Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, Herr Minister Rohwer, dass sich die Landesregierung mit dem Verzicht auf die vollständige Dotierung der Werftenhilfe vom Handelsschiffbau bei HDW verabschiedet - ich wiederhole das -, dass sich die Landesregierung vom Handelsschiffbau bei HDW verabschiedet, dieses Signal nach außen gibt und dem neuen Eigentümer Babcock oder der WestLB die Chance gibt, die Verantwortung für den Wegfall des Handelsschiffbaus in Kiel auf die Landespolitik abzuwälzen. Ich wiederhole das deshalb an dieser Stelle - ich habe es im Ausschuss schon einmal gesagt -, damit Sie, Herr Minister Möller, nicht in einem Jahr sagen können, sie seien von der Entwicklung völlig überrascht worden. Die Tatsache, dass Sie Mittel an kleinere Werften geben, heißt nur, dass Sie Mitteldotierung bei HDW streichen; sonst ginge die Rechnung gar nicht auf.

Hoffentlich wissen Sie, was Sie tun, wenn Sie unserem Vorschlag nicht folgen, der ja nichts anderes ausweist als die Möglichkeit, Verpflichtungsermächtigungen in den nächsten Jahren zu realisieren - bei Bedarf.

Wir haben bei der Sozialhilfe, Kollege Hay, gespart, und zwar deutlich mehr als die Landesregierung über ihre Vorschläge in der Nachschiebeliste. Hamburg und Bremen kürzen ihre Sozialhilfeansätze wesentlich stärker als Schleswig-Holstein. Die Begründung der Landesregierung im Finanzausschuss, dass vor allem die Kosten für die Eingliederungshilfe steigen, während die Ausgaben für die Hilfe zum Lebensunterhalt rückläufig seien, vermag uns nicht zu überzeugen, warum es bei uns anders gehen soll als in den anderen Regionen des Bundes. Der gegenläufige Effekt muss ja bei allen in etwa gleich sein.

Ich kann die Begründung der Landesregierung für ihre zögerliche Rücknahme dieses Ausgabetitels nur so deuten, dass sie auch im kommenden Jahr davon ausgeht, dass sich die Wirtschaft im Land im Vergleich mit den anderen norddeutschen Ländern relativ schlechter entwickeln wird. Dies drückt sich dann selbstverständlich nicht nur in einer schlechteren Entwicklung der Steuereinnahmen aus, sondern auch in höheren Zahlungen für die Sozialhilfe.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kann man ein Flächenland mit einem Stadtstaat vergleichen?)

- Auf diesen Einwurf, Kollege Hentschel, von Ihnen habe ich ja gewartet; deshalb habe ich Niedersachsen

ausgespart. Aber wenn Sie nach Niedersachsen gukken, sehen Sie dort den gleichen Effekt. Das ist kein Stadtstaat, sondern ein Flächenland.

(Beifall bei der F.D.P.)

Aber es ist immer schön zu sehen, wie der Kollege Hentschel bei Dingen, die man ihm hinwirft, anbeißt.

(Heiterkeit bei F.D.P. und CDU)

Die F.D.P.-Fraktion war offensichtlich zu optimistisch in der Beurteilung der Situation des Landes.

Gleiches gilt auch für die 10-prozentige Kürzung bei den Beschaffungsund Telekommunikationstiteln. Sollte es durch die zentrale Beschaffung nun zu Einsparungen kommen - das haben wir ja irgendwie festgeschrieben - oder nicht? Wenn ja, warum werden sie dann nicht etatisiert? Wenn nein, warum gibt es denn entgegen der Ankündigung der Landesregierung keine Einsparungen? Haben Sie schon wieder ein Modernisierungsprojekt in den Sand gesetzt?

Dies gilt übrigens auch für die Telekommunikationskosten. Bringt der Generalvertrag mit der Telekom nun etwas oder bringt er nichts?

An diesen Einsparungen müssen auch die Regierungsfraktionen ein Interesse haben, denn ohne Einbußen an Qualität und Quantität können damit die so dringend notwendigen Mehrausgaben für Bildung, Hochschulen und Polizei finanziert werden.

Die Verweigerungshaltung der Regierungsfraktionen wäre nicht so schlimm, wenn sie wenigstens selbst einen Beitrag zu einer klaren Haushalts- und Finanzpolitik geleistet hätten. Die parlamentarische Arbeit kann sich doch nicht in der schlichten Erkenntnis des Kollegen Hentschel erschöpfen, der Landeshaushalt sei versteinert. Der tiefere Sinn der Änderungsanträge von Rot-Grün war und ist nicht erkennbar. Sie schieben 100.000 DM von einem Haushalt in den nächsten, teilweise sogar innerhalb von Titelgruppen, die gegenseitig deckungsfähig sind,

(Heiterkeit bei F.D.P. und CDU)

kürzen bei einigen Beschaffungstiteln um 10 %, bei anderen ohne jede Begründung nicht und rühmen sich, 8 Millionen DM zusätzlich zur Regierung eingespart zu haben. Ich gebe zu, es ist wirklich das erste Mal, dass die Regierungsfraktionen im Ergebnis nicht draufsatteln, aber, Kollege Hay, es macht wirklich nur 0,53 ‰ des Gesamthaushalts aus. 0,53 ‰ mögen ein hervorragender Wert bei einer Alkoholkontrolle sein, im Haushaltsverfahren sind sie es auf keinen Fall.

(Heiterkeit bei F.D.P. und CDU)

(Wolfgang Kubicki)

Von Ihren Änderungsanträgen ging nur eine Botschaft aus: Wir haben uns geeinigt - auf was, ist nebensächlich.

Ich habe mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr lange überlegt, ob ich in der Haushaltsdebatte überhaupt etwas zum Thema Rechtsradikalismus sage. Ich möchte - das habe ich schon mehrfach betont dieses Thema nicht hochreden. Deshalb nur so viel: Im Vergleich zu dem, was die Regierungsfraktionen mit großer Geste für den Kampf gegen Rechts zugesagt haben, sind die realen Haushaltsvorschläge ernüchternd. Welchen verheerenden Eindruck muss es im Land hinterlassen, wenn immer wieder so getan wird, als stünden braune Horden kurz vor der Übernahme des Landes, und gleichzeitig im Haushalt Sümmchen bewegt werden, die zumindest der Beschreibung des Bedrohungspotenzials nicht im Geringsten gerecht werden.

Ich appelliere erneut an alle politisch Verantwortlichen, nicht Erwartungen an die Politik zu wecken, die vor allem finanziell nicht erfüllt werden. Die großen Ankündigungen und die kleinen Folgen machen Politik gerade im Kampf gegen Rechts nicht glaubwürdiger.

(Beifall bei der F.D.P.)

Ich sage es an dieser Stelle zum wiederholten Male: Der Rechtsstaat ist stark genug, die Auseinandersetzung mit rechten Gewalttätern zu bestehen. Aber achten wir gemeinsam darauf, dass er nicht an den Anforderungen zugrunde geht, die ihm in guter Absicht - das will ich nicht bestreiten - von der Politik auferlegt werden.

Liebe Kollegen und Kollegen, weder ist der Haushalt des nächsten Jahres für die Bewältigung der Zukunft geeignet, noch hat er eine. Es stimmt: Der Landesregierung bleibt gar keine andere Wahl, als den Kommunen in die Tasche zu greifen, wenn sie diesen Haushalt verfassungskonform verabschieden möchte. Würde sie nicht diesen, sondern einen anderen, auf die Kernaufgaben des Landes beschränkten Haushalt durchsetzen wollen und hätte sie dies schon in der Vergangenheit getan, dann wären solche Verzweiflungstaten sicherlich nicht nötig.

Flickschuster Möller stopft ein Haushaltsloch, indem er ein neues aufreißt. Strukturell hat sich seit Jahren nichts geändert, weil die handelnden Personen nicht willens, möglicherweise aber auch nicht fähig sind, Änderungen herbeizuführen.

Keine der von den Regierungsfraktionen selbst zu zentralen Modernisierungsvorhaben hochstilisierten Aktionen hat etwas gebracht. Am Ende hat alles sogar noch Geld gekostet. Wir wollen über COMPAS nicht reden, wir wollen über die Bemühungen zur Moderni

sierung des Verwaltungsablaufs nicht reden. Allein für die gescheiterten Entbeamtungsbemühungen der Ministerpräsidentin wurden 300 Millionen DM zum Fenster hinaus geworfen, denn weder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter -

(Widerspruch des Abgeordneten Günter Neu- gebauer [SPD])

- Ich finde das sehr vernünftig, Kollege Neugebauer, dass die Steuerzahler des Landes Schleswig-Holstein, dass die Schülerinnen und Schüler des Landes Schleswig-Holstein, dass die Studenten dazu beitragen sollen, die Rentenkassen des Bundes zu sanieren!

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Weder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch der Landeshaushalt hatten und haben einen Vorteil aus dieser Aktion. Was hätten wir mit 300 Millionen DM für dieses Land erreichen können? Ohne den Einstieg in die Entbeamtung hätte das Land den Eingriff in die kommunalen Finanzen niemals vornehmen müssen. Jetzt ist es zu spät.

Die Sünden der Vergangenheit schlagen durch und müssten mit wirklich tief greifenden Maßnahmen bekämpft werden. Hierzu fehlt den Sozialdemokraten, hierzu fehlt der Koalition erkennbar die Kraft. Sie wird im Übrigen auch nicht mehr von Gemeinsamkeiten zusammengehalten, sondern vom Durchhaltewillen und der Angst, ein halbes Jahr, ein Dreivierteljahr nach der Wahl eingestehen zu müssen, ein weiteres Gegeneinanderarbeiten mache keinen Sinn.

Frau Ministerpräsidentin, nicht die Kritik der Opposition, sondern die Politik des Stillstandes und der leeren Phrasen schadet dem Land. Es vergeht Zeit mit Nichtstun, die wir dringend für die Bewältigung der anstehenden Probleme brauchen.

Der Länderfinanzausgleich wird zu allem führen, aber nicht dazu, dass das Land mehr Geld bekommt. Ich erwarte ja gleich ihre freudige Botschaft, dass Sie sagen werden, mit Ihren weit reichenden Forderungen an den Finanzminister Eichel zur hälftigen Finanzierung der Wettbewerbshilfe seien Sie nicht nur auf offene Ohren und offene Herzen, sondern auch auf offene Taschen gestoßen. Denn entscheidend ist nicht, dass man Sie herzlich begrüßt, sondern entscheidend ist, dass Sie von Ihren Reisen nach Berlin auch etwas mitbringen.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Die Konjunktur ist auf einem Wachstumspfad, der sich bestenfalls erhalten, wahrscheinlich aber abschwächen wird. Die Osterweiterung der Europäischen Union

(Wolfgang Kubicki)

wird das Land und seine Bauern vor radikale Umwälzungen stellen. Alle diese Entwicklungen sind absehbar. Wo sind die Antworten dieser Landesregierung? Wo ist die Persönlichkeit, die dieses Land führt? Wo ist die kraftvolle parlamentarische Arbeit zumindest der stärkeren Regierungsfraktion? Zu erkennen ist allenthalben nur Lustlosigkeit, zu hören ist Binnenbefindlichkeit, zu sehen ist nur das Betteln bei anderen, Kollege Neugebauer. Dies ist Wellness auf niedrigstem Niveau und für ein Land zu wenig, das erfolgreich sein will.

Die F.D.P.-Fraktion wird der als Haushalt 2001 getarnten Insolvenzbilanz des Unternehmens SchleswigHolstein nicht zustimmen.

(Anhaltender Beifall bei der F.D.P. und Bei- fall bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, zunächst eine Bemerkung zu Ihnen! Wenn Sie sagen, der Finanzminister sollte angesichts der Zahlen ein wenig nachdenklich werden und uns mit seinen „Endsieg-Parolen des Kampfes an der Haushaltsfront“ verschonen, gebe ich zu bedenken, dass das Wort „Endsieg“ in der deutschen Geschichte vorbelastet ist. Sie sollten uns mit solchen Begriffen verschonen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Nennen Sie mal ein Wort, das nicht vorbelastet ist!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vier Jahre Sparpolitik unter grüner Mitverantwortung haben wir hinter uns.

(Frauke Tengler [CDU]: Goldene Worte!)

Wir müssen feststellen, dass die Neuverschuldung noch immer Jahr für Jahr etwa eine Milliarde DM beträgt. Das nehmen wir ernst. Das ist für uns ein Problem, das wir nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Deshalb möchte ich zunächst eine Zwischenbilanz der bisherigen Sparbemühungen ziehen und daraus Konsequenzen für den Haushalt der nächsten Jahre ableiten, die meines Erachtens notwendig sind.

Auf dem Weg zu dem angestrebten Sparziel haben wir zunächst die Programme gestrichen, die offensichtlich verzichtbar waren. Dann kamen die Programme an die Reihe, deren Effekt zumindest zweifelhaft und bei denen der Widerstand gering war. Zugleich wurden alle Landesbehörden von Unternehmensberatungen daraufhin geprüft, welche Arbeiten eingespart, zusammengelegt oder umorganisiert werden sollen. In allen Landesbehörden werden Schritt für Schritt die Budgetierung und die Kosten- und Leistungsrechnung eingeführt werden. Hunderte von Stellen wurden so eingespart - in der Landesbauverwaltung, in der Straßenbauverwaltung, in den Umweltämtern und in der Landwirtschaftskammer, um nur vier Beispiele zu nennen.

Natürlich werden jedes Jahr die Titel für Büromaterialien, Reisekosten, Reparaturen und Anschaffungen gekürzt, wie es auch die F.D.P. und CDU dieses Jahr wieder vorgeschlagen haben. Ob es auf Dauer sinnvoll ist, dass die Mitarbeiter der Straßenbauämter mit 20 Jahre alten LKWs spazieren fahren und mancher Polizist immer noch auf einer alten Schreibmaschine herumtippt, weil das Geld für Computer nicht für alle gereicht hat, wage ich allerdings zu bezweifeln.

In diesem Jahr sind wir noch einen Schritt weitergegangen. Wir haben nicht nur nach verzichtbaren Programmen gesucht, wir haben begonnen, auch da zu streichen und zu kürzen, wo wir die Programme durchaus für notwendig und wichtig erachten. Das bringt uns in die schwierige Situation, Kürzungen vor Betroffenen vertreten zu müssen, obwohl wir zugeben müssen, dass sie gute Arbeit geleistet haben. Das fällt schwer.