Protokoll der Sitzung vom 25.01.2001

finde ich geradezu beschämend. Das kann auch nur jemand machen, der in Kommunalparlamenten praktisch kaum noch vorkommt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU sowie des Abgeordneten Lars Harms [SSW] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Wir haben in dieser Debatte eine interessante Konstellation. Ich finde, es ist eine sehr demokratische Konstellation. Es gibt nämlich - wenn man die Debatte genau verfolgt hat - Positionen, die CDU und Grüne gemeinsam haben, es gibt Positionen, die SPD und Grüne gemeinsam haben, es gibt Positionen, die F.D.P. und Grüne gemeinsam haben.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Und der SSW!)

- SSW natürlich auch, den hören wir ja gleich. Wir stellen hier fest, es gibt an sich wenige parteipolitische Fronten, die klar sind. Es gibt auch kein Rechts-LinksSchema, sondern es geht darum, dass wir insgesamt darum ringen müssen, was für eine Kommunalpolitik die beste Verfassung ist, die wir gewährleisten können.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und bei der CDU - Klaus Schlie [CDU]: Gute Rede!)

Wir haben unsere Vorschläge im Oktober vorgelegt. Nun hat sich die CDU geoutet und eine ausgearbeitete Gesetzesvorlage eingebracht. Ich begrüße, dass die CDU hier konstruktiv etwas vorgelegt hat im Gegensatz zu dem, was wir in der Vergangenheit häufig erlebt haben. Deswegen mache ich es nicht - wie es die F.D.P.-Fraktion tut - zum Vorwurf. So sollte meiner Ansicht nach weiter parlamentarisch gearbeitet werden.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Unsere beiden Schwerpunkte sind erstens die Stärkung der Selbstverwaltung, insbesondere des Hauptausschusses, und zweitens die Stärkung demokratischer Beteiligungselemente, wie Bürgerentscheid, Einwohner- und Einwohnerinnenversammlungen, Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Angeli- ka Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir stimmen mit der CDU-Gesetzesvorlage hinsichtlich der neuen Aufgabenbestimmung des Hauptausschusses überein - sowohl wenn es darum geht, den Hauptausschuss wieder zum verwaltungsleitenden Organ zu machen,

(Beifall bei der CDU)

als auch wenn es darum geht, ihn zum koordinierenden Organ zwischen den Fachausschüssen und der Gemeindevertretung zu machen.

(Klaus Schlie [CDU]: Sehr gut!)

Wir stimmen auch überein in der Ausweitung des Berichtswesens. Wir schlagen vor, dass hier explizit festgehalten wird, dass sich das Berichtswesen auch auf die Weisungsaufgaben bezieht, weil ich glaube, dass auch bei den Kommunalpolitikern, auch wenn sie über Weisungsaufgaben nicht zu entscheiden haben, ein großes Interesse daran besteht, was in diesem Bereich passiert. Wir stellen oft genug Anträge im Landtag, mit denen wir Angelegenheiten der Bundesregierung berühren. Ich meine, das muss auf Kreisebene auch möglich sein.

Wir haben vorgeschlagen, die Abwahl der Bürgermeister und Landräte mit Zweidrittelmehrheit zu ermöglichen. Das hat die CDU auch getan. Ich glaube, das ist eine sinnvolle Regelung, weil es Situationen gibt, wo Gründe für die Abwahl vorliegen, die mehr in der Person des Betroffenen liegen, die man nicht unbedingt öffentlich thematisieren sollte. Solche Fälle sind in Schleswig-Holstein vorgekommen. Dabei wurden solche persönlichen Dinge öffentlich debattiert, um zu einer Abstimmung zu kommen und diese falschen Entscheidungen zu korrigieren. Es war praktisch nicht möglich, eine Abwahl durchzuführen, weil man solche Dinge natürlich nicht öffentlich thematisieren kann. Es muss also ein Notventil geben. Daher halte ich den Vorschlag der CDU, der eine Zweidrittelmehrheit vorsieht, für einen sinnvollen Vorschlag.

(Beifall bei der CDU)

Wir begrüßen den Vorschlag, den Beiräten in den Gemeindevertretungen Antragsrecht für die Gemeindevertretung zu geben, und schlagen vor, dass sie dann

(Karl-Martin Hentschel)

auch Rederecht haben, wenn das Mitglied, das vorträgt, nicht Mitglied des Gemeinderates ist.

Wir freuen uns besonders - das möchte ich hier hervorheben -, dass unser Vorschlag, die Quoren beim Bürgerentscheid in den größeren Gemeinden zu senken, von der CDU aufgegriffen worden ist. Über die Höhe der Quoren und den Vorschlag, die Mindestquote für die Mehrheit auf 20 % der Wahlberechtigten zu senken, denken wir ebenfalls nach. Damit wird der Anreiz gesenkt, einen Bürgerentscheid durch Totschweigen und mangelnde Öffentlichkeitsarbeit zu Fall zu bringen.

Darüber hinaus gibt es bei uns Überlegungen, das Themenspektrum für Bürgerentscheide zu erweitern. Wir werden ebenfalls die Vorschläge prüfen, zu einer weiteren Entbürokratisierung zu kommen. Was wir allerdings nicht für sinnvoll halten, ist, den Gemeinden freie Hand zu lassen, wenn es um den Verkauf von wissenschaftlichen, künstlerischen und historischen Wertgegenständen geht. Hier finde ich eine gewisse „Oberaufsicht“ manchmal doch ganz angemessen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir unterstützen die Erweiterung des Auskunftsrechts auch auf bürgerliche Ausschussmitglieder. Dies sollte dann aber auch für ernannte Beiratsmitglieder gelten.

Zu dem Vorschlag, die allgemeinen unteren Landesbehörden abzuschaffen und entsprechende Aufgaben in Weisungsaufgaben umzuwandeln, gibt es bei uns noch keine Meinungsbildung. So weit erst einmal zu den Punkten, die im Konsens oder nicht im Dissens sind.

Zu den Punkten, bei denen wir anderer Auffassung sind als der vorliegende Gesetzentwurf, zählt zuerst das Thema Gleichstellungsbeauftragte. Der Vorschlag, dies wahlweise zum Ehrenamt zu machen, würde diese Einrichtung zum Spielball kommunaler Parteipolitik machen. Das fände ich ausgesprochen schädlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Die wollen Sie doch gerade stärken!)

Im Gegenteil, die Position der Gleichstellungsbeauftragten sollte gestärkt werden, insbesondere durch ein Mitspracherecht im Hauptausschuss, wie es früher gewesen ist.

Ich glaube, dass es genügend Möglichkeiten gibt, in den Kommunen den Gleichstellungsbeauftragten Aufgaben im Bereich der Verwaltungsreform, der Bauplanung, im Bereich der Planung und Organisation von Veranstaltungen, Zuständigkeiten im Bereich von Kindertagesstätten und Jugendförderung zu geben. Es

gibt genügend Möglichkeiten, die Position der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten zu stärken und ihnen Aufgaben zuzuweisen, wenn eine Gemeinde der Meinung ist, dass sie nicht genug zu tun hätten. Es gibt genügend gute Beispiele. Ich erinnere nur an die Gemeinde Rellingen, die damals grundsätzlich Klage gegen die Gleichstellungsbeauftragten geführt hat und hinterher von der Arbeit, die dort vonstatten gegangen ist, total begeistert war. Dabei zeigte sich, dass Gleichstellungsbeauftragte hervorragende Arbeit in den Kommunen leisten können. Deswegen ist eine Änderung dieser Regelung in dem Sinne, wie Sie es vorgeschlagen haben, mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Wahl der Stadträte und von neu einzuführenden Dezernenten der Kreise mit einer Zweidrittelmehrheit lehnen wir ebenfalls ab. Ich glaube, dass damit diese Positionen dann lediglich ausgekungelt werden, sozusagen zwischen den beiden hier im Lande dominierenden Parteien. Ich finde es gut, dass das damals von der SPD abgeschafft worden ist, und wir sollten diese Regelung beibehalten.

Es gibt noch einige Punkte, die in dem Gesetzentwurf fehlen. Ich möchte sie nur kurz skizzieren. Es geht einmal um die Stärkung der Einwohnerfragestunde, der Einwohnerversammlung und der Kompetenzen der Ortsbeiräte sowie der Ausländer- und Jugendbeiräte, wozu wir Vorschläge gemacht haben.

Es geht weiterhin um die Stärkung der Rechte der kleinen Fraktionen. Der Vorschlag, das Verfahren Hare-Niemeyer einzuführen, kommt nicht nur von uns, sondern er wurde in fast allen Bundesländern bereits umgesetzt, auch auf Bundesebene. Allein SchleswigHolstein hinkt hier noch hinterher. Ich meine, das wird kommen, aber ich weiß, dass sich zurzeit die großen Fraktionen noch dagegen sperren.

(Holger Astrup [SPD]: Das stimmt!)

Ich kann das auch verstehen; denn das bedeutet natürlich, dass die kleinen Fraktionen prozentual genauso repräsentiert sind wie die großen Fraktionen und damit ein Stück Demokratie hergestellt wird. Von daher kann ich nur appellieren, dass wir in diesem Punkt endlich auch in Schleswig-Holstein weiterkommen sollten.

(Lars Harms [SSW]: Mehr Demokratie wa- gen!)

- Mehr Demokratie wagen, danke schön, Herr Harms!

Ich möchte auch die Ausschussvertretung der kleinen Fraktionen stärken. Heute ist es so, dass kleine Fraktionen, wenn die großen Fraktionen es nicht wollen, in keinem einzigen Gemeindeausschuss vertreten sind. Das halte ich für ungünstig. Ich weiß, dass ein

(Karl-Martin Hentschel)

Grundmandat schwierig ist; aber eine repräsentative Berücksichtigung der kleinen Fraktionen auch in den Gemeindeausschüssen sollte möglich sein. Dazu gibt es sogar Grundsatzurteile. In Bremen ist schon einmal ein solches Urteil gefällt worden mit einer entsprechenden Verpflichtung. Dieses Thema sollten wir wieder aufgreifen.

Der letzte Punkt, der mir in diesem Zusammenhang am Herzen liegt, ist die Vertretung durch bürgerliche Mitglieder in den Ausschüssen. Es ist ausgesprochen schwierig, wenn die kleinen Fraktionen gezwungen sind, sämtliche Ausschusssitze durch Gemeindevertreter darzustellen, während die großen Fraktionen zusätzliche bürgerliche Mitglieder heranziehen können. Ich glaube, dass wir in diesem Punkt etwas ändern sollten, dass wir die Regelung, dass die Hälfte der Ausschussmitglieder Gemeindevertreter sein sollten, abschaffen und damit etwas mehr Spielraum für die Fraktionen bei der Besetzung der Gemeindeausschüsse schaffen sollten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich stelle fest: Es gibt in einer Reihe von Fragen Übereinstimmung und in einer Reihe von Fragen Differenzen. Ich glaube, es ist im Interesse unserer Kommunalpolitik notwendig, dass wir diese Diskussion führen. Ich hoffe, dass sich die F.D.P. und die SPD möglichst bald positionieren. Ich habe Verständnis dafür, dass die SPD einen grundlegenden Diskussionsprozess mit ihren Kommunalpolitikern will. Das ist verständlich auch nach dem, was im letzten Jahr gelaufen ist. Davor habe ich Respekt. Ich meine aber, dass das nicht ewig dauern sollte, sodass wir möglichst in diesem Jahr zu einem Ergebnis kommen können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Holger Astrup [SPD]: Das schaf- fen wir!)

Ich erteile Frau Abgeordneter Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der SSW hat sich bereits 1995 gegen die so genannte neue Kommunalverfassung ausgesprochen.

(Beifall beim SSW)

Das haben wir getan, weil uns die grundlegende Systematik des neuen kommunalen Verfassungsrechts falsch erschien.

Hintergrund der neuen Gemeindeordnung von 1996 war und ist eben die grundlegende Änderung des Systems. Früher wurden die Kommunen im Sinne des

Proporzmodells geführt; dies gewährte allen vertretenen Parteien einen gewissen Einfluss. 1996 wechselte man mit den Mehrheiten in diesem Hause zu einem Regierungs- und Oppositionsmodell, wie wir es aus dem Parlament kennen. Außerdem wurde die strenge Trennung von Ehren- und Hauptamt durchgeführt und die Direktwahl der Bürgermeister und Landräte eingeführt. Dadurch wurde das hauptamtliche Element in den Kommunen, Kreisen und kreisfreien Städten gestärkt. Die Landräte und Bürgermeister erhielten mehr Einfluss, die gewählten Politikerinnen und Politiker weniger.