Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Deswegen ist es gut, dass wir heute als Parlament erneut über die Auswirkungen der Bundeswehrstrukturreform diskutieren, die Probleme öffentlich machen

und uns gemeinsam für den Erhalt von Standorten einsetzen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Allerdings müssen wir leider feststellen, dass Ihr Bericht, Frau Simonis, dürftig, dünn und ergebnislos war. Seit der Vorlage des neuen Bundeswehrstrukturreformkonzeptes haben Sie offensichtlich weder persönlich noch durch Ihren Standortältesten, den Innenminister Buß, irgendwelche wegweisenden Erkenntnisse gewonnen. Alles, was Sie uns gesagt haben, war schon im Sommer vergangenen Jahres aufgrund der Veröffentlichungen des Bundesverteidigungsministers bekannt.

Die neue Bundeswehrstrukturreform, die nach unserem derzeitigen Kenntnisstand auch für unser Land erhebliche Auswirkungen haben wird, unterscheidet sich aber grundlegend von früheren Reformen. Darin liegt das eigentliche Problem. Früher waren Truppenreduzierungen nämlich das Ergebnis veränderter strategischer Sicherheitslagen, über die wir uns in Schleswig-Holstein eigentlich nur freuen konnten. Mit der deutschen Einheit, mit dem Zerfall des Warschauer Paktes und mit dem Abzug sowjetischer Truppen aus Mecklenburg-Vorpommern entstand die neue Situation, auch in den neuen Bundesländern Truppen stationieren zu müssen. In diesem Zusammenhang will ich daran erinnern, dass es eines der großen Verdienste von Gerhard Stoltenberg, Ottfried Hennig und Volker Rühe war, mit der Nationalen Volksarmee und der Bundeswehr zwei Streitkräfte, die sich bis 1990 noch feindlich gegenüber standen, zu einer demokratischen Armee zusammenzuführen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Die daraus resultierenden Truppenreduzierungen - und das ist der entscheidende Punkt - haben einen ganz anderen Grund gehabt; sie waren nämlich ein Beitrag zu mehr Frieden in der Welt. Deswegen sollte die heutige Strukturreform, Frau Simonis, nicht mit diesen Strukturreformen in einen Topf geworfen werden.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum wird die Truppe heute reduziert? Er- klären Sie mir den Unterschied!)

- Frau Heinold, dass die Grünen davon nichts verstehen, ist uns ja bekannt. Lassen Sie mich doch ausreden, dann wissen Sie es. Die Reduzierung heute hat überhaupt nichts mit einer veränderten Sicherheitslage zu tun; sie ist damit überhaupt nicht begründbar.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

(Martin Kayenburg)

- Wenn Sie Zeitung lesen könnten, dann hätten Sie am 15. Januar dieses Jahres in der „FAZ“ lesen können, dass der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Admiral Wellershoff, festgestellt hat, dass das einzige Argument für die nunmehr bevorstehende Truppenreduzierung die Kassenlage des Verteidigungshaushaltes sei. Nichts anderes ist der Grund.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Es wird deutlich, dass die Personal- und Sachplanung einerseits und die Finanzplanung andererseits bei dieser Regierung ganz offenkundig drastisch auseinander fallen. Da steckt das Problem. Herr Eichel will seine Fehleinschätzung nicht korrigieren und trägt seine Sparpolitik auf dem Rücken unserer Bundeswehr aus, ohne dabei internationale Verpflichtungen zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU)

Wir halten das für falsch. Die jetzige Strukturreform ist nur aus der Not leerer Kassen geboren und nicht etwa die Folge eines Abrüstungsprozesses. Deswegen wehren wir uns auch gegen viele der jetzt vorgesehenen Standortschließungen, die unser Land hart treffen werden.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Herr Kayenburg, glauben Sie das, was Sie da erzählen?)

Die Aktion in Hohenlockstedt gestern Abend, wo die Bürger ihr Licht abgeschaltet haben, um für den Erhalt des Standortes „Hungriger Wolf“ zu demonstrieren, hat doch beinahe Symbolcharakter für das ganze Land und für viele Städte.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Holger Astrup [SPD]: Ihre Rede haben Sie offenbar auch im Dunkeln geschrieben!)

Wenn es uns nicht gemeinsam gelingt, für die Standorte erfolgreich zu kämpfen, werden nämlich an vielen Orten die Lichter ausgehen. Das wird nicht nur in den strukturell schwachen Regionen im Norden der Fall sein, sondern möglicherweise auch in der Landeshauptstadt Kiel. Die wirtschaftlichen Folgen einer eventuellen Schließung der Wehrbereichsverwaltung und ihrer Verlagerung ins Stammland des Bundeskanzlers können auch durch noch so viele Callcenter nicht abgefangen werden.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Frau Simonis, ich habe in vielen Gesprächen mit den Bürgermeistern, Landräten und Bundeswehrangehörigen den festen Eindruck gewonnen, dass unsere Kreise, Städte und Gemeinden in ihren Kenntnissen und Einschätzungen über die Auswirkungen weit besser

informiert sind, als Sie das vermuten. Deswegen kann ich die Hoffnungen, wie Sie sie eben artikuliert haben, überhaupt nicht verstehen. Die Landesregierung ist die Einzige, die offenbar nicht weiß, was mit dieser Strukturreform passiert. Das ist aber auch kein Wunder, denn anstatt dass sie sich im Sommer darum gekümmert hätten, die notwendigen Strukturdaten zu sammeln und Argumentationspapiere zu erarbeiten, mussten wir Sie in den Sitzungen des Innen- und Rechtsausschusses mehrfach auffordern, endlich tätig zu werden. Sie mussten geradezu gezwungen werden, in dieser wichtigen Strukturfrage unseres Landes etwas zu unternehmen. Ich will beispielhaft aus dem Protokoll des Innen- und Rechtsausschusses vom 11. Oktober des vergangenen Jahres zitieren. Dort heißt es:

„Abg. Schlie bittet um schriftliche Zuleitung einer Aufstellung von Bundeswehrstandorten, Dienststellen sowie Anzahl der Soldaten und Zivilbeschäftigten. Des Weiteren bittet er um Zuleitung der Argumentationen der Landesregierung für eine Stationierung des Wehrbereichskommandos sowie der Wehrbereichsverwaltung in Kiel.“

Dieser Antrag vom 11. Oktober ist dann endlich am 29. November, nachdem Herr Buß in seiner Not die Städte und Kommunen angeschrieben hatte, doch endlich etwas zu den Standorten zu sagen, und er am 18. Oktober in die Puschen gekommen war, als Argumentationshilfe erfasst worden.

Das große Treffen, Frau Simonis, zu dem Sie in der vergangenen Woche eingeladen hatten, war zwei Tage vor diesem Gespräch mit Herrn Scharping und war ein informelles Gespräch. Das war für mich nur eine PRMaßnahme ohne inneren Wert.

Herr Benker, wenn Sie sagen, es sei noch einmal Zeit bis März, darüber nachzudenken, dann kennen Sie offenbar die neueste Einladung der Ministerpräsidentin nicht, die in einer neuen Terminsetzung gesagt hat, dass die Argumente bis zum 15. Februar stehen müssten. Eine unverschämte Verkürzung!

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der F.D.P.)

Die Zehn-Punkte-Erklärung, Frau Ministerpräsidentin, die Sie dort vorgelegt haben, ist für mich eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen und Selbstverständlichkeiten, aber kein Handlungskonzept. Damit aber - das will ich hier deutlich unterstreichen - keine Missverständnisse aufkommen: Sie fordern darin auf, dass alle Initiativen, die in dieser Sache vom Land ausgehen, parteiübergreifend unterstützt werden sollen. Dazu kann ich nur sagen: Natürlich, machen wir!

(Martin Kayenburg)

Selbstverständlich gern, weil das dem Land nützen kann. Nur, nennen Sie mir doch nur einmal eine einzige Initiative, eine Landesinitiative in dieser Frage. Ich jedenfalls kann bis zum heutigen Tage keine einzige Initiative von Ihnen erkennen.

Wenn Sie die Diskussionen hier im Landtag anschauen, so sind die doch nicht von Ihnen angestoßen worden. Die Oppositionsparteien, die Oppositionsfraktionen haben diese Diskussionen hier angestoßen. Der Resolutionsantrag vom 1. September stammt von uns. Der hat doch erst die politisch notwendige Diskussion auf den Weg gebracht - nicht etwa Sie als Regierung. Das ist das, was wir Ihnen vorwerfen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Wenn ich mich erinnere, wie Sie bei früheren Reformen auf die früheren Verteidigungsminister eingeschlagen haben, dann kann ich nur sagen: Offenbar sind Sie jetzt so harmlos, weil Sie die rot-grünen Interessen über die unseres Landes stellen. Damit schaden Sie unserem Land, Frau Simonis.

(Widerspruch der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Ich jedenfalls finde es ganz toll, dass Herr Scharping Ihnen, Frau Simonis, bei Ihrem Treffen vor einer Woche in Hamburg Kriterien mitgeteilt hat, nach denen bei der Strukturreform verfahren werden soll. Dafür hätten Sie nun wirklich nicht nach Hamburg fahren müssen. Dazu hätten Sie nur lesen müssen, was er im Sommer schon gesagt hat. Also nichts als Aktionismus, aber kein Konzept.

Wer wie Sie Herrn Scharping in der Vergangenheit ja mit bestimmten Begriffen belegt hat, muss sich auch nicht wundern, wenn er von einem Mann, der grob beleidigt worden ist, erwartet, dass er sich für schleswig-holsteinische Interessen einsetzt, man ihn aber dafür nicht gewinnen kann.

(Holger Astrup [SPD]: So würden Sie han- deln oder was? Quatsch!)

Glauben Sie denn, dass Herr Scharping die Vorwürfe mit dem Autisten oder die Hinweise auf die Sandkastenspiele vergessen hat?

(Holger Astrup [SPD]: Herr Scharping wird mit Sicherheit nicht so entscheiden, wie Sie es ihm unterstellen! So ein Blödsinn!)

- Diese Sprüche der Frau Ministerpräsidentin, die mögen ja manchmal ganz flott sein, wirken sich heute aber nachteilig für unser Land aus. Das ist das Problem, Herr Astrup.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Holger Astrup [SPD]: Eine Plattheit reiht sich an die ande- re!)

Frau Simonis, wir fordern Sie auf,

(Holger Astrup [SPD]: Eine Plattheit nach der anderen!)

nunmehr endlich ein Konzept auf den Tisch zu legen, denn die Daten, die Sie bis jetzt genannt haben, reichen nicht einmal für ein Grobkonzept.

Ich kann zum Schluss nur eines sagen, Herr Standortbeauftragter Buß: Wenn Ihnen künftig nichts anderes einfällt, als für den Standort Neumünster bei Herrn Scharping damit zu werben, dass in der Hindenburgkaserne die Böden verseucht sind, dann sind Sie Ihrer Aufgabe nicht gewachsen.

(Beifall bei der CDU)

So jedenfalls werden wir bei uns keine Standorte sichern.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Zuruf der Ab- geordneten Ursula Kähler [SPD])

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei Herrn Benker von der SPD und bei Frau Aschmoneit-Lücke von der F.D.P. für die konstruktiven Beiträge in dieser Debatte.