und Ämter für Land- und Wasserwirtschaft könnte ohne Effektivitäts- und Effizienzverluste an die Landwirtschaftskammer erfolgen.“

Besonders interessant ist dabei, dass Frau Landwirtschaftsministerin Franzen damals Mitglied der Kommission war und diese Empfehlung ohne erkennbaren Widerspruch mitgetragen hat. Frau Ministerin, ich frage Sie: Woher kommt Ihr plötzlicher Sinneswandel? Liegt es vielleicht daran, dass Sie Ihrem Koalitionspartner ein Stück entgegenkommen möchten oder müssen, oder gibt es sachliche Gründe? Neue sachliche Gründe für die positiven Wirkungen der Verstümmelung der Selbstverwaltung der Landwirtschaft sind mir jedenfalls nicht bekannt. Sie sind übrigens auch nicht dem Präsidenten des Landesrechnungshofs bekannt. Er hat in der eben schon genannten Ausschusssitzung mit Bezug auf die Ergebnisse der Enquetekommission ausdrücklich davor gewarnt, der öffentlichen Verwaltung Aufgaben der Landwirtschaftskammer zu übertragen. Dies wäre der Effizienz der öffentlichen Verwaltung abträglich. Wenn sich die Landesregierung mit ihren Vorstellungen durchsetzt, wird sie der

(Wolfgang Kubicki)

schleswig-holsteinischen Landwirtschaft - und damit dem Land - einen Bärendienst erweisen.

(Beifall bei der F.D.P.)

- Das Protokoll vermerkt jetzt keinen Beifall des Kollegen Ehlers! - Um dies zu verhindern, fordert die F.D.P. im Interesse des Landes, die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaftskammer zu erhalten. Bei der parteiübergreifend als notwendig erachteten Reform des Landwirtschaftskammergesetzes ist deshalb darauf zu achten, dass der Umfang der Aufgaben der Kammer mindestens erhalten oder sogar im Sinne der Enquetekommission vergrößert wird und dass die Landwirtschaftskammer hinreichend finanzielle Mittel erhält, um ihre Aufgaben für ihre Mitglieder und für das Land zu erfüllen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

In diesem Sinne hat die F.D.P.-Fraktion für das Haushaltsjahr 2001 eine Erhöhung des Landeszuschusses an die Landwirtschaftskammer - wie es der Gesetzeslage entspricht - um 2 Millionen DM gefordert. Ich bitte Sie, den F.D.P.-Antrag an den Agrarausschuss zu überweisen.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Herr Abgeordneter Wodarz hat das Wort.

(Zurufe von der SPD)

- Der will nicht reden. - Frau Abgeordnete Kruse hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erhalt und Leistungsfähigkeit der Landwirtschaftskammer sind - wie ich unschwer feststellen konnte - in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand der Beratungen des Schleswig-Holsteinischen Landtags gewesen. Bereits 1996 bemerkte der Kollege Jensen-Nissen in einem Beitrag richtigerweise, dass „es richtig ist, dass in einer Zeit wie der unsrigen gespart werden muss, und dass es ebenso richtig ist, dass wir gemeinsam über die Veränderungen in der Landwirtschaftskammer nachdenken müssen und dass dazu ein ständiger Anpassungs- und Lernprozess erforderlich ist“.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alles, was er damals gesagt hat, ist auch heute noch richtig. Ich stimme dem zu. Wir stehen hier und heute vor dem gleichen Problem. Das Problem heißt nach wie vor:

(Günter Neugebauer [SPD]: Kubicki! - Hei- terkeit)

Die Aufgaben der Landwirtschaftskammer sollen klar definiert werden, denn das Gesetz über die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holsteins von 1997 regelt die Aufgaben nur in allgemeiner Form. Es sollen die in der Landwirtschaft - also Gartenbau, Obstbau, Forstwirtschaft, Imkerei und Fischerei - tätigen Personen fachlich gefördert, betreut und beraten werden. Ausdrücklich benannte Aufgaben sind die Erstellung von Gutachten für Behörden und Gerichte sowie die Erstellung von Vorschlägen für ehrenamtliche Richter für die in Landwirtschaftssachen zuständigen Gerichte und für Mitglieder von Schiedsgerichten sowie Anerkennung und Vereidigung von Sachverständigen. Diese Aufgaben können in Weisungsaufgaben, Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen gegliedert werden. In allen bisher geführten Diskussionen werden die Tätigkeiten der Landwirtschaftskammer oftmals als gesetzlich bezeichnet. Diese Tätigkeiten halten der Definition nicht immer stand und werden nicht von allen Beteiligten gleichermaßen definiert.

Die tatsächlichen gesetzlichen und der Kammer übertragenen Aufgaben des Landes müssten entweder wieder von Landesbehörden erfüllt oder - wenn diese von der Kammer besser erledigt werden können - vom Land entsprechend vergütet werden.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Den letzteren Weg halten wir für den besseren.

(Beifall bei der SPD)

Die öffentlichen Aufgaben der Selbstverwaltung können über Gebühren der Leistungsempfänger und über die Umlage, die übrigens zuletzt im Jahr 1988 angepasst wurde, finanziert werden. In Einzelfällen sollte eine befristete Mitfinanzierung möglich bleiben. Letztlich sollten die marktgängigen Leistungen, für die auch Wettbewerb besteht, auch nach marktgängigen Preisen honoriert werden.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal ausdrücklich betonen: Niemand von uns ist an einer Auflösung der Landwirtschaftskammer interessiert.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Gut!)

Wir bekennen uns ganz klar zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaftskammer.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Brita Schmitz-Hübsch [CDU] und Wolfgang Ku- bicki [F.D.P.])

(Maren Kruse)

Die Landwirtschaftskammer hat selber eine Arbeitsund Lenkungsgruppe eingesetzt und erarbeitet Konzepte auf den Gebieten der gerade vorgetragenen Bereiche. Die Landwirtschaftskammer ist zu konstruktiven Gesprächen bereit. Es gilt, zusammen mit allen Beteiligten eine tragfähige Lösung zu finden und umzusetzen. Eine konstruktive Begleitung vor allem im Hinblick auf Umsetzungen und Zeitablauf können wir an dieser Stelle zusagen.

Ich komme zurück auf die eingangs erwähnten Worte des Kollegen Jensen-Nissen: Lassen Sie uns gemeinsam über notwendige Veränderungen nachdenken!

Dies können wir in Gesprächen mit allen Beteiligten lösen. Dazu bedarf es nicht des Antrages der F.D.P.Fraktion, den wir ablehnen. Wir wollen ergebnisoffene Gespräche führen und nicht vorher alle Punkte festzurren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie mir ausnahmsweise eine Wertung. Ich gratuliere Ihnen zu dieser gelungenen Jungfernrede hier im Parlament.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten JensenNissen.