Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

Er wäre außerdem ein passender Beitrag zum vor uns liegenden Jahr der Freiwilligen. Vielleicht oder hoffentlich ist er auch ein erster Schritt - sozusagen der Einstieg - in eine breit angelegte familienpolitische Offensive für Schleswig-Holstein, die wir dringend in unserem Land benötigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Überweisung an den Sozialausschuss. Dort können wir uns auch noch über die Gestaltung des Antrages und einzelne Details unterhalten. Ich bitte Sie um Zustimmung zur Überweisung.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schlosser-Keichel.

Frau Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen. Familie ist in. Keine soziale Institution hat in den letzten 20 Jahren einen so großen Zuwachs an Zustimmung erfahren wie die Familie. Frau Schwarz hat bereits darauf verwiesen, für 80 % bis 90 % der jungen Menschen ist Familie nach einer Umfrage des „Stern“ übrigens „wichtig bis sehr wichtig“. Allen Unkenrufen zum Trotz sieht deshalb die Jugend - Jungen ebenso wie Mädchen - in der Familie ihre Zukunft. Sie verbinden damit - wie auch frühere Generationen wie wir - die Erwartung auf Liebe, Zuverlässigkeit, Vertrauen und natürlich auch auf Kinder.

Trotzdem hat das Familienbild unserer Kinder und Enkelkinder nichts, aber auch gar nichts mehr mit dem Klischee der klassischen Familie der letzten 50 Jahre und der Arbeitsteilung zu tun.

(Beifall bei der F.D.P. sowie der Abgeordne- ten Wolfgang Baasch [SPD] und Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Schritt vor den Altar ist heute keineswegs mehr Voraussetzung für die Gründung einer Familie. Immer mehr Kinder werden nicht ehelich geboren. Und die wohl gewichtigste Veränderung in meinen Augen ist, dass die Jungen heute ganz selbstverständlich von der Möglichkeit für beide ausgehen - Mann und Frau -, Elternschaft und Beruf, ja beruflichen Erfolg, Karriere zu verbinden, ohne die Bedürfnisse der Kinder dem Erwerbsleben zu opfern. Das ist ein hoher Anspruch an sich selbst, aber auch und gerade an uns Politikerinnen und Politiker, die wir die Voraussetzungen dafür schaffen sollen, dass das zu realisieren ist. Was von uns erwartet wird, ist, dass wir Voraussetzungen und Bedingungen dafür schaffen, die den Wunsch der jungen Menschen, Familien zu gründen und in Familien zu leben, nicht erschweren, sondern erleichtern.

(Beifall bei SPD und SSW sowie der Abge- ordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was die jungen Familien nicht brauchen, ist ein symbolischer Preis als Anerkennung für die frühzeitige

(Anna Schlosser-Keichel)

Vermittlung eines ethischen Leitbildes an die künftigen Generationen.

(Beifall bei SPD, F.D.P. und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die älteren unter Ihnen wissen: Im Januar dieses Jahres hat der Landtag der 14. Wahlperiode den Familienbericht der Landesregierung diskutiert. Frau Schwarz hat darauf verwiesen und festgestellt, dass es eine große Zahl und eine bemerkenswerte Vielfalt von Maßnahmen gibt, die Familien fördern. Es gibt auch eine Vielfalt von Organisationen und Institutionen, die sich für Kinder und Familie einsetzen und denen in der Tat zu danken ist. Das will ich an dieser Stelle auch gern tun. Oft würde ich mir wünschen, dass Regierungen oder Institutionen wie der Gemeindetag, wenn sie Verdienstorden oder Verdienstzeichen zu verteilen haben, das Kriterium Familienförderung öfter und ganz selbstverständlich in den Mittelpunkt stellen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich komme noch einmal kurz auf den angesprochenen Familienbericht zurück. Ich denke, er zeigt, dass wir ein gutes Stück von der strukturellen Rücksichtslosigkeit weggekommen sind, von dem im fünften Familienbericht der Bundesregierung noch die Rede ist. Wir sind aber - das will ich gern eingestehen - lange noch nicht am Ende des Weges. Ich will auch gern eingestehen, dass mir die eine oder andere Kürzung in unserem Haushalt 2001 wehgetan hat. Ich denke aber, in der Summe kann man sagen, dass sich der Haushalt - was Familien- und Kinderpolitik angeht - sehen lassen kann, wenn man die problematischen Hintergründe berücksichtigt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir anerkennen heute, dass Familie - darauf ist schon in der Rede von Ute Erdsiek-Rave verwiesen worden ebenso vielfältig ist wie die Menschen, die sich zusammentun. Wir berücksichtigen in unseren Maßnahmen, dass wir auf unterschiedlichste Bedürfnisse eingehen müssen. Wir beteiligen in zunehmendem Umfang Kinder und Eltern an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen. Denn sie sind die Experten in Sachen Familienpolitik. Übrigens sind sie auch Experten in Sachen Verkehrspolitik und in Sachen Wohnungsbaupolitik. Deshalb sind sie zu beteiligen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir geben denen Hilfestellung, die bei der Bewältigung ihrer Probleme allein nicht zurechtkommen.

Wer Familienpolitik macht, darf nicht nur die rosarote Brille aufsetzen. Ich denke, der eine oder andere erinnert sich an den Vortrag zum Thema Rechtsextremismus von Professor Heitmeyer von vor wenigen Tagen in diesem Haus, der deutlich gemacht hat, dass die erste und beeindruckendste Begegnung mit Gewalt oft - allzu oft - in der Familie stattfindet. Auch das müssen wir, denke ich, sehen und auch insofern Unterstützung geben.

Es ist bei der Diskussion des Familienberichtes - das habe ich nachgelesen; ich war ja nicht dabei - auch festgestellt worden, dass Gutes immer noch verbessert werden kann. Diesem Anspruch stellen wir uns - nicht nur in der Sozialpolitik, sondern auch in anderen Politikbereichen, die ich in der Kürze der Zeit nur noch stichwortartig nennen kann: Es gibt nun auch Betreuungsmöglichkeiten in Krippe und Hort sowie bei der Schul- und Jugendarbeit.

(Zuruf der Abgeordneten Caroline Schwarz [CDU])

Wie wir gesehen haben, brauchen Familien reelle Karrierechancen; das betrifft auch männliche und weibliche Teilzeitkräfte. Kinderfreundliche Wohnungs- und Wohnumfeldverhältnisse verlangen weitere finanzielle Entlastungen. Wie wir alle wissen, ist Berlin an diesem Thema bereits dran. Sonntagsreden brauchen Familien allerdings nicht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Einen Familienpreis, der noch nicht einmal nennenswert dotiert ist - den entsprechenden Haushaltansatz habe ich jedenfalls nicht gefunden -, brauchen sie nicht. Das ist zu viel der reinen Symbolik. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, F.D.P. und SSW)

Ehe ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen, dass Sie auf der Tribüne das Recht haben zuzuhören, aber nicht mitzureden. Ich bitte um etwas mehr Ruhe auf der Tribüne.

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Garg.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Schwarz, Sie haben gesagt, dass Sie mit Ihrem Antrag keine Romantik malen wollen. Ich will diese Romantik jetzt aber doch ganz gern herausarbeiten - nicht aus dem, was Sie eben vorgetragen haben, sondern aus dem, was man

(Dr. Heiner Garg)

aus Ihrem Antrag, ohne viel interpretieren zu müssen, herauslesen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den 80er-Jahren wurde gleich in dutzender Weise in Fernsehfamilien geheiratet. Wir alle konnten Anteil am Schicksal der „Wicherts von nebenan“ oder am Aufstieg und Fall der „Guldenburgs“ nehmen. Mutter Beimer kochte jeden Sonntag für ihren Hansemann und Klausi machte damals fast noch in die Windeln. Hansemann hat sich längst von seiner Taube getrennt.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Herr Kayenburg, Sie haben wahrscheinlich nicht immer Zeit gehabt, das zu verfolgen. Ich hatte die Zeit auch nicht; aber es gibt ja Videorecorder.

(Heiterkeit)

Klausi lebt in wilder Ehe im Osten, und die Thekla Carola Wied aus „Ich heirate eine Familie“ hetzt zurzeit als allein stehende rasende Reporterin durchs wiedervereinigte Berlin.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.])

- Kollege Klug, ich weiß nicht ob es dafür einen Preis gibt, aber sie ist eben mittlerweile allein stehend.

Liebe Frau Schwarz, selbst Marianne Rosenberg musste feststellen, dass „Er“ eben doch nicht zu ihr gehört.

(Heiterkeit und Beifall bei F.D.P., SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und als ob das nicht alles schon schlimm genug wäre, verlässt jetzt auch noch unser aller Boris seine Barbara.

(Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was waren das noch für Zeiten, als der legendäre Hans Rosenthal seine Mady Riehl „Und was macht das in Schilling?“ fragte oder als Hans-Joachim Kuhlenkampf mit Bestimmtheit „Einer wird gewinnen“ voraussagen konnte. „Wetten dass“, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Union schon sehr genaue Vorstellungen davon hat, wer ihren Familienpreis gewinnen soll?

Liebe Frau Kollegin Schwarz, das sind die Punkte, die mich an Ihrem Antrag tatsächlich inhaltlich stören. Ich will überhaupt nicht in Abrede stellen, dass Ihr Antrag gut gemeint ist. Dankenswerterweise haben Sie selber schon darauf hingewiesen, dass er als Alternative zur Familienpolitik - von wem auch immer - weder gedacht ist noch dazu taugt. Das wäre wohl auch etwas zu einfach.

Mich stört zweierlei. Erstens: Auch mit viel Wohlwollen kann jedenfalls ich nicht übersehen, dass mit diesem Antrag ein ganz bestimmtes Familienbild gezeichnet werden soll, das nur noch einen Teil der Wirklichkeit wiedergibt.

(Beifall bei F.D.P., SPD und SSW)

Die Vielfalt von Verantwortungsgemeinschaften, in denen heute Kinder aufwachsen, wird dadurch - so empfinde ich es jedenfalls - in den Hintergrund gedrängt - eben doch zugunsten der klassischen VaterMutter-Kinder-Familie. Mir ist aber jede verantwortungsvolle, vor allem aber liebevolle Gemeinschaft, in der Kinder zu selbstbewussten Menschen aufwachsen, gleichviel wert.

(Beifall bei F.D.P., SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das gilt unabhängig davon, ob es um eheliche oder nicht eheliche Gemeinschaften oder um alleinerziehende Eltern geht.

(Thorsten Geißler [CDU]: Das wird mit dem Antrag gar nicht ausgeschlossen!)