Protokoll der Sitzung vom 10.05.2000

während die Unterhaltung und Pflege der Trassen in Schleswig-Holstein nur einen Bruchteil dessen kostet, was wir jährlich an Trassenkosten bezahlen. Deswegen rentiert es sich für uns, wenn wir das übernehmen.

Das Beispiel Schweden stimmt nicht. In Schweden betragen die Trassenkosten ein Fünftel von denen in der Bundesrepublik. Das muss man wissen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Unglaublich!)

Dann würde es sich nicht lohnen. Wir müssen aber fünfmal so viel bezahlen, also lohnt es sich für uns, die Trassen zu übernehmen. Einfache Rechnung, erste Klasse!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gleiche gilt übrigens für die Bahnhöfe. Ich führe die Rechnung nicht vor, man kann sie in meinem Pressekonferenzpapier nachlesen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Zur Wettbewerbsaufsicht! Wir brauchen eine Wettbewerbsaufsicht über die Schienen, denn mit den Schienen verhält es sich wie mit den Straßen. Man

stelle sich vor: Die Straßen gehören Mercedes, Mercedes sagt, dass zunächst immer nur Mercedes fahren darf, während alle anderen Riesenmautgebühren bezahlen müssen, VW, Opel und so weiter, und nur dann fahren dürfen, wenn Mercedesautos noch Platz lassen.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Das wäre ein absurder Zustand. Genau den Zustand haben wir auf den Schienen. Das Schienennetz gehört der DB AG. Alle Konkurrenten, alle anderen Bahngesellschaften, die fahren wollen, müssen hohe Trassenpreise bezahlen und werden von der DB AG systematisch herausgehalten. Das nützt nicht dem Schienenverkehr, das schadet dem Schienenverkehr. Da muss eine politische Regulierungsaufsicht hin, weil die Trassen ein natürliches Monopol sind. Volkswirtschaftlich - Herr Kubicki, ich hoffe, diesen Kurs haben Sie auch noch drauf - bedeutet das, dass bei einem natürlichen Monopol eine Regulierung her muss.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wo steht das denn? - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Zum Senken der Trassenpreise! Wir haben zurzeit Trassenpreise auf der Schiene, die die Gesamtkosten des Transportes im Güterverkehr etwa verdoppeln. Wir haben Trassenpreise auf der Straße für den LKW praktisch gleich null; denn der LKW ist praktisch nicht beteiligt. Anders sieht es beim PKW aus, der seine Kosten über die Mineralölsteuer im Wesentlichen trägt, während der LKW von den Abnutzungskosten der Straßen nichts trägt, obwohl der LKW etwa zwischen 95 und 98 % zur Abnutzung der Straßen beiträgt. Das muss man wissen. Die physikalische Formel - falls Sie das interessiert - für die Abnutzung der Straßen ist die vierte Potenz der Achslast mal die Anzahl der Räder.

(Beifall)

Wenn wir also eine Wettbewerbsgleichheit zwischen Schiene und Straße haben wollen, bedeutet das: Die Trassenkosten für die Schiene müssen herunter, die Trassenkosten für die Straße müssen hoch, damit eine Gleichberechtigung existiert. Wir können kein Interesse daran haben, als Steuerzahler ein Verkehrsmittel besonders zu subventionieren, das andere zu belasten und dann hinterher festzustellen, dass das umweltfreundlichere Verkehrsmittel nicht benutzt wird und alle beklagen, dass keiner Bahn fährt. Kein Wunder, wenn man dafür sorgt, dass es alles teurer ist, während das andere billiger ist.

Wir brauchen gleiche Wettbewerbsbedingungen. Alle Experten - das können Sie in der Zeitschrift der Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft beziehungsweise

(Karl-Martin Hentschel)

anderen Fachzeitschriften nachlesen - sagen: Wenn es gleiche Wettbewerbsbedingen gäbe, gäbe es erhebliche Veränderungen des so genannten modal split, das heißt, es würden Verkehre verlagert werden. Deshalb plädiere ich dafür zu handeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir scheuen uns nicht, auch unsere eigene Bundesregierung einmal aufzufordern, etwas zu tun. Das ist im Interesse des Landes sinnvoll.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD sowie der Abgeordneten Günther Hilde- brand [F.D.P.] und Brita Schmitz-Hübsch [CDU])

Der Handlungsauftrag ist natürlich auch ein Votum gegenüber der Deutschen Bahn AG. Das ist eine private Gesellschaft; das ist von Frau Aschmoneit-Lücke richtig gesagt worden. Unser Minister wird ja mit ihr verhandeln. Es ist sinnvoll, dass ihm der Landtag ein klares Votum für seine Verhandlungen mitgibt, das ihm hilft, die Standpunkte des Landes offensiv zu vertreten, wie Sie es gefordert haben.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und F.D.P.)

In dem Sinne vielen Dank für Ihren Beitrag. Ich hoffe, dass wir jetzt gemeinsam zur Verabschiedung kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Beratungen werden durch das Präsidium geschlossen. Ich darf erst noch Herrn Abgeordneten Harms das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vom Grundsatz her kann der SSW die Resolution von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Sicherung des regionalen Schienenverkehrs in Schleswig-Holstein unterstützen. Gerade der SSW hat als regionale Partei ein ureigenes Interesse, dass der Bahnverkehr - sowohl der Nah- als auch der Fernverkehr - in allen Regionen des Landes weiterhin aufrechterhalten wird. Allerdings ist es schon notwendig, sehr genau zwischen der aktuellen Situation im Nahverkehr und im Fernverkehr der Bahn zu unterscheiden, auch wenn diese nicht völlig isoliert voneinander gesehen werden dürfen. Denn eine attraktive Infrastruktur gibt es natürlich nur, wenn genügend überregionale und regionale Verbindungen in einer Region vorhanden sind.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

Durch die 1996 beschlossene Bahnreform entscheiden die Bundesländer mit dem Einsatz ihrer Regionalisierungsmittel zum Teil bereits selber über das Nahverkehrsangebot vor Ort. In Schleswig-Holstein sind wir in diesem Bereich gut vorangekommen und haben verschiedene Nahverkehrsstrecken ausgeschrieben. Diese Ausschreibungen wurden von regionalen Anbietern gewonnen, was für das gute Preis-LeistungsVerhältnis bei diesen Anbietern spricht und zeigt, dass sich der Wettbewerb in diesem Bereich lohnt.

(Beifall bei SSW und F.D.P.)

Aus Sicht des SSW sind die bisherigen Erfahrungen mit der Regionalisierung in Schleswig-Holstein auf der Grundlage der Bahnreform von 1996 also nicht so schlecht.

Deshalb wundert mich dann doch der erste Satz im Resolutionsantrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit dem gegen die Umsetzung des Projektes „REGENT“ der DB protestiert wird, das darauf hinausläuft, dass sich die Bahn aus dem Eisenbahnbetrieb auf Regionalstrecken zurückzieht. Aufgrund der Bahnreform geschieht dies doch bereits seit Jahren. Der Ansatz, dass dezentral und regional operierende Bahnunternehmen im Nahverkehr kundennäher, kostengünstiger und erfolgreicher arbeiten als der vergleichsweise schwerfällige Konzern DB AG, ist nichts Neues.

Das Problem sind natürlich die weniger attraktiven Schienennahverkehrsstrecken, insbesondere im dünn besiedelten Raum.

Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Trassenpreise, die neue Anbieter an den Monopolisten zahlen sollen. In diesem Punkt gebe ich Herrn Hentschel Recht. Alle zur Verfügung stehenden Zahlen zeigen, dass die Trassenpreise im DB-Netz relativ hoch sind. Der SSW unterstützt daher das Ansinnen, durch eine wettbewerbliche Aufsicht der Trassenpreise eine Senkung der Trassenkosten zu erreichen. Eine weitere Möglichkeit, die weniger rentablen Strecken zu erhalten, ist, sie zusammen mit attraktiven Strecken auszuschreiben. Diese Idee wurde vor kurzem auch schon im Wirtschaftsausschuss diskutiert. Hier könnten sich durchaus regionale Bietergemeinschaften bilden. Das wäre eine Entwicklung zum Guten.

Im Fernverkehr - dem zweiten Bereich der Resolution - haben wir im Moment noch eine andere Situation. Hier hat die DB AG immer noch ein Monopol und deswegen ist es eine legitime Forderung an die DB AG, dass die Regionen des Landes weiterhin mit at

(Lars Harms)

traktiv durchgebundenen Fernverkehrszügen an das DB-AG-Fernverkehrsnetz angeschlossen bleiben.

Wenn beispielsweise die InterRegio-Verbindung Niedersachsen - Hamburg - Flensburg - Dänemark nach 2001 vor dem Aus steht, verkümmert der Flensburger Bahnhof - und mit ihm der ganze Landesteil Schleswig - endgültig zum Provinzbahnhof.

(Anke Spoorendonk [SSW]: So ist das!)

Grenzüberschreitende Verbindungen im Fernverkehr gäbe es dann nur noch für Schlafmützen, da ausschließlich der Schlafwagenzug München - Kopenhagen in Flensburg halten würde. Der SSW fordert seit Jahren, dass der grenzüberschreitende Zugverkehr im nördlichen Landesteil endlich verbessert und ausgebaut wird. Aus unserer Sicht ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass der Eigner der DB AG immer noch die Bundesregierung ist.

(Anke Spoorendonk [SSW]: So ist das!)

Somit trägt die rot-grüne Bundesregierung in Berlin eine Hauptverantwortung für diese Entwicklung.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Wenn man will, dass die DB AG schwarze Zahlen schreibt und wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen wirtschaften soll, dann kann es eigentlich keine große Überraschung sein, dass sich die DB AG aus der Fläche zurückzieht.

(Beifall bei der F.D.P. und der Abgeordneten Brita Schmitz-Hübsch [CDU])

Deshalb fordert der SSW, dass im Zuge einer völligen Privatisierung der DB AG - ähnlich wie bei der Bahnreform von 1996 - vom Bund weitere Ausgleichsmittel zur Verfügung gestellt werden müssen, damit die einzelnen Bundesländer weiterhin die wichtigen InterRegio-Verbindungen betreiben können.

(Beifall bei SSW, SPD, CDU und F.D.P.)

Ich erteile Herrn Minister Dr. Rohwer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Ich finde es sehr beachtlich, dass wir uns gleich im ersten Tagesordnungspunkt nach der Regierungserklärung mit einem verkehrspolitischen Thema beschäftigen. Ich glaube, das macht auch den Schwerpunkt deutlich, den die Ministerpräsidentin in ihrer Regierungserklärung selbst gesetzt hat. Verkehrspolitik für Schleswig-Holstein

bleibt eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre. Dazu gehört die Bahnpolitik ebenso wie die A 20 und die feste Fehmarnbelt-Querung.