Protokoll der Sitzung vom 10.05.2000

(Thomas Stritzl [CDU]: Ja?)

wo wir gesagt haben, dass es bei diesen Förderprogrammen sehr viele Mitnahmeeffekte gibt. Wir müssen es gemeinsam in diesem hohen Hause hinkriegen, die Förderprogramme so zu überprüfen und so zu gestalten, dass Mitnahmeeffekte die Ausnahme bleiben. Wo viele Programme ein Ziel haben, müssen wir sie bündeln. Unterm Strich steht selbstverständlich auch die Verbesserung, das heißt die Kürzung für den Landeshaushalt. Das ist ein Angebot, das ich hier an die Opposition mache.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wir sollen die Drecksarbeit leisten und er streicht das Lob ein!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir erwarten nach den Gesprächen, die wir mit der kommunalen Seite schon geführt haben, weiterhin einen Dialog. Es gibt viele Punkte, in denen wir uns einig sind, aber es wird auch Punkte geben, in denen es keine Einigung gibt. Es geht unter anderem auch darum - da müssen wir auch gucken, wie wir das hier im hohen Hause gemeinsam hinkriegen, oder, wenn das nicht gewollt ist, uns allein darum bemühen -, die Funktionalreform bis zum 31. Dezember 2001 umzusetzen. Ich weiß auch, woran das bisher gescheitert ist.

(Klaus Schlie [CDU]: Ja?)

Es ist am Einstimmigkeitsprinzip gescheitert. Deshalb werden wir von diesem Prinzip abweichen; wir werden eventuell auch Entscheidungen gegen einen kommunalen Landesverband treffen müssen, wenn wir die Funktionalreform umsetzen wollen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordne- ten Klaus Schlie [CDU])

Gestatten Sie mir nun noch eine Anmerkung zu der Enquetekommission, die die CDU-Fraktion beantragt.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ist die CDU gefragt!)

Wir werden uns natürlich beteiligen. Wir werden dem auch zustimmen. Wir sind allerdings der Meinung, dass mit Blick auf den Haushalt des Jahres 2001 ein Sonderausschuss der richtigere Weg gewesen wäre.

(Klaus Schlie [CDU]: Abkassieren oder was?)

Denn wir müssen in diesem Sonderausschuss auch zu kurzfristigen Entscheidungen kommen, die eigentlich schon auf dem Tisch des hohen Hauses liegen.

(Zuruf von der CDU: Also doch!)

Wenn ich an das Gutachten zum System der zentralen Orte denke - das muss nicht wieder neu erfunden werden. Was die Modernisierung der Verwaltung betrifft, dazu hat es eine Enquetekommission gegeben, da muss geschaut werden, was sich seitdem verändert hat. Eine Enquetekommission, die die Vorschläge erst im Jahr 2004 auf den Tisch legt

(Klaus Schlie [CDU]: Wer hat das denn ge- sagt?)

- ich habe nur davon gesprochen -, kommt, zumindest was die Umsetzung betrifft, zu spät. Wir müssen sehr schnell zu einer Entscheidung kommen. Das ist die Aufgabe, die sich meine Fraktion gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ins Stammbuch geschrieben hat.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zu einem weiteren ganz wichtigen Punkt. Wer einmal Kommunalpolitik gemacht hat, weiß, dass das den Ehrenamtlichen unter den Nägeln brennt. Wir haben gesagt, durch die Änderung der Kommunalverfassung wollen wir das Hauptamt stärken und das Ehrenamt auch. Das ist eine Quadratur des Kreises und ich warte auf den, der das hinkriegt. Ich nehme die Sorgen ernst. Wenn wir uns über eine Änderung der Kommunalverfassung unterhalten, muss im Vorder

(Lothar Hay)

grund eine Stärkung der Ehrenamtlichen stehen. Denn sonst werden wir keine Leute mehr finden, die bereit sind, sich zu engagieren.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoo- rendonk [SSW])

Ich weiß nicht, ob der Vorschlag, den Herr Wadephul gemacht hat, noch auf dem Tisch des Hauses liegt. Die SPD-Fraktion ist auch bereit, kritisch auszuwerten, was bei Landratswahlen - wir haben ja bis auf einen Fall nicht den Sieg davongetragen - zu beachten ist, ob man auch in Zukunft Landräte direkt wählen sollte oder nicht. Das bedarf aber eines sorgfältigen Entscheidungsprozesses und der Diskussion.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Am Ende muss eine Entscheidung stehen. Dem werden wir uns nicht verweigern.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden in den nächsten fünf Jahren mehr sparen und noch härter zupacken müssen, um unsere wichtigen Ziele zu erreichen. Wir sparen nicht um des Sparens willen, sondern um uns die nötigen Freiräume für unsere Schwerpunkte Arbeit, Bildung und Innovation zu schaffen.

Wir bieten der Opposition an, sich an den schwierigen Entscheidungen zu beteiligen. Sollten Sie sich jedoch aus reinem Opportunismus für eine Verweigerungspolitik entscheiden, so wird Rot-Grün stark genug sein, die Entscheidungen auch allein zu treffen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Nur zu!)

Unabhängig von den wichtigen Verkehrsprojekten wird in den nächsten fünf Jahren die Ostseekooperation - vor allem mit der Region Kopenhagen und Südschweden - das wichtigste Feld für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes sein. Wir Sozialdemokraten werden mit voller Kraft für eine gute Zukunft des - wie es „RSH“ nennt - schönsten Bundeslandes der Welt arbeiten. Und wir fordern alle Bürgerinnen und Bürger auf, daran mitzuarbeiten. Es lohnt sich für unsere eigene Zukunft und für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile dem Herrn Fraktionsvorsitzenden der F.D.P. das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir müssen uns alle erst an die neue Reihenfolge der Redner gewöhnen.

(Lothar Hay [SPD]: Ich hätte gern nach dir gesprochen!)

- Das kann ich mir vorstellen!

„Mit Spannung“ - so war den „Kieler Nachrichten“ von gestern zu entnehmen -, werde die Regierungserklärung von Ministerpräsidentin Heide Simonis erwartet. Doch war Spannendes zu erwarten? Etwas Neues? - Schon der Koalitionsvertrag zwischen Rot und Grün, dessen spannendste Elemente die Geschwindigkeit seiner Beratung und die Schlichtheit seiner Formulierung sind, zeigt die Tristesse gähnender Langeweile des „Weiter so“, für die Grün-Rot bei dieser Landtagswahl angeblich gewählt wurde.

Wurden Sie, Frau Ministerpräsidentin, wurden die Parteien Grün und Rot wirklich für das „Weiter so“ gewählt? Wollten die Wählerinnen und Wähler nicht vielmehr einen Politikwechsel hin zu weniger Fortschrittsverweigerung und weg von dem Mief unsäglicher Provinzialität, den die letzte Regierung allen amtlichen PR-Maßnahmen zum Trotz verbreitete? 3.000 SPD-Mitglieder sind im Oktober 1999 zu einem Kongress mit dem Titel „Arbeit, Bildung, Innovation“ ihrer Partei eingeladen worden - und niemand hat sich dafür interessiert. Warum sollte sich die schleswigholsteinische Öffentlichkeit für diese Regierungserklärung interessieren, die in weiten Bereichen ihrer Ankündigungen eher den Fünfjahresplänen des ZKs der SED ähnelte?

(Beifall bei der F.D.P. - Widerspruch bei der SPD)

Säße diese Regierung jetzt auf der Regierungsbank, hätte es die CDU-Spendenaffäre nicht gegeben? Ich will nicht bewerten, ob es der CDU dieses Landes gelungen wäre, ohne unsere Hilfe eine neue Aufbruchstimmung im Land zu erzeugen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Freund Volker, warum ist der nicht gekommen!)

Mit Volker Rühe an der Spitze und an unserer Seite hätte zumindest die Chance bestanden. Nun hat die CDU keinen Stich bekommen, obwohl sie ihn verdient hätte. Max Stich hat im „Flensburger Tageblatt“ vom 6. Mai 2000 für die Zukunft der Union - nach meiner

(Wolfgang Kubicki)

Auffassung, Herr Kollege Wadephul - alles Notwendige gesagt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das aus meiner Sicht wirklich Erfreuliche, Herr Kollege Hentschel, an dem Wahlausgang vom 27. Februar 2000 ist die Tatsache, dass die F.D.P. Schleswig-Holstein die Verhältnisse zwischen der F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - übrigens nach der Bundestagswahl zum zweiten Mal - zurechtrücken konnte. Die Menschen wollen weniger grüne Behinderung, sie wollen nicht erzogen oder betreut werden, sie wollen offensichtlich mehr Liberalität und wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik. Ich bin mir nicht sicher, ob der vollständige Personalwechsel bei den Grünen, der in beeindruckender Weise die ersten Drei der Liste auf die letzten drei Parlamentssitze der Grünen verbannte, eine positive Reaktion auf das Wählervotum darstellt.

Und ich bin mir auch nicht sicher - nachdem wir ja gehört haben, die Grünen hätten in den letzten Jahren so viel gelernt -, ob es richtig ist, die beiden Kabinettsposten der Grünen ständig dem Bündnis für Ausbildung zuzuordnen.

(Beifall und Heiterkeit bei F.D.P. und CDU)

Kollege Hay, ich bin mir auch nicht sicher, ob der personelle Verlust der Minister Ekkehard Wienholtz und vor allem Gerd Walter im Kabinett und in der SPD ohne weiteres wettgemacht werden kann. So viele Personen, die über den Tellerrand der nächsten Tage hinausblicken können und dies auch tun, hat dieses Land nicht. Über den Tellerrand hinausblicken ist das Stichwort, um sich mit der Drohung der Ministerpräsidentin auseinander zu setzen, diese Regierung die nächsten Jahre bis zu ihrem Ende zu führen.

(Heiterkeit bei F.D.P. und CDU)

Wie steht die schleswig-holsteinische Sozialdemokratie, wie steht der sozialdemokratische Teil des Kabinetts, wie steht die Ministerpräsidentin eigentlich zur Grundwertediskussion in der SPD und deren spannenden politischen Konsequenzen? Wie reagieren wir als Land auf die Herausforderungen der Globalisierung und einer Intensivierung des Wettbewerbs? Bereiten wir unsere jungen Menschen auf die Zukunft ausreichend vor und nutzen wir unsere wenigen Ressourcen optimal? - Die Folgerungen, Frau Ministerpräsidentin, die sich aus den jüngsten Äußerungen des Bundeskanzlers und SPD-Parteivorsitzenden Gerhard Schröder und des stellvertretenden Vorsitzenden und wahrscheinlich auch künftigen Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens Wolfgang Clement ergeben, sind weit reichend und kommen einer liberalen Revo

lution gleich - jedenfalls erinnern sie in vielem an die Politik, die die F.D.P. in diesem Land seit langer Zeit fordert.