Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

(Beifall bei SPD und SSW)

Man könnte natürlich schon jetzt einen Teil des Berichtes geben: Welche Erfahrungen haben wir mit den Einrichtungen, die sich schon auf diesen Weg begeben haben, gemacht? Welche Projekte gibt es in diesem Bereich? Was kann man aus den Angeboten lernen? Denn es gibt durchaus vieles auf diesem Feld, und zwar seit zehn Jahren. Den Beispielen, die Frau Lütkes genannt hat, könnte ich noch etliche hinzufügen, etwa das der Förderschule Eutin oder das Beispiel in Schafflund. Diese Projekte sind übrigens in der Regel ausgegangen von Förderschulen, auch von Hauptschulen.

Man hat dann festgestellt: Es gibt auch andere Schulen im Ort, die sich für dasselbe Projekt interessieren und die durchaus daran interessiert sind, ihre Schüler dort hineinzunehmen - in der richtigen Erkenntnis, dass Erziehungsprobleme nicht mehr die Probleme einer Schulart sind. Auch an Gymnasien, auch an Schulen anderer Schularten gibt es Erziehungsprobleme, gibt es schwierige Jugendliche, gibt es zerrüttete Familien, muss man sich um Kinder ganz anders kümmern, als das früher der Fall war. Alle Lehrer wissen das; man muss es nur auch einmal öffentlich sagen dürfen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Richtige Freizeitangebote sind auch nicht nur für Haupt- und Förderschulen sinnvoll. Sie sind für Jugendliche aus allen Schulformen sinnvoll, noch dazu dann, wenn sie schulartübergreifend zusammengeführt werden. Das ist etwa in Schafflund der Fall und das finde ich besonders sinnvoll.

Auch familiäre Probleme gibt es nicht nur in einer bestimmten sozialen Schicht. Machen wir uns da nichts vor: Von Drogenproblemen über sexuelle Gewalt an Kindern bis hin zu Misshandlungen - diese Fragen spielen in allen sozialen Schichten eine Rolle. Davor darf eine Gesellschaft nicht auf Dauer die Augen verschließen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und F.D.P.)

Zum Schluss: Viele Gemeinden haben sich bereits auf diesen Weg gemacht, sind bereit, Grenzen zu überwinden und großzügig zu finanzieren. Ich glaube, das muss gesagt werden, damit die Kommunen nicht den Eindruck bekommen, sie stünden einzig als diejenigen da, die sich nicht zur Zusammenarbeit bereit finden. Das ist so nicht der Fall.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es gibt viele positive Ansätze in der Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe, die von unten gewachsen sind. Aber es gibt auch noch viele Hürden und Stolpersteine. Die große Gemeinsamkeit, die heute gezeigt worden ist, ist - so glaube ich - ein guter Anstoß dafür, dass wir diese Hürden gemeinsam mit den Kommunen überwinden. Dafür wollen wir uns in beiden Ministerien in den nächsten Monaten anstrengen.

(Beifall im ganzen Haus)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Bevor wir in die Abstimmungen eintreten, will ich noch bekannt geben, dass die Abgeordnete Herlich Marie TodsenReese erkrankt und der Abgeordnete Klaus Klinckhamer beurlaubt ist.

Es ist ja jetzt ein neuer Antrag mit der Drucksachenbezeichnung 15/567 (neu) eingegangen. Darf ich davon ausgehen, dass damit die Drucksachen 15/567, 15/606 und 15/608 in diesem neuen Antrag aufgehen, sodass wir formal sagen können: Die sind erledigt, wir stimmen jetzt nur über den neuen gemeinsamen Antrag des gesamten Hauses ab?

Wenn das so ist, dann rufe ich jetzt den Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, F.D.P. und der Abgeordneten der SSW zur Abstimmung auf. Wer also der Drucksache 15/567 (neu) seine Zustimmung erteilen will und somit einer Überweisung an den Bildungsausschuss und zur Mitberatung an den Sozialausschuss zustimmt -

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein, Abstimmung in der Sache!)

- Ach so, Abstimmung in der Sache! Bisher ist nur Ausschussüberweisung beantragt. Ist es Übereinstimmung aller Antragsteller, dass dies jetzt nicht mehr aufrechterhalten wird und Abstimmung in der Sache gewünscht wird? - Wenn das so ist, dann stimmen wir jetzt in der Sache ab. Wer also dem Antrag Drucksache 15/567 (neu) seine Zustimmung in der Sache geben will, den darf ich um sein Handzeichen bitten Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Familienpreis Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/551

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat Frau Caroline Schwarz.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich vorwegzunehmen: Ein schleswigholsteinischer Familienpreis kann und soll kein Ersatz für konkrete Familienpolitik sein. Er kann auch keine Versäumnisse der Landesregierung von jetzt auf gleich ausmerzen. Er beansprucht - nicht mehr, aber auch nicht weniger -, ein Signal zu geben, ein Signal für mehr Familie und für mehr Kinderfreundlichkeit in Schleswig-Holstein. Er soll auch ein Signal der Anerkennung für die Arbeit zahlreicher Menschen sein, die nicht in erster Linie fragen: „Was bekomme ich dafür?“, sondern die fragen: „Was kann ich tun, um das Leben für Familien mit Kindern zu erleichtern?“

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau übernimmt den Vorsitz)

Das öffentliche Bewusstsein soll mit diesem Preis gestärkt und geschärft werden, wie wichtig es ist, sich für die Belange von Familien und Kindern stark zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt erfreulicherweise eine Vielzahl unterschiedlicher Initiativen, Gruppen und Einzelpersönlichkeiten in Schleswig-Holstein, die mit viel Fantasie, mit großer Freude und mit ganz viel Herz für Familien und Kinder beispielhafte Arbeit leisten. Wir müssen diese Arbeit dadurch unterstützen, dass wir sie in einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen und dass wir deutlich machen, wie wichtig sie für uns ist.

Es geht uns nicht - um das gleich vorwegzunehmen um die Beschwörung einer romantischen Familienidylle. Wir wissen, dass die Familie vielfältigen Problemen gegenübersteht. Hinzu kommt, Familie ist heute nicht nur das verheiratete Ehepaar mit Kind oder Kindern. Familie ist auch der oder die Alleinerziehende, sind auch die unverheirateten Lebensgemeinschaften mit ihren Kindern. Familien gibt es heute in vielfältigen Formen.

Dennoch hat sie sich auch im Wandel als eine stabile Lebensform erwiesen. Der Wunsch, in einer Familie zu leben, hat unvermindert Kultur - Entschuldigung, Konjunktur, auch Kultur. Für 80 % der jungen Menschen sind Ehe und Familie nach wie vor Wunschund Lebensziel. Über 80 % sehen in Ehe und Familie einen Faktor, der Sicherheit und Geborgenheit gibt.

Wir wissen aber auch und machen uns da nichts vor: Statt lebenslanger Gemeinschaft scheitert heute jede dritte Ehe. Über 3 Millionen Kinder wachsen in so genannten unvollständigen Familien auf. Während früher drei Generationen und mehr eine Selbstverständlichkeit waren, lebt heute in unseren Großstädten schon mehr als die Hälfte aller Menschen allein.

Ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen lebt von der Sozialhilfe. Wir haben eine Arbeitswelt, die noch immer nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der Familien ausgerichtet ist. Hinzu kommt das Finanzielle. Ich möchte ein Zitat von Roman Herzog anführen: „Es geht nicht an, dass man arm wird, wenn man kinderreich ist.“

All das sind Hinweise darauf, unter welchem Druck Familien heute nach wie vor stehen. Umso mehr muss es unsere politische Verpflichtung sein, ihnen zu helfen und sie zu stärken. Das geht alle Bereiche an: Wir brauchen mehr familiären Geist in der Wohnungs- und Städtebauplanung, in der Gestaltung von Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, bei der Erleichterung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer und natürlich auch in der Verkehrs- und insbesondere Steuerpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Familienpolitik muss als Querschnittsaufgabe verstanden werden, als selbstverständlicher Bestandteil politischer Entscheidungen sozusagen im Sinne einer „Familienverträglichkeitsprüfung“. Hier und in vielen anderen Bereichen liegt bei der Landesregierung noch einiges im Argen. Familienpolitik steht nicht besonders weit oben auf der Agenda der Landesregierung. In der Regierungserklärung von Frau Simonis nach der letzten Landtagswahl -

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie wissen doch, dass das nicht stimmt!)

- Frau Fröhlich, suchen Sie einmal nach dem Wort Familie.

(Zuruf der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie werden es nicht finden. Erinnern Sie sich bitte an den von uns beantragten Familienbericht. Es brauchte zweidreiviertel Jahre - von März 1997 bis zum Dezember 1999 -, bis er uns vorlag. Und zwei Kleine Anfragen der Kollegin Gudrun Hunecke, wo er denn bleibe, waren auch noch notwendig. Angefertigt wurde er dann auch nicht vom zuständigen Ministerium, sondern vom Institut für Frauenforschung der Fachhochschule Kiel.

(Martin Kayenburg [CDU]: Oh, oh!)

(Caroline Schwarz)

Das sind nur zwei Augenfälligkeiten, die den Stellenwert von Familie bei dieser Landesregierung deutlich machen. Das Abstimmungsverhalten der Regierungskoalition vorgestern - das ist ja nun noch ganz frisch bei unseren Anträgen zur Betreuten Grundschule Frau Erdsiek-Rave hat die Wichtigkeit noch einmal herausgestellt - und bei den Familienbildungsstätten spricht - das müssen Sie wenigstens zugeben - eine ganz eigene Sprache.

(Zuruf der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Da können Sie mit dem Kopf schütteln, Frau Fröhlich, so viel Sie wollen.

(Beifall bei der CDU)

Familienpolitik ist aber nicht nur - das sage ich auch eine Sache des Staates. Von größter Bedeutung ist es, dass es ein familien- und kinderfreundliches Klima in unserem Land gibt. Das lässt sich nicht von oben herab verordnen. Wir sollten froh darüber sein, dass es in unserem Land eine so große Anzahl von Initiativen gibt, die sich zum Ziel gesetzt haben, Familien und Kindern das Leben zu erleichtern. Sie helfen in vielen Konfliktsituationen, zum Beispiel bei sexuellem Missbrauch. Sie leisten wichtige Arbeit beim Thema Gewalt in den Familien. Sie kümmern sich um Eltern mit behinderten Kindern. Sie organisieren Kultur- und Freizeitaktivitäten für deutsche und ausländische Kinder und vieles mehr. Aber sie wünschen sich auch, dass ihre oftmals sehr frustrierende Arbeit mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit finden. Diese notwendige Anerkennung möchten wir den Initiativen und Persönlichkeiten gern zukommen lassen, die ehrenamtlich eine Fülle von Aufgaben in sozialer Verantwortung für unsere Gesellschaft im Bereich der Familie leisten.

(Beifall bei der CDU)

Ein Familienpreis wäre ein gutes symbolisches Zeichen der Anerkennung für dieses unverzichtbare Engagement in unserer Gesellschaft.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss.

Er wäre außerdem ein passender Beitrag zum vor uns liegenden Jahr der Freiwilligen. Vielleicht oder hoffentlich ist er auch ein erster Schritt - sozusagen der Einstieg - in eine breit angelegte familienpolitische Offensive für Schleswig-Holstein, die wir dringend in unserem Land benötigen.