Protokoll der Sitzung vom 10.05.2000

(Beifall im ganzen Haus)

- vielen Dank! - befasst sich nicht gerade mit einem jungfräulichen Thema. An Aktualität hat das Thema jedoch nichts eingebüßt.

Die F.D.P.-Fraktion bringt heute erneut einen Gesetzentwurf ein, der die in der Landesverfassung festgehaltene Formel „Der Landtag besteht aus fünfundsiebzig Abgeordneten“ - das ist Artikel 10 Abs. 2 der Landesverfassung - in die Verfassungswirklichkeit übersetzen kann. Bereits 1994 und 1996 hat sich die F.D.P.-Fraktion für eine Änderung des Wahlgesetzes für den Landtag von Schleswig-Holstein in diesem Sinne eingesetzt und eine Verringerung der Zahl der Direktwahlkreise gefordert.

(Beifall bei der F.D.P.)

Denn das geltende Wahlrecht mit 45 Wahlkreisen, Überhang- und Ausgleichsmandaten hat uns jetzt schon zum zweiten Mal insgesamt 89 Abgeordnete beschert.

Die Abgeordneten der SPD hatten diese Situation nicht für möglich gehalten - oder besser: nicht für möglich halten wollen -; schließlich hätte jeder abgeschaffte Wahlkreis der eigene sein können. Insbesondere 1996, als allein durch glückliche Umstände die von der Verfassung vorgegebene Zahl von 75 Abgeordneten zufällig wieder getroffen wurde, haben sie deshalb unsere Forderung als geradezu überflüssig und unnötig abgelehnt. Offenbar war der Wille zum Mandatserhalt stärker als alle Sachargumente aus der Enquetekommission in der 12. Wahlperiode.

(Beifall bei der F.D.P.)

Wie falsch diese Haltung war, sehen wir heute: 89 statt 75 Abgeordnete drücken in der 15. Wahlperiode erneut die Landtagsbänke. Alles Schönreden, die Überschreitung der verfassungsmäßig vorgegebenen Zahl von Abgeordneten in der 13. Wahlperiode sei ein einmaliges Ereignis gewesen, hat nichts genützt. Auch zukünftig wird uns nur die Hoffnung, dass sich die Zahl der Abgeordneten mit der nächsten Wahl wieder reduzieren wird, nicht weiterbringen.

Der einzige seriöse Weg, der Verfassung zu mehr Verfassungswirklichkeit zu verhelfen, ist eine gesetzliche Regelung. Der heute vorgelegte Gesetzentwurf der F.D.P.-Fraktion zur Änderung des Wahlgesetzes für den Landtag von Schleswig-Holstein leistet diesen Beitrag. Nur durch eine Verringerung der Zahl der Direktwahlkreise kann gewährleistet werden, dass die Einhaltung der verfassungsmäßig vorgegebenen Zahl von Abgeordneten kein Zufall bleibt, sondern zur Regel wird.

Niemand braucht dadurch Einbußen in der Legitimation des Landtages zu befürchten. Die unterschiedlichen Regionen des Landes sind mit 75 Abgeordneten angemessen vertreten. Die Funktionsfähigkeit des Landtages bleibt gewährleistet.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass mehr als 75 Abgeordnete - allerdings auch nicht weniger, wenn ich das als Hinweis an den Bund der Steuerzahler hinzufügen darf

(Beifall bei F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die Effizienz dieses Parlaments steigern oder die Arbeitsbelastung des einzelnen Abgeordneten senken würden.

(Lothar Hay [SPD]: Der Bund der Steuer- zahler ist nun wirklich keine seriöse Quelle!)

(Günther Hildebrand)

- Aber deshalb darf man zu solchen Äußerungen wohl trotzdem einmal etwas sagen.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Gegen den hat er ja nur Stellung genommen! Zuhören, Herr Hay!)

Die Kollegen Dr. Buchholz und Kubicki haben das 1994 und 1996 schon einmal sehr ausführlich erörtert. Einige von Ihnen mögen sich an diese Argumente erinnern; sie haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt.

(Holger Astrup [SPD]: Sie sind auch nicht besser geworden!)

Noch einen Aspekt möchte ich hinzufügen; es ist die Frage nach den Kosten der zusätzlichen 14 Abgeordneten, die in dieser Legislaturperiode erneut dem Landtag angehören. Viele Bürgerinnen und Bürger haben gerade hiergegen bereits ihren Unmut geäußert; sie wollen durch ihr Wahlverhalten nicht mit zusätzlichen Kosten für Abgeordnete belastet werden. Auch das sollten wir berücksichtigen.

(Holger Astrup [SPD]: Das ist doch Quatsch!)

Wenigstens bis zur nächsten Landtagswahl sollte es uns deshalb gelingen, endlich die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bei künftigen Wahlen die Zahl von 75 Landtagsabgeordneten nicht oder nicht wesentlich überschritten wird.

(Beifall bei der F.D.P. und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Bei einer Schneidung des Landes in 37 Wahlkreise ist das mit großer Wahrscheinlichkeit möglich.

Wir bitten um Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innen- und Rechtsausschuss.

(Beifall bei F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Puls.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hildebrand hat vorgetragen - das ist ja auch richtig -: Das Interesse der SPD an diesem Gesetzentwurf hält sich in Grenzen. Denn eines muss man vielleicht zu Beginn festhalten: Der Landtag ist doch nur deshalb so groß, weil die SPD so gute Leute hat.

(Heiterkeit bei der SPD - Lachen bei CDU und F.D.P.)

Wir haben 41 von 45 Wahlkreisen direkt gewonnen; nur das hat dazu geführt - weil Sie, Herr Kayenburg, mit Ihrer Truppe im Wahlkampf ein bisschen schwächlich waren -, dass es Überhangmandate gibt - sieben an der Zahl - und dass es dafür dann nach unserer derzeitigen Verfassungs- und Landeswahlgesetzeslage die entsprechende Zahl von Ausgleichsmandaten gibt.

(Klaus Schlie [CDU]: So warm war es heute doch gar nicht!)

Alle anderen Parteien würden von einer Reduzierung der Zahl der Wahlkreise profitieren, die SPD nicht.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Das ist doch Quatsch! Es gibt dann doch entsprechend we- niger Ausgleichsmandate!)

- Herr Dr. Klug, der antragstellenden F.D.P. kann es letztlich schnurzegal sein, wie viele Wahlkreise es gibt; Sie können ohnehin nie einen davon gewinnen.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen uns als SPD-Fraktion dem Problem gleichwohl nicht verschließen. Wir haben ja in unseren eigenen rot-grünen Koalitionsvertrag hineingeschrieben, dass auch wir die Wahrscheinlichkeit, dass der Landtag mehr als 75 Abgeordnete hat, verringern wollen

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und dass wir entsprechende rechtliche Regelungen dafür prüfen wollen. Eine dieser möglichen rechtlichen Regelungen wäre in der Tat die Reduzierung der Zahl der Wahlkreise.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Aha! Hört, hört!)

Wir müssen uns dann einmal vom Landeswahlleiter oder der zuständigen Abteilung des Innenministeriums Modelle im Ausschuss vorlegen lassen, wie das konkret aussieht, und dann beraten, wie sich dies auswirkt. Denn eines ist ebenso klar: Wir als SPD bleiben auch wenn wir die einzige Partei hier im Landtag sind - eine Wahlkreispartei und bekennen uns dazu.

(Beifall bei der SPD)

In der Wahl der Wahlkreisabgeordneten kommt der Wählerwille unmittelbar zum Ausdruck, beim Verhältnisausgleich über Parteilisten eben nur mittelbar. Angesichts der viel beschworenen Politik- und Parteienverdrossenheit scheint es mir notwendig zu sein, die Wahlkreisbezogenheit der Abgeordneten aufrechtzuerhalten.

(Klaus-Peter Puls)

Ich habe hier immer schon gesagt: Folgt man der öffentlichen Meinung, gibt es ja schon jetzt zu wenige Abgeordnete und zu viele Abgehobene.

Die Wahlkreise müssen - das ist unsere Auffassung für die Abgeordneten betreubar bleiben, dürfen also nicht zu groß werden. Das bezieht sich insbesondere auf den Bereich des schleswig-holsteinischen Nordens.

Es ist möglicherweise den dort direkt gewählten Bewerberinnen und Bewerbern überhaupt nicht mehr möglich, ihren Wahlkreis zu betreuen, wenn der auf einmal nicht mehr nur - wie jetzt schon zum Teil - aus 30 oder 40 Gemeinden, sondern aus 80 Gemeinden bestehen sollte. Dort gibt es bestimmt eine Problematik, was die Vertretung in den Wahlkreisen angeht, die wir dann auch weiter prüfen sollten.

Ein Argument möchte ich zurückweisen, Herr Kollege Hildebrand, was die Bezahlbarkeit und die Kosten des Abgeordneten angeht. Lassen Sie uns doch ein bisschen selbstbewusster sein. Es ist doch lächerlich, wenn gesagt wird, dass die Abgeordneten des Landtages überbezahlt sind. Vergleichen Sie das doch einmal mit anderen Berufsgruppen.

(Zurufe von der F.D.P.)

- Herr Kollege Hildebrand, wir müssen doch nicht das ist ja auch immer wieder das Argument in der Öffentlichkeit und in der Presse - nach Möglichkeit den Landtag deswegen auf 75 Abgeordneten halten, weil die 14 zusätzlichen Leute so zu sagen den Haushalt unsolide und nicht mehr sanierungsfähig machen. Das ist doch ein lächerliches und naives Argument.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU] und Dr. Johann Wadephul [CDU])