Anna Schlosser-Keichel

Sitzungen

15/4 15/12 15/20 15/32 15/37 15/42 15/52 15/60 15/69 15/85 15/89 15/104 15/114 15/121 15/131

Letzte Beiträge

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Begriff „Stalking" wurde in den 90er-Jahren in den USA geprägt. Auch ich habe natürlich damit gerechnet, dass ich den Begriff hier übersetzen muss. Er kommt aus dem Jäger-Jargon aus Amerika und bedeutet wörtlich übersetzt „auf die Pirsch gehen". Was so harmlos klingt, ist für die Betroffenen bitterer Ernst. Herr Schlie hat ja schon beschrieben, was Stalking ist: das vorsätzliche, böswillige Belästigen, Bedrohen, Verfolgen.
Inzwischen belegen Studien, dass die Erkenntnisse über Stalking, die bisher vor allem aus Amerika stammen, nahezu deckungsgleich auch für die Bundesrepublik zutreffen. Das heißt, circa 85 % der Betroffenen sind Frauen. Ein fast ebenso hoher Prozentanteil der Stalker, der Täter, sind Männer. Aber auch wenn die Frauen in der Minderzahl sind, in Akribie und Gemeinheit stehen weibliche Täterinnen den männlichen Stalkern in nichts nach.
In neun von zehn Fällen stehen die Beteiligten in irgendeiner Beziehung zueinander. Stalking unter Fremden ist ganz selten. Sie kennen sich aus dem Freundeskreis, aus der Nachbarschaft, vor allem - Herr Schlie sagte das schon - aus Paarbeziehungen.
Fast die Hälfte der Stalker sind ehemalige Partner. Es ist deshalb selbst für die Betroffenen und umso mehr noch für die Strafverfolgungsbehörden schwierig, etwa nach einer gescheiterten Beziehung das Umschlagen von zunächst harmlosen Kontaktversuchen zu intensiver werdenden Belästigungen bis hin zur konkreten Bedrohung richtig einzuordnen, ernst zu nehmen und die tatsächliche Gefährdung, die zuweilen eine Lebensgefährdung sein kann, zu erkennen.
Stalking-Opfer klagen oft darüber, dass ihre Probleme lange Zeit weder im persönlichen Umfeld noch von den Behörden ernst genommen werden, und berichten über Reaktionen wie: Nun freu dich doch über so einen treuen Verehrer! - So eine Äußerung verkennt die Problematik natürlich völlig.
Die neuesten Befragungen haben ergeben, dass die Opfer im Durchschnitt vier verschiedene Methoden aushalten müssen: Telefonterror, Verfolgung über SMS, Auflauern, unerwünschte Bestellungen.
Der Ideenreichtum der Stalker ist groß. 10 % der Betroffenen waren täglich mit ihren Verfolgern konfrontiert, und im Durchschnitt dauern die Belästigungen 28 Monate an, so die Untersuchungen. Die Schilderungen zeigen nachvollziehbar, dass Stalking krank machen kann und dass viele Opfer den einzigen Ausweg darin sehen, alle Brücken hinter sich abzubrechen, dass Stalking also kein Kavaliersdelikt ist.
Herr Schlie hat schon gesagt, Stalkingopfer sind nicht völlig schutzlos. Nötigung, Bedrohung und so weiter sind Straftatbestände. Bei subtileren Stalkinghandlungen geling es aber meist selbst dann nicht, den Täter zur Verantwortung zu ziehen, wenn die Opfer gesundheitlich beeinträchtigt sind. Die Beweislast liegt in dem Fall beim Opfer.
Die große Hoffnung für Stalkingopfer war das Gewaltschutzgesetz. Es hilft auch in vielen Bereichen, aber es zeigt sich nach dreijähriger Praxis, dass diese rechtliche Möglichkeit des Gewaltschutzgesetzes nicht für alle Einzelfälle eine ausreichende Handhabe bietet, denn vor der Strafverfolgung ist vorgesehen, dass das Opfer eine zivilrechtliche Entscheidung erwirken muss. Es muss dabei das Kostenrisiko und natürlich auch die Beweislast tragen.
Ich gebe Herrn Schlie Recht, wenn er in der Begründung des CDU-Antrages feststellt, dass nicht der Eindruck entstehen darf, dass nicht die Tathandlung, also das Stalking, strafbar ist, sondern lediglich der Verstoß gegen die zivilrechtliche Anordnung, sich dem Opfer nicht mehr zu nähern. Das ist ein verkehrter Blick der Dinge.
Wir sind uns einig in der Forderung, dass Stalking als Straftatbestand verankert werden muss. Als ich Ihren Antrag gelesen habe, habe ich mir gedacht, dass wir uns über das Wie nicht ganz einig werden, aber das hat sich nun aufgelöst. Nach unserer Meinung ist der Entwurf des Bundeslandes Hessen ungeeignet, weil er mit zu vielen unbestimmten Rechtsbegriffen arbeitet. Es ist zu befürchten, übrigens auch nachzulesen in einer Drucksache des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, dass zwar Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, aber schnell wieder einge
stellt werden müssen. Der hessische Weg ist also nicht der, auf den wir setzen müssen.
Wir fordern die Landesregierung auf, in dem laufenden Bundesratsverfahren auf eine Änderung der Gesetzeslage in der Weise hinzuwirken, dass Stalking als Straftatbestand erfasst wird, aber gleichzeitig - das ist uns wichtig - der Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt bleibt. Ich freue mich, dass Sie dem zustimmen, und ich denke, dass wir heute in der Sache abstimmen können, um der Landesregierung unsere Position in die Beratungen, die schon laufen, mitgeben zu können.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gesagt worden, die Vorschriften, die heute regeln, wie wir mit unseren Verstorbenen umzugehen haben, stammen teilweise aus dem Dritten Reich und sind über ein Sammelsurium von Gesetzen und Verordnungen verteilt. Diese zusammenzufassen, zu straffen, zu konkretisieren und sich zu öffnen für eine veränderte Trauerkultur und für andere Religionen, ist dringend nötig.
Die Landesregierung hat deshalb einen modernen Entwurf für ein umfassendes Bestattungsgesetz erarbeitet. In diesen Entwurf sind bereits wesentliche Ergebnisse einer umfassenden Diskussion eingeflossen, die im Vorfeld mit Verbänden und Kirchen geführt worden ist. Viele Abgeordnete sind in ihren Wahlkreisen in den Diskurs einbezogen worden. Das war ein Meinungs- und Gedankenaustausch, der wohl alle beeindruckt hat, sowohl die Regierung als auch uns Abgeordnete. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass sich mir genau die gleichen Punkte aufgedrängt haben, in meiner Rede hier anzusprechen.
Um es kurz zu sagen oder zu wiederholen: Knackpunkt Nummer eins, der in den Diskussionen, die ich geführt habe, im Mittelpunkt stand, die mögliche Privatisierung von Friedhöfen, die mit viel Aufregung und Emotion besprochen worden ist, ist vom Tisch. Das ist gut so, denn die Trägerschaft von Kommunen und Kirchen und ihre Zusammenarbeit hat sich im Grunde bewährt. Dort, wo sich die Gemeinden bisher oder heute noch vornehm zurückhalten, werden sie nun allerdings gesetzlich verpflichtet, sich an den ungedeckten Kosten eines kirchlichen Friedhofs zu beteiligen.
Ein weiterer Dreh- und Angelpunkt des Gesetzes war und ist die Frage, ob künftig die Bestattung nach dem Wunsch der Verstorbenen beziehungsweise der Hinterbliebenen wahlweise in einem Sarg oder aber in einem Leichentuch erfolgen kann. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf - auch das ist hier schon ausgeführt worden - soll es grundsätzlich bei der Sargpflicht bleiben. Ein Nebeneffekt dieser Entscheidung ist, dass damit auch die - wie ich zwar finde - weit hergeholte, aber immer wieder vorgebrachte Befürchtung ausgeräumt ist, die Kommunen könnten, wenn sie im Rahmen der Sozialhilfe Beerdigungskosten zu übernehmen haben, die möglicherweise günstigere Bestattung im Leichentuch wählen. Das ist oft ange
sprochen worden, eine eigenartigerweise immer wieder vorgebrachte Angst.
Um aber insbesondere die Bestattung nach islamischen Riten zu ermöglichen, sind Ausnahmeregelungen von der Sargpflicht vorgesehen, wenn religiöse oder weltanschauliche Gründe vorgebracht werden.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, in denen die Lockerung der Sargpflicht den Friedhofssatzungen überlassen bleibt, wird in Schleswig-Holstein den Trägern von Friedhöfen zwingend vorgegeben, dass sie eine Bestattung im Leichentuch ermöglichen müssen, gegebenenfalls in Kooperation mit anderen Friedhofsträgern. Es ist also nicht ins Belieben gestellt und es ist schon wichtig, das zu regeln.
Auch im Hinblick auf die Feuerbestattung öffnet sich der Gesetzentwurf neuen Formen der Bestattung. Der Transport der Asche darf den Hinterbliebenen nun überlassen werden. Diese müssen dann aber nachweisen, dass die verschlossene, versiegelte Urne bestattet worden ist.
Im Grundsatz geht der Gesetzentwurf davon aus, dass die Urne in einem Grab beigesetzt wird. Erstmals wird allerdings die Seebestattung der Urne gesetzlich geregelt. Bisher war dafür ein Ausnahmeverfahren zu bemühen. Die Friedhofsordnungen können für die Beisetzung in Urnenhallen, Urnenmauern oder an einem Baum im Urnenhain eines Friedhofs vorsehen und damit auf persönliche Wünsche eingehen. Wie gesagt, innerhalb des Friedhofs sind diese Anlagen für Urnenbestattungen einzufügen.
Unzulässig - auch das ist gesagt worden - ist auch künftig das Aufbewahren der Urne im privaten Bereich, unzulässig ist auch das Ausstreuen der Asche. Auch dies ist ein Knackpunkt in den Diskussionen. Ich denke, auch hier ist eine gute Entscheidung getroffen worden.
Als dritter Punkt ist die Bestattungspflicht für tot geborene Kinder genannt worden. Auch an den bisherigen Wortbeiträgen haben wir gesehen, dass das ein sensibles Thema ist. Die Regelung, die im Gesetzentwurf enthalten ist, entspricht der derzeitigen Rechtslage. Neu ist, dass die Geburtshelfer sicherstellen müssen, dass die Eltern oder ein Elternteil über die Möglichkeit, dass das tot geborene Kind beerdigt werden kann, informiert werden. Vielleicht sollten wir dazu kommen, diese „Soll“-Vorschrift im Gesetz in eine „Muss“-Vorschrift abzuändern, um deutlich zu machen, wie wichtig diese Beratung für die Eltern und die Trauerarbeit, die sie zu leisten haben, ist.
Mein letzter Satz. - Ich rege an - auch da sind wir uns einig -, dass wir im Ausschuss auch grundsätzlich über diese Gewichtsgrenze beraten. Angesichts der Tatsache, dass lebend geborene Kinder mit einem extrem niedrigen Geburtsgewicht heute reelle Überlebenschancen haben, muss die Frage der Gewichtsgrenze von 500 bis 1.000 g noch einmal überdacht werden. Wir werden sicherlich Anhörungen durchführen und da wird sich auch diese Frage auftun.
Ich bin sicher, wir werden im Ausschuss interessante Beratungen über den Gesetzentwurf führen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie heute Morgen durch den Haupteingang hier in das Landeshaus gekommen sind, müssten Sie eigentlich auf diese Broschüre gestoßen sein: „WEITER LEBEN - Mit dem Virus“. Sie enthält nicht nur ein Portrait eines HIV-positiven Mannes, sondern auch eine kurze und eingängige Beschreibung der aktuellen Problematik mit HIV.
Ich will wegen der Kürze der Zeit diese Entwicklung nicht schildern. Tatsache ist, dass seit 1996 neue Medikamente auf dem Markt sind und durch die damit verbundenen scheinbaren Heilungserfolge die Probleme der HIV-positiven und AIDS-kranken Menschen und leider auch die Notwendigkeit von Prävention stark aus dem öffentlichen Interesse und Bewusstsein verschwunden ist. - Zu Unrecht, wie auch Frau Hinrichsen schon sagte, denn AIDS ist heute zwar eine behandelbare, aber immer noch eine unheilbare Krankheit. Die Probleme für die Betroffenen sind nicht gelöst, sie haben sich lediglich verändert. Das zeigt sich auch im Bereich der Prävention.
Die Infiziertenzahlen steigen insbesondere bei homosexuellen Männern wieder an. Möglicherweise gaukeln die verbesserten Behandlungsmöglichkeiten eine trügerische Sicherheit vor. Die Zahl der Betroffenen steigt weiter an - auch das ist bereits gesagt worden - und die lebenslange und hoch dosierte Medikamenteneinnahme bringt schwere körperliche und seelische Nebenwirkungen mit sich. Das bedeutet, dass sich die Arbeit der Ärzte, aber eben auch die Arbeit der Beratungsstellen verändern musste.
Wir haben in den letzten Jahren intensiv beraten, auch zusammen mit den Betroffenen, wie und welche Hilfen unter den geänderten Rahmenbedingungen nötig sind. Wir haben insbesondere auch die regionalen Gegebenheiten in Schleswig-Holstein und die Besonderheiten hier im Land gewertet. Ich habe festgestellt, dass wir in den vergangenen vier Jahren das Thema AIDS 25 Mal in den Protokollen unseres Arbeitskreises vermerkt haben. Ich denke, das macht deutlich, dass uns eine gute, und das heißt für uns auch eine flächendeckende, Versorgung und Beratung von HIV
Infizierten und AIDS-Kranken ein Anliegen ist. Dieses Anliegen - denke ich - wird auch durch die Entscheidungen bei der Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2004/2005 deutlich, in dem wir dokumentiert haben, dass wir die Kontinuität bei der Förderung dieses Beratungsangebotes wollen und wünschen.
Nun ist bedauerlicherweise der Träger in Flensburg ausgefallen, der bisher das Beratungsangebot sichergestellt hat. Die Notwendigkeit für das Beratungsangebot besteht aber natürlich nach wie vor. Und auch unser Anspruch, den wir erarbeitet haben, der Anspruch an die Beratungsstellen, nämlich dass sie dezentral, dass sie unabhängig, dass sie niedrigschwellig und möglichst in freier Trägerschaft arbeiten sollen - entsprechendes ist auch in den Förderrichtlinien vorgegeben -, gilt unverändert und das wollen wir in dem gemeinsamen Antrag auch gegenüber unserer Landesregierung deutlich machen.
Wir gehen deshalb davon aus, dass die notwendig gewordene Neuregelung in Flensburg keinesfalls zum Anlass genommen werden darf, die Mittel zu kürzen. Wir gehen weiter davon aus, dass die dezentrale Arbeit im nördlichen Landesteil gesichert wird. Deshalb haben wir uns an diesem Antrag beteiligt.
Es hat sich bewährt, diese spezielle Beratung in die Hand eines freien Trägers zu geben. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, mit der Stadt Flensburg zusammen eine Lösung in diesem Sinne zu suchen.
Wir bitten heute um Abstimmung in der Sache, weil nur so dazu beigetragen werden kann, dass diese Hilfestellung für die HIV-Infizierten und AIDS-Kranken so schnell wie möglich, möglichst noch in der ersten Jahreshälfte, in Flensburg und in der nördlichen Region wieder angeboten werden kann. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und empfehle Ihnen noch einmal die Broschüre, sie liegt draußen noch aus.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der zweite Gleichstellungsbericht, den Frau Lütkes uns vorgestellt hat, ist eine Erfolgsbilanz. Er zeigt aber auch - das ist schon gesagt worden -, dass noch eine Menge zu tun ist. Bei der Gegenüberstellung der Gleichstellungsberichte 1999 und 2003 - also ein relativ kurzer Zeitraum - wird deutlich, wie viel mutiger Gleichstellungspolitik in den vergangenen Jahren geworden ist.
Sie ist heute eher in der Lage, Grundsätzliches infrage zu stellen. Ein Beispiel hierfür ist die Regelbeurteilung im öffentlichen Dienst. Wenn Frauen ganz offensichtlich schlechter beurteilt werden als Männer - eine Erhebung hat das gezeigt -, wäre in der Vergangenheit der Lösungsansatz gewesen, dass Frauen dann eben besser qualifiziert werden müssen. Heute ist das Infragestellen der Beurteilungskriterien eine ernst zu nehmende Option. Das ist schon ein bisschen revolutionär.
Die Verantwortung für Gleichstellung hat sich geändert. Es sind nicht ausschließlich die Frauen dafür zuständig. Das haben wir auch schon beim letzten Tagesordnungspunkt besprochen. Bei der Umsetzung des Ziels, Frauen und Männer gleichermaßen in Führungspositionen einzusetzen, hat sich die Fragestellung grundsätzlich weiterentwickelt. Die Frage ist nicht mehr allein, wie eine Frau beschaffen sein muss, damit sie eine bestimmte Position ausfüllen kann, sondern auch, wie die Stelle beschaffen sein muss, damit sie das Potenzial einer Stelleninhaberin genauso gut nutzen kann wie das Potenzial eines männlichen Stelleninhabers. Dennoch sind wir - wie bereits gesagt wurde - weit von dem Ziel einer gleichmäßigen Besetzung von Spitzenpositionen entfernt. Dazu braucht man den Gleichstellungsbericht eigentlich
nicht zu lesen, dazu genügt ein Blick in die Geschäftsverteilungspläne.
Sorge macht mir auch die verschwindend geringe Zahl von Frauen in Aufsichtsräten, Gewährträgerversammlungen und anderen Gremien. Wir beraten im Verlauf dieser Tagung über das Regionalprogramm, das mit viel Geld ausgestattet ist und das wichtige wirtschaftliche und politische Weichenstellungen bewirkt. In den Gremien, die über die Auswahl der zu fördernden Projekte entscheiden oder die eine Vorauswahl treffen, sind Frauen eine Ausnahmeerscheinung.
Die Situation in den Regionalbeiräten ist nur ein Beispiel von immer noch nahezu frauenfreien Zonen. Das kann so nicht bleiben. Diese Gremien haben einen wichtigen Einfluss.
Ein wichtiger Punkt für die Entwicklung der Gleichstellungspolitik ist die Situation der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten. Zwar haben wir ihre Rechtsstellung mit der letzten Änderung der Kommunalverfassung gestärkt. Inzwischen wurden aber in einer Reihe von Kommunen die Stundenzahl der Gleichstellungsbeauftragten oder die ihrer Mitarbeiterin reduziert und damit ihre Arbeit beeinträchtigt.
Weitere Einschränkungen - so jedenfalls die Signale aus den Kreisen - sind angedroht. Ich kann das nicht verstehen.
Der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag hatte in seiner Dokumentation „Einblicke in die Arbeit der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten“ im Jahr 2000 eine Vielzahl von Projekten vorgestellt. Sie machen deutlich, wie vielfältig Gleichstellungsaufgaben sind, und sie zeigen vor allem die Flexibilität und die hohe Fachkompetenz unserer schleswigholsteinischen Gleichstellungsbeauftragten. Diese lesenswerte Dokumentation ließ ein hohes Maß an Anerkennung für die Arbeit der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten vor Ort erkennen.
Es ist umso unverständlicher ist, dass man heute, nach nur drei Jahren, meint, die gleichstellungspolitischen
Aufgaben könnten so nebenher oder halbtags erledigt werden. Das ist nicht der Fall.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen wird noch für viele Jahre eine große Aufgabe sein. Die Instrumente, die wir hierfür entwickelt haben, zeigen Wirkung. Neben der Quote als quantitativem Instrument sind die klassische Frauenförderung und Gender Mainstreaming als neuestes Instrument zur qualitativen Berücksichtigung der Interessen von Frauen zu nennen. Wir müssen alle drei Instrumente - das war meiner Meinung nach heute schon ein Streitpunkt - noch nebeneinander und Hand in Hand gebrauchen, um zu unserem Ziel zu kommen.
Ich bedanke mich bei Ministerin Lütkes für den Bericht. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Landesbehörden danke ich nicht nur für ihre Zuarbeit zu diesem Bericht, sondern auch für ihre Tag für Tag engagierte Mitarbeit in Sachen Gleichstellung.
Ganz besonders gilt mein Dank den Gleichstellungsbeauftragten in den Landesbehörden und den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten. Sie haben ein Arbeitsfeld übernommen, das sie neu definieren mussten, in dem es viele Widerstände zu überwinden gab und noch gibt und das erst durch ihre Arbeit zu einem anerkannten Bereich gesellschaftlicher Entwicklung geworden ist.
Wir werden ihre Arbeit weiter begleiten. Ich stelle den Antrag, den vorliegenden Bericht zur abschließenden Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen, damit wir die Zahlen und Statistiken würdigen und näher betrachten können. Ich freue mich auf die Beratungen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns zum dritten Mal in dieser Legislaturperiode mit der Problematik häuslicher Gewalt. Das ist gut so; denn nachdem seit jeher Gewalttätigkeiten in der Familie als Privatangelegenheit ignoriert und selten sanktioniert worden sind, ändern sich nun die Sichtweisen und auch die Handlungsweisen.
Wir haben in der Debatte im vergangenen Oktober auch die notwendige Kooperation der verschiedensten Stellen beleuchtet, die nötig sind, um die Opfer wirkungsvoll und dauerhaft zu schützen. Eine Schlüsselposition in diesem Zusammenspiel hat in der Tat die Polizei. Durch ihr Einschreiten wird unmissverständlich deutlich gemacht, dass der Staat Gewalt im häuslichen Bereich nicht als Kavaliersdelikt betrachtet, sondern als kriminelles Unrecht missbilligt und verfolgt. Durch die Wegweisung der Gewalttäter aus der Wohnung - in Schleswig-Holstein für immerhin bis zu zwei Wochen - wird klargestellt, dass der Staat die Gefährdung der misshandelten Frauen und Kinder ernst nimmt.
Die Beamtinnen und Beamten der Polizei haben Fortbildungsmaßnahmen absolviert. Es wurden ihnen ein ausführlicher und außerordentlich konkreter Erlass und Ausführungsbestimmungen an die Hand gegeben. Es hat sich schnell gezeigt, dass die Wegweisung von den Polizeikräften als neue Reaktionsmöglichkeit in diesen Konflikten begrüßt und auch angewandt wird.
Mein Dank gilt an dieser Stelle den Beamtinnen und Beamten, die sich sehr offen und engagiert dieser neuen Aufgabe, diesem neuen Verfahren gestellt haben. Im Wegweiseverfahren sind schwierige Abwägungen zu treffen; meine Vorrednerin hat bereits darauf hingewiesen. Es ist eine Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung einerseits und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit andererseits zu treffen. Das ist keine Kleinigkeit. Es erfordert im zwischenmenschlichen Bereich viel Fingerspitzengefühl der betroffenen Beamten. Im rechtlichen Bereich benötigen sie in der Tat ein solides Fundament.
Deshalb wurde von Beginn an, noch vor Verabschiedung des Gewaltschutzgesetzes, auf Bundes- und Landesebene die Diskussion darüber geführt, welche Rechtsgrundlage für diese polizeiliche Erstintervention notwendig ist. Die Innenministerkonferenz vom Mai 2001 etwa vertrat die Auffassung, dass die bestehenden polizeirechtlichen Befugnisse ausreichen, um im Rahmen akuter Krisenintervention wirksam vor häuslicher Gewalt zu schützen. Die Konferenz hielt aber auch Anpassungen in den Polizeigesetzen für möglich. Eine ganze Reihe von Bundesländern haben das inzwischen getan, aber beileibe nicht alle.
Unsere Landesregierung vertritt die Auffassung, dass sich in Schleswig-Holstein die Eingriffsermächtigung für eine Wegweisung aus der polizeilichen Generalermächtigung des § 176 Landesverwaltungsgesetz ergibt.
Diese Auffassung wurde Ende April 2003 durch einen Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts eindeutig bestätigt.
Dennoch, Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister, gibt es eine gewisse Verunsicherung in den Reihen der Polizeibeamten. Ich habe sie bei meinen Gesprächen vor Ort selbst registriert und unter diesem Eindruck bereits in meiner Rede im Oktober hier im Landtag eingeräumt, dass wir zu gegebener Zeit die Frage vertiefen sollten, ob sich die Erlassregelung bewährt hat, ob sie ausreicht oder ob nicht doch eine Gesetzesänderung angebracht wäre.
Die Forderung der Beamtinnen und Beamten nach optimaler Handlungssicherheit auch über die Generalklausel hinaus ist ernst zu nehmen. Ich denke, mögliche verbleibende Unsicherheiten dürfen nicht zu Lasten der Polizeikräfte gehen.
Wir sollten uns im Ausschuss nach nun eineinhalb Jahren Erfahrung mit der Wegweisung berichten lassen, auch aus Sicht der Polizei. In diesem Sinne gehe ich - ich denke, mit meinen Kolleginnen und Kollegen - sehr offen in die Diskussion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Menschenhandel hat Konjunktur und verspricht lukrative Geschäfte. Die Ware sind vor allem Frauen und Mädchen. Die Ministerin hat richtig festgestellt: Wir in Schleswig-Holstein können das Problem des internationalen Menschenhandels zwar nicht allein lösen, aber wir können und müssen unseren Beitrag dazu leisten, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und dass den Betroffenen geholfen wird.
Das alles haben wir schon im Oktober 2001 übereinstimmend im Rahmen einer Landtagsdebatte festgestellt. Der heute vorliegende Bericht ist eigentlich nur eine Ergänzung zu der Antwort auf die Große Anfrage der CDU, über die wir damals debattiert haben.
Der heutige Bericht fokussiert sich auf unsere Fragen, er würdigt insbesondere die Arbeit der Beratungsstelle contra die hier in Schleswig-Holstein einen wichtigen Part beim Schutz und bei der Betreuung der Opfer übernommen hat.
Die Beratungstätigkeit von contra ist zeitintensiv. Allein die Kosten und der Zeitaufwand für die Übersetzungen in zahlreiche Sprachen sind Herausforderungen für die Organisation. Hinzu kommen die multiplen Problematiken der Frauen, die von contra beraten werden. Sie sind alle Opfer, einige von ihnen sind auch Täterinnen, weil sie zum großen Teil gegen Ausländergesetze verstoßen haben.
Viele halten sich illegal im Land auf. Sie haben keine Wohnung und befinden sich in dramatischen psychischen Ausnahmesituationen. Viele sind krank beziehungsweise drogenabhängig. Der Umgang mit diesen vielfältigen Problematiken erfordert ein hohes Maß an Professionalität, wie sie von den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen von contra auch geleistet wird. Wir haben uns die Arbeit vielfältig vorstellen lassen und sind im Gespräch mit contra. Wir haben natürlich auch Forderungen und Kritikpunkte aufgenommen. Aber einen derartigen Verriss der Arbeitsgemeinschaft kann ich nicht feststellen. Es ist klar, dass man sich kritisch miteinander auseinander setzt und dass Wünsche offen bleiben. Aber so scharf, wie es eben dargestellt worden ist, denke ich, kann man es eigentlich nicht stehen lassen. Wir können über die einzelnen Forderungen im Ausschuss noch reden.
Die professionelle hauptamtliche Betreuung bei contra muss gewährleistet sein. Es gibt aber - darauf weist der Bericht hin - im weiteren Umfeld der Beratung eine mögliche Entlastung durch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dieser Bereich soll in Zukunft - darauf hat die Ministerin hingewiesen - mit Unterstützung des Landes ausgebaut werden. Es ist zu hoffen, dass auf diesem Weg ein Teil der Kapazitätsprobleme gemindert werden kann.
Die ehrenamtliche Tätigkeit kann die hauptamtliche Arbeit zwar unterstützen, aber sie kann und soll sie nicht ersetzen. Daher muss die Finanzierung gesichert werden. Da bin ich mit Frau Sassen einig. Die Frage, warum nicht Mittel aus der Vermögensabschöpfung eingeworben werden können, stellt sich von selbst. Auch wir haben diese Forderung bereits aufgestellt. Ich weiß, dass es insoweit haushaltsrechtliche Probleme gibt. Aber unsere Juristen und Finanzfachleute haben, denke ich, schon größere rechtliche Probleme gelöst. Wir müssen im Ausschuss ernsthaft darüber reden.
Es ist einfach so, dass diese Vermögen Kriminellen entzogen worden sind, die diese Vermögen nicht zuletzt durch Ausbeutung der betroffenen Frauen erwirtschaftet haben. Ich denke, gerade wenn festzustellen ist, dass der Landtag eine Lobby für diese Frauen ist, lohnt es sich, nach Lösungen zu suchen und solche zu finden.
Die Polizei und Staatsanwaltschaft engagieren sich - das macht der Bericht deutlich - ganz erheblich im Bereich der organisierten Kriminalität. Ich meine, wir sollten uns die Arbeit dieser Ermittlungsgruppen im Innen- und Rechtsausschuss einmal näher darstellen lassen.
In den Gesprächen, die wir mit contra geführt haben, ist deutlich geworden, dass es in manchen Bereichen wünschenswert wäre, wenn die Zusammenarbeit und der Austausch von Polizei und Beratungsstellen weiter intensiviert werden könnte.
Insgesamt ist die Situation der betroffenen Frauen durch den Abbau von bürokratischen Hindernissen und durch die Schaffung von klaren Zuständigkeiten eindeutig verbessert worden. Die Situation würde sich weiter verbessern, wenn das von der Bundesregierung vorgelegte Zuwanderungsgesetz in Kraft treten könnte;
denn dieses Gesetz enthält eine Reihe von Vorschriften, durch die gerade für die Frauen, um die es in der heutigen Debatte geht, Härten vermieden würden.
Ja. - Deshalb habe ich die Bitte an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sich dafür einzusetzen, dass die CDU die Blockadehaltung im Bundesrat aufgibt; denn gerade für die Frauen ist es wichtig, dass dieses Gesetz in Kraft tritt.
Wir sollten die Einzelheiten im Innen- und Rechtsausschuss erörtern. Dort steht ja auch noch die Beratung des Antrages in der Drucksache 15/1299 an, bei dem es um die Verwendung der Mittel aus der Vermögensabschöpfung geht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir waren uns in der September-Tagung des Jahres 2000 alle fraktionsübergreifend einig, dass Gewalt im häuslichen Bereich nicht Privatsache der Betroffenen ist, sondern kriminelles Unrecht. Wir waren uns einig, dass der Staat aktiv eingreifen, die Täter bestrafen und vor allem aber die Opfer schützen muss. Deshalb haben wir gemeinsam die Landesregierung aufgefordert, im Rahmen des Konzepts KIK zusammen mit der Polizei das Instrument der Wegweisung einzusetzen beziehungsweise die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Heute nach knapp zwei Jahren können wir auch - darin bin ich mir sicher - übereinstimmend feststellen: Es funktioniert! Diese Einschätzung ziehe ich nicht nur aus dem vorliegenden Bericht, sondern ebenso wie Frau Schwarz auch aus Gesprächen vor Ort mit den Beteiligten, vor allem in der Modellregion der Polizeidirektion Nord. Die Beteiligten sind vier Kooperationspartnerinnen und -partner, deren Zusammenarbeit dringend notwendig ist, um die Wegweisung zu einem Erfolg zu machen. Das sind natürlich die Polizeibeamtinnen und die Polizeibeamten, die die Wegweisung anzuordnen haben. Ihnen wurden ein Erlassentwurf und Ausführungsbestimmungen an die Hand gegeben. Schulungen haben stattgefunden. Darauf ist in der Diskussion vor zwei Jahren ausdrücklich Wert gelegt worden. Nachdem ich anfangs doch einige Skepsis festgestellt habe, muss man jetzt feststellen, dass die Wegweisung heute als neue polizeiliche Reaktionsmöglichkeit nach relativ kurzer Zeit anerkannt ist.
Die im Bericht genannten Zahlen zeigen, dass die Wegweisung offensiv, aber keinesfalls leichtfertig genutzt wird. Interessant finde ich die Feststellung, dass allein die Androhung Wirkung zeigt. In den Ausschussberatungen würde ich gern die Frage vertiefen, ob sich die Erlasslösung bewährt hat oder ob es nicht doch eine gesetzliche Regelung wie in anderen Bundesländern geben sollte. Auch in Gesprächen mit Polizisten ist diese Forderung vorgebracht worden. Im Ausschuss ist Raum, diese Frage zu vertiefen.
Die polizeiliche Wegweisung ist aber nur dann wirksam, wenn sie keine isolierte Maßnahme der Polizei darstellt. Den prügelnden Mann für 14 Tage vor die Tür zu setzen, mag der Frau und den Kindern - in 80 % der Fälle sind Kinder in diesen Ehekriegen betroffen - unmittelbar helfen. Es mag für den Mann schon eine Strafe sein. Aber in diesen 14 Tagen, die
die Wegweisung in der Regel dauert, muss sehr viel mehr passieren. Deshalb gehört es auch zum Programm der polizeilichen Einsatzkräfte, auf Hilfsangebote hinzuweisen, zum Beispiel über die neue Helpline Kontakt zu Hilfsorganisationen und Unterstützung zu vermitteln.
Da sind wir bei den zweiten Kooperationspartnern, nämlich den Frauenfachberatungsstellen, die zugegebenermaßen noch mehr eingebunden werden müssen. Sie sind wichtige Partnerinnen. Sie haben langjährige Erfahrungen und Spezialwissen im Umgang mit betroffenen Frauen. Sie können neben der psychischen Betreuung auch praktische Hilfestellung leisten. In diesem relativ kurzen Zeitraum von 14 Tagen muss zum Beispiel ganz schnell ein Beschluss über die Zuweisung der Familienwohnung erfolgen, wenn es wirklich mit der Trennung Ernst wird. Die Justiz ist also die dritte Partnerin in diesem Konzept.
Der Bericht ist in diesem Punkt über die Justiz nicht sehr ausführlich. Unsere Gespräche haben aber gezeigt, dass es doch noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt, beispielsweise in der Fortbildung der Staatsanwaltschaft. Das ist ein Punkt, den ich in den Ausschussberatungen gern vertiefen möchte.
Nun komme ich zu dem vierten auch sehr wichtigen Partner, der zu dieser Kooperation gehört. Das sind die Beratungsstellen, die sich der Täter annehmen und mit Anti-Gewalt-Training arbeiten und auf diese Weise mithelfen, dass der Kreislauf der Gewalttätigkeit unterbrochen werden kann.
Diese vier Kooperationspartner und -partnerinnen sind für die Wirksamkeit der Wegweisung nötig. Die gemeinsame Planung, die Koordinierung dieser vier Partner, die nicht zwangsläufig jeden Tag zusammenarbeiten, ist eine wichtige Aufgabe, ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Wegweisung mehr ist als zeitlich befristeter - 14-tägiger - Platzverweis, sondern wirklich eine Chance für die Frauen ist, aus der Gewaltsituation, in der sie oft jahrelang gefangen sind, herauszukommen, um auszubrechen.
Diese Kooperation ist unter der Federführung von KIK gelungen. Dafür allen Beteiligten vielen Dank! Ich weiß, dass das nicht ganz einfach war. Ich hoffe, dass die Wegweisung über dieses Modellprojekt hinaus bald landesweite Praxis ist.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für den heutigen Internationalen Tag der Familie im Landtag ein Familienthema auf die Tagesordnung zu setzen, das war eine gute Idee der CDU-Fraktion. Das will ich gerne und auch mit ein bisschen Neid eingestehen.
Aber nach der Lektüre Ihres Antrags hat sich mir gleich der Eindruck aufgedrängt, es geht hier nicht in erster Linie darum, die Familien heute in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen oder auch die vielen Organisationen, die für Kinder und mit Kindern und für Familien, Eltern und Frauen arbeiten und denen ich an dieser Stelle auch besonders danken möchte, sondern es geht offensichtlich darum, für die Nord-CDU den Bundestagswahlkampf zu eröffnen. Das hat sich jetzt ja auch gezeigt, das ist ja auch nichts Böses, man muss nur sagen, um was es geht.
Es ist schade, Herr Wadephul, dass Sie zu diesem Anlass keine Neuigkeiten präsentieren, sondern in Ihrem Antrag zwischen Selbstverständlichkeiten und Allgemeinplätzen Textbausteine platzieren, die Sie offensichtlich aus Ihren bisherigen Anträgen oder aus Ihren alten Parteiprogrammen genommen haben. Sie schildern zum Beispiel jahrzehntealte Errungenschaften der Bonner CDU-Regierung vom Kindergeld bis zum Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Eben haben Sie die Anrechnungszeiten genannt. Sie schmücken sich dabei wie immer mit falschen Federn und vergessen wie immer zu erwähnen, dass Sie über weite Strecken, wenn es um die Verbesserung der
Situation von Familien gegangen ist, gerichtlich und parlamentarisch getrieben worden sind.
Viele berechtigte Klagen von Familien haben Ihre Bonner Kollegen bis zum Jahre 1998 schlicht und ergreifend ausgesessen. Nach dem Regierungswechsel 1998 mussten deshalb vom ersten Tag an ganz gewaltige Reformstaus aufgearbeitet werden. Wir haben sie in unserem Antrag auch genannt. Die erste Kindergelderhöhung ist sofort beschlossen worden. In dieser ersten Legislaturperiode ist das Kindergeld dreimal erhöht worden, insgesamt um mehr als ein Drittel. Die Erhöhung der kinderbezogenen Steuerfreibeträge beträgt fast ein Drittel, die BAföG-Reform, die Reform des Wohngelds, erstmals nach zehn Jahren angepasst. Ich denke, man kann guten Gewissens sagen, dass es in diesen dreieinhalb Jahren wirklich eine Offensive zugunsten von Familien in diesem Land gegeben hat.
Und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern real und diese Offensive geht auch weiter.
Meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Herr Wadephul, Sie stellen in den Mittelpunkt Ihres Antrags die Forderung nach dem Familiengeld und haben das auch als Schwerpunktthema Ihrer Rede genommen. Ich frage mich, warum Ihre Bonner Kollegen in den 16 Jahren, in denen sie die Möglichkeit gehabt hätten, dieses Familiengeld nicht eingeführt haben. Ich glaube, die Antwort ist relativ einfach, das würde 35 Milliarden € kosten und es ist nicht zu finanzieren, es sei denn, man verabschiedet sich von dem Ziel der Haushaltskonsolidierung oder man verzichtet auf die notwendige Verbesserung der Kinderbetreuungseinrichtungen, weil dafür dann kein Cent mehr zur Verfügung steht. Das muss man sagen.
Ich finde, das wäre verantwortungslos, gerade mit Blick auf die Kinder und die Zukunft, wenn man die Haushalte anschaut.
Wir haben in Schleswig-Holstein zusammen mit den Kommunen und den Trägern ein dichtes Netz von Kindertagesstätten geschaffen, deren Betrieb wir jährlich mit mehr als 53 Millionen € fördern. Das sind Beträge, von denen konnten wir vor zehn Jahren noch alle zusammen nur träumen. Wir wissen natürlich, da gebe ich Ihnen Recht, es gibt große Lücken bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren, bei der Ganztagsbetreuung von Schulkindern, aber auch in
den Kindertagesstätten. Diese Lücken müssen und werden wir beseitigen, denn das ist die Voraussetzung dafür, das wissen wir alle, dass Väter und Mütter wirklich die Möglichkeit haben, die Wahl zu treffen. Heute haben sie nicht die Wahl, weil die Kinderbetreuungsmöglichkeiten in der Breite nicht zur Verfügung stehen. Sie müssen die Wahl haben, zu Hause zu bleiben oder berufstätig zu sein. 20 % würden sich sicherlich entscheiden, zu Hause zu bleiben, 80 % das sagen Umfragen - würden zumindest teilzeit berufstätig sein wollen, können das aber zum Teil nicht. Hier werden wir unsere künftigen Schwerpunkte weiter setzen, Stichwort viermal 1 Milliarde. Wir werden die Bundesprogramme in Anspruch nehmen und unseren Teil dazu beitragen, also wirklich Schwerpunkte setzen.
Wir werden übrigens auch über die Neugestaltung des Bildungsauftrages in den Kindertagesstätten nachdenken müssen. Da gebe ich Ihnen durchaus Recht.
Ein Familiengeld nach dem Gießkannenprinzip, einkommensunabhängig verteilt, setzt den falschen Anreiz; es bei der Kinderbetreuung innerfamiliär so zu belassen, wie es jetzt ist, nämlich dass ein Elternteil in der Regel ist das die Mutter - auf die Erwerbstätigkeit verzichtet, die Einbahnstraße im beruflichen Leben riskiert, das wird es bei uns auch künftig nicht geben.
Ich komme zum Schluss. Die drei vorliegenden Anträge enthalten sicher eine Menge Stoff zur Diskussion und zum Streit. Wir möchten uns gern mit ihnen im Ausschuss beschäftigen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Findelkinder und Kindestötung gibt es seit Menschengedenken - auch heute, auch in unserem Sozialstaat mit seinem dichten Netz von Beratungsstellen, auch in unserer aufgeklärten, freizügigen und toleranten Gesellschaft. Frau Scheicht hat die Zahlen genannt, ich möchte sie nicht wiederholen. Es gibt zirka 40 Neugeborene im Jahr, die ausgesetzt werden, viele von ihnen tot. Sie hat auch auf die Dunkelziffer verwiesen. Was sind das nur für Mütter, heißt es dann im Blätterwald. Bezeichnenderweise habe ich nirgendwo die Fragestellung gefunden, wo denn die Väter sind, die die Frauen und Kinder allein gelassen haben. Aber das ist wohl ein anderes Kapitel.
Was sind das für Mütter? Frau Scheicht hat die Gruppen, die besonders gefährdet sind, aufgezählt. Es sind vor allem die jungen, sehr unerfahrenen Frauen, die ihre Schwangerschaft oft aufgrund ihrer Unerfahrenheit spät entdecken und dann vor sich selbst bis zuletzt verbergen. Sie entbinden auf öffentlichen Toiletten, im Wald oder im Keller und sind verstört und in Panik. Sie bringen damit das Leben und die Gesundheit ihres Kindes, aber auch sich selbst in Gefahr - alles nur, damit auf keinen Fall ihre Schwangerschaft entdeckt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sicher jede Anstrengung wert, in dieser Konfliktsituation Hilfen zu geben und nach neuen Wegen zu suchen, weil es ganz offensichtlich eine Lücke in unserem System, bei den bestehenden Angeboten gibt. Die so genannte anonyme Geburt, die die medizinische Hilfe möglich macht, ohne dass die Helfer verpflichtet sind, die Mütter „zu verraten“, sprich die Mütter vor dem Standesamt zu nennen, mag ein Weg sein. Allerdings streiten Fachleute darüber, ob gerade die am meisten gefährdeten Frauen - die besonders Jungen, die besonders Rat- und Hilflosen, die sich an keinen Menschen wenden - diesen Weg sehen, den Weg in die Klinik finden und die Möglichkeit der anonymen Geburt als Lösung ihrer Probleme annehmen.
Frau Scheicht, Sie haben auf die Initiative verwiesen, die Ihre Partei auf Bundesebene gestartet hat. Die
anonyme Geburt sieht dieser Antrag allerdings nicht vor, sondern nur eine Verlängerung der Meldefrist von einer auf zehn Wochen. Das ist keine richtige anonyme Geburt, sondern nur ein Verschieben der Problematik.
- Ja, das habe ich in meinem Konzept auch geschrieben. Es ist sicher etwas Positives, dass sich aufgrund Ihres Antrages in Berlin eine interfraktionelle Gruppe zusammengefunden hat, die an diesem Problem arbeitet und eine umfassende Lösung sucht. Allerdings - ich habe gesagt, das Problem gibt es seit Menschengedenken - hatten Sie - einen sicher unerheblichen Teil dieser Zeit - die Gelegenheit dazu, das Problem anzugehen. Deshalb ist die große Mahnung, die Sie hier ausgesprochen haben, nicht berechtigt.
Wie auch immer, Sie mahnen den Zeitablauf an, aber ich glaube, es ist gut, wenn man an diese Problematik mit Bedacht herangeht. Es sind schwierige Entscheidungen zu treffen.
Natürlich möchten ich und alle in meiner Fraktion, dass eine humane und risikofreie Geburt auch für die genannten Personengruppen möglich ist. Natürlich möchte ich den Frauen auch Gelegenheit geben, nach dieser schwierigen und geheim gehaltenen Schwangerschaft noch einmal in Ruhe darüber nachzudenken, ob es nicht doch einen gemeinsamen Weg mit dem Kind geben kann. Natürlich ist jedes einzelne Kind, das auf diese Weise - durch die anonyme Geburt - zu retten ist, es wert, Kompromisse einzugehen.
Aber es gibt auch ganz konkrete rechtliche Hürden, die man nicht verschweigen darf, nur weil man etwas Gutes tun möchte - und das mit aller Macht. Sie wissen, dass nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der UN-Kinderkonvention ein garantiertes Recht für jeden von uns besteht, die eigene Abstammung zu kennen. Und ein Kind, jeder Mensch, hat sicher nicht nur dieses abstrakte Recht, sondern wenn Kinder heranwachsen, haben sie auch ein konkretes Bedürfnis, ihre Wurzeln zu kennen. Sie suchen danach. Die Adoptionsberatungsstellen machen darauf aufmerksam, dass sie mehr mit Suchanfragen beschäftigt sind als mit neuen Vermittlungen. Ich denke, auch diese Problematik muss man im Hinterkopf haben.
- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
Und deshalb ist es mir ein Anliegen - das haben Sie auch angesprochen -, dass auch nach einer Änderung des Personenstandsgesetzes die anonym bleibenden Mütter eine Nachricht an ihre Kinder hinterlassen müssen, einen Abschiedsbrief, eine Spur, die die Kinder zu ihrer eigenen Identität hinführt, auch wenn es nicht der Name der Mutter ist. Es ist mir wichtig, dass weiter festgelegt wird, dass in den Beratungen, die stattfinden sollen, die Frauen darauf aufmerksam gemacht werden müssen, wie wichtig das für ihre Kinder ist.
Ich unterhalte mich gern im Ausschuss mit Ihnen weiter über diese Problematik. Ich möchte gern Informationen darüber haben, wieweit die Beratungen in Berlin gediehen sind. Dann ist sicher auch darüber zu beraten, was auf Landesebene zu geschehen hat, um das auszuführen - im Interesse der Frauen und auch der Kinder.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wadephul, ich möchte hier jetzt nicht plötzlich eine neue Diskussion über Abtreibung führen.
Wir haben keine Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs. Im Gegenteil! Es ist ein aufwendiges Verfahren vorgesehen, das sehr wohl das Recht der Mutter gegen das des Kindes abwägt. Ich glaube deshalb, in dieser Diskussion, die wir heute führen, hat dieser Hinweis einfach keinen Platz.
Die interfraktionelle Übereinstimmung ist heute oft bemüht worden. Es gibt eine interfraktionelle Arbeitsgruppe - das ist richtig -, die den Weg sucht, Hilfestellungen für diese Frauen zu finden, die den Weg sucht, die anonyme Geburt auf sicherere Beine zu stellen. Dieser Gruppe gehören aber nicht zu 100 % Mitglieder des Deutschen Bundestages an. Es gibt auch eine interfraktionelle Gruppe, die sagt, wir müssen damit sehr sorgfältig umgehen, die sagt, wir müssen bedachtsam auch die Rechte der Kinder auf Kenntnis ihrer Herkunft prüfen. Das ist auch eine interfraktionelle Gruppe.
Dann gibt es gewichtige Gruppen - zum Beispiel den Kinderschutzbund -, die diese Diskussion mit sehr großen Vorbehalten verfolgen.
Ich bin wirklich geneigt, beim Thema der anonymen Geburt das Wohl der Frauen voranzustellen. Ich
möchte aber auch für mich in Anspruch nehmen, dass ich damit ganz große Bauchschmerzen habe, dass ich mich damit nicht leicht tue.
Wie gesagt, wir wollen darüber im Ausschuss gern sprechen und uns gegebenenfalls noch in die Diskussion über unsere diversen Parteischienen, über unsere Frauenorganisationen einmischen, um dann zu sehen, was auf Landesebene zu machen ist.
Es ist angesprochen worden, dass wir vielleicht ein anderes Angebot bei den Beratungsstellen brauchen, damit die Frauen - diese besondere Gruppe - dann auch angesprochen werden.
Das, was wir auch brauchen, ist ein anderes Bewusstsein gegenüber den Müttern, die ihre Kinder zur Adoption freigeben. Ich habe manchmal so das Gefühl, dass Frauen, die Kinder in die Adoption geben, nicht viel weniger als Rabenmütter angesehen werden als diejenigen, die ihr Kind in die Babyklappe legen. Wenn die Adoption für die Frau eine letzte Möglichkeit ist, müssen wir sie von dem Makel befreien, dass sie sich vor ihrer Aufgabe drücken will. Diesen Punkt sollten wir in Angriff nehmen.
Ich habe das in der Tat nicht verstanden.
- Sie haben Glück, Herr Kubicki!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man möchte ja glauben, dass die Vokabel „Menschenhandel“ der Vergangenheit angehöre, aber das ist ein Irrtum. Der Handel mit Mädchen und Frauen, ihr Verkauf in die Prostitution, aber auch in Zwangsarbeit oder in illegale Beschäftigungsverhältnisse, in Zwangsehen hat Konjunktur und verspricht lukrative Geschäfte. In Europa ist übrigens die Bundesrepublik Deutschland das Hauptabnehmerland für die „Ware“ Frau. Das ist eine Schande!
Schleswig-Holstein - das zeigen die uns hier vorliegenden Zahlen - ist wohl nicht das Zentrum dieser Form von Sklavinnenhaltung. Aber ein Blick auf die Herkunftsländer der Frauen - etwa 90 % stammen aus Europa; die Ministerin sagte es - macht doch deutlich, dass Schleswig-Holstein so etwas wie eine Drehscheibe für diese Art von Märkten ist. Also sind wir doch stark betroffen.
Im Rahmen der Ostseekooperation gibt es eine Menge von Aktivitäten, von enger Zusammenarbeit. Ich war von der Vielzahl der Kontakte, Fachtagungen und so weiter, die in der Antwort aufgeführt sind und die in der Vergangenheit schon zum Thema Menschenhandel stattgefunden haben, überrascht. Ich denke, in Zukunft - das ist auch die Forderung der Hilfsorganisationen muss auch verstärkt Wert darauf gelegt werden, dass in dieser Zusammenarbeit auch ein Schwerpunkt darauf gelegt wird, die Frauen in den Herkunftsländern zu informieren, sie vor den falschen Versprechungen der Menschenhändler zu warnen.
Noch einmal zurück zu Schleswig-Holstein und zu der vorliegenden Antwort auf die Große Anfrage! 40 Frauen oder Mädchen sind im Jahr 1998 in SchleswigHolstein als Opfer von Menschenhandel bekannt geworden, 14 im Jahr 1999. Das scheint in dieser gewalttätigen Welt nicht viel zu sein, aber diese Zahlen muss man natürlich unter großem Vorbehalt betrachten: Die Dunkelziffer ist sehr hoch.
Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ den ich die letzten Tage in die Hände bekommen habe, beziffert die polnische Justiz die Zahl der Frauen, die jährlich in die Bundesrepublik „importiert“ werden, auf an die 20.000. Das ist nur die Größenordnung bezüglich eines Herkunftslandes.
Viele kommen aufgrund falscher Versprechungen, viele landen in der Illegalität, sind hoch verschuldet. Viele dieser Frauen erscheinen aber nicht in den Statistiken, die uns vorliegen; sie werden nicht als Verbrechensopfer wahrgenommen, denn - das ist eben schon
gesagt worden - nur der Handel in die Zwangsprostitution gilt juristisch als Menschenhandel und wird entsprechend geahndet.
Dass viele dieser Menschen verachtenden Geschäfte im Dunkeln bleiben, liegt auch an der geringen Bereitschaft der betroffenen Frauen, die Täter anzuzeigen. Sie sehen sich nämlich nicht nur als Opfer, sie sehen sich aufgrund ihrer unerlaubten Einreise, aufgrund fehlender Ausweispapiere, aufgrund ihrer Arbeit in der Prostitution auch selbst als Täterinnen und scheuen deshalb den Gang zur Polizei, wenn sie denn überhaupt die Möglichkeit dazu haben.
In der Tat sind sie in der Vergangenheit ja auch sofort ausgewiesen worden und standen dann nicht mehr bei den Prozessen zur Verfügung. Das ist geändert worden und ich meine, dass es schon ein großer Erfolg ist, dass heute eine Abschiebefrist von mindestens vier Wochen gilt, die verlängert werden kann, wenn die Frauen vor Gericht aussagen.
Es gibt auf Bundesebene Initiativen von den Grünen und von der SPD, die dahin gehen, die Definition von „Menschenhandel“ auf Zwangsheirat und Zwangsarbeit auszuweiten. Wir unterstützen diese Initiativen, weil wir der Meinung sind, dass Frauen, die nach Deutschland verschleppt werden, bei den zuständigen Behörden Schutz und Hilfe finden müssen. Wir sind auch der Meinung - hier gehe ich mit Ihnen durchaus konform -, dass ein wirksamer Opferschutz und ein Zeuginnenschutz wirksame Handhaben gegen die Täter sind.
Dann möchte ich noch ansprechen, dass der Informationsaustausch international, aber auch innerhalb Schleswig-Holsteins funktionieren muss und dass dieser sicherlich ausbaubedürftig ist. Deswegen freue ich mich, dass die Beratungsstelle „contra“, deren Arbeit wir schon in der Modellphase kennen und schätzen gelernt haben, weitergeführt werden kann. Es ist sicherlich bedauerlich, dass die Beratungsstelle nicht mehr die Landesmittel zur Verfügung hat, die sie in der Modellphase hatte, aber trotzdem empfinde ich es als Erfolg, dass hier ein Modell weitergeführt wird, dass mit den Trägern darüber verhandelt wird, dass sich das Land weiterhin beteiligt, weil hier eine Landesaufgabe festgestellt wird. Deswegen möchte ich die Tatsache, dass das Land und die Kirche die Finanzierung halbe-halbe tragen, durchaus als Erfolg darstellen.
Es kommt mein letzter Satz!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen gern im Ausschuss darüber beraten, was hier in SchleswigHolstein bei der weiteren Bekämpfung des Menschenhandels, bei der Bekämpfung des Frauenhandels unser Anteil sein kann und was auch finanziell nötig ist, um die entsprechenden Hilfen zu organisieren.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für den vorliegenden Bericht ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien, beim Behindertenbeauftragten und seinem Büro sowie insbesondere auch bei den Einrichtungen und Initiativen, die mit ihren Berichten und Informationen über ihre Arbeit wichtige Beiträge dazu geleistet haben.
Schade, der Bericht hätte einen besseren Platz auf der Tagesordnung und damit etwas mehr Beachtung und Aufmerksamkeit verdient und benötigt,
denn die Frage nach den Lebenslagen von Mädchen und Frauen mit Behinderungen steht grundsätzlich nicht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Erst seit wenigen Jahren wird geforscht. Emperische Untersuchungen zur Sexualität von Frauen mit Behinderungen liegen ebenso wenig vor wie wissenschaftliche Untersuchungen zur Gewaltproblematik. Auch die aktuellen Statistiken - das weist der Bericht aus - von Polizei und Staatsanwaltschaft haben nur bedingte Aussagekraft. Hier ist also Handlungsbedarf gegeben, denn man muss die Daten kennen und Ursachen und Wirkungen benennen, um die Probleme angehen zu können.
Dass es diese spezielle Gewaltproblematik gibt, zeigt die Tatsache, dass es unter den befragten Einrichtungen, die ihre Informationen zur Verfügung gestellt haben, keine gab, die nicht von Fällen sexueller Gewalt zu berichten wusste. Auch internationale Untersuchungen machen deutlich, dass Menschen mit Behinderungen häufiger sexueller Gewalt und Belästigung ausgesetzt sind als Menschen ohne Behinderungen. Sie weisen außerdem aus, dass Mädchen und Frauen mit einer geistigen Behinderung ganz besonders gefährdet sind. Das hat auch seinen Grund, denn in den Lebensumständen der Frauen und Mädchen gibt es Faktoren, die das Risiko sexueller Gewalterfahrung erhöhen, zum Beispiel das Angewiesensein auf eine einzige Betreuungsperson, sexuelle Unaufgeklärtheit, oft die Verleugnung ihrer sexuellen Bedürfnisse durch uns Nichtbehinderte und die Erziehung zur Anpassung in einem System, in dem die geistig behinderte Frau oft auf eine ihr Leben lang währende Kinderrolle festgelegt wird. Sie ist festgelegt auf die Rolle eines Kindes, das sich oft nicht deutlich artikulieren kann und dem man solche Ungeheuerlichkeiten manchmal auch einfach nicht glaubt.
Daraus folgt, dass an den Risikofaktoren angesetzt werden muss, an den Bedingungen, unter denen Mädchen und Frauen mit Behinderungen bei uns leben. Deshalb ist es wichtig, dass künftig die Problematik Gewalt bei der Fortschreibung des Behindertenplans und bei der Psychiatrie- und Jugendhilfeplanung - wie in dem Bericht vorgeschlagen - berücksichtigt wird. Unser Ziel muss sein, Frauen und Mädchen mit Behinderungen in ihrer Entwicklung zu selbstbewussten Menschen zu stärken. „Kinder müssen trainieren, Nein zu sagen“, hat Frau Ministerin Lütkes vor kurzem gesagt. Ich meine, der vorliegende Bericht zeigt, dass wir gerade bei der Erziehung von behinderten Kindern
darauf achten müssen, dass das Selbstbewusstsein gestärkt wird. Ziel muss sein, die Fachkräfte in der Behindertenarbeit und auch die Angehörigen zu informieren und in die Lage zu versetzen, Signale zu erkennen, die auf sexuelle Gewalt hindeuten.
Es gibt ein ganzes Bündel von unterschiedlichsten Hilfs- und Beratungsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen mit Behinderungen und Fortbildungsmöglichkeiten für Menschen, die mit behinderten Frauen und Mädchen leben und arbeiten. Sie sind in dem Bericht aufgeführt. Bei der Koordinierung dieser Angebote hat der Verein Mixed Pickles in den letzten Jahren in einem Modellprojekt Pionierarbeit geleistet. Vielen Dank für diese Arbeit, die in dem Bericht ausdrücklich eine sehr gute Note bekommt.
Diese überregionale Vernetzungsarbeit ist auch künftig notwendig. Darüber waren sich alle im Sozialausschuss einig. Ich weiß nur noch nicht, wo das anzusiedeln und womit das zu finanzieren ist. Das treibt mich um. Ich habe deshalb die Bitte, diesen Bericht heute zur Kenntnis zu nehmen - wie es der Sozialausschuss vorschlägt -, ihn aber nicht so weit wegzulegen, denn ich bin sicher, wir werden bei den Haushaltsberatungen noch einmal auf ihn zurückkommen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tatsache ist, Männer und Frauen in Deutschland wünschen sich mehr Kinder, als sie tatsächlich in die Welt setzen.
Für die meisten ist es eine bewusste Entscheidung, die sie auch mit Blick auf das Wohlergehen ihrer Kinder treffen. Es darf einen nicht wundern, wenn man weiß, dass mehrere Kinder und gegebenenfalls keinen Partner an der Seite zu haben das Armutsrisiko überhaupt bedeutet.
Das Bundeskabinett berät deshalb heute den Gesetzentwurf für die zweite Stufe des Familienförderungsgesetzes, mit dem Familien weiter entlastet werden sollen.
Die beiden Anträge der FDP-Fraktion und der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die wir hier zu beraten haben, beziehen sich auf dieses Vorhaben. Wir sind uns mit der FDP-Fraktion in der Zustimmung zur Anhebung des Kindergeldes auf 300 DM einig. 30 DM monatlich mehr mag für manche Kinkerlitzchen sein, aber es ist die dritte Erhöhung seit 1998. Das bedeutet eine Steigerung von 36 % in einem Zeitraum von drei Jahren. Das ist eine Quote, die sich sehen lassen kann.
Es geht aber nicht nur um die Erhöhung des Kindergeldes um 30 DM, sondern um ein ganzes Maßnahmenpaket mit einem Volumen von 4,6 Milliarden DM zugunsten der Eltern. Das ist ein Paket, mit dem im Übrigen auch das bekannte Verfassungsgerichtsurteil in einem weiteren Schritt umgesetzt werden soll. Die steuerliche Berücksichtigung des Erziehungsbedarfs sowohl für Alleinerziehende als auch für Elternpaare soll mit diesem Maßnahmenpaket - diesem Urteil entsprechend - gewährleistet werden. Daneben wird es neue steuerliche Abzugsmöglichkeiten für die Ausbildung beziehungsweise auswärtige Unterbringung erwachsener Kinder und für Betreuungskosten, die durch die Berufstätigkeit von Eltern jüngerer Kinder notwendigerweise anfallen, geben.
Der Familienleistungsausgleich wird also nicht nur über das Kindergeld, sondern auch im Steuerrecht
weiterentwickelt. Ich denke, im Rahmen dieser Steuergesetzänderung muss auch erlaubt sein, bisherige Ausgleichs- und Abzugsmöglichkeiten abzuändern oder zu beenden, nachdem jetzt Neuregelungen anstehen. Wir haben deshalb dem FDP-Antrag, der offensichtlich neben der Kindergelderhöhung keinen Handlungsbedarf für Änderungen beim Familienleistungsausgleich sieht - auf jeden Fall hat der Antrag dies nicht deutlich gemacht -, einen eigenen Antrag entgegengesetzt, der Ihnen vorliegt. Wir fordern die Landesregierung darin auf, sich dafür einzusetzen, dass Familien - neben dem Kindergeld - auch künftig entlastet werden. Das ist unsere Vorgabe. Konzeptionelle Änderungen des Steuerrechts - etwa beim Ausbildungs- oder Haushaltsfreibetrag -, wie es die FDP tut, wollen wir dabei nicht von vornherein ausschließen.
- Dazu wird Sie sicherlich etwas sagen!
Lassen Sie mich zu den einzelnen Punkten Stellung nehmen. Die Diskussion um die Abzugsfähigkeit des Schulgeldes ist vom Tisch. Das ist gut so. Ich sage das ganz deutlich, denn ich hätte mich auch dagegen ausgesprochen. Dies war ursprünglich in meinem Redekonzept so vorgesehen. Ich begrüße diese Nachricht. Anders ist das bei der Frage der steuerlichen Berücksichtigung von Haushaltshilfen. Das ist nun alles andere als eine Maßnahme, die die Familie Normalverbraucher begünstigt. Diese Steuerabzugsmöglichkeit ist nicht an das Vorhandensein von Kindern in der Familie gebunden. Sie ist noch nicht einmal an die Berufstätigkeit der Steuerpflichtigen gebunden. Es ist auch keine Steuerabzugsmöglichkeit, die zurzeit tatsächlich in nennenswertem Umfang von berufstätigen jungen Eltern kleiner Kinder genutzt wird, also von Familien, über die wir jetzt reden.
Wir alle - Bund, Land, Kommunen und Arbeitgeber sind gefordert, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Dieses Dienstmädchenprivileg - wie es so schön heißt - leistet keinen Beitrag dazu. Es kann und muss weg.
Nach meiner Überzeugung hätte zu der anstehenden Gesetzesinitiative der Bundesregierung die Abschaf
fung oder zumindest die Kappung des Ehegattensplittings gehört.
Offensichtlich ist das nicht geplant. Ich bedauere das sehr. Wir fordern deshalb mit unserem Antrag, das Thema „Splitting“ endlich anzupacken
und dadurch frei werdende Gelder für das einzusetzen, was Familien neben der finanziellen Förderung auch brauchen, nämlich Wohnungen zu erschwinglichen Preisen, mehr Ganztagsbetreuung in Schulen und Kindertagesstätten, Hilfen, wenn es in der Familie gewalttätig zugeht, Angebote der Jugendarbeit und vieles mehr. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem es große Aufregung über die hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnisse gegeben hat, will ich Folgendes klar machen. Dies ist eine Uraltforderung der SPD-Frauen und der SPD insgesamt - Beschlusslage,
so viel ich weiß, auch der Grünen.
Sie hat auch ihre Berechtigung.
Vielleicht wissen Sie, dass ich im wirklichen Leben Finanzbeamtin bin.
Ich kann Ihnen versichern: Nicht der Personenkreis, den wir in der heutigen Diskussion meinen, ist es, der durch die Steuervergünstigung begünstigt wird. Bei 2.000 steuerpflichtigen Arbeitnehmern gibt es vielleicht eine Hand voll mit diesen Begünstigungen. Es sind nicht die Familien, die Frauen, gar die Alleinerziehenden, die diese Steuerbegünstigungen in Anspruch genommen haben. Es sind eher die Selbstständigen,
die sich das auch leisten können.
Deswegen kann ich Ihrem Angebot, unsere Anträge zusammenzustricken, beim besten Willen nicht folgen.
Ich gehe mit bei dem Protest gegen die Streichung des Abzugs von Schulkostenbeiträgen. Ich könnte auch Ihrem Appell folgen, die Entscheidungen bezüglich der Ausbildungsfreibeträge und des Haushaltsfreibetrages noch einmal zu prüfen. Das will ich gern mittragen.
Ich bestehe aber darauf, den Weg weiterzugehen, den die Bundesregierung eingeschlagen hat, nämlich die hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnisse künftig nicht mehr steuerlich zu berücksichtigen.
Ich verweise auch darauf, dass es die Möglichkeit gibt, Kinderbetreuungskosten steuerlich zu berücksichti
gen. Dies wird es bis zu einer Höhe von ungefähr 6.000 DM auch in Zukunft geben.
Frau Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen. Familie ist in. Keine soziale Institution hat in den letzten 20 Jahren einen so großen Zuwachs an Zustimmung erfahren wie die Familie. Frau Schwarz hat bereits darauf verwiesen, für 80 % bis 90 % der jungen Menschen ist Familie nach einer Umfrage des „Stern“ übrigens „wichtig bis sehr wichtig“. Allen Unkenrufen zum Trotz sieht deshalb die Jugend - Jungen ebenso wie Mädchen - in der Familie ihre Zukunft. Sie verbinden damit - wie auch frühere Generationen wie wir - die Erwartung auf Liebe, Zuverlässigkeit, Vertrauen und natürlich auch auf Kinder.
Trotzdem hat das Familienbild unserer Kinder und Enkelkinder nichts, aber auch gar nichts mehr mit dem Klischee der klassischen Familie der letzten 50 Jahre und der Arbeitsteilung zu tun.
Der Schritt vor den Altar ist heute keineswegs mehr Voraussetzung für die Gründung einer Familie. Immer mehr Kinder werden nicht ehelich geboren. Und die wohl gewichtigste Veränderung in meinen Augen ist, dass die Jungen heute ganz selbstverständlich von der Möglichkeit für beide ausgehen - Mann und Frau -, Elternschaft und Beruf, ja beruflichen Erfolg, Karriere zu verbinden, ohne die Bedürfnisse der Kinder dem Erwerbsleben zu opfern. Das ist ein hoher Anspruch an sich selbst, aber auch und gerade an uns Politikerinnen und Politiker, die wir die Voraussetzungen dafür schaffen sollen, dass das zu realisieren ist. Was von uns erwartet wird, ist, dass wir Voraussetzungen und Bedingungen dafür schaffen, die den Wunsch der jungen Menschen, Familien zu gründen und in Familien zu leben, nicht erschweren, sondern erleichtern.
Was die jungen Familien nicht brauchen, ist ein symbolischer Preis als Anerkennung für die frühzeitige
Vermittlung eines ethischen Leitbildes an die künftigen Generationen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die älteren unter Ihnen wissen: Im Januar dieses Jahres hat der Landtag der 14. Wahlperiode den Familienbericht der Landesregierung diskutiert. Frau Schwarz hat darauf verwiesen und festgestellt, dass es eine große Zahl und eine bemerkenswerte Vielfalt von Maßnahmen gibt, die Familien fördern. Es gibt auch eine Vielfalt von Organisationen und Institutionen, die sich für Kinder und Familie einsetzen und denen in der Tat zu danken ist. Das will ich an dieser Stelle auch gern tun. Oft würde ich mir wünschen, dass Regierungen oder Institutionen wie der Gemeindetag, wenn sie Verdienstorden oder Verdienstzeichen zu verteilen haben, das Kriterium Familienförderung öfter und ganz selbstverständlich in den Mittelpunkt stellen.
Ich komme noch einmal kurz auf den angesprochenen Familienbericht zurück. Ich denke, er zeigt, dass wir ein gutes Stück von der strukturellen Rücksichtslosigkeit weggekommen sind, von dem im fünften Familienbericht der Bundesregierung noch die Rede ist. Wir sind aber - das will ich gern eingestehen - lange noch nicht am Ende des Weges. Ich will auch gern eingestehen, dass mir die eine oder andere Kürzung in unserem Haushalt 2001 wehgetan hat. Ich denke aber, in der Summe kann man sagen, dass sich der Haushalt - was Familien- und Kinderpolitik angeht - sehen lassen kann, wenn man die problematischen Hintergründe berücksichtigt.
Wir anerkennen heute, dass Familie - darauf ist schon in der Rede von Ute Erdsiek-Rave verwiesen worden ebenso vielfältig ist wie die Menschen, die sich zusammentun. Wir berücksichtigen in unseren Maßnahmen, dass wir auf unterschiedlichste Bedürfnisse eingehen müssen. Wir beteiligen in zunehmendem Umfang Kinder und Eltern an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen. Denn sie sind die Experten in Sachen Familienpolitik. Übrigens sind sie auch Experten in Sachen Verkehrspolitik und in Sachen Wohnungsbaupolitik. Deshalb sind sie zu beteiligen.
Wir geben denen Hilfestellung, die bei der Bewältigung ihrer Probleme allein nicht zurechtkommen.
Wer Familienpolitik macht, darf nicht nur die rosarote Brille aufsetzen. Ich denke, der eine oder andere erinnert sich an den Vortrag zum Thema Rechtsextremismus von Professor Heitmeyer von vor wenigen Tagen in diesem Haus, der deutlich gemacht hat, dass die erste und beeindruckendste Begegnung mit Gewalt oft - allzu oft - in der Familie stattfindet. Auch das müssen wir, denke ich, sehen und auch insofern Unterstützung geben.
Es ist bei der Diskussion des Familienberichtes - das habe ich nachgelesen; ich war ja nicht dabei - auch festgestellt worden, dass Gutes immer noch verbessert werden kann. Diesem Anspruch stellen wir uns - nicht nur in der Sozialpolitik, sondern auch in anderen Politikbereichen, die ich in der Kürze der Zeit nur noch stichwortartig nennen kann: Es gibt nun auch Betreuungsmöglichkeiten in Krippe und Hort sowie bei der Schul- und Jugendarbeit.
Wie wir gesehen haben, brauchen Familien reelle Karrierechancen; das betrifft auch männliche und weibliche Teilzeitkräfte. Kinderfreundliche Wohnungs- und Wohnumfeldverhältnisse verlangen weitere finanzielle Entlastungen. Wie wir alle wissen, ist Berlin an diesem Thema bereits dran. Sonntagsreden brauchen Familien allerdings nicht.
Einen Familienpreis, der noch nicht einmal nennenswert dotiert ist - den entsprechenden Haushaltansatz habe ich jedenfalls nicht gefunden -, brauchen sie nicht. Das ist zu viel der reinen Symbolik. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als es in meiner Fraktion bei der Arbeitsverteilung für diese Landtagstagung um den Antrag Wegweiserecht bei häuslicher Gewalt ging, hieß es ohne Zögern: Frauenthema. Aber, Kolleginnen und Kollegen, das stimmt so nicht. Gewalt gegen Frauen und Kinder - darum handelt es sich ja in der Regel, wenn wir über häusliche Gewalt sprechen -, das ist kein Frauenthema, das ist kein Frauenproblem. Es ist ein Problem unserer Gesellschaft und unseres Rechtsstaats. Denn nicht nur Nachbarn sehen und hören weg, wenn es nebenan wieder einmal kracht. Auch staatliche Institutionen haben in der Vergangenheit häusliche Gewalt nicht nur missbilligt, sondern geradezu toleriert.
Schon die Bezeichnung häusliche Gewalt ist an sich eine Irreführung, eine Verniedlichung, die verharmlost, was sich hinter dem Begriff verbirgt, nämlich: Körperverletzung, Psychoterror, Vergewaltigung, Folter, Freiheitsberaubung, Totschlag - mit einem Wort: Menschenrechtsverletzungen. Wir sprechen also nicht über Kavaliersdelikte. Und was sich gewalttätig in den eigenen vier Wänden abspielt, ist keine Privatangelegenheit. Es wird aber oft so damit umgegangen, als wäre es eine Privatangelegenheit. Viele Frauen vertrauen nicht auf ein staatliches Eingreifen zu ihren Gunsten, oder sie haben dieses Vertrauen verloren. Sie flüchten!
Im Jahr 1999 haben rund 2.500 Frauen und Kinder in den Schleswig-Holsteinischen Frauenhäusern Schutz gesucht, und zwar in der Regel erst, nachdem sie wiederholt geschlagen worden waren. Das ist untragbar. Nicht die Opfer sollen fliehen müssen, der Schläger muss gehen.
Deshalb bin ich froh, dass wir es - trotz einiger Diskussionen über Spiegelstriche noch am vergangenen Mittwoch Nachmittag - geschafft haben, diesen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu formulieren. Ich hoffe, damit werden wir in der Sache ein Stück weiterkommen.
Die Bundesregierung hat einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auf den Weg gebracht und wir sollen und wollen unseren Landesanteil erbringen. Ein Punkt, der in unsere Zuständigkeit fällt, ist, die Wegweisung von Gewalttätern aus der gemeinsamen Wohnung durchzusetzen. Dazu ist es nötig, die schon bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten noch konsequenter auszuschöpfen. Das heißt auch, die Beteiligten bei Polizei und Justiz für diese Probleme zu sensibilisieren und entsprechende Fortbildungen anzubieten. Denn es erfordert in der Tat oft
einen Spagat für die Beamten, etwa zwischen dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und einem Eingriff zugunsten von bedrängten Frauen und Kindern abzuwägen.
Wichtig und hilfreich in diesem Zusammenhang - das haben die Erfahrungen im Ausland und in BadenWürttemberg bereits gezeigt - ist die enge Zusammenarbeit zwischen der Polizei und Einrichtungen, die Erfahrungen in der Beratung von betroffenen Frauen haben. Und wichtig - da möchte ich ausdrücklich meine Vorrednerin unterstützen - ist auch die Arbeit mit den Tätern, damit der Teufelskreis der Gewalt nicht immer weitergeht mit der bisherigen Partnerin und auch nicht neu beginnt mit der nächsten Partnerin.
Diese Zusammenarbeit der Institutionen, die Fortbildung, ist bereits im Konzept „KIK“ erprobt, das nach einer Modellphase in Kiel inzwischen auf das Land ausgedehnt worden ist. Ich bin davon überzeugt, dass bei „KIK“ auch die Aufgabe gut angesiedelt ist, mit dem bestehenden Instrument des Platzverweises effektiver umzugehen beziehungsweise aufzuzeigen, wo Handlungsbedarf besteht. Auf jeden Fall muss aber sichergestellt werden, gegebenenfalls durch neue und eindeutigere rechtliche Regelungen, dass dieser Platzverweis so ausreichend terminiert ist, dass es den Frauen möglich ist, rechtliche Hilfe in der Zeit der Abwesenheit des gewalttätigen Partners in Anspruch zu nehmen.
Meine Damen und Herren, Herr Präsident, wir beantragen die Abstimmung in der Sache. Wir hoffen, dass wir in den Ausschüssen bald etwas über erste Schritte zur Umsetzung hören werden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das „Hamburger Abendblatt“ hat kürzlich die Frage gestellt: Was sind das für Eltern, die ihre Kinder misshandeln? Die Antwort, die Elisabeth Trube-Becker, ein Gründungsmitglied des Deutschen Kinderschutzbundes, in dem dann folgenden Interview gegeben hat, lautet so:
„Misshandlungen und Gewalt gegen Kinder kommen in allen Kreisen - ohne Rücksicht auf Nationalität, Volksgruppe oder Religion vor. Fromme Leute misshandeln ihre Kinder genauso wie andere, Ärzte genauso wie Hilfsarbeiter. Mutter und Vater sind oft in gleicher Weise beteiligt.“
Und „die Dunkelziffer ist sehr hoch“, heißt es weiter in dem Interview. Oft sind besonders junge Eltern betroffen oder Täter.
Die Ursache für Gewalt gegen Kinder liegt oft in Unsicherheit, auch in der Überforderung der Eltern, die ja eigentlich nur das Beste für ihre Kinder wollen, aber das mit aller Macht.
Die so genannten „Schreikinder“ fordern ihre Eltern in ihren ersten Lebensmonaten, oft im gesamten ersten Lebensjahr, in der Tat in einem unglaublichen Maß. Es gibt keine Ruhephasen mehr, denn diese Kinder schlafen üblicherweise eben nur mal eine halbe Stunde am Stück. Das bedeutet für die Mutter: nicht mehr in Ruhe essen, nicht mehr in Ruhe duschen, geschweige denn schlafen zu können. Das bedeutet - zusätzlich zu den Umstellungen, die ein Neugeborenes ohnehin fordert - Dauerstress und Überforderung für die ganze Familie.
Wie soll man nun mit dem Problem umgehen? Patentrezepte gibt es sicherlich nicht. Ein Punkt wäre: Ich bin überzeugt davon, dass wir so etwas wie eine Elternschule brauchen, die schon Jugendliche auf Konflikte in ihrer künftigen Familie vorbereitet und auch darauf, dass Kinder eben nicht immer die süßen Babys aus den Hollywood-Filmen und mit denen zu vergleichen sind.
Es gibt konkrete Ansätze dafür. Gestern hat zum Beispiel im Kreis Schleswig/Flensburg eine Fortbildungsveranstaltung des Kreisjugendamtes für Mitarbeiter aus Schule und Jugendarbeit unter dem Motto „Elternschaft lernen“ stattgefunden. Ich denke, dass dies ein guter Weg ist und dass Schule und Jugendarbeit ein richtiger Ort für diese Art von Elternschule sind. Diese Geschichte sollten wir weiter verfolgen.
Wir brauchen natürlich auch konkrete Hilfestellungen, wie Thorsten Geerdts sie gefordert hat, für den Konfliktfall. Es gibt auch schon entsprechende Angebote, und ich wünschte mir, dass es dazu nicht nur den Bericht der Ministerin im Sozialausschuss gibt, sondern dass Kinderschutzbund und Familienberatungsstellen, Ärzte und Selbsthilfegruppen - ich habe gesehen: die gibt es sogar im Internet - und so weiter Gelegenheit bekommen, dem Sozialausschuss im Rahmen einer Anhörung darzustellen, dass es diese Möglichkeiten für die geplagten Eltern dieser „Schreikinder“ gibt und wo sie zu finden sind, und gegebenenfalls eben auch die Lücken aufzuzeigen.
Die Eltern müssen wissen, dass sie Anspruch auf Hilfe in Konfliktsituationen haben; aber die Eltern müssen auch wissen, dass Gewalt einfach nicht zu akzeptieren ist, so sehr die Eltern auch belastet sind. Es muss in alle Köpfe hinein, dass in unserer heutigen Gesellschaft Gewalt in der Erziehung keinen Platz mehr hat.
Gewalt - das sind eben nicht nur die schweren Prügel, Gewalt sind auch die Ohrfeigen, die angeblich noch niemandem geschadet haben, und Gewalt ist auch das Schubsen, Kneifen und Stoßen. Und Gewalt ist eben auch das Schütteln, das vermeintlich so harmlos ist, das aber bei Säuglingen - Thorsten Geerdts hat es bereits gesagt - schwere gesundheitliche Schäden bis zur Blindheit bewirken und sogar tödliche Folgen haben kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gewalt in der Erziehung darf einfach nicht länger gesellschaftsfähig sein. Deshalb hoffe ich, dass sich eine breite Mehrheit wie heute für den ursprünglichen CDU-Antrag demnächst finden wird, denn demnächst wird es in Berlin darum gehen, einen Gesetzentwurf von SPD und Grünen zu verabschieden, der Gewalt in der Erziehung ächtet und übrigens gleichzeitig auch Hilfen für die Eltern anbietet. Denn es kann dabei nicht darum gehen, die Eltern zu kriminalisieren. Es geht vielmehr darum, Gewalt in der Erziehung zu ächten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es reicht nicht aus, empört aufzuschreien, nach Hilfekonzepten zu rufen, wenn wieder einmal eine Schlagzeile darüber berichtet, dass ein Kind - ja - totgeschlagen worden ist, totgeschüttelt worden ist. Wir müssen unsere Grundeinstellung Kindern gegenüber ändern und ich bitte Sie alle - auch Sie auf der rechten Seite des Hauses -, dazu beizutragen.