Protokoll der Sitzung vom 25.01.2001

Proporzmodells geführt; dies gewährte allen vertretenen Parteien einen gewissen Einfluss. 1996 wechselte man mit den Mehrheiten in diesem Hause zu einem Regierungs- und Oppositionsmodell, wie wir es aus dem Parlament kennen. Außerdem wurde die strenge Trennung von Ehren- und Hauptamt durchgeführt und die Direktwahl der Bürgermeister und Landräte eingeführt. Dadurch wurde das hauptamtliche Element in den Kommunen, Kreisen und kreisfreien Städten gestärkt. Die Landräte und Bürgermeister erhielten mehr Einfluss, die gewählten Politikerinnen und Politiker weniger.

Dieses neue System hat so seine Tücken, weshalb alle Parteien es gern revidieren würden. Darum haben wir die Erörterung dieses Systems und der Grundlagen der Kommunalverfassung auch auf die Tagesordnung der jetzt voraussichtlich bald ehemaligen - Enquetekommission gesetzt. Wir wollten diese Problematik gemeinsam gründlich erörtern und hätten im günstigsten Fall einen einvernehmlichen Vorschlag der Fraktionen erreichen können. Die Kommission wird aber möglicherweise bald Geschichte sein und deshalb müssen wir heute stattdessen zu einem Gesetzentwurf der CDU Stellung nehmen.

Der Entwurf der CDU ist nach unserer Ansicht mangelhaft. Es fällt schwer, eine Systematik in den Änderungsvorschlägen zu erkennen, und grundlegende Probleme werden ausgeklammert.

(Beifall bei SSW und F.D.P.)

Das heißt nicht, dass wir alle vorgeschlagenen Änderungen für falsch halten, aber die Grundzüge halten wir nicht für richtig. Es werden einzelne Punkte aufgegriffen, die zwar im Einzelnen nachvollziehbar sind, aber die grundlegenden Probleme des Systems der neuen Kommunalverfassung überhaupt nicht anfassen.

(Anke Spoorendonk [SSW]: So ist es!)

Ein grundlegendes Prinzip der gegenwärtigen Gemeindeordnung ist, dass möglichst zwischen hauptamtlicher Stadtregierung und ehrenamtlichen Stadtoder Kreisparlamenten sauber getrennt werden muss. Dies spiegelt sich sicherlich am deutlichsten am Prinzip der Direktwahl wider, das klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten schaffen sollte. Es hat sich de facto aber gezeigt, dass diese Trennung gerade nicht gut funktioniert.

(Anke Spoorendonk [SSW]: So ist es!)

Vor allem das Instrument des Hauptausschusses hat sich nicht bewährt, der entgegen der von meinen Vorrednern geäußerten Ansicht nicht die Gemeindevertretung ist und auch nicht nur das Ehrenamt hat; es ist

(Silke Hinrichsen)

vielmehr die Gemeindevertretung selbst, die gestärkt werden muss.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Daher schlägt die CDU nunmehr eine Reihe von Aufgaben- und Kompetenzverlagerungen vor, die vor allem das Verhältnis zwischen Hauptausschuss einerseits und Landrat beziehungsweise Bürgermeister andererseits regeln soll. Die Lösungsansätze, die hierfür geboten werden, sind aber nur Flickschusterei.

(Holger Astrup [SPD]: Dürftig!)

Die Neuregelung des Hauptausschusses ist weder logisch noch praktikabel. Es wird hier offensichtlich ein Gremium angestrebt, das an den alten Magistrat erinnert. Das könnten wir im Prinzip begrüßen, weil so das ehrenamtliche Element und der kommunale Parlamentarismus gestärkt werden. Gleichzeitig soll aber der Bürgermeister den Vorsitz im Hauptausschuss übernehmen und dort auch noch ein Stimmrecht erhalten.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Das ist eine wirklich absurde Situation: Der Bürgermeister wird damit zum Vorsitzenden seines eigenen „Aufsichtsrates“ - natürlich mit Ausnahme des Berichtswesens.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW], Holger Astrup [SPD] und Dr. Ekke- hard Klug [F.D.P.] - Unruhe)

Wir verstehen, dass Probleme in Verbindung mit dem Hauptausschuss aufgegriffen werden; aber der Konflikt zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamt wird hierdurch überhaupt nicht systematisch gelöst und verstärkt sich durch den Gesetzentwurf.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sehr gut!)

Wenn Sie die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vor Ort fragen, wo die wirklichen Probleme liegen - es ist das Regierungs-Oppositions-Modell, mit dem eine gemeinsame Entscheidung für die Gemeinden nur schwer durchzusetzen ist, weil immer das Hauptamt dagegen steht.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Die Gemeindevertretung soll Aufgaben an sich ziehen können, obwohl diese durch Hauptsatzung bereits an einen Ausschuss oder den Bürgermeister übertragen wurden. Auch hier wird ein neues Konfliktpotenzial geschaffen, das kaum zu einem besseren Ablauf führen

wird. Es wird kein Zeitpunkt genannt, es fehlt auch ansonsten etwas.

Problematisch ist nach unserer Ansicht auch der Vorschlag, die Stellung der Vorsitzenden der Gemeindevertretungen zu stärken, während gleichzeitig den Ausschussvorsitzenden die Möglichkeit der Unterrichtung der Bevölkerung genommen wird.

(Beifall bei SSW und F.D.P.)

Damit wird wieder und weiter das Gewicht auf die großen Fraktionen gelegt und die Mitsprache aller vertretenen Parteien geschwächt. Eine Stärkung des Ehrenamtes - wie von allen auf die Fahnen geschrieben - ist überhaupt nicht erkennbar.

(Beifall bei SSW und F.D.P.)

Die CDU will das Ehrenamt stärken, indem an den Kompetenzen der Landräte und Bürgermeister gerüttelt wird - aber auch nicht zu doll, lieber auch denen noch ein bisschen mehr geben! Die Ehrenamtlichen sollen mehr Mitspracherechte erhalten und gleichzeitig sollen die Kompetenzen der Hauptamtlichen ausgeweitet werden. Dieser Spagat gelingt mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht. Das grundlegende Prinzip der neuen Kommunalverfassung mit den direkt gewählten hauptamtlichen Verwaltungschefs hat zumindest den Vorteil einer eindeutigen Zurechenbarkeit von Entscheidungskompetenzen und Verantwortlichkeiten. Wer den gewählten Politikerinnen und Politikern mehr Macht zurückgeben will, kann dies daher nicht tun, ohne über die Direktwahl nachzudenken.

(Beifall beim SSW)

Sonst schafft man ein System, dessen innere Logik überhaupt nicht mehr zusammenhängt.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sehr gut!)

Der SSW lehnt die Kommunalverfassung vom 23. Juli 1996 nach wie vor ab.

(Klaus Schlie [CDU]: Herr Kubicki, und jetzt?)

Daran würden auch die von der CDU vorgeschlagenen Änderungen wenig ändern. Sie würden im Gegenteil die Gesamtsituation noch verworrener machen. Ein wichtiger Maßstab für den SSW ist, dass die Entscheidungsstrukturen transparent sind. Nur so kann das Vertrauen in die kommunale Demokratie erhalten werden. Eben dies wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf mit Sicherheit nicht erreicht.

(Beifall bei SSW, F.D.P. und des Abgeord- neten Holger Astrup [SPD])

(Silke Hinrichsen)

Der CDU-Vorschlag hat aber noch eine Menge mehr aufgesammelt. Auf einige problematische Änderungen möchte ich gern noch eingehen.

Nach dem Vorschlag der CDU sollen in Zukunft die Kommunen den Nachweis darüber führen müssen, dass sie die gemeindlichen Aufgaben besser und wirtschaftlicher als Dritte erfüllen können.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Subsidiari- tätsprinzip! - Klaus Schlie [CDU]: Da haben wir selbst Zustimmung von der F.D.P.!)

Ein Gesetzesvorschlag aus dem Jahre 1998! Eine solche Änderung soll dem Subsidiaritätsgebot eine bessere Durchsetzungskraft verleihen und Privatisierungen auf kommunaler Ebene erleichtern.

(Klaus Schlie [CDU]: Richtig!)

Wir halten aber die bisherige Regelung weiterhin für besser.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie gibt den Gemeinden ein Entscheidungsermessen und Beurteilungsspielraum bezüglich der privaten Tätigkeit. Insbesondere werden Ansprüche Dritter auf Überlassung einer Aufgabe dadurch nicht gegeben. Die Gemeinde muss heute schon prüfen, ob sie die Aufgabe ebenso gut ausführen kann wie Dritte.

(Holger Astrup [SPD]: Sehr richtig!)

Damit besteht ausreichend Spielraum für Privatisierungen und aus unserer Sicht keine Notwendigkeit für Änderungen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Die hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte in Gemeinden über 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner ist weiterhin grundsätzlich notwendig.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Warum?)

Es ist nicht lange her, da hat der Landtag große Pläne zum Thema Gender Mainstreaming beschlossen. Wir brauchen Menschen, die für die konkrete Umsetzung solcher Sonntagsreden arbeiten. Die Gleichstellungsbeauftragten können ihre Gemeinden beim Gender Mainstreaming fachkundig beraten und unterstützen.