Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

In diesem Jahr sind wir noch einen Schritt weitergegangen. Wir haben nicht nur nach verzichtbaren Programmen gesucht, wir haben begonnen, auch da zu streichen und zu kürzen, wo wir die Programme durchaus für notwendig und wichtig erachten. Das bringt uns in die schwierige Situation, Kürzungen vor Betroffenen vertreten zu müssen, obwohl wir zugeben müssen, dass sie gute Arbeit geleistet haben. Das fällt schwer.

Verständlicherweise haben wir dabei von der Opposition selten Unterstützung erfahren. Als Beispiel möchte ich hier die Presseerklärung von Herrn Kayenburg zum Kürzungsvorschlag zur Akademie für Publizistik in Hamburg anführen:

„Mit seiner Kritik an den Kürzungsvorschlägen der SPD-Fraktion für die Akademie für Publizistik in Hamburg rennt der SchleswigHolsteinische Journalistenverband bei der CDU-Fraktion offene Türen ein. Es ist geradezu grotesk, dass sich die SPD-Fraktion ausgerechnet eine der anerkanntesten journalistischen Weiterbildungseinrichtungen aussucht.“

Lieber Herr Kayenburg, wenn wir bei vielen sozialen Einrichtungen sparen, wenn wir bei Jugendverbänden sparen und wenn wir bei der Polizei und Kultur sparen, muss auch bei so anerkannten journalistischen Einrichtungen gespart werden, wenn wir gerecht sein wollen. Warum haben Sie nicht geschrieben: „Ich habe

(Karl-Martin Hentschel)

große Hochachtung vor Herrn Hay und Herrn Neugebauer, dass sie sich trauen, sich auch noch mit den Journalisten anzulegen“? Mit einer solchen Presseerklärung hätten Sie meine Hochachtung gewonnen. Aber was nicht war, kann ja noch kommen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Und wo haben Sie bei Ihrer grünen Klientel gestrichen?)

Deshalb möchte ich an dieser Stelle explizit den CDUKollegen Ritzek loben.

(Zurufe von der CDU)

Als ich in einer Diskussionsveranstaltung bei der Gewerkschaft der technischen Beamten über den notwendigen Stellenabbau und die Zusammenlegung von Ämtern geredet habe, hat sich Herr Ritzek nicht populistisch hingestellt und versprochen, unter der CDU würde alles besser, nein, stattdessen hat Herr Ritzek die Sparmaßnahmen bei den Behörden explizit unterstützt.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das war das einzige Mal in den vergangenen sechs Monaten, dass ich es erlebt habe, dass sich ein Abgeordneter der Opposition gegenüber den Betroffenen so offen zu Einsparungen bekannt hat. Deswegen finde ich, dass Herr Ritzek einen Sonderapplaus der Regierungsfraktionen bekommen muss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, das Einmaleins der Kostenreduzierung - das kann Ihnen jeder Unternehmensberater herunterbeten - besteht in der Einsparung von Personal. Hier muss der Staat seine Bilanz verbessern. Wenn wir weniger Personal brauchen, dann sparen wir auch Bleistifte, Computer, Diensträume, Dienstfahrzeuge, Telefonkosten und so weiter.

Der Bund der Steuerzahler hat das übrigens verstanden und schlägt uns vor, die Zahl der Landesbehörden zu halbieren, die Zahl der Lehrer und Hochschullehrer zu reduzieren und Stellen bei der Polizei, der Justiz und der Finanzverwaltung einzusparen. Vonseiten der Opposition ist keiner dieser Vorschläge aufgegriffen worden. Die CDU fordert in ihren Haushaltsanträgen stattdessen 6 Millionen DM zusätzlich für Stellen an den Hochschulen, 5 Millionen DM für die Schulen, 6,5 Millionen DM mehr für Polizisten und 2,5 Millionen DM mehr für Richter. Bei der F.D.P. liegen die Vorschläge für zusätzliche Personalausgaben etwa in der gleichen Größenordnung.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Wir sparen auch 75 Millionen DM ein!)

Das heißt, in all den Bereichen, die für Personalausgaben relevant sind, fordert die Opposition zusätzliche Stellen. Das ist Ihre Sparpolitik!

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ist doch völliger Quatsch!)

Dann kommen Sie her und fordern, bei den Sachausgaben einzusparen, bei den Kugelschreibern und den Telefonkosten.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Lassen Sie lie- ber Frau Heinold reden! Die versteht etwas davon! - Martin Kayenburg [CDU]: Sie soll- ten die Stifte anspitzen, dann können Sie die auch länger gebrauchen!)

Wenn Sie bei den Telefonkosten, Kugelschreibern und Räumen einsparen wollen, müssen Sie auch bei den Personalkosten sparen, lieber Herr Kubicki! Sonst funktioniert das nicht.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Machen wir auch!)

Anerkennenswert ist, dass sich die CDU diesmal getraut hat, konkrete Änderungsvorschläge vorzulegen. Dabei ist so mancher Vorschlag dabei, der auch uns gefallen hätte, wenn er gedeckt wäre. Ich habe mir gestern Abend die Mühe gemacht, die Auswirkungen Ihrer gesamten Änderungsvorschläge zu addieren, und komme dabei auf 46,7 Millionen DM Mehrausgaben,

(Martin Kayenburg [CDU]: Rechnen konnten Sie noch nie!)

die Sie allein durch 100 Millionen zusätzliche globale Minderausgaben gegendecken. Das heißt, Sie sagen genau, wo Sie zusätzlich Geld ausgeben wollen, können aber nicht sagen, wo Sie sparen wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Eine Schande ist das!)

So geht es nicht, Herr Kayenburg. Mit solch einem Vorschlag würde ein Unternehmensberater in Ihrer Firma ausgelacht werden. Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie uns so etwas zumuten.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ach nee!)

Natürlich kann es sinnvoll sein, Verkäufe zu tätigen, ob es sich um Lotterie, Gebäude oder Wohnungen handelt, aber Landeseigentum zu verkaufen und damit neue Stellen zu schaffen, ist schlicht unseriös, Herr Kayenburg.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das hat kein Mensch gemacht! Sie haben wieder nichts verstanden, Herr Hentschel!)

(Karl-Martin Hentschel)

Dann sagen Sie den Leuten doch auch ehrlicherweise, dass Sie sie im nächsten Jahr, wenn alles verkauft ist, wieder auf die Straße setzen wollen! Aber Sie wissen ja, dass Sie nächstes Jahr immer noch in der Opposition sind. Deshalb können Sie nächstes Jahr genau die gleichen Verkäufe vorschlagen, um dann den erstaunten Wählern zu erklären, dass Sie damit wieder neue Stellen für Lehrer, Polizisten und Richter schaffen wollen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben nichts kapiert!)

So schaffen Sie Jahr für Jahr neue Stellen mit immer den gleichen Verkäufen, weil Sie ja noch immer in der Opposition sind und sie nie bezahlen müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Aber lassen wir diese Oppositionsspielereien und kehren zum Ernst zurück!

(Martin Kayenburg [CDU]: Richtig! Denn von Finanzen verstehen Sie auch nichts!)

Trotz der Anstrengungen wissen wir, dass der Gipfel des Berges auch 2001 noch nicht erreicht ist. Das Jahr 2002 wird noch schwieriger.

(Martin Kayenburg [CDU]: Jammertal!)

Wenn wir unsere Ziele ernst nehmen, bis 2008 ausgeglichene Haushalte vorzulegen, müssen wir in unseren Anstrengungen noch einmal zulegen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Dann sind Sie doch gar nicht mehr dran!)

Dazu gehören die folgenden Punkte. Erstens. Die Rationalisierung aller Behörden wird nicht abgeschlossen, sondern ist ein ständiger Prozess.

Dieser Prozess verspricht keine Wunder, aber er ist Bestandteil moderner Unternehmensführung, der auch beim Staat selbstverständlich werden muss. Hierbei muss es in erster Linie darum gehen, Personaleinsparungen zu realisieren, die dann auch Einsparungen bei Sachmitteln, Mieten und so weiter zur Folge haben.

Zweitens. Die Funktionalreform und die Strukturreform müssen fortgesetzt werden. Dazu gehört die Überprüfung aller Synergien mit den benachbarten Bundesländern. Dazu gehört auch, dass wir überprüfen, wie weit sich das Land Schritt für Schritt weiter aus der Fläche zurückziehen kann. In Zeiten hoher Mobilität und elektronischer Kommunikation hat die örtliche Präsenz an Bedeutung verloren.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie wollen sich aus der Fläche zurückziehen? Können Sie das erklären?)

Lokale Anlaufstellen müssen, wo sie erforderlich sind, von den Kreisbehörden übernommen werden.

Drittens. Wir werden erneut alle Programme des Landes kritisch unter die Lupe nehmen müssen. Dabei fallen insbesondere die großen Förderprogramme des Landes, die aus EU- und Bundesmitteln kofinanziert werden, ins Auge.

Für mich war in diesem Jahr im Rahmen der Haushaltsberatungen eine der erstaunlichsten Feststellungen, dass ganze Bereiche des Landeshaushaltes durch die Anmeldung bei der Europäischen Union der kritischen Betrachtung durch das Parlament entzogen sind. Wenn wir daraus also Konsequenzen ziehen wollen, müssen wir bereits im Ratifizierungsverfahren, bei den Grundsätzen der Richtung der europäischen Programme das Parlament beteiligen, um eine politische Ausrichtung dieser Programme auch verantworten zu können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, dass es bei allen Übereinstimmungen in der Koalition einen Bereich im Haushalt gibt, in dem es Differenzen gibt, mit dem wir aus grüner Sicht nicht zufrieden sind. Das ist die Förderung der ökologischen Landwirtschaft.

Wir mussten bereits in den Koalitionsverhandlungen akzeptieren, dass unser Koalitionspartner andere Prioritäten setzt. Ich glaube aber, dass die Debatte über Gesundheit und Verbraucherschutz, die in den letzten Wochen durch die BSE-Thematik angestoßen wurde, Anlass dafür ist, im nächsten Jahr darüber nachzudenken. Wir werden uns morgen ausführlicher darüber unterhalten.