Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

(Thorsten Geißler [CDU]: Das wird mit dem Antrag gar nicht ausgeschlossen!)

Zweitens, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, stört mich ganz gewaltig die Konditionierung Ihrer Auszeichnung. Dabei ist mir klar, dass es sich hierbei um die logische Konsequenz Ihrer Absicht handeln muss, die Sie mit diesem Antrag verfolgen. Lesen Sie einmal die letzten drei oder vier Punkte Ihres Antrages! Mir kommt es dabei so vor, als ob das Nobelpreiskomitee an die Verleihung des Friedensnobelpreises an Yitzak Rabin und Yassir Arafat die Bedingung geknüpft hätte, die beiden bekämen den Preis nur, wenn sie weiterhin Friedenspolitik machen. Ein Preis, Frau Kollegin Schwarz, wird doch als Anerkennung für bislang geleistete Arbeit, für besonderes gesellschaftliches Engagement oder zum Beispiel für herausragende wissenschaftliche Arbeiten verliehen und nicht als in Aussicht gestellte Belohnung für ein bestimmtes, zukünftig erwartetes Verhalten oder Handeln.

(Beifall bei F.D.P., SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Schauen Sie sich die letzten drei oder vier Punkte Ihres Antrages ruhig noch einmal an! Sie haben ja die Überweisung an die Ausschüsse beantragt. In den Ausschüssen können wir darüber ruhig noch einmal sprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mich auf die Reise in die angeblich besseren Zeiten begeben will, dann schaue ich mir Aufzeichnungen der „Unverbesserlichen“ mit der einzig wahren Mutter der Nation, Inge Meysel, an. Familienpolitische Ansätze

(Dr. Heiner Garg)

für das 21. Jahrhundert suche ich dort zwar vergeblich, allerdings habe ich sie auch nicht im Unionsantrag gefunden.

(Beifall bei F.D.P., SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Fröhlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Schwarz, gerade nach der Debatte, die wir kurz zuvor gehabt haben, empfinde ich Ihre Worte als einen Rückschritt und das macht mich ganz traurig.

(Lachen bei der CDU)

Wenn Sie sagen, dass Sie - gerade in Bezug auf die betreute Grundschule - über unsere Haushaltsbeschlüsse unglücklich sind, dann haben Sie nicht verstanden, dass wir ein anderes Konzept haben.

(Caroline Schwarz [CDU]: Dass die Kom- munen alles bezahlen sollen!)

Über dieses Konzept haben wir gerade eben in großer Gemeinsamkeit diskutiert. Wir haben es den beiden zuständigen Ministerien mit auf den Weg gegeben, damit wirklich etwas für die Familien passiert. Ich glaube tatsächlich, dass Familien in unserem Land mehr brauchen als einen Preis. Sie brauchen eine vernünftige Steuergesetzgebung, alles das, was Sie auch gesagt haben.

(Zuruf der Abgeordneten Caroline Schwarz [CDU])

Da treffen wir uns wieder.

Ich teile auch nicht die Auffassung von Herrn Garg, dass Sie hier lediglich einen veralteten Familienbegriff dargestellt haben - das teile ich nicht -, sondern ich sehe wohl, dass Sie differenzieren und die Wirklichkeit auch so wahrnehmen, wie sie ist.

(Beifall des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

Trotzdem glaube ich, dass ich diesen Antrag nur ablehnen kann. Es tut mir Leid. Den Familien in unserem Land, insbesondere den Kindern, die im „geschützten“ Raum Familie aufwachsen sollen, können wir nur - so meinen wir - durch eine direkte Unterstützung helfen. Wir helfen ihnen nicht durch die Vergabe von symbolischen Preisen - wem auch immer sie letztlich verliehen werden.

Die CDU - Frau Schwarz, Sie sagen es selbst - sagt in ihrer Antragsformulierung ganz deutlich: Es geht hier um einen symbolischen Preis, der Einzelpersonen oder Modellen verliehen werden soll. Es bleibt aber offen, was denn die Kriterien sein sollen, welches Gremium den Preis verleihen soll und vor allem mit welchem finanziellen „Preisgeld“ er verbunden sein wird.

„Familie ist dort, wo Kinder leben“, das ist die zentrale Aussage unseres Familienberichtes.

(Zuruf des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

Im Gegensatz zur CDU ist uns Grünen und auch der rot-grünen Koalition in Berlin und in Kiel dieser Unterschied zum Familienbild der Traditionalisten sehr bewusst.

(Zuruf des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

Familie heute ist eben nicht mehr - da sind wir gar nicht so uneins - die „Standardfamilie“, Ehepaar mit zwei Kindern, sondern sie hat inzwischen vielfältige und bereichernde Formen angenommen. Das haben meine Vorrednerinen und Vorredner alles gesagt. Ich will das nicht ergänzen.

(Tonzeichen eines Handys in den Reihen der CDU)

Familie in neuen Formen ist in der Praxis alternativlos. Nur dann, wenn Menschen in Zukunft gleichberechtigt, selbstbestimmt und freiwillig zusammenleben können, wird es gelingen, das Zusammenleben der Generationen und der Geschlechter als Familie auch im nächsten Jahrhundert zu erhalten.

Familienpolitik ist für uns wie auch für Sie - ich habe es gehört - Querschnittsaufgabe, die in nahezu alle Politikbereich hineinwirkt. In allen Bereichen schöpfen wir in Schleswig-Holstein die uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aus, um Familien zu unterstützen und materiell zu entlasten. Wir tun dies durch Maßnahmen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung, die Erleichterung des Wiedereinstiegs von Frauen in das Berufsleben, durch Kampagnen zur Stärkung der Verantwortung von Männern für die Familienarbeit, durch mehr Rechte für Frauen in der Arbeitswelt, die Versorgung mit angemessenen und preiswerten Wohnungen, insbesondere für einkommenschwache Familien, durch das Angebot an Kinderschutzzentren, Frauenhäusern und Notrufen bei besonders problematischen Familiensituationen - auch das wollen wir nicht verschweigen -, insbesondere bei Gewalttaten gegen Frauen und Kinder.

Schleswig-Holstein hat auch im Bereich der Interessenvertreter von Kindern und Jugendlichen eine Vor

(Irene Fröhlich)

reiterrolle übernommen. Beispiel dafür ist die Demokratiekampagne mit inzwischen zirka 150 Projekten.

Zu den weiteren Aufgaben, die am dringendsten abgesichert und ausgebaut werden müssen, gehören die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Erwachsenen mit Kindern, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, feste Betreuungszeiten an den Schulen und ein Netzwerk von Hilfseinrichtungen für Familien in Not. Dieser Aufgabe wird sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch weiterhin als Schwerpunkt ihrer Politik widmen.

Im Rahmen der Haushaltsberatungen mit Blick auf den Arbeitsschwerpunkt „Kooperation von Schule und Jugendhilfe“ haben wir uns alle miteinander auf den Weg gemacht. Auf diesem werden wir bleiben und deshalb den symbolischen Antrag der CDU ablehnen.

Wir werden vielmehr zu Beginn des nächsten Jahres eine Anhörung zum Familienbericht im Sozialausschuss zum Anlass nehmen, um uns vertieft und zielorientiert mit weiteren konkreten Maßnahmen zur Förderung von Familien in Schleswig-Holstein zu beschäftigen. Diese Anhörung war im Sozialausschuss in Aussicht gestellt; ich möchte sie hiermit anmahnen. Denn ich denke, Sie haben Recht, wir müssen uns mit der Situation von Familien ausführlich beschäftigen und das wollen wir auch tun. Aber wir wollen das dann auch anhand konkreter Vorhaben tun.

Familienpolitik - ich sagte es bereits - ist Querschnittspolitik. Wir haben in Berlin einiges zur finanziellen Entlastung von Familien erreicht. Bei einem Jahresbruttolohn von 60.000 DM erhält ein verheirateter Arbeitnehmer, eine verheiratete Arbeitnehmerin mit zwei Kindern im Jahre 2005 eine steuerliche Entlastung. Diese Familie hat bis 1998 noch Steuern gezahlt. Das muss man sich klar machen, wenn man darüber nachdenkt, wie wir Familien unterstützen können.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD])

Wir wollen auch diesen Weg weiter gehen. Wir hoffen, dass wir das eines Tages auch mit der Gemeinsamkeit des ganzen Hauses schaffen werden. Mit einem solchen Familienpreis werden wir es nicht hinkriegen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich möchte darauf hinweisen, dass das Handy-Verbot in diesem Haus nicht nur für die Abgeordneten, sondern auch für die Vertreter der Presse gilt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Heiterkeit)

- Ich konnte nicht genau lokalisieren, woher es kam. Ich möchte nur sicherstellen, dass in diesem Raum insgesamt das Handy-Verbot eingehalten wird.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Auf der Besuchertribüne begrüße ich jetzt die Besuchergruppe der Meldorfer Gelehrtenschule.

(Beifall)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann mich zum Teil den Worten meiner Vorrednerinnen und Vorredner, insbesondere auch Ihnen, Frau Schwarz, anschließen. Es war leider nur in der ersten Minute Ihrer Rede, dass ich empfand, dass Sie einiges zurechtgerückt haben, was mich bei Ihrem Antrag doch etwas überrascht hat. Sie haben Recht mit dem Familienbild, das Sie hier heute in Ihrer Rede beschrieben haben. Das war aber etwas anderes als das - wie der Kollege Dr. Garg schon sagte -, was sich aus dem Antrag ergibt.

(Beifall bei der F.D.P. - Thorsten Geißler [CDU]: Es gilt das gesprochene Wort!)

- Wie schön! Es wäre schön, wenn das gesprochene Wort manchmal auch schon in den schriftlichen Anträgen stünde; dann verstünde man sie besser.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Unabhängig davon möchte ich jetzt trotzdem meine Rede halten. Wenn wir heute „Familie“ sagen, dann sprechen wir nicht mehr von der so genannten bürgerlichen Familie oder der Kernfamilie von Vater, Mutter und Kind, obwohl das heute immer noch statistisch der Normalfall ist.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)