Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei Herrn Benker von der SPD und bei Frau Aschmoneit-Lücke von der F.D.P. für die konstruktiven Beiträge in dieser Debatte.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lothar Hay [SPD] - Martin Kayenburg [CDU]: Ge- sundbeten hilft nicht, Herr Hentschel!)

Ich glaube, sie waren der Lage wirklich angemessen.

Ich bin etwas verwundert über Ihren Beitrag, Herr Kayenburg. Mehr kann man dazu gar nicht sagen. Sie erwarten offensichtlich, dass eine Ministerpräsidentin zu vertraulichen Gesprächen mit dem Verteidigungsminister fährt und anschließend im Land erst einmal herumerzählt, was sie denn mit ihm vertraulich besprochen hat.

(Martin Kayenburg [CDU]: Dann soll sie vorher keine Ergebnisse versprechen!)

Das ist eine merkwürdige Vorstellung, Herr Kayenburg.

Sie haben offensichtlich auch nicht mitbekommen, dass die Bundeswehr in den letzten Jahren interna

(Karl-Martin Hentschel)

tionale Aufgaben bekommen hat, die eine völlig neue Struktur erfordern. Das wundert mich allerdings nicht, da der vorige Verteidigungsminister, nämlich Herr Rühe, die notwendigen Strukturreformen in der Bundeswehr jahrelang verschlampt hat. Das muss man einfach feststellen. Denn die Tatsache, dass die Bundeswehr jetzt nicht mehr im Kalten Krieg steht, für den sie dementsprechend schwere Geräte haben musste, um sozusagen die Panzerschlacht in Mitteleuropa zu führen, sondern dass jetzt kleine bewegliche Geräte notwendig sind, damit die Bundeswehr bei internationalen Einsätzen in der Lage ist, friedenssichernd tätig zu sein, dass dazu psychologische Ausbildung gehört, dass dazu eine ganze Reihe von psychologischen Fähigkeiten gehören, dass also eine ganz andere Ausbildung nötig ist, dass völlig neue Strukturen nötig sind, alle diese Tatsachen sind anscheinend an Ihnen völlig vorbeigegangen.

(Zurufe der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Wolf- gang Kubicki [F.D.P.])

Gute Nacht, Herr Kayenburg!

Die Grünen begrüßen die Strukturreform und die Reduzierung der Stärke der Bundeswehr als Folge ihrer veränderten Aufgaben und wir glauben, dass die künftige Struktur und auch die Standortfrage nur von den Aufgaben der Bundeswehr her und nicht von den Standortinteressen einzelner Orten her entschieden werden können. Anders kann man es nicht machen; es wäre verantwortungslos.

Es ist völlig richtig - wie es Frau Aschmoneit-Lücke gesagt hat -, dass im Rahmen dieser militärischen Entscheidungen dann, wenn Alternativen möglich sind, allerdings geguckt werden muss, ob im Rahmen dieser Möglichkeiten auch Strukturentscheidungen vor Ort berücksichtigt werden können.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

So herum wird daraus ein Schuh.

Für diese Entscheidungen haben wir folgende Kriterien, die weitgehend auch mit dem übereinstimmen, was die Regierung vorgeschlagen hat. Ich glaube, dass es auch gute Kriterien sind.

Ein Punkt - damit möchte ich beginnen -, der einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf, ist die Tatsache, dass wir bei der Sicherung der Arbeitsplätze zwischen den Arbeitsplätzen von Soldaten und den Arbeitsplätzen von Zivilangestellten unterscheiden müssen; denn die Zivilangestellten und Arbeiter bleiben anschließend mit ihren Familien am Ort, während die Soldaten bei Strukturverschiebungen entsprechend die

Standorte verlassen. Das heißt, die Zivilangestellten sind diejenigen, die dann zurückbleiben und für die neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Deswegen bedürfen die Zivilangestellten auch einer besonderen Beachtung und Gewichtigung bei strukturpolitischen Entscheidungen.

Zweitens glauben wir, dass es im Interesse der Bundeswehr und ihrer Familien, aber auch im Interesse einer militärisch sinnvollen Ausbildung falsch wäre, an allen Standorten ein bisschen abzuziehen, um möglichst viele Standorte zu retten, sondern wir glauben, dass es eher richtig ist, wenige lebensfähige Standorte zu haben, an denen dann entsprechend die notwendige Ausbildung, die notwendigen Strukturen vorgehalten werden können. Also lieber weniger Standorte als Schwerpunkte als viele kleine, um sagen zu können, man habe alle erhalten. Ich glaube, das ist bei der Entscheidung wichtig, wenn wir in die regionalen Diskussionen kommen.

Zum Dritten unterstützen wir die Forderung der Ministerpräsidentin, dass Schleswig-Holstein nicht überproportional von der Schließung der Standorte betroffen werden soll.

(Beifall der Abgeordneten Rainder Steen- block [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Ur- sula Kähler [SPD] und Christel Aschmoneit- Lücke [F.D.P.])

Wir unterstützen viertens ebenfalls die Forderung der Landräte aus den strukturschwachen Teilen SchleswigHolsteins, dass die besondere Problematik ihrer Regionen berücksichtigt werden soll, und die Feststellung, dass die Auswirkungen und die möglichen Kompensationen in Angeln zum Beispiel völlig anders sind als im Hamburger Rand.

Fünftens glauben wir, dass es durchaus sinnvoll ist, ernsthaft über ein Konversionsprogramm nachzudenken. Ich meine, dass diese Frage nicht ad acta gelegt werden sollte.

(Beifall beim SSW)

Ich stimme Ihnen vielmehr ebenfalls darin zu, Frau Aschmoneit-Lücke, dass wir über ein Konversionsprogramm nachdenken müssen; denn natürlich ergeben sich Auswirkungen in bestimmten Regionen, die nicht leicht kompensiert werden können.

Sechstens - das ist ein Punkt, der aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Zeit besondere Aufmerksamkeit verdient -: Wir brauchen eine schnelle unbürokratische Übergabe von nicht mehr benötigten Liegenschaften. Gerade in diesem Bereich haben sich große Schwächen gezeigt: Zum Teil hat es Jahre gedauert, bis die Liegenschaften an die Kommunen über

(Karl-Martin Hentschel)

geben werden konnten. Es gab teilweise auch unrealistische Preisvorstellungen der Bundesvermögensverwaltung. Ich glaube, dass es notwendig ist, über diese Frage nachzudenken. Ein Strukturprogramm kann zum Teil auch darin bestehen, dass Liegenschaften in bestimmten Regionen zu günstigen Preisen angeboten werden können, damit die Kommunen mehr Möglichkeiten haben, entsprechend zu planen, und nicht nur die höchstmögliche Verwertung die einzige Alternative bleibt.

Siebtens - das ist ein Punkt, der in der Debatte bisher noch eine geringe Rolle gespielt hat, uns aber besonders am Herzen liegt -: Wir wissen, dass auf einer Reihe von Bundeswehrliegenschaften erhebliche Altlasten liegen. Wir wissen auch, dass diese Altlasten entsorgt werden müssen. Wir fordern deshalb, dass entweder vor der Übergabe der Liegenschaften die Sanierung der Altlasten durch den Bund durchgeführt wird oder dass der Bund bei Übergabe der Liegenschaften zusichert, die Altlastensanierung, die anschließend notwendig wird, entsprechend zu finanzieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin mir sicher, dass Frau Simonis, unsere Ministerpräsidentin, alle Landräte und Politiker des Landes nicht deswegen zusammengerufen hat, um ihnen einmal zehn Punkte aufzulisten, sondern dass sie es deswegen getan hat, um zuzuhören und zusätzliche Argumente für die Diskussion und für die Gespräche mit dem Bundesverteidigungsministerium zu sammeln. Ich bin mir ebenfalls sicher, dass sie in diesen Gesprächen die Interessen des Lande nicht auf dem offenen Markt, sondern vertrauensvoll und effizient vertreten wird.

(Beifall bei der SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Müder Beifall!)

Ich erwarte von allen Parteien, dass sie sich in dieser Debatte konstruktiv für die Interessen des Landes einsetzen und eben nicht lokalpatriotische Debatten nach dem Motto „Standort gegen Standort“ führen. Herr Kayenburg, Sie haben sich in Ihrem Beitrag erstens von der Strukturreform der Bundeswehr distanziert. Zweitens haben Sie gesagt, das alles sei gar nicht notwendig, es handele sich nur um eine Sparmaßnahme. Änderungen seien nicht notwendig. Das lässt mich darauf schließen, dass Sie bei jeder Schließung, die notwendig ist, vor Ort sagen: Nein, hier natürlich nicht! Wir sind die Kämpfer für die Bundeswehr, jeder Standort muss erhalten bleiben.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Herr Kayenburg, Sie sollten einmal an einer öffentlichen Veranstaltung der Bundeswehr teilnehmen. Dann

werden Ihnen die Generale sagen, welche strukturpolitischen Notwendigkeiten bestehen.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sie sind nie dabei!)

- Ich habe an der Kommandeurstagung in SchleswigHolstein teilgenommen. Wir haben über dieses Thema geredet. Ich fand es sehr interessant, dass der General sagte, die Grünen seien die Einzigen gewesen, die eingesehen hätten, dass man von den militärischen Notwendigkeiten der Bundeswehr ausgehen müsse, nicht aber von der Frage, wo die Deiche stehen, wenn es darum geht, Standortentscheidungen zu treffen.

(Beifall bei der SPD)

Da habe ich mich in meiner Position bestätigt gefühlt, Herr Kubicki.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Herr Kayenburg, ich habe die Befürchtung, dass Sie nicht bereit sind, die notwendige Verantwortung für die Entscheidungen zu übernehmen. Das zeigt, dass Sie nicht regierungsfähig sind. Das ist gut so, denke ich.

(Holger Astrup [SPD]: Das ist nichts Neues!)

Ich wünsche mir, dass Sie über diese Frage noch einmal nachdenken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Wichtigste vorweg: Wir können uns glücklich schätzen, in einer Zeit zu leben, in der sich Europa nach dem Fall der Mauer und dem Wegfall des OstWest-Konflikts ganz im Zeichen der Entspannung weiterentwickeln kann. Die vertiefte Zusammenarbeit in der Ostseeregion und die kommende Osterweiterung der EU sind dabei zwei Eckpfeiler dieser auch für Schleswig-Holstein positiven Entwicklung.

(Beifall bei SPD und CDU)

Schon vor einigen Jahren war klar, dass sich daraus gerade für die Bundesrepublik ganz neue Entwicklungen ergeben. Populär gesagt, ist uns der damalige Feind, der Warschauer Pakt, abhanden gekommen. Heute wissen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Anke Spoorendonk)

dass mein Vorgänger Karl Otto Meyer Recht hatte, als er sagte: Die Sturmflut kommt öfter als die Russen.